In Mülheim ist ein interessanter Streit entbrannt, der ein Schlaglicht auf den vielleicht spannensten Wahlkampf im Pott – nach Dortmund – wirft. Und damit Auswirkungen auf das Geschehen im ganzen Ruhrgebiet hat.
Derzeit wird Mülheim von der SPD beherrscht. Oberbürgermeisterin ist Dagmar Mühlenfeld. In ihrem Selbstverständnis ist die Dame Chefin der Stadtkanzlei und Vorsitzende des Konzernes Stadt. Auf dem Foto der Stadt Mülheim ist die Stadtkanzleiherrin und Vorstandsvorsitzende Oberbürgermeisterin die Dame in der Mitte vorne mit der Blume und dem blonden Seitenscheitel.
Tja. So kann das gehen mit der Selbsteinschätzung: Stadtkanzlei.
Vergaß ich zu erwähnen, dass Mühlenfeld auch im RWE-Aufsichtsrat sitzt und sich lange weigerte das Geld, dass sie dort ausgeschüttet bekommt, an die Stadtkasse weiterzureichen? Dann habe ich das hier getan.
Jedenfalls: Dagmar Mühlenfeld wird herausgefordert vom CDU-Oberbürgermeisterkandidaten Stefan Zowislo. Der Mann war mal Chef des Mülheimer Marketings und einer der Vordenker von Schwarz-Grün in Mülheim. Heute ist Zowislo bei der WAZ beschäftigt und immer noch Vordenker von Schwarz-Grün.
Vor wenigen Tagen nun hat Zowislo den ersten tiefen Pfeil in den Harnisch der Stadtkanzleiherrin und Stadtvorstandsvorsitzenden Mühlenfeld gesetzt. Denn Dagmar war nicht bei der Expo Real, um ihre Stadt zu verkaufen. Zowislo war da. Er hat dort geredet über den Verfall der Mülheimer Innenstadt und was man dagegen tun kann. Er hat sich Ideen besorgt.
Nun kann man darüber streiten, was die Expo Real bringt. Aber man kann nicht darüber streiten, dass es klug ist als Herausforderer dort zu sein. Und dass es dumm ist, als Favorit nicht hinzufahren, wenn der Underdog da ist. In der Politik nennt man das wohl den Stoiber-Flut-Mistake.
Noch besser war aber der zweite Pfeil Zowislos gesetzt, der Mühelnfeld genauso unvorbereitet traf. Und zwar warf Zowislo der Stadtkanzleiherrin vor, einen Besuch von NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) zum Schaden der Stadt geschwänzt zu haben. Statt mit dem Landesvater in Tradition von Rau (noch so ein Pfeil) über die Zukunft der Stadt zu verhandeln, habe sie es vorgezogen, Urlaub zu machen. Und dann brachte Zowislo den bösen Satz, der hängen bleibt: "Das Amt des Oberbürgermeisters ist nicht dazu gedacht, Urlaub in Lehrer-Intervallen zu machen." Paff.
In der SPD gingen Messer auf. In der Tasche und darüber. Der SPD-Fraktionschef von Mülheim versuchte mit Dreck zurückzuwerfen. Aber es misslang. Ich habe sogar schon den Dreck vergessen. Mühlenfeld aber, und das ist der zweite Stoiber-Fehler konnte auf den Angriff nicht wechseln. Sie schwieg. Bis heute. Sie hat nicht verstanden, dass sie kämpfen muss.
Denn Zowislo ging es nicht nur um den Säbel-Angriff. Er setzte gleichzeitig ein Wahlkampfthema mit dem Florett: Die Entwicklung der Mülheimer Innenstadt, die am Ende ist, wie jeder erkennt, der mal da war. Dieses Thema kann Zowislo nun immer spielen. Und wenn Mühlenfeld sagt, ich mach was, kann er immer sagen: Wenn Sie was tun würden, wären sie bei der Expo Real gewesen. Sie haben ja nicht mal mit potentiellen Investoren gesprochen. Und wenn Dagmar dann antwortet, ach, die Messe ist doch Mist, kann er fragen: "Und warum gibt dann Mülheim dafür viel Geld aus, wenn das nichts bringt?"
So einfach schafft man sich Vorteile. Vorteile, die man ausbauen kann, im Gespräch mit den Bürgern.
Ich bin gespannt, ob es Zowislo gelingt Mühlenfeld zu stürzen. Ich denke er hat sehr gute Karten, bei der politischen Instinktlosigkeit der ehemaligen Deutschlehrerin.
Sollte Mülheim aber an die CDU fallen, droht der SPD ein vernichtendes Desaster im Ruhrgebiet. Mülheim ist eine der wenigen Städte mit Perspektive, da die Stadt über viele enorm starke Konzerne auf enorm kleinen Raum verfügt. Zudem droht nach den Langemeyer-Festspielen auch in Dortmund ein Debakel für die SPD. Und niemand erwartet, dass die CDU Duisburg verliert. Auch in Essen liegen die Konservativen weiter vorne.
Im Extremfall bliebe der SPD ein geschwächtes Bochum, und ein belangloses Oberhausen. Von Bottrop und den anderen Restgemeinden brauchen wir eigentlich gar nicht sprechen, da diese Städte finanziell total am Ende sind.
Es gibt tatsächlich nur einen Hoffnungsschimmer für die SPD im Revier und das ist Frank Baranowski. Er wird Gelsenkirchen verteidigen, denke ich. Schließlich hat er es geschafft, die marode Stadt vom letzten Platz der Arbeitslosenstatistik in NRW wegzuführen und diese rote Laterne an Dortmunds Langemeyer weiterzugeben.
Ich bin gespannt, wie sich Baranowski in dieser Situation verhält. Wird er die Organisation der Ruhr-SPD stärken, um so den anderen schwachen Genossen im Revier Halt zu geben? Oder wird er schnell den Pott verlassen und in der Landes- oder Bundespartei Karriere machen. Nach Langemeyer jedenfalls ist Baranowski der spannenste Parteimann im Ruhrgebiet.