Jungs hier kommt der Masterplan

Am Dienstag stellen zehn Ruhrgebietsstädte in Gelsenkirchen einen Masterplan für das Ruhrgebiet vor. In dem Papier stecken acht Jahre Arbeit. Man hätte es aber auch in acht Wochen schaffen können…

"Masterplan –  das Wort schon" würde Lukas sagen. Gleich zwei Bedeutungen kennt Wikipedia für den Begriff Masterplan : 1. Ein Ausdruck für eine Übersicht über geplante Schritte zur Umsetzung einer Strategie oder zur Erreichung eines Ziels. 2. Ein informelles Planungsinstrument, eine Diskussionsgrundlage, eine Vision oder eine Strategie zur entwurflichen Bearbeitung eines größeren Gebiets. Klar, dass wenn sich zehn Städte im Ruhrgebiet zusammen tun, um einen Masterplan vorzustellen, nur zweiteres gemeint sein kann. Eine gemeinsame Vision, eine Strategie sucht man vergebens – der Masterplan ist eine Aufzählung diverser Projekte der Städte die, wie die Wasserlagen, zum Teil aus der Zusammenarbeit bei anderen Projekte wie Fluss-Stadt-Land herrührt, zum Teil einfach nur unter einem neuen Label zusammen gefasst wurden.

Geht es um die gemeinsame Vermarktung solcher Projekte ist das in Ordnung – nimmt man das Wort „Plan“ in den Mund ist das natürlich zu wenig. Nach jahrelanger Zusammenarbeit – das ganze geht immerhin auf die 2001 von der Bundesregierung gestartete Initiative Stadt2030 zurück – hat man nun für die drei Bereiche Wohnen, Städtebau und Stadtentwicklung und Region am Wasser nun den 188 Seiten dicken Masterplan vorgelegt. Schon der Anspruch des Buches ist denkbar gering: „ Beim Masterplan handelt es sich um ein informelles Planungs- und Kommunikationsinstrument. Es geht im Wesentlichen darum, in den bearbeiteten Handlungsfeldern auf regionaler Ebene – Ist-Situationen zu erfassen und zu bilanzieren – Stärken und Schwächen zu identifizieren – Entwicklungspotentiale abzuschätzen – Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen – Und damit eine Grundlage für weitere Räumliche Planung zu schaffen.“

Natürlich nicht für das ganze Ruhrgebiet, sondern nur für die kreisfreien Städte – die Kreise spielen bei diesem Masterplan keine Rolle. Entstanden ist so, neben der Auflistung der zum Teil heute schon nicht mehr aktuelle städtischen Projekte, ein wenig detailreiches Zahlenwerk und sich widersprechender Leitlinien: „Erhalt der polyzentralen Struktur“ und „Re-Urbanisierung“ passen nun einmal beim besten Willen nicht zusammen, wenn man einen Blick auf die Region als Ganzes wirft. Schön auch: Man will das Image des Wohnens im Ruhrgebiet verbessern – und gleichzeitig die öden Siedlungen aus den 50er und 60er Jahre weiterentwickeln, die klassisches Abrisskandidaten sind, aber einen Grossteil des Bestandes der kommunalen Wohnungsbauunternehmen ausmachen.

Noch vager ist der Stadtplanungsteil: Neben eine Liste von Projekten finden sich am Ende nur ein paar ganz allgemeine Sätze zum Thema Planung. „ „Die Städteregion ist ein Raum der Integration“, „…gemeinsame Qualitätsstandards entwickeln (Was in acht Jahren offensichtlich nicht gelungen ist) oder auch: „Das Ziel ist der Erhalt und die Weiterentwicklung der Lebens- und Gestaltqualität und eine verträgliche Mischung der Funktionen Wohnen, Arbeiten, Konsum, Erholung, Freizeit und Verkehr unter der Einbeziehung von ökologischen, ökonomischen und sozialen Belangen.“ Dann werden die Wasserlagen des Ruhrgebiets gelobt, die ja wirklich prima sind – aber das war es dann auch schon.

Über Wirtschaft und Einkaufen will man weiter reden. Später. Wenn am Mittwoch der Plan nach achtjähriger Arbeit vorgestellt wird, ist er nicht nur als Ergebnis von achtjähriger Arbeit peinlich – er ist vor allem ein Zeichen dafür, dass die Städte es nie schaffen werden, sich gemeinsam auf mehr als ein paar unverbindliche Sätze in einer bunten Broschüre zu einigen – und es auch gar nicht wollen. Der Masterplan ist ein Verhinderungsinstrument. Er simuliert die Handlungsfähigkeit der Städte um verbindliche regionale Lösungen zu blockieren. Aber auch um das zu erreichen ist er zu schlecht. Wie heißt es doch so schön in Ritter aus Leidenschaft: Du wurdest gewogen, gemessen und für nicht gut genug befunden.

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Foto: Die Linke

Essen: Die Linke wird radikaler…Der Westen

NRW: Mehrheit für CDU und FDP…Ruhr Nachrichten

Kommunalwahltermin: SPD will nicht locker lassen…Der Westen

Nazis: Vier Verletzte in Haltern…Ruhr Nachrichten

Opel: Woche der Wahrheit…Welt

Krise: Pieper gegen Unternehmenssteuerreform…Wirtschaftswoche

Rundfunk: Öffentich-Rechtliche online…Kueperpunk

Medien: Bottrop im Lufthansamagazin…Bottblog

BarCamp: Burning Down the House…Coffee & TV

Zwei große Dinge: Camplanungen…Prospero

Heißes Gerücht – Kabinettsrochade in Düsseldorf

Es gibt ein Gerücht, das ich nicht abwegig und im Gegenteil ganz unterhaltsam finde. Deswegen verbreite ich es hier.

Wie bekannt ist, entstand nach dem Abgang von Oliver Wittke (CDU) als NRW-Verkehrsminister ein Loch am Kabinettstisch von Ministerpräsident Jürger Rüttgers (CDU). Und das soll nun angeblich wie folgt geschlossen werden: wie ich gehört habe, soll NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) umsatteln und Verkehrsministerin werden. Dafür soll NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) aus dem Amt scheiden. Ihm soll als Nachrücker einer aus der zweiten Reihe, wie Innen-Staatssekretär Palmen (CDU), auf den Chefsitz folgen. Damit die FDP wieder ihre zwei Minister bekommt, soll anschließend Fraktionschef Gerhard Papke (FDP) neuer Wirtschaftsminister werden.

Wie gesagt, das ist ein Gerücht. So eines, wie man es im Internet verbreitet findet. Eben auch hier. Aber ich hab das jetzt dreimal gehört. Und vielleicht ist was dran.

Datteln: New Park in Turmoil

Karte: New Park / Datteln

Irgendwie finde ich es immer bedenklich, wenn Städte ihre Planungen mit englischen Begriffe umschreiben. New Park ist so ein Ding. Grundsätzlich ist es toll, dass hier die Städte rund um Datteln und Waltrop ein neues Industriegebiet gemeinsam planen. Hinter dem Begriff New Park steckt jedoch jede Menge Schaumschlag, der nun in sich zusammensackt. Oder anders gesagt, wäre man in Datteln auf dem Boden geblieben, müsste nun niemand Angst haben zu stürzen.

Zur Geschichte: Ursprünglich sollte der New Park so eine Art New Deal werden. Eine Sonderwirtschaftszone mitten in NRW, mit niedrigen Steuersätzen, Ausnahmen aus Tarifverträgen und vereinfachten Genehmigungsprozessen. Also so was wie Shanghai im Pott.

Davon geblieben ist: kaum etwas. Keine Rede mehr von Ausnahmen aus den Tarifverträgen und so.

Stattdessen soll der Versorger RWE die 134 Hektar Reservefläche für Energieanlagen zwischen Waltrop und Datteln an eine New Park GmbH als Zusammenschluss von mehreren Kommunen verkaufen. Diese GmbH soll dann das Wiesenland und die Rieselfelder als Industriefläche aufbereiten und vermarkten. Das Ziel ist es, Fabriken in der Größe von Opel anzusiedeln. Irgendwann sollen 9000 Menschen hier arbeiten. Da alle Städte gemeinsam beteiligt sind, würden auch alle Städte über gemeinsame Steuereinnahmen von der neuen Industrie ihren Nutzen haben, so die Idee. 

Hach, diese schönen Illusionen.

Trotzdem haben sich im Kreis Recklinghausen einige Kommunen entschieden mitzumachen bei den Planungen, und auch Dortmund und Gelsenkirchen liebäugeln mit der New Park Idee.

Nur: Anliegerstadt Waltrop hat sich aus den Planungen verabschiedet. Und auch in anderen Gemeinden dürfte bald der Widerstand gegen den New Park wachsen.

Denn wie es aussieht, wird jede Gemeinde, die sich in die GmbH einkauft, Gewerbeflächen in den eigenen Stadtgrenzen verlieren. Der Grund ist einfach: In NRW gibt es die Auflage, keine grünen Flächen mehr zuzubauen. Wenn dies aber doch geschieht, müssen Ersatzflächen begrünt werden. Das heißt. Wenn eine Stadt einen Anteil von 10 Prozent an der New Park GmbH kauft, müsste sie anschließend 13,4 Hektar Gewerbefläche auf dem eigenen Stadtgebiet aufforsten.

Das kann sicher hier und da klappen. Etwa wenn sowieso eine alte Industriebrache zu einem Park umfunktioniert werden soll.

Aber der Nachteil bleibt: Diese Ersatzflächen können kaum noch rückverwandelt werden in Gewerbeflächen, wenn der New Park scheitert.

Nun denn, das NRW-Wirtschaftsministerium prüft gerade, wie die Nummer zu handhaben ist. Der einzige Referenzfall ist der Flughafen Münster-Osnabrück. Und hier mussten die beteiligten Kommunen Land in ihren Grenzen abgeben.

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Update: Bild Online geht Online

Bild ist heute mit mehreren Regionalausgaben Online gegangen. Vorne mit dabei:  die Online Ausgabe des Boulevardblatts für den Pott. Allerdings: Die insgesamt rund zehn Regionalausgaben laufen zunächst verdeckt, um die Abläufe zu testen. Sie sollen in den kommenden Tagen für das Publikum nach und nach frei geschaltet werden. Der Regionalteil für das Revier soll von Dortmund aus bestückt werden und vor allem das Online-Angebot der WAZ-Gruppe, der Westen.de, angreifen. "Wir wollen das Revier aufmischen", sagte ein an dem Projekt beteiligter Reporter den Ruhrbaronen. Das Ziel sei es, Anzeigen und Leser abzugraben. Ein Wettbewerb wie es ihn im Printgewerbe lange nicht gegeben hat.

Mit der Ausweitung ins Regionale will Deutschlands größtes Boulevard-Online-Magazin die Bekanntheit in der Fläche verstärken. Bereits jetzt ist Bild mit über 1 Mrd Seitenzugriffen im Monat Mitglied im exklusiven Netz-Milliardärs-Club.

Was treibt Koch im ZDF und gibt es das auch im WDR-Land?

Foto: ZDF-Chefredakteur Brender / Wikipedia

Wohl kein Job ist derzeit in unserem Wirtschaftskrisenland so sicher, wie der von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, der diesen Job zuvor schon hierzulande beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) ausgeübt hat. Ist der fiese Roland Koch also gescheitert? Das kann nur glauben, wer glaubt, dass es Koch um Brender geht.

Wetten auf Brender werden wohl nirgends mehr angenommen. Fast alle sind ihm zur Seite gesprungen, nicht nur ZDF-Promis – sogar Kurt Beck bekommt nun als ZDF-Verwaltungsratschef wieder Medienanfragen – auch die Old Boys der ARD, Fritz Pleitgen (Ex-WDR-Intendant) und Jobst Plog (Ex-NDR-Intendant) meldeten sich mit eigenen Texten in der „Süddeutschen“ zu Wort.

Pleitgen und Plog stehen für eine Ära, in der weitgehender Waffenstillstand zwischen den Sendern und den etablierten Parteien herrschte, nachdem zuvor, das war in den 80er Jahren, der WDR „Rotfunk“-Beschimpfungen seitens der CDU ausgesetzt war, und frischgewählte CDU-Ministerpräsidenten den NDR sogar zerschlagen wollten. Das mit dem „Rotfunk“ hat NRW-Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) seinerzeit noch selbst erledigt, allerdings nicht mit Zeitungsinterviews, sondern, subtiler und wirksamer mit Telefonaten – also das, was Brender heute gerne schriftlich verlangt. Redakteure, die „ihr Land nicht liebten“ wurden versetzt, Cornelius Bormann und Harald Brand organisierten ein Landesprogramm, das der rechten NRW-SPD und der CDU gleichermassen gefiel.

In der Ära Pleitgen starb dieser Typus Parteisoldat langsam aus. Frauenförderung war angesagt und mit der Radiowelle „Funkhaus Europa“ (103,3 MHz) wurde eine Kaderschmiede für Journalismustalente mit Migrationshintergrund installiert. Politisch war sich der Intendant für nix zu fies. Er hat mit Ministerpräsident Wolfgang Clement zusammen das eine oder andere Barrel wertvollen Rotweins verkonsumiert. Mit dessen Nachfolger Steinbrück konnte er das nicht; er wandte sich vorausschauend Jürgen Rüttgers zu. Hier erfuhr er mehr politischen Flankenschutz für den öffentlich-rechtlichen Sender. Die Pleitgen-Rüttgers-Freundschaft war vermutlich auch ein Verdienst der WDR-Rundfunkrätin Ruth Hieronymi aus Bonn, die sich als CDU-Europaabgeordnete unspektakulär aber wirkungsvoll gegenüber der neoliberal dominierten EU-Kommission für den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk starkmachte, als der SPD-Ministerpräsident Steinbrück sich gerade mit Edmund Stoiber zu Angriffen auf denselben gemein machte. Die folgende Landtagswahl bestätigte dann, dass sie gegen den WDR nicht zu gewinnen ist.

Worum geht es Koch nun, wenn nicht um Brender? Was Koch und Freunde wirklich an Brender stört, und das haben sie dem „Spiegel“ wohl nun in dankenswerter Offenheit erklärt, ist, dass Brender gerade kein „Roter“ ist. „Rote“, wie z.B. Deppendorf oder Frey (die Studioleiter von ARD und ZDF in Berlin) würden sich ja „an die Spielregeln halten“. Die scheinen Brender nicht zu interessieren. Er ist ein unkontrollierbares Journalismus-Animal. Gegenüber dem Autor dieser Zeilen schwärmte er z.B. über den Bielefelder-Kosovo-Parteitag der Grünen 1999, nicht weil die Grünen dort in den Krieg ziehen wollten, sondern weil er dem damals jungen TV-Sender „Phönix“, der ganztägig live sendete, eine Rekordeinschaltquote beschert hatte. Dass die Grünen sich öffentlich stritten, wie es das ganze Land tat, allerdings keine der anderen Parteien, das war – und ist – in Brenders Augen ein Hit.

So soll es im Bundestagswahlkampf nicht kommen. Und darum geht es. ARD, ZDF, CDU und SPD schwebt eine Inszenierung des „Kanzlerduells“ vor, Merkel versus Steinmeier. Das impliziert: „TINA – There is no alternative“ zur Großen Koalition. Einer wie Brender tut es vielleicht nicht wirklich, ist aber verdächtig, sich solchen Ansinnen zu widersetzen. Gegen diesen Typus unabhängiger Journalist will Koch ein einschüchterndes Zeichen setzen. Diese eigene Angst, die die ehemaligen Volksparteien so auf andere zu verbreiten versuchen, macht schwach und unsouverän. Wahrscheinlich ist die nächste auch die letzte Bundestagswahl, bei der CDU und SPD noch zusammen eine Mehrheit schaffen. So machen sie mit dieser Zuspitzung in den Medien, die sie – noch – beherrschen, alles noch schlimmer. Denn das Publikum wird sich von dieser versuchten Entmündigung noch stärker abwenden, als es jetzt schon geschieht. So schaden CDU und SPD nicht nur sich selbst, sondern auch dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Junge Freiheit robbt sich an Christen-Führer an

Illu: Junge Freiheit

Es gibt da diesen Kongreß in Düsseldorf in diesen Tagen. "Kongreß christliche Führungskräfte" heißt der und ist irgendwie CDU nah. In diesem Jahr hat er das Motto: „Mit Werten führen“. Gut. Alle zwei Jahre findet der Kongreß statt. Manager aus Gemeinden, Klöstern oder Bibelgruppen sollen hier ihre Erfahrungen austauschen. Ein Bericht von Gastbaron Erwin Franke

Hier in Düsseldorf geht es um Themen wie „Gegen den Trend der Zeit“ und man stellt sich Fragen wie „Sind Christen bessere Unternehmer?“.

Und was ist das: Unter den Christen läßt sich eine Schar Populisten aus dem rechts-konservativen Lager blicken. Deren Themen haben ganz andere Inhalte und beschäftigen sich mit der Vorstellung neuer Parteien. Unter anderem ist die umstrittene rechtsdrehende Wochenzeitung „Junge Freiheit“ hier zu finden.

Zur Erinnerung: Die „Junge Freiheit“ hatte sich aus dem Verfassungsschutzbericht zu rechtsradikalen Aktivitäten heraus klagen müssen, sahen die Ordnungshüter dieses doch anders. Sebastian Edathy, Vorsitzender Bundestags-Innenausschuss sagte mal: "Die Junge Freiheit bewegt sich und zwar meiner Überzeugung nach ganz bewusst in einer Grauzone zwischen Rechtskonservatismus und Rechtsradikalismus." Man kann das auch anders sagen. Die Junge Freiheit lebt vom und dient dem rechten Absatz der Gesellschaft.

Auf dem Christenkongreß wird diesen Rechtsaußen eine Bühne bereitet, auf der sie erfolgreich um Abos und freuden werben können. Irgendwie ist das ekelig.

Auch der Protest anderer Aussteller auf dem Kongreß über die braunen Mitaussteller macht nichts aus. Winfried Vollmer vom Organisationskomittee Workshop&Training aus Hamburg wiegelte die Kritik einfach ab. "Alles Populismus“ sagte er.  In etwa sagte er: Man hätte sich gestern nach den ersten Protesten von Ausstellern „mal das Impressum der „Jungen Freiheit“ angeschaut und Gerhard Frey nicht gefunden.“ Deswegen sei alles korrekt, man sehe keinen Anlaß zum Handeln. Tja.

Da ist wohl wer ganz bewusst blind auf dem rechten Auge, ein Blick in Internet hätte genügt, um Aufklärung zu erlangen, sofern dieses erwünscht ist. Und so sind die braunen Genossen der Freiheit schon ziemlich stolz auf die eingesammelten Abos von der christlicher Führerschaft.

Und das ist das eigentlich miese. Bei anderen Messen werden die Kameraden von der JF nicht gerne gesehen. Auf der Leipziger und Frankfurter Buchmesse gelten die braunen Herren als Gäste non Grata. Sie sind  dort Protesten ausgesetzt. In Düsseldorf aber können sich die Proto-Kanallien weiter ins Zentrum der Gesellschaft fortschleimen.

Hier auf dem Kongreß "Mit Werten führen" läuft fast jede christliche Führungskraft mit der Wochenzeitschrift unter dem Arm durch die Gänge. Andere kleben die Aufkleber der Jungen Freiheit „Political Correctness – nein Danke“ auf ihre Mappen (siehe Bild) oder nehmen sich die Tassen gegen das Denken mit.

Eigentlich darf das nicht sein. Oder?

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Es riecht nach Nelken im Ruhrgebiet

Illu: Tonwertkorrekturen

Wenn Steffen Reichelt von Opel spricht, dann leuchten seine Augen und er sagt. „Im Kampf gewinnt man Solidarität.“ Kampf. Darum geht es jetzt bei Opel in Bochum. Die Pleite des Werkes droht. Die Wirtschaftskrise hat den Konzern erfasst. Aber aufgeben will Opelaner Reichelt nicht.

Gerade noch hat er mit ein paar Kollegen ein Transparent gemalt. Darauf steht „Eure Krise ist nicht unsere. Gegen Verzicht und Arbeitsplatzabbau.“ Jetzt trinkt Reichelt in seiner Küche eine Tasse Kaffee. Der Opel-Vertrauensmann hat gerade viel Zeit. Im Werk ist Kurzarbeit. Eine Woche schon. Keine Schicht. Keine Arbeit.

Vor ein paar Monaten hat Reichelt geheiratet. Seine Frau Stefanie hat den Küchentisch mit in die Ehe gebracht. Ein schweres Möbel, mit Eisenbeschlägen. An der Wand hängt ein Setzkasten. Darin eine kleine Matrioschka. Eine dieser russischen Holzpuppen, in denen nur wieder eine neue Holzpuppe steckt.

Kämpfen will Reichelt. In Bochum. Für sein Werk. Er sagt, in den vergangenen Jahren sei genug verzichtet worden. Jetzt gehe es darum alles zu erhalten. Aber geht das? Irgendwo spürt man auch bei Reichelt den Zweifel. Es gibt zu viele Autos. Im russischen Sankt Petersburg hat das neue GM-Werk gerade die Produktion vorübergehend eingestellt. In Spanien ist der Absatz eingebrochen.

Reichelt hat seine Frau Stefanie bei Opel kennen gelernt. „Die hat bei der letzten Personalrunde die Abfindung mitgenommen und macht jetzt eine zweite Ausbildung“, sagt er. Sie wird Röntgenassistentin im Bochumer Knappschafts-Krankenhaus "Bergmannsheil". Ein Job mit Zukunft vielleicht. „Jetzt bin ich Alleinverdiener“, sagt Reichelt. Kinder haben die beiden noch nicht. Er ist 33 Jahre alt. Seine Frau Stefanie 31.

Ein Kollege aus dem Werk ruft an. Ob es was Neues gibt. Reichelt weiß nichts. Seit Februar heißt es von Woche zu Woche nur warten. Gibt es Arbeit in den kommenden Tagen? Oder muss man weiter zu Hause sitzen. Man sieht die Kollegen nicht. Alles erfährt man nur über die stille Post oder aus der Zeitung. Dienstag soll wieder ein Einsatz kommen. Für einen Tag oder eine Woche? Das kann keiner genau sagen. Auch die Werksleitung nicht, glaubt Reichelt.

„Der Absturz kam so schnell, damit hat niemand gerechnet.“ Seit dem großen Streik 2004 ging es eigentlich immer bergauf. Bis zum März im vergangenen Jahr hat der Bandarbeiter Überstunden und Sonderschichten gekloppt. Die Produktion lief auf Hochtouren. Dann kamen normale Schichten irgendwann im Sommer. Jetzt seit November der Zusammenbruch. „Dieser Widerspruch hat ziemlich rein gehauen“, sagt Reichelt. Es ist schwer zu verstehen. Gerade noch gefragter Fachmann, nun ein Mann vor der Arbeitslosigkeit.

Reichelt überlegt. Er schweigt. Wie passt das zusammen? Ständig hatte GM in den vergangenen Jahren neue Werke aufgemacht. In Polen eine Fabrik bei Warschau mit einem Ausstoß von jährlich 350.000 PKW. In Russland zwei Fabriken – auch hier 300.000 Wagen im Jahr. „Wieso können die Autos nicht mehr verkauft werden? Wieso müssen wir bluten?“, sagt Reichelt dann.

Es ist eine Art Trauer zu spüren. Am Kühlschrank hängt ein Wimpel des VFL Bochum. Die Gedanken schweifen mit dem Blick auf das Symbol ab ins Ruhrstadion. Vor jedem Kick wird hier Grönemeyers Hymne an die Stadt gespielt: „Bochum ich komm aus Dir, Bochum ich häng an Dir.“ Die Melodie ist ein trotziges Aufbegehren gegen den Niedergang. Gegen das Ende der Stahlwerke und Zechen. Gegen die Trauer am Ende einer Zeit. Die Melodie schwingt auch jetzt mit, hier in der Küche des Opelaner. Aus der Trauer wird auch hier Trotz. Gegen die Finanzkrise. Gegen die Spekulationen. Gegen die Fehler des Managements. „Die haben aus Opel jahrelang Milliarden rausgepresst. Und jetzt sollen wir zahlen?“, fragt Reichelt. Die Antwort heißt für ihn „Nein.“

Dann folgt eine Pause und der Trotz mischt sich mit dem Gedanken, wie das alles werden soll. „Wir produzieren mit 6000 Mann so viele Autos wie früher 20.000 Leute. Wir haben Lohneinbussen hingenommen und Arbeitsplatzvernichtung. Mehr geht nicht. Irgendwann ist Feierabend.“ Aus dem Trotz wird Wut.

Dabei hat Reichelt keine Hoffnung auf die Politiker wie den NRW Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) oder SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier (SPD). „Die kommen immer, wenn es was zu sagen gibt, und dann sind die weg. Die machen doch den Leuten Illusionen, dass Opel in Europa selbstständig arbeiten kann. In Konkurrenz zu den Amerikanern.“ Die Wut von Reichelt wächst. Er spricht von den Wahlkämpfen in diesem Jahr, von den Zukunftsverträgen, die Arbeitsplätze und Lohn garantieren und doch nur für Einsparungen stehen. Er redet von den 100 Autowerken, die in der Welt angeblich über sind, wie Experten erzählen. Er denkt an die Verluste und an die Gewinne.

„Warum soll jetzt die Belegschaft und der Steuerzahler für die Fehler des Managements haften?“, fragt Reichelt.

Es ist soviel, was im Argen liegt. So viel. „Wir müssen uns zusammenschließen“, sagt der Vertrauensmann. Er steht mit Kollegen bei den Zulieferern in Kontakt, mit Betriebsräten und Vertrauensleuten bei ThyssenKrupp. „Wenn eine Belegschaft den Anfang macht, ziehen die anderen mit. Das bleibt nicht ohne Wirkung. Wir haben Sprengkraft.“ Wie 2004, als die Menschen ans Tor im Bochumer Opel-Werk kamen, die Alten und die Jungen, um zusammen für die Zukunft zu streiten. Ein Rentner, erinnert sich Reichelt, habe ihm damals durch das Gitter 200 Euro zugesteckt. „Ihr braucht das dringender als ich, hat der Alte gesagt.“

In der Siedlung von Reichelt in Bochum-Wiemelshausen leben viele Opelaner. Die Straße hoch. In Backsteinbauten. Der Lebensmittelladen an der Ecke ist verrammelt, der Kaugummiautomat leer. Irgendjemand hat Blumen an die Straße geschmissen. Es riecht nach Nelken.