Clements Revanche

Wolfgang Clement geht in die nächste Runde. Weil ihm die vom Unterbezirk Bochum ausgesprochene Rüge wegen parteischädlichen Verhaltens nicht passte, rief der einstige NRW-Ministerpräsident die Schiedskommission des SPD-Landesverbandes an. Dort wird die Causa Clement am 12. Juli – parteiöffentlich – verhandelt. War der Wahl-Bonner den Verhandlungen im Bochumer Unterbezirk seinerzeit lieber fern geblieben, hat er sein Erscheinen zum Termin mit der Parteischiedskommission in Düsseldorf angekündigt.

Im hessischen Landtagswahlkampf hatte der heutige Wirtschaftsberater in einer Zeitungskolumne von der Wahl der SPD-Kandidatin Andreas Ypsilanti abgeraten. Das vor allem auf erneuerbare Energien setzende Wahlprogramm der Hessen-SPD hatte Clement, treuer Anhänger von Kohle, Gas und Atomkraft, als unverantwortlich kritisiert. Mehrere SPD-Ortvereine stellten daraufhin den Antrag auf Parteiausschluss wegen parteischädlichen Verhaltens. 

Bereits am 1. Juli kommt es zu einem sozialdemokratischen Streitgespräch in Köln. Jochen Ott, frisch gebackener Landesvize der SPD, wird sich auf Einladung des Kölner Stadtanzeigers mit Clement ein Wortgefecht liefern. Für Clement übrigens ein Heimspiel: Er ist als Berater auch für den Herausgeber des Stadtanzeigers tätig.   

Uni Witten-Herdecke vor der Pleite?

Die Uni Witten-Herdecke war die erste Privatuniversität Deutschlands. Nun steht sie wieder einmal vor der Zahlungsunfähigkeit.

Foto: uni-wh.de

Sie war schon mehr als einmal kurz vor dem Ende: Die Uni-Witten Herdecke stand 2005 kurz davor wegen qualitativen Mängeln ihren Medizinstudiengang schließen zu müssen und 2007 war sie trotz namhafter Sponsoren aus der Wirtschaft wie Ernst & Young und Bertelsmann kurz vor der Pleite – dann aber kam der Retter: Finanzinvestor Walter Droege wollte der Uni 12 Millionen Euro spenden. Nach einem Artikel in der Financial Times Deutschland (FTD) hat er aber dazu keine Lust mehr – ein Sprecher erklärte gegenüber der FTD, Droege mag sein Geld nicht zum Stopfen von Löchern hergeben. Nun ist die Uni Witten-Herdecke dabei,  Ersatz für Droeges ausbleibende Zahlungen zu finden – gelingt es ihr nicht, droht das Aus.

Konzept Ruhr: Land will weniger Projekte fördern

Eine Liste mit 274 Projekten haben die Ruhrgebietsstädte Anfang des Jahres dem Land vorgelegt – nach Ansicht der Landesregierung zu viele – und zu teuer sind sie Düsseldorf auch.

Im Januar stellten die Ruhrgebietsstädte 274 Projekte vor, mit denen sie erstmals gemeinsam und miteinander abgesprochen in Düsseldorf Fördermittel einwerben wollten. Schon damals schafften es nicht alle Projekte auf die Liste. Doch dem Land war diese trotzdem noch zu lang.  Joachim Neuser,  Sprecher des Wirtschaftsministeriums, dass für die Landesregierung die Abwicklung der Förderprojekte koordiniert: "Die 274 Projekte der Städte hätten fast zwei Milliarden Euro gekostet. Wir haben die Städte gebeten nachzubessern und eine abgespeckte Liste einzureichen" 450 Millionen Euro – mehr will das Land nicht gemeinsam mit der Europäischen Union zur Verfügung stellen. Auch die Förderprojekte des Ökologieprogramm EmscherLippe (ÖPEL) sollen mit dieser Summe finanziert werden. Nun wird an einer Streichliste gearbeitet, die in der kommenden Woche wohl in einer ersten Version fertiggestellt sein wird. Schon begonnene Projekte haben die besten Zukunftschancen. Streitig ist nur, wer über diese Liste endültig befinden soll: Während die Städte wohl wie bislang gerne selbst die Liste erarbeiten wollen, drängt der Fraktionschef der CDU im RVR, Roland Mitschke darauf, sie in der Verbandsversammlung des RVR zu diskutieren: "Das Ruhrparlament ist der Ort, an dem Projekte mit regionale Bedeutung diskutiert und entschieden werden müssen. Die Städte haben nur ihren lokalen Blick – und das ist gut und richtig. Wir brauchen aber die Sicht auf das ganze Ruhrgebiet, wenn wir entscheiden wollen, welche Projekte unverzichtbar für die weitere Entwicklung der Region sind."

Upgrate: Sind die Türken die Juden von heute?

Faruk Sen hat in einem Artikel die Lage der Türken mit der der Juden verglichen.

Faruk Sen ist Direktor des Zentrums für Türkeistudien und hat, wie schon gestern die FAZ meldete, in einem Artikel in der türkischen Zeitung Referans die Lage der Türken im heutigen Europa mit der der Juden verglichen. Der Artikel bezog sich auf den aufkommenden Judenfeindlichkeit in der Türkei. Sen wörtlich: "Fünfmillionenzweihunderttausend Türken leben in Europa, das durch große Grausamkeiten diesen Kontinent judenfrei zu bekommen versuchte. Sie wurden die neuen Juden Europas. Obwohl unsere Menschen, die seit 47 Jahren in Mittel- und Westeuropa beheimatet sind, 125.000 Unternehmer mit einem Gesamtumsatz von 45 Milliarden Euro hervorgebracht haben, werden sie – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß und unterschiedlichen Erscheinungsformen – wie die Juden diskriminiert und ausgeschlossen.

Gestern, kurz nach Erscheinen des FAZ-Artikel im Internet, ruderte Sen in einer Pressemitteilung zurück: "Absicht des von mir verfassten Artikels war, ein Zeichen gegen Antisemitismus in der Türkei zu setzen. Ausgangspunkt war ein Medienkampagne gegen den jüdischen Unternehmer IÅŸak Alaton in der Türkei, der sich seit längerem dort mit antisemitischen Auswüchsen konfrontiert sieht. Im Artikel habe ich auch einen Vergleich zwischen der Verfolgung der Juden während der Nazizeit und der heutigen Situation der Türkeistämmigen in Europa gezogen, der in der Undifferenziertheit, wie er in meinem Artikel erscheint, unzulässig ist. Obwohl nach meiner Überzeugung Türkeistämmige in Europa von beträchtlicher gesellschaftlicher Ausgrenzung betroffen sind, verbietet sich der Vergleich mit der Verfolgung der Juden."

Mitterweile hat sich auch der Vorstand der Zentrums für Türkeistudien von den Aussagen Sens distanziert: "Ich schätze Faruk Åžen, aber jetzt hat er krass überzogen“, bewertete Fritz Schaumann, Vorsitzender des Vorstands des Zentrums für Türkeistudien, Faruk Sens Vergleich von Türken als den neuen Juden Europas in einer Erklärung. Diese und ähnliche Äußerungen von Sen seien, so Schaumann weiter, geeignet, den guten Ruf des Zentrums und seine Integrationsarbeit nachhaltig zu schädigen.  „Zweifellos ist das Zusammenleben von Türken und Deutschen noch nicht problemfrei, zweifellos sind auch weiterhin beidseitig intensive Anstrengungen erforderlich. Gerade in der Analyse solcher Probleme und der Entwicklung möglicher Lösungen liegt aber nach meinem Verständnis die Aufgabe des Zentrums für Türkeistudien." Am Donnerstag wird sich der Vorstand mit Sen zusammen setzen und über Konsequenzen beraten.

Ich kenne Faruk Sen sehr lange. Wir duzen uns und ich mag ihn.  Als ich den FAZ-Artikel gelesen habe, konnte ich mir nicht erklären, wie er so einen Unfug schreiben konnte.  Der Vergleich ist historisch  unverantwortlich. Natürlich werden Türken in Deutschland dikriminiert – aber das Ausmaß der Diskriminierung ist nicht mit dem der Juden vergleichbar, die zu Millionen ermordet wurden. Der Vergleich ist unverantwortbar, denn er negiert die Fortschritte der Integration, für die gerade Faruk Sen selbst ein gutes Beispiel ist und er rückt die europäischen Mehrheitsgesellschaften in die Nähe der Nazis. Bei allen Mängeln: Diesen Vorwurf muß sich keine europäische Demokratie gefallen lassen. Und er bestärkt zudem die Türken in ihrer Rolle als Opfer, aus der sie selbst nicht herauskommen können. Das ist Unsinn – ich mag den Opferkult in unserer Gesellschaft ohnehin nicht, den Sen hier predigt (und der eine sehr deutsche Sicht auf die Dinge ist. Faruk Sen ist nun einmal auch ein Protagonist des Betroffenheitskultes) denn wir alle sind, was Diskriminierung betrifft, fast immer Opfer und Täter zugleich: Als Türken, Frauen, Steuerzahler, vom Neid verfolgte Reiche, als Arme, als Alte und Junge, als Punks und verhöhnte Freude des deutschen Schlagers…die Liste lässt sich beliebig Fortsetzen und jeder nimmt sich als Opfer selbst ernst, die Probleme sind auch real – nur mit den Verbrechen gegen die Juden hat das alles nichts zu tun. Das war eine gänzlich andere Dimension, die sich dem heutigen Opferkult entzieht. Es gibt einen Unterschied zwischen Problemen und Völkermord und er darf nicht verwischt werden.

Ich weiß von Faruk Sen aber auch, dass die Anschläge von Solingen und Mölln einen tiefen Einschnitt für ihn darstellten. Er – und viele Türken mit ihm – hätten sich damals ein deutliches Zeichen der Bundesregierung gegen die Anschläge gewünscht. Kohl, so der Vorwurf, sei damals nicht nach Solingen gekommen. OK, aber es gab Demonstrationen und Lichterketten im ganzen Land gegen die Nazis. In den Progromnächten der Nazis stand kaum jemand auf.

 

Upgrate: In der WELT ist der Text von Faruk Sen veröffentlich: Klick

 

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Revierfußballer des Jahres

"Es war eine Wahl von Experten. Es tut mir gut, es schadet niemandem."

Der beste Spieler der EM? Für mich, bisher: Hamit Altintop aus Gelsenkirchen-Ückendorf. Erst 25. Spielgestalter. Halbfinalist. Obwohl sie einen – wie sagt es H.? – "schwierigen", verrückten Trainer haben. Hamit macht das Spiel, veränderte sich von Rechts Hinten ins Zentralfeld. Rockt den Raum, immer am Gegner, versucht was, macht weite Wege, haut spektukuläre Dinger in den Strafraum. Und das vor allem dann: Wenn die Mannschaft zurück liegt. Das Geheimnis der Aufholtürken heißt Altintop. Oder das Bayern-Gen.

Genauso präsent stellt er sich den Mikrofonen nach dem Spiel, gibt schlaue Interviews (hier oder hier). Analysiert ohne Siegestaumel, schluckt souverän seinen Sprachfehler weg. Er weiß, was gut und schlecht war. Lässt sich nicht vom Atatürkischen-Pathos anstecken. Altintop macht den Unterschied. Und ist damit wenigstens ein Ruhrgebietskicker mit Fortune und Klasse. Deutschland kann bis auf Jens Lehmann auf Spieler aus dem RGB verzichten.

 

Foto: hamit-altintop.com

Designstadt Essen – kurz korrigiert

 

Vor eiger Zeit habe ich über die Designstadt Essen geschrieben. Und zwar, dass von all den großen Plänen eines neuen creativen Viertels nicht mehr geblieben ist als eine Designetage in einem Bürohaus. Und dass diese Designetage jetzt auch noch größtenteils lehrgezogen wird.

In dem Artikel habe ich einen Fehler gemacht, den ich hiermit korrigieren möchte. Ich habe geschrieben, die Designer hätten einen Subventionsmietvertrag mit der Essener Wirtschaftsförderung abgeschlossen. Und zwar würde die EWE selbst vom Unternehmen SIG-Schürmann die Designetage mieten und die Räume dann zu einer günstigeren Miete an die Gründer weiterreichen. Nun, das stimmt so nicht. Die Essener Entwicklungsgesellschaft Zollverein (EGZ) bekommt das Fördergeld, mietet dann beim Unternehmen SIG-Schürmann die Büros an und gibt diese dann subventioniert an die Gründer weiter.

Mit anderen Worten: Der Artikel ist mit EGZ richtig, mit EWE falsch. Die Kürzel müssen ausgetauscht werden. Sorry für den Fehler.

An den anderen Tatsachen des Artikels ändert sich sonst eigentlich nichts.

Ruhr-Initiative sucht Unterstützer

Um den Bochumer Historiker Klaus Tenfelde und den Verein Pro Ruhrgebiet herum gründet sich eine sogenannte Bürgerschaftliche Initiative.

Ziel der Gruppe, die in den letzten Wochen damit begonnen hat, gezielt Unterstützer anzusprechen, ist es wohl unter anderem, die Landesregierung an ihr Versprechen, einen eigenen Ruhr-Bezirk zu gründen, zu erinnern. Tenfeldes Mitstreiter wollen allerdings wohl keinen schlichten Regierungsbezirk, sondern gewählte Ruhrgebietsgremien und einen von der Bevölkerung gewählten Repräsentanten. Die Initiative will nach den Sommerferien einen Aufruf veröffentlichen und ist  dabei, prominenter Unterstützer zu sammeln. Auch an einem umfangreichen Forderungskatalog für die Region soll gearbeitet werden. Vergleichbare Initiativen gibt es in Westfalen – dort wenden sie sich allerdings gegen die Reformpläne des Landes. Hoffentlich wird die Ruhrgebiets-Initiative nicht so betulich und langweilig wie ihr westfälisches Gegenstück.  

Public Viewing (2): Im Bett mit Netzer

Christina Stürmer singt dieses Lied zur Euro, und mich musste es erwischen: 39 Grad, Bettruhe, Langeweile. Da denkt man sich "Wetten, dass"-Wetten aus. An Hupkonzerten 16 Nationalitäten erkennen. Ich könnte das. Also Vormfernsehgedöse. Vitamingetränke. Sich über die  Fußballbegeisterung wundern. Und sich denken, im Bett ist meiner einer am besten aufgehoben. Stinkstiefelig, verschnupft, vergreist.

Seltsam, die jungen Menschen mit schwarzrotgelben Hawaiketten, Goaties, freundlichen Augen, Migrations-Hintergründen, wie die sich freuen können?! Ambivalente Gefühle aus Neid und Abscheu. Wie beim Karnevalgucken, einerseits möchte man schon dabei sein, mitbützen, mitkippen, lachen, singen, wehmütig katholisch sein. Andererseits: Warum?

Hab ich erwähnt, dass wir seit Tagen zwei Buntspechte im Garten haben, sie hacken in den halbwelken Riesenkirschbaum, rufen dazu lustig aufgeregt und sehen ganz zerzaust aus – fast wie Deutschlandfans.
PS: Muss sagen, als das erste Mal die Fahnen wieder rauskamen, achtzehn Jahre ist das her, da war ich jünger und auch draußen gucken. Bis zum Halbfinale war es wirklich nett – dann kam der Mob. War schon damals nichts für mich, Stinkstiefel bleibt Stinkstiefel.

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Grönemeyer sang für das Konzerthaus

Bochum will ein Konzerthaus und braucht Geld. Um für Spenden zu werben, gab Herbert Grönemeyer gesten im Bermudadreieck ein  Konzert.

Herbert Grönemeyer und Steven Sloane. Foto: Görges

Vorher verkündeten allerdings Bochum Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz und der Chef der Bochumer Symphoniker, Steven Sloane, dass es statt der erhofften 10.000 Spender zum Abschluss des zehnwöchigen Spendenkampagne für das Konzerthaus derer 20.219 gegeben hätte und die zusammen 170.000 Euro gesammelt hätten – eine schöne Stange Geld, aber da Bochum noch über fünf Millionen zum Bau des vierten neuen Konzerthauses im Ruhrgebiet innerhalb von zehn Jahren fehlen, wird wohl ein privater Bürge dafür sorgen, dass mit dem Bau bald begonnen werden kann, denn bis zum Kulturhauptstadtjahr soll der Musentempelm fertig sein. Auch Grönemeyer wird sich für das Konzerthaus noch mal ins Zeug legen: Er wird im kommenden Jahr ein weiteres Konzert geben – gemeinsam mit Steven Sloane und den Bochumer Symphonikern im Ruhrstadion – die  Eintrittsgelder sollen dem Bau des Konzerthauses dienen.

Grönemeyer gab vor 4000 Zuschauern ein kurzes Konzert – spielte aber, zur Freude aller, zwei Mal Bochum. EInen ausführlichen Konzertbericht gibt es bei Jens.

CDU-Ruhr will mehr Demokratie wagen

Die CDU-Ruhr diskutiert im Augenblick ihr Regionalprogramm 2009-2014. Im aktuellen Entwurf bekennt sie sich zur Schaffung eines eigenen Regionalrates für das Ruhrgebiet. Aber sie geht in ihren Vorstellungen über dieses Ziel hinaus. 

Norbert Lammert, Chef der Ruhr-CDU

Denn die CDU-Ruhr will mehr Demokratie wagen: Geht es nach den Vorstellungen der Christdemokraten sollen die Bürger im Ruhrgebiet künftig ein eigenes Parlament wählen – das heutige Ruhrparlament, die Verbandsversammlung des RVR – wird indirekt bei der Kommunalwahl mitgewählt. In dem Entwurf des Regionalprogramms, der mir vorliegt, heißt es: "Wir wollen den Regionalverband derart weiter entwickeln, dass er sowohl über eine von seinen Mitgliedskommunen abgeleitete und kommunal begründete, als auch eine starke regionalpolitische Legitimität (Hervorhebungen im Original) verfügt. Hier sollen sich die überörtlichen, regionalen Interessen der gesamten Region über die von den Bürgern der Metropole Ruhr direkt gewählten Repräsentanten widerspiegeln, um einen Ausgleich zwischen regionalen und lokalen Interessen zu treffen und die Spitzen der Städte und Kreise noch intensiver in regionalpolitische Entscheidungen einzubinden."  
Im Augenblick wird das Papier innerhalb der CDU-Ruhr diskutiert – allerdings setzt die Union mit dieser Forderung die anderen Parteienzur Kommunalwahl im kommenden Jahr unter Druck: Wer will mitmachen, wenn es um mehr Demokratie geht und wer sperrt sich gegen den Machtzuwachs für die Bürger?