Berichte aus dem Sumpf, in dem LKA und das Umweltministerium stecken

Die ganze Sache rund um den PFT-Fall und die Ermittlungen gegen den ehemaligen Abteilungsleiter im Umweltministerium, Harald Friedrich, wird immer wilder. So wurden nach meinen Recherchen bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wuppertal noch mehr Leute abgehört. Bereits jetzt ist bekannt, dass ein Telefonat des grünen Landtagsabgeordneten Johannes Remmel belauscht wurde, bei dem es um politische Einschätzungen des Falls durch Ex-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) ging. Darüber hinaus berichten Betroffene des Verfahrens nun von weiteren Lauschangriffen. So sei zumindest ein Gespräch des Rechtsanwaltes von Friedrich durch das LKA abgehört worden. Ebenfalls wird berichtet, dass möglicherweise Telefonate von Friedrichs Ehefrau mit Journalisten belauscht wurden.

Der ermittelnde Oberstaatsanwalt Ralf Meyer sagte auf meine Anfrage: „Wegen des Medienrummels möchte ich keine Angaben zum Verfahren machen.“ Der Landtagsabgeordnete Remmel sagte: „Nach allem, was ich weiß, ging es bei den Gesprächen um politische Einschätzungen. Das hat nichts in Ermittlungsakten zu suchen.“ In den nächsten Tagen soll der Rechtsanwalt Remmels die Lauschbänder prüfen dürfen.

Am 29. Mai war der Ex-Abteilungsleiter im NRW-Umweltministeriums Friedrich wegen des Verdachts auf Korruption und banden- und gewerbsmäßigen Betrug verhaftet worden. 270 Beamte durchsuchten bundesweit Wohn- und Geschäftsräume von 12 weiteren Tatverdächtigen. Den Schaden bezifferte die Staatsanwaltschaft Wuppertal auf rund 4,3 Mio Euro.

Unterdessen mehren sich die Anzeichen, dass das Verfahren auch einen politischen Hintergrund haben könnte. Der anerkannte Umweltfachmann Friedrich (Grüne) gilt als einer der schärfsten Kritiker von NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) im PFT-Skandal, bei dem es um Gifteinleitungen in die Ruhr geht.

Die Ermittlungen gegen Friedrich wurden auf Grund von drei Strafanzeigen aus dem Haus von Uhlenberg ausgelöst. Während des ganzen Jahrs 2007 gab es immer wieder Kontakte zwischen dem Umweltministerium und dem LKA bei dem das Umweltministerium neue Vorwürfe vorgelegte, oder das Umweltministerium für das LKA Auservate auswertete. Teilweise gab der Staatssekretär Alexander Schink in 2007 dem LKA Tipps wie die Ermittlungen zu führen seien und das LKA ging diesen Vorschlägen nach. Nach seiner Verhaftung verbreitete das Ministerium in vertraulichen Runden: der PFT-Informant sei abgeschaltet worden. Das Ministerium sagte jetzt der WAZ, der Fall sei eigentlich für das Ministerium 2006 abgeschlossen gewesen. Das ist eine Lüge, die sich nach Einsicht in die Akten nicht mehr halten lässt.

Bei Hausdurchsuchungen im Laufe der Ermittlungen beschlagnahmten die LKA-Beamten reihenweise Unterlagen zum PFT-Skandal. Wie aus den Akten hervorgeht, sind die Ermittler mit den beschlagnahmten Papieren in das Umweltministerium gefahren. Dort stellte Staatssekretär Schink daraufhin eine weitere Anzeige wegen des Verdachtes auf Geheimnisverrat.

Doch zwei Vorgänge, auf die sich diese Anzeige zentral bezieht, sind dafür denkbar ungeeignet. Einmal haben die Ermittler Akten aus der Bezirksregierung Arnsberg beschlagnahmt, die dort nach einem Antrag auf Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz offiziell herausgegeben worden waren. Dann haben die Ermittler einen Brief des Ministeriums an die Landtagspräsidentin mitgenommen. Der Brief was eine offizielle Antwort des Ministeriums auf eine PFT-Anfrage des Landtagsabgeordneten Remmel. Wie die Geschäftsordnung des Landtages das vorschreibt, musste die Antwort über die Präsidentin an Remmel weitergereicht werden. Dessen Büro schließlich übermittelte den Brief an den Fachmann Friedrich mit der Bitte um eine Einschätzung.

Der dritte Vorgang ist die Email, über die ich schon geschrieben habe. Das LKLA will hier Fingerabdrücke von der Email nehmen, um herauszufinden, wer der Absender ist. Den Inhalt der Email war kein Geheimnis, sondern wurde später per Pressemitteilung bekannt gemacht.

In meinen Augen liegt hier der Verdacht nahe, dass nur ein „Maulwurf“ im Ministerium gesucht wird. Schade, dass sich das LKA für so etwas hergibt.

Auch die Vorwürfe im Vergabeverfahren sind denkbar dünn. Sie basieren vor allem auf die Aussagen von nur zwei Belastungszeuginnen aus der Abteilung Friedrichs: Dorothea Delpino und Ulrike Frotscher-Hoof. Beide Zeuginnen wurden im Laufe der Ermittlungen im Umweltministerium befördert. In einer Aussage vor dem LKA gab Delpino an, Friedrich bei Staatssekretär Schink angeschwärzt zu haben, weil dieser die Zeugin Frotscher-Hoof „massiv gemobbt“ habe. In mehreren privaten Schreiben an Schink bot Delpino an, belastendes Material in den Unterlagen des Ministeriums zu suchen.

Bei ihren privaten Ermittlungen schreckte Delpino auch vor harten Methoden nicht zurück. Am 27. Juni 2006 trafen sich Delpino, Frotscher-Hoof, Professor Harro Stolpe von der Uni Bochum, der ein von Delpino angegriffenes Projekt betreute, sowie ein Ingenieurbüro, das im Auftrag der Uni die Projektdaten auswertete, im Umweltministerium. Aus einem Protokoll des Treffens, das der WELT am Sonntag vorliegt, geht hervor, dass die Belastungszeuginnen auf einen Abbruch des Projektes drängten. Während einer Pause soll Delpino schließlich im Beisein des Projektleiters Stolpe laut Protokoll gesagt haben: „Sie müssen verstehen, ich muss meine Aufgaben erledigen. Ich will nicht demnächst noch von einer Uni in der Zeitung lesen.“ Auf die Frage, ob das eine Drohung sei, soll Delpino geantwortet haben. „Natürlich nicht.“

Professor Stolpe und das Ingenieurbüro beharrten zunächst auf einer Fortführung des Projektes. Heute zählen die beiden zu den Beschuldigten der Ermittlungen. Beide werden vor allem durch Aussagen von Delpino und Frotscher-Hoof belastet.

Im Kern konzentrieren sich die Ermittlungen heute auf den Vorwurf, es habe bei Vergaben von Forschungsprojekten Fehler gegeben. Doch auch hier stehen die Vorwürfe auf dünnen Boden. Das Gutachten eines renommierten Kölner Juristen, beweist zumindest in drei Vergabefällen, die vom LKA und der Staatsanwaltschaft auf Anregung des Umweltministeriums angegriffen worden sind, dass es keine falsche Vergabe gab. Das Gutachten wurde im Auftrag von betroffenen Firmen erstellt, die im Zuge der Ermittlungen an den Rand des Ruins getrieben wurden, da ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmt wurde. Alle Zeugen in diesem Fall haben aber bislang, zumindest nach Aktenlage, bestritten, dass es Vergabefehler gab.

So ist auch folgender Vorgang nachvollziehbar. Am 4. April 2007 schlug der Justitiar des Umweltministeriums dem LKA in einer Besprechung vor, den Landesrechnungshof einzuschalten. Laut Justitiar sollte ein interner Prüfbericht des Ministeriums über das LKA weitergereicht werden. Die Anregung wurde vom LKA ausgeführt. Allerdings teilten die unabhängigen Rechnungsprüfer dem LKA am 14. Mai 2007 mit, dass „kein Bedarf für Prüfungen“ gesehen werde. Die ganze Nummer entwickelt sich zum Flopp.

Es gibt nur eine Spur, die in eine tatsächlich möglicherweise strafbare Richtung führt. Wie gesagt möglicherweise. Es geht um die Wasserwirtschaftsinitiative NRW. Eines dieser Leuchtturmprojekte der Ära Clement. Dieses Projekt hatte wenig mit Forschung zu tun, wurde aber aus dem Forschungstopf zumindest mitfinanziert.

Allerdings waren hier die Initiatoren Wolfgang Clement und Kumpane. Da hatte der angegriffene Harald Friedrich wenig mit zu tun.

Auch jetzt führen die Ermittlungen in ziemlich wirre Richtungen. So schmierte das Umweltministerium unter anderem den Umweltprofessor Johannes Pinnekamp von der RWTH Aachen an. Dieser habe sich ungerechtfertigterweise die Taschen vollgemacht. Umweltstaatssekretär Schink war über die Vorwürfe informiert. Trotzdem beauftragte Schink den Professor einen PFT-Bericht zu schreiben, der die Taten des Umweltministers entlasten sollte. Man könnte auf die Idee kommen, hier sollte ein Abhängiger über die Ermittlungen gefügig gemacht werden.

meine Recherchen in diesem Fall gehen weiter. Wenn jemand Hinweise, Tipps oder Dokumente hat. Ich bin immer dankbar für Informationen unter david.schraven@ruhrbarone.de

Ein klassischer Fehlstart

Die Bundesliga ist gestartet. Am Freitag spielte Bayern gegen Hamburg. Vor dem Anpfiff wurde eine kurze Eröffnungszeremonie mit Fackeltänzerinnen und Feuerwerk abgehalten. Paul Pots gab seine schlanke Version von "nessun dorma". Und die übertragende ARD legte mal wieder einen klassischen Fehlstart hin.

 

Der Reihe nach: Paul Pots ist Gewinner einer britischen Talentshow, so ählich wie DSDS in nice. In England ist Pots seither ein Superstar mit Aufsteigermärchen: Ein Handyverkäufer aus Wales mit schiefen Zähnen wird zum Opernsänger mit gerichteten Zähnen. Und zur Werbe-Ikone der deutschen Telekom. Die hat nämlich einen Werbefilm über die Geschichte produziert, lässt Pots seit Wochen aufs deutsche Publikum los. Ergebnis: Paul Pots erste LP ist ein Verkaufsrenner. Motto des Werbeclips: "Erleben, was verbindet".

Um gute Verbindungen, genau darum geht es seit einigen Prozesstagen auch in Frankfurt im Prozess gegen Jürgen Emig. Vorgeworfen wird dem Ex-Sportchef des Hessischen Rundfunks, dass er gegen Geldzahlungen an die Agentur seiner Frau Liveübertragungen im öffentlichen Fernsehen arrangierte. Tanzverbände, Veranstalter von Stadtjubiläen oder Radrennen sollen mit dem einstigen Tour-de-France-Reporter solche Gegengeschäfte eingegangen sein. Natürlich hatte Emig auch mit den engen Geschäftsbeziehungen zwischen Telekom und ARD zu tun. klick "Das Erste" war bekanntlich jahrelang Co-Sponsor des Radsportstalls Team Telekom und Männer wie Emig am Mikrophon machten gleichzeitig kräftig Werbung für die cofinanzierten Pedaleure und den einstigen Staatskonzern. Heraus kam dabei das Gegenteil von Journalismus. Und jetzt schauen wir noch einmal auf das Aufmacherbild…

Paul Pots, einem Telekom-Werbeträger, hat die ARD am Freitag Abend mal wieder die ganz große Bühne bereitet. Damit es auch jeder merkt, stand auf dem weißen Gestell für den Tenor groß und fett "Das Erste". Dahinter leuchtete die passende Bandenwerbung auf: "Erleben, was verbindet". Wenig später spielten die Bayern auf, natürlich in Telekom-Wäsche. Immerhin wird Dr. Jürgen Emig diesen Ligaauftakt gerne gesehen haben. In diesem neuen Fall von Schleichwerbung und Interessenverquickung ist er garantiert unschuldig. Vor drei Jahren wurde ihm fristlos gekündigt.

Langemeyer kurz entlastet

Der Dortmunder OB Gerhard Langemeyer (SPD) hat Glück gehabt. Die Staatsanwaltschaft seines Sprengels hat die Strafermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts auf Untreue eingestellt. Die zuständige Sprecherin der Behörde sagte, nur in "krassen Fällen", etwa wenn Steuergelder "voll zweckentfremdet werden" könne über das Haushatsrecht hinaus durch das Strafrecht sanktioniert werden.

Gerhard Langemeyer. Foto: Stadt Dortmund

Langemeyer hatte das Klinikum in Dortmund mit einer Bürgschaft der Stadt vor der drohenden Pleite bewahrt. Damit der Haushalt nicht allzusehr belastet wird, hatte er im nächsten Schritt städtische Tochtergesellschaften, vor allem die Entsorgung Dortmund – EDG, dazu gezwungen, erhöhte Gewinausschüttungen an die Stadt zu tätigen. Dieses Geld wurde dann an das Klinikum weitergereicht.

Regierungspräsident Helmut Diegel (CDU) läßt nun prüfen, ob diese Übereckfinanzierung mit dem Haushaltsrecht vereinbar ist. Im schlimmsten Fall droht Dortmund eine Haushaltssperre. Gerade weil Dortmund seit kurzem die Stadt in NRW mit den meisten Arbeitslosen geworden ist, könnte das fatal werden. Die Sozialkosten drücken auf die Handlungsfähigkeit der Stadt. Freiwillige Ausgaben müssten rigeros zusammengestrichen werden.

Denkwürdig ist das Langemeyer Vorgehen auch deshalb, weil gerade die EDG Müllgebühren nur kostendeckend abrechnen darf. Wenn jetzt also die Müllgebühren angehoben werden müssten, um das Klinikum zu finanzieren, wäre das ein Problem. Es wäre auch ein Problem, wenn die EDG einen Kredit aufnehmen müsste, um das Klinikum zu finanzieren. Oder wenn Gewinne, die zur Absenkung der Müllgebühren hätten herangezogen werden können, in das Klinikum gesteckt worden wären.

Das wird jetzt geprüft.

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Kulturhauptstadt: Die Enttäuschung wächst

Alles hörte sich so gut an. Im Jahr der Kulturhauptstadt sollten die Museen im Pott glänzen wie nagelneue Schuhe. Auch für Geld sollte gesorgt werden. Dazu hatte die Ruhr.2010 GmbH zusammen mit anderen Partnern 11 Mio Euro versprochen. Das ganze hieß „RuhrKunstMuseum“ und umfasst 16 öffentliche Museen und zwei private Ausstellungsflächen. Von Dortmund über Unna und Hagen bis nach Essen und darüber hinaus. Selbst das Dortmunder U sollte auf zwei Etagen bespielt werden. Tja, es kam anders.

Die ganze Finanzierung ist in sich zusammengebrochen. Wie ich nun gehört habe, soll es anstelle der 11 Mio Euro nun nur noch 260.000 Euro geben. Inklusive Sponsorengeldern für das gesamte Projekt für alle 16 Museen und die zwei privaten Ausstelllungsflächen. Das kann man auch Beerdigung erster Klasse nennen. Mit dem Kleingeld ist keiner der ursprünglichen Pläne umsetzbar. Eine engere Kooperation der Museen klappt einfach nicht, wenn die Arbgeit nicht unterfüttert wird. Die Enttäuschung in den Kunsthäusern ist verständlicherweise groß. Hatten die doch das Projekt zusammen mit der Ruhr.2010 GmbH entwickelt.

 

Es steht zu befürchten, dass es in den kommenden Wochen noch jede Menge weitere Enttäuschungen rund um die Kulturhauptstadt geben wird. Denn nun kommt die Auswahl. Wenn sich die Kulturmanager rund um Fritz Pleitgen nicht schnell etwas einfallen lassen, wie sie mit der miesen Laune umgehen sollen, ist die Euphorie bei vielen schnell verflogen.

Schlechtes muss nicht billig sein

Die Situation ist für die Bahn kompliziert: Wie komme ich an das Geld möglichst vieler Kunden ohne sie transportieren zu müssen? Ein Lösungsansatz der Bahnplaner war der geldfressende Automat, der nie einen Fahrschein auswirft und die Beschwerdestelle, in der die Mitarbeiter nur einen seltenen alt-aramäischen Dialekt sprechen.  Eigentlich ein geniales Konzept – das nun die Stadt Dortmund zu durchkreuzen droht.

Fahrkartenautomat Foto: Flickr/Germanium

Schlechtes muss nicht billig sein – die Weisheit, die  diesem Sprüchlein inne wohnt haben wir alle schon einmal erlebt. Ganz besonders häufig kommen die Nutzer des Öffentlichen-Nahverkehrs im Ruhrgebiet zu dieser Erkenntnis, vor allem wenn sie auch einmal einen der Fahrkahrtenautomaten der Bahn benutzen wollen: Kryptische Systemführung und abgestürzte Monitore sorgen vor allem wenn es mal eilig ist dafür, das Langeweile auf den Bahnhöfen nicht aufkommt. Die Bahn –  scheinbar vor allem ein Entertainement-Unternehmen dass die Züge nur noch rollen lässt, damit auf den Bahnhöfen eine heimelige Atmosphäre herrscht. Der Kunde als Opfer boshafter Kobolde – doch damit könnte es bald vorbei sein, denn die Volkshochschule Dortmund und die Bahn bieten die  „Automatenschulung Deutsche Bahn“ an.  Die  kostenlose Schulung mit Dirk Haferkemper, dem Empfangschef des Reisezentrums DB, weist die Teilnehmer in die Geheimnisse des Fahrkartenautomaten ein. Denn, so steht es in der Pressemitteilung der Stadt: "Nicht nur diejenigen, die der modernen Technik eher skeptisch gegenüber stehen, auch technisch versierte Bahnreisende verzweifeln häufig bei der Bedienung des Ticketautomaten. Welche Taste ist zu drücken? Wie komme ich am besten von Dortmund nach Lünen? Wie kaufe ich eine Verbund-Monatskarte? Dirk Haferkemper sorgt in der Schulung für Klärung solcher und ähnlicher Fragen." Jeder Entwickler von Fahrkartenautomaten, der auch nur einen Funken Ehre im Leib hat, sollte  angesichts dieser Meldung die Konsequenzen aus seinem unheilvollen Tun ziehen und sich in das nächste Schwert stürzen – oder einen Kaffee im Zugbistro bestellen.

Sag niemals nie

Die NRW-SPD steht wie ein Mann hinter Hannelore Kraft. Die Partei will den Sieg ihrer Hoffnungsträgerin, setzt ganz auf die Frau aus Mülheim, stellt sie in den Vordergrund – und sollte doch langsam anfangen sich auf die Landtagswahl 2015 vorzubereiten. Es könnte die Wahl von Frank Baranowski werden. Ein tiefer Bick in die Glaskugel.

Frank Baranowski

"Die Hanne kann es nicht…" erklärte mir vor ein paar Wochen ein ehemaliger Arbeitskollege von Hannelore Kraft aus ihrer Zeit bei "Unternehmensberatung" Zenit, die wenig mit klassischen Unternehmensberatungen zu tun hat und eher ein Teil des politisch-wirtschaftlichen Komplexes des SPD-Filzes war. In dieser Aussage mochten Neid oder auch Sexismus mitspielen, aber tatsächlich ist die Bilanz von Hannelore Kraft miserabel: Der Sommer ist  für die Landesregierung eigentlich nicht gut gelaufen: PFT, Kibiz und das Theater um das Zentralabitur ließen gleich zwei Minister des Kabinett-Rüttgers schlecht aussehen. Steilvorlagen für die Opposition, die sie nicht zu nutzen wußte: Nach wie vor liegt die SPD auf Landesebene hinter der CDU – ein Zustand der nun schon ins achte Jahr geht und sich nicht nur mit dem Aufkommen der Linken erklären lässt: Selbst wenn man deren Umfragewerte zu denen der SPD addieren würde, was man nicht kann, da die Linke auch von den anderen Parteien Wähler zieht, würde es für die Sozialdemokraten im Augenblick nicht reichen. Krafts Hilflosigkeit in Clement-Fall ist zusätzlicher Beleg dafür, dass sie auch innerhalb der Partei nicht ganz so stark ist, wie sie glauben machen will.

Das Land fühlt sich von Rüttgers gut regiert und scheint nicht zu glauben, dass es unter Kraft besser werden würde. Es gibt keine Wechselstimmung in NRW und dass sie sich bis zur Landtagswahl in NRW noch aufbauen wird, ist unwahrscheinlich. Bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr wird die SPD Stimmen an die Linken abgeben – und Stimmen von denen verlieren, die keine Kooperationen mit den Jüngern von Lafontaine und Gysi wollen. Von der Kommunalwahl 2009 wird kein Rückenwind für die Landtagswahl 2010 ausgehen. Spätestens dann stellt sich die Frage, wer 2015 gegen Rüttgers antreten soll.

Entwickeln wir doch mal ein Profil für einen idealen SPD-Kandidaten. Er sollte fest in der SPD verankert sein, allerdings nicht so eine peinliche Nummer wie die Genossen aus Bochum-Hamme, die sich nach ihrem Zwergenauftstand gegen Clement im Kleingarten haben filmen lassen. Stallgeruch ja, Mief nein. Er sollte schon einmal Wahlen gewonnen haben. Siegern traut man Siege zu. Er sollte landespolitische Erfahrung haben, nicht wie eine Pizza aussehen und von seinem Auftritt her in allen Landesteilen wählbar sein. Die SPD sucht eine eierlegende Wollmilchsau – und sie hat sie in ihren Reihen. Ihr Name: Frank Baranowski. Der Sozialdemokrat aus Gelsenkirchen wurde schon vor zwei Jahren als SPD-Spitzenlandidat gehandelt. Immerhin schlug er bei der OB-Wahl 2004 Oliver Wittke und eroberte Gelsenkirchen für die SPD zurück. Damals lehnte er ab. Dass es 2010 für die Sozis im Land nicht viel zu gewinnen geben wird, war eigentlich schon 2006 eher wahrscheinlich – zu übel war die Niederlage 2005, als das mit einem schnellen Sozi-Comeback zu rechnen war. Immer wenn es aussichtslos ist, dürfen in der Politik die Frauen ran – das ist auch in NRW nicht anders. Außerdem muß Baranowski Gelsenkirchen verteidigen, um zum Top-Star zu werden: Die Chancen dafür stehen gut. Baranowski hat die Verwaltung der Stadt hinter sich, die unter Wittke noch häufig auf Kosten der Stadt gegen ihren OB arbeitete. Und Baranowski macht einen guten Job: Er hat die Stadt aus den negativen Schlagzeilen geholt, die Arbeitslosigkeit geht überproportional stark zurück und in der Kinder und Jugendarbeit geht Gelsenkirchen mit seinen geringen Mitteln eigene  Wege – von der Betreuung junger Familien bis zum Stadtbüchereigutschein für Schüler. Zudem war Baranowski neun Jahre im Landtag. Mit seinen 46 Jahren kann er auf eine 30jährige Parteimitgliedschaft zurückblicken, ohne zu einem der rotnasigen Clownsgesichter geworden zu sein, die lange für die SPD-Revier standen: Der Mann ist Mountainbiker und Alpencrosser.  

Und er ist dabei, die große Nummer in der Revier-SPD zu werden: Baranowski ist Sprecher der Ruhrgebiets-SPD, die zwar nur ein informeller Club ist – als einzige Partei verfügt die SPD im Ruhrgebiet nicht über eigene Strukturen – aber nun einmal das einzige ist, was die Genossen auf regionaler Ebene haben. Auf Landeseben ist Baranowski seit vergangenem Jahr der Nachfolger von Dortmunds OB Langemeyer an der Spitze der Sozialdeomkratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK). Die SGK taucht zwar in der Öffentlichkeit kaum auf, ist aber eines der mächtigsten SPD-Netzwerke im Land: Hier sitzen die einzigen Genossen, die noch was zu sagen haben.

Auch bei der Auswahl seines engsten Personals hat Baranowski die richtigen Entscheidungen getroffen. Sein persönliche Referent ist Mocki Diller. Der berät die SPD nicht nur bei der Vorbereitung der Kommunalwahl sondern war auch Mitarbeiter von Franz Müntefering und ist aktiver Parteiblogger.

Nach einer zu  erwartenden Niederlage von Kraft 2010 läuft eigentlich alles für 2015 auf Baranowski hinaus – wenn er die Kommunalwahl im kommenden Jahr gewinnt. Ist der Blick in die Glaskugel zu tief? Ich glaube nicht – so viele Hoffnungsträger hat die SPD auch in NRW nicht mehr – und wir würden ihre Namen heute schon kennen.

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FDP gegen saubere Revierluft

Der umweltpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Holger Ellerbrock, will im Ruhrgebiet keine zusammenhängenden Umweltzonen, in denen keine Stinkerautos mehr fahren dürfen. Seiner Ansicht nach ist das alles überzogenes Ökogeschwafel, diese Ideen von Feinstaub und so…

Im Umweltausschuss des Landtages sagte Ellerbrock, der Mann mit der Fliege: "Das von SPD und Grünen geforderte flächendeckende Fahrverbot für das gesamte Ruhrgebiet ist unverhältnismäßig." Der FDPist fürchtet, mittelständische Betriebe müssten mehr Geld für saubere Autos ausgeben. Genauso wie Familien, die mit alten Dreckschleudern rumkurven.

Dass der Europäische Gerichtshof vor kurzem geurteilt hat, dass Menschen in miefigen Städten Anspruch auf Einhaltung von Umweltgesetzen und auf saubere Luft haben, kann Ellerbrock nicht beeindrucken. "Die Luftreinhaltepläne der schwarz-gelben Koalition sehen über 80 Maßnahmen zur Luftreinhaltung vor." Es gibt unter diesen Maßnahmen auch Umweltzonen, in denen für bestimmte Fahrzeuge Fahrverbote herrschen, aber eben keine zusamenhängende Flächen, sondern nur Flickenteppiche – hier mal eine und dort ’ne andere. Ellerbrock nennt die Flickschusterei "Augenmaß" und einen "sachgerechten und verhältnismäßigen Weg", der "alle Belange" berücksichtigt.

Nach Ansicht des Liberalen seien jetzt Land und Kommunen gefordert, die Auflagen in den Flickenteppichen konsequent zu kontrollieren, auch die Durchfahrverbote. Das dies praktisch kaum durchsetzbar ist, weil niemand genau weiß, wo eine dieser Umweltzönchen überhaupt sein könnte, interessiert Ellerbrock nicht. 

"Da verbrennungsbedingte Stäube nur einen Bruchteil der Staubimmissionen ausmachen, können Fahrverbote nur das letzte Mittel im Kampf gegen Feinstaub sein. Fahrverbote dürfen nicht zu einer untragbaren Belastung für Familien und Kleinbetriebe werden, die sich kein neues Auto leisten können."

Wenn das seine Argumentation ist, soll Ellerbrock doch auf eine Verkehrsinsel ziehen. Am besten auf der B1.