Im Kampf um die SPD-Vorherrschaft in Dortmund geht es nicht nur um die drei Personen, die glauben, die Stadt unter sich aufteilen zu können. Wie in einem Raumschiff schweben sie über Dortmund. Es wird vor allem um die Bilanz des Oberbürgermeisters Gerhard Langemeyer gehen und um die Frage, was hat die SPD in den letzten acht Jahren für die Menschen geleistet, außer ein unterhaltsames Rahmenprogramm inklusive Machtkampf.
Es geht um die wichtigen Fragen: Was ist gelungen? Zunächst ist da ein Bild der Erfolge auf die ein Betrachter blickt in der SPD-Herzkammer Dortmund. Mikrotechnik. Computertechnik. Forschung. Logistik. Das wird einem hingeworfen und eingetrichtert von gleich gefühlt einem duzend Pressesprechern. Aber was steckt dahinter? Wenn man hinter die Fassaden schaut? Wenn man sich eingräbt in die Details?
Bleiben wir zunächst noch mal kurz an der Oberfläche. Mit kräftigen Farben strahlt das Dortmund Project weit über die Ostruhrkommune hinaus. Es zeigt eine Stadt im erfolgreichen Strukturwandel – weg von der Stahl- und Bierindustrie hin zu modernen Branchen. Immer stehen die Erfolge im Zentrum. In der Informationstechnik, in der Logistik und in der Mikrotechnik. Unternehmen siedeln sich an. Jobs entstehen. Aufbruch überall. , Langemeyer hat das Dortmund Project mit seinem Namen verschmolzen.
Doch hinter den Kulissen wird das Projekt nicht so erfolgreich eingeschätzt. So versprachen die Unternehmensberater von McKinsey, dass in den neuen Branchen bis 2010 über 70.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Davon ist Dortmund heute weit entfernt. Langemeyer gibt zu, dass in den vergangenen Jahren lediglich knapp 40.000 Jobs dazu gekommen sind. Und es gibt wenig Hoffnung in dem verbliebenen Jahr diese Zahl zu verdoppeln.
Gleichzeitig verweisen die Kritiker auf die Schattenseiten des Dortmund Projects. Die Versicherungs- und Bankensektoren brachen am Standort Dortmund nahezu komplett weg. Tausende Arbeitsplätze gingen in Administrationen verloren. Dazu kamen Einbrüche in den verbliebenen Industriebetrieben, im Handwerk. Überall, wo Menschen arbeiten, die keinen Uni-Abschluss haben.
Ein Mitarbeiter aus der Wirtschaftsförderung fast das knapp zusammen. „Das einzige was am Ende des Tages interessiert, ist doch, ob die Menschen in Dortmund Hoffnung auf sichere Arbeit haben.“ Und diese Hoffnung scheint enttäuscht zu werden. In der Amtszeit von Langemeyer fiel Dortmund auf den letzten Platz in der Arbeitslosenstatistik in NRW zurück und hat sogar das graue Gelsenkirchen als Schlusslicht vor sich gelassen.
Ist das nicht der Maßstab der an einen SPD-Oberbürgermeister angelegt werden sollte? Was hast Du für die Arbeit in Deiner Stadt getan?
Tatsächlich scheint es, als habe die Darstellung der Erfolge die Beschäftigung mit den Schwachstellen in der Stadt verdrängt.
Nur einige Beispiele: Im Gesundheitsamt haben drei Führungsleute Geheimdossiers über missliebige Mitarbeiter angelegt. In den Dokumenten heißt es etwa zu familiären Problemen einer Mitarbeiterin: „Persönlicher Eindruck: Frau … wirkt nicht niedergeschlagen oder irritiert. …familiäre Probleme nicht ersichtlich." Eine andere Mitarbeiterin wird abgekanzelt: „Persönlicher Eindruck: ist Argumenten nur schwer zugänglich, fühlt sich in der Opferrolle. Nimmt keine Unterstützung an." Es gibt duzende dieser Spitzeldateien.
Doch statt den Skandal aufzuklären, greift der Datenschutzbeauftragte der Stadt Dortmund die Spitzelopfer an. In einer vorliegenden Stellungnahme wirft er den Mitarbeiter vor, den Skandal selbst zu verschulden. Schließlich hätten sich ein Opfer einen Anwälte genommen und damit die Geheimdossiers einem Gericht bekannt gemacht. Dies sei nach Ansicht des Datenschützers der eigentliche Skandal: Schließlich seien die Bespitzelten „unter Strafe verpflichtet, über Verwaltungsinterna nach außen Verschwiegenheit zu bewahren.“
Die Spuren für die versuchte Vertuschung führen bis ins Oberbürgermeisterbüro: Die Frau des stellvertretenden Personalamtschefs ist eine der drei Spitzel. Ihr Mann ist nach dem Willen Langemeyers für eine Beförderung auf einen Amtsleiterposten vorgesehen. Der Datenschützer selbst ist direkt dem Büro des Oberbürgermeisters unterstellt.
Martin Steinmetz von der Gewerkschaft Verdi sagt. „Was sich hier in Dortmund derzeit abspielt, habe ich in 18 Jahren Gewerkschaftsarbeit noch nicht erlebt.“
Auch in der so genannten Koks-Affäre spielt der Filz um Langemeyer eine entscheidende Rolle. Eine Angestellte aus dem Oberbürgermeisterbüro hatte nach Angaben der Staatsanwaltschaft über 1 Mio Euro aus der Stadtkasse unterschlagen, um damit ihren Drogenkonsum zu finanzieren. Langemeyer will davon nicht gemerkt haben. Als Konsequenz wurden zwei Mitarbeiterinnen aus der Stadtkasse gefeuert. Für Gewerkschafter Steinmetz ein Skandal. „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.“ So hätten die Angestellten eine Weisung befolgt, das Oberbürgermeisterbüro und damit die Drogenabhängige bevorzugt zu bedienen. Von wem die Weisung kam, will der Gewerkschafter nicht sagen. Auch die beiden Mitarbeiterinnen schweigen sich noch aus. „Dies aufzuklären ist Sache der verantwortlichen Personaldezernentin“, sagte Verdi-Mann Steinmetz.
Intern allerdings schient klar zu sein, wer die Anweisung gegeben hat. Die Spur führt zum Leiter des Amtes für Bürgerdienste Peter Spaenhoff. Dieser stand bis Juni 2006 der Stadtkasse vor und wurde erst wenige Monate bevor die Koks-Affäre aufflog abgelöst. Spaenhoff ist kein Unbekannter. Sein Vater war SPD-Bürgermeister in Dortmund. Er selbst zählt zu den Getreuen Langemeyers. Bislang wird sein Name nicht von den Mächtigen in der Stadtverwaltung genannt.
„Das Problem ist nicht ein Amt. Sondern die schlechte Kontrolle über viele Ämter“, sagt Verdi-Mann Steinmetz.
Die Skandale setzen sich im städtischen Eigenbetrieb Fabido fort. Die Einrichtung ging aus dem Jugendamt hervor und ist für die Kindergärten zuständig. Hier lies die Behördenleitung einen Workshop filmen. Unter anderem wurde aufgezeichnet, wie Mitarbeiter in Tränen ausbrachen, als ihnen die Kündigung ausgehändigt wurde. „Die Menschen waren fertig. Sie konnten sich nicht wehren“, sagte einer, der dabei war.
Die Gewerkschaft Verdi verlangt, dass die Bilder gelöscht werden. Die Würde der Menschen sei angegriffen worden. Die Behördenleitung schweigt.
Die schlechte Stimmung schlägt durch auf die Betreuung der Kinder. „Die Leute können nicht mehr. Sie stehen kurz vor dem Kollaps“, sagt Steinmetz. Einige Mitarbeiter wollen einfach hinschmeißen. Andere erinnern daran, wie die Amtsleitung nicht reagierte, als in einem Kindergarten Gas austrat. Gleich mehrere Tage mussten die Erzieher darauf warten, dass ihre Einrichtung geschlossen und Ersatz geschaffen wurde.
Doch während in der Stadtverwaltung so der Zorn wächst, sieht sich Langemeyer als Opfer einer Kampagne von Verdi, CDU und FDP, wie er in einer Runde von Amtsleitern in dieser Woche sagte. Er selbst brauche sich keine Vorwürfe machen. Es fällt auf, dass in der Aufzählung eigentlich nur noch Marsmännchen fehlen, um die Weltverschwörung perfekt zu machen.
Unterdessen zeigt sich die SPD-Landesspitze besorgt über die Situation in Dortmund. „Die Machspiele sind abgehoben von der Realität. Die Dortmunder benehmen sich, als würde ihnen die Stadt gehören“, sagt ein Mitglied des Landesvorstandes. „Die Bürger spüren das, wenn man sich nicht um sie kümmert. So haben wir Essen und Duisburg verloren.“
Und da kann was dran sein. Wen interessiert es dort draußen, auf der Straße in Dortmund, wie sich die SPD zerlegt?