Die Datendeals der Telekom
Klammheimlich hat die Telekom ein neues Geschäftsfeld erschlossen: Dem Sammeln und Dealen mit Daten. Nicht irgendwelche, sondern die ihrer vielen Millionen Kunden. Also Name, Adresse, Telefonnummer und Bankdaten. Abrufbar ist alles über das Internet.
Spion Foto: Flickr/lintmachine
Zuständig ist eine Tochter mit dem Namen SAF Unternehmensverbund, die ihren Sitz in einem alten Telekomgebäude in Heidelberg hat. Was man bei dem Laden alles für Daten abrufen kann, kann man auf der Internetseite: www.saf-portal.de sehen. Die Daten stammen aus dem Bestand der Telekom (Festnetz und Handy), den Gerichten und anderen Quellen. Lieferant und Partner ist unter anderem die Deutsche Post. Dazu kann man über das Portal auf alle Melderegister zugreifen und auch einen Ermittler losschicken, der 35 Euro netto pro Einsatz kostet. Der fragt dann bei den Nachbarn, wo denn die gesuchte Person abgeblieben ist. Mit 32 Millionen Bankverbindungen und 47 Millionen Adressen ist das Unternehmen einer der größten Datendealer Deutschlands.
Kaum zu glauben, aber das ist legal, wie mir mehrere Datenschützer versicherten. Gedeckt ist die Speicherung durch das Kleingedruckte in den Telefonverträgen. Und die Abfrage der Melderegister ist auch vom Gesetz gedeckt, auch wenn die Telekom pro Monat alleine 30.000 bis 40.000 Datensätze in Berlin abfragt.
Ganz sauber läuft es bei der Telekom-Tochter aber trotzdem nicht: Ich habe über das SAF-Portal die Bonität einiger Privatpersonen abgefragt, die natürlich im Vorfeld zugestimmt hatten. Nachdem ich die Antworten hatte, habe ich gewartet. Denn die Telekom muss dem Gesetz nach die Betroffenen informieren – und zwar zeitnah. SAF-Chef Peter Bürker rühmte sich im Interview noch, dass alles automatisch geht. Spätestens nach einer Woche hätten die Betroffenen die Mitteilung, wer welche Daten abgefragt hat, behauptete er. Tja, was soll ich sagen? Ich und die Betroffenen warten immer noch; seit über zwei Monaten.
Konfrontiert mit dem Ergebnis meiner Stichproben reagierte Bürker betroffen. Dann schickte er seine Juristen ins Rennen und mit denen wurde es krude. Erst behaupteten das Unternehmen, nur bei einer negativen Bonität müssten sie die Betroffenen informieren. "Das ist völliger Blödsinn“, sagte mir ein Datenschützer. Im Gesetz steht davon auch kein Wort. Am vergangenen Montag bekräftigte das Unternehmen in einer schriftlichen Stellungnahme: "Eine Benachrichtigung erfolgt nur dann, wenn das erste Mal Negativmerkmale bei der Accumio (eine SAF-Tochter) gespeichert oder von der Accumio erstmals "ohne Kenntnis" des Betroffenen übermittelt werden." Am Mittwoch rudert die Telekom zurück und räumt ein: „Selbstverständlich erfolgt im Falle der erstmaligen Übermittlung eine Benachrichtigung des Betroffenen.“ Auf eine Erklärung für den Sinneswandel warte ich noch heute.
Die Telekom versucht das Ding nun nach dem Motto „Wer ist schon diese kleine Tochter“ runterzuspielen. Das ist billig, denn ich finde es sehr bedenklich, wenn die Telekom-Juristen offenbar schon elementarste Grundsätze des Datenschutzgesetzes nicht verstehen. Die Mitteilung an die Betroffenen ist wichtig. Wie soll ich sonst erfahren, wo welche Daten über mich liegen? Ein Datenschützer sagte mir, dass das Ausbleiben der Mitteilung branchenüberlich ist. Denn ein Bürger könnte ja darauf bestehen, dass bestimmte Daten gelöscht werden. Der Firmen gehen dann die für viel Geld gesammelten Rohstoff verloren, das kann denen nicht schmecken.
Die Nachlässigkeit in Sache SAF wirft ein trübes Licht auf den Gesamtkonzern. Die Tochter unterliegt nach Bürkers Angaben den schärfsten Datenschutzbestimmungen. Wenn aber solche Pannen möglich sind, dann scheint es bei der Telekom mit dem Schutz unserer persönlichsten Daten nicht weit her zu sein. Man darf nicht vergessen, wir reden hier über das Unternehmen, dass Journalisten und Aufsichtsräte bespitzelt hat.
Welchen Sprengstoff die Telekom da in ihrem Konzern hat, wird den Verantwortlichen allmählich klar. Die haben SAF mit ihren 500 Mitarbeitern auf den Prüfstand gestellt. Bedenken gibt es zwar noch, da eine Menge Telekom-Daten auf den Rechnern der SAF-Gruppe lagern. Aber über kurz oder lang wird der Laden verkauft. Als möglicher Käufer wird der Bertelsmann-Konzern mit seiner Tochter Arvato genannt.
„Guten Tag, ich bin von Unitymedia…“
Ich habe ein Problem: Ich gehe ans Telefon wenn es klingelt. Immer. Das wird sich vielleicht bald ändern.
Wenn das Telefon klingelt gehe ich ran. Auch wenn die Nummer unterdrückt ist. Ein paar Freunde von mir und auch mein Stiefvater haben ihre Telefonnummern unterdrückt und hinter jedem dieser Anrufe, deren Sender ich ja nicht sehe, könnte sich ja ein Hilferuf oder die Einladung auf ein Feierabendbier verbergen. Manchmal, wenn ich gerade auf der Arbeit über das Festnetz telefoniere, klingelt mein Handy. Tut es das penetrant, unterbreche ich kurz das Gespräch und nehme den Anruf an. Meistens meldet sich dann aber kein mir nahestehendes Wesen, sondern irgendwelche Frauen mit dem Satz "Guten Tag, ich bin von Unitymedia." Früher war ich noch freundlich, erklärte, ich sei zufriedener Kunde der Telekom und hätte nicht vor zu wechseln. Mittlerweile fluche ich schon, wenn ich den Namen Unitymedia nur höre – eigentlich will ich das nicht, weil ich weiß, dass die Arbeit in einem Callcenter nicht Vergnügungssteuerpflichtig ist, ich will freundlich sein, aber in den letzten Monaten hat Unitymedia meinen Gelduld arg strapaziert. Post von Unitymedia bekomme ich fast täglich – sie wandert ungelesen ins Altpapier. Alleine für mich ist da bestimmt schon ein guter Hektar tropischen Regenwaldes abgeholzt worden – selbst Günter Jauch kann nicht so viel Bier in sich hineinkippen, um die ökologischen Schäden auch nur halbwegs in Grenzen zu halten.
Am Telefon erklärte mir mal einen Mitarbeiterin, ich wäre ein Kunde von Unitymedia. Ich erklärte ihr, dass unser Kabelanschluss Teil des Mietvertrages wäre, ich das Geld meinem Vermieter überweisen würde und noch nie eine vertragliche Beziehung zu Unitymedia gehabt hätte. Ob mein Vermieter seinen Kabelvetrag bei Unitymedia oder einem albanischen Telekomunikationsdienstleiter hat, sei mir schurzpiepenegal – könnte ich wählen, ich hätte nur noch DVBT. Und Fernsehen sei sowieso blöd und langweilig.
Aber was ich auch erklärt habe, es interessiert Unitymedia nicht. Ein Freund hat ihnen schon ein Einschreiben geschickt mit dem Verbot ihn mit Werbung einzudecken – die Reklamestalinorgel änderte noch nicht einmal ihre Schussfrequenz.
Der gleiche Freund ist übrigens Hausbesitzer und brauchte mehrere Monate um Unitymedia zu erklären, dass sich die Rechnungsadresse geändert hat. Unitymedia bekam es nicht hin, die Rechnung an die richtige Adresse zu schicken, hatte aber schon mit dem Mahnen begonnen. Kein Wunder, dass das Unternehmen an solchen Aufgaben scheitert, wenn die gesamt Belegschaft offensichtlich damit beschäftigt ist, das Land mit Telefonterror zu überziehen. Ich glaube es geht ihnen auch gar nicht mehr um Vermarktung, ich würde allein wegen der letzten Monate nie zu Unitymedia wechseln, egal was für ein Angebot sie machen würden, es macht ihnen Spaß, Menschen an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Täglich rechne ich damit, dass ein Pizzabote schellt und mir freudestrahlend 100 Salamipizzen auf die Arbeit bringt, die ich angeblich telefonisch bestellt habe. Ich bin mir sicher, das Minuten später das Telefon klingelt, sich eine freundliche Damenstimme meldet und in den Hörer flötet: "Guten Tag, ich bin von Unitymedia, haben die Pizzen geschmeckt?" und dann im Hintergrund ein ganzes Callcenter ins lautes Lachen ausbricht. Denn irgendeine Steigerung des Terrors wird ja bald mal kommen müssen…
Kampf um die Jugend
Die Demokraten werfen in den USA alles in die Wagschale, um den nächsten Präsidenten zu bestimmen. Während auf der einen Seite die Republikaner mit sexlosen Leben vor der Ehe und beten bis zum Umfallen werben, bekommt der schmale Obama Rückendeckung vom dicken Pro-Dem Michael Moore.
Der Dog-eat-Dog-Filmemacher will die jungen, weißen Typen aus den Trailerparks an die Urne holen. Sie sollen für Obama stimmen – damit irgendwas wenigstens anders und damit auf jedem Fall besser wird. Dafür wirft er weiße Feinrippslips in die Menge und natürlich Nuddeln.
Moore hat das "Slacker Uprising" (frei übersetzt etwa: Aufstand der faulen Säcke) , schon 2004 erfolglos für Kerry durchgezogen. Über das Ding damals hat er ein Film gedreht, den man nun frei herunterladen kann – um Obama zu stützen, oder so….. Und zwar hier: klack
Hier das Demo-Band
Kreis Wesel bleibt im RVR
Mit 42 zu 23 Stimmen hat der Kreistag in Wesel für einen Austritt des Kreises aus dem RVR gestimmt – zu wenig, es fehlte nur eine Stimme für den Austrittsantrag von Union, FDP und Grünen, denn eine 2/3 Mehrheit war notwendig. Die SPD hatte sich für einen Verbleib Wesels im RVR ausgesprochen. Wie mit einem solchen Ergebnis eine gute Zusammenarbeit in Zukunft gestaltet werden soll, ist mir ein Rätsel. Reisende soll man nicht halten – der RVR sollte trotz dieses Ergebnisses mit dem Kreis Wesel über einen Austritt oder eine nur formale, lockere Mitgliedschaft sprechen. Zwangsehen bringen kein Glück.
Zeche Carl gerettet – Mitarbeiter nicht
Die Zeche Carl ist gerettet – aber die für die Mitarbeiter gibt es bislang keine sichere Perspektive.
Die Stadt Essen will die Zeche Carl als soziokulturelles Zentrum erhalten – das hat der Rat entschieden. Im Februar kommenden Jahres soll ein neuer Träger benannt werden, Bürger, Kulturinteressierte und auch die Mitarbeiter der Zeche Carl sollen sich an der Neukonzeption beteiligen können. Erst einmal eine gute Nachricht. Allerdings ändert das nichts an der Situation der Mitarbeiter der Zeche Carl. Die treten bald den Weg in eine Transfergesellschaft an. Ob jemand von ihnen im kommenden Jahr bei dem Neustart dabei ist, weiß bislang niemand.
Gloria: „30 % des Kulturetats für die freie Szene“
Marcus Gloria hatte eine Idee und niemand wollte darüber reden.
Gloria, Gorny, Townsend
Gestern im Museum Bochum: Die Stadt hatte eingeladen, um über die Pläne des Viktoriaquartiers zu informieren und zu diskutieren. Auf der Bühne saßen Marcus Gloria, Dieter Gorny, Bochums Kulturdezernent Michael Townsend und Stadtbaurat Ernst Kratzsch. Neben dem Bermudadreieck soll künftig jede Bochumer Kulturinstitution angesiedelt werden, die nicht bei drei auf den Bäumen ist (Konzerthaus, Fidena, irgendwann einmal das Prinz-Regent-Theater etc.) um so eine Atmosphäre zu schaffen, die die überall beliebte Kreative Klasse anziehen soll. Im Kern eine gute Idee und wenn sie in Bochum alles hinkriegen deutlich realistischer als alles was auf Zollverein so versucht wird. Doch bei der Frage was man denn noch so tun könnte, um die Kreativwirtschaft anzuheizen hatte Marcus Gloria (Bochum-Total) eine Idee: 20-30% des Kulturetats der Stadt könnten doch künftig als Aufträge an die Freie Szene gehen. So würden Jobs geschaffen und viele Ideen, die bislang am Geld scheiterten, könnten realisiert werden. Zwei Mal wiederholte Gloria seinen Vorschlag, indes niemand wollte darüber reden. Bochums Kulturdezernent Michael Townsend betonte als Replik auf Gloria nur .dass er nicht zwischen U- und E-Kultur unterscheiden würde, was schön ist, aber nichts mit Glorias Vorschlag zu tun, den Kulturetat radikal umzukrempeln.
Loveparade auf der A40?
Die Chancen für die Loveparade 2009 in Bochum stehen nicht schlecht.
Loveparade in Dortmund. Foto: Stadt Dortmund
Mittlerweile hat die Stadt Bochum der Lopavent GmbH, dem Veranstalter der Loveparade, einen ersten Streckenvorschlag unterbreitet: Die Loveparade soll in Bochum auf der A40 stattfinden. Die Begeisterung über diesen Plan hält sich bei Lopavent in Grenzen – im Augenblick wird nachgedacht. Alternativ könnte auch eine Fläche am Kemnader Stausee in Frage kommen. Nichts dran ist wohl an den Gerüchten, dass die Loveparade im kommenden Jahr wieder in Dortmund stattfinden soll. Lopavent will an dem Konzept der jährlich wechselnden Stadt festhalten. Mal schauen, vielleicht finde ja alle Beteiligten noch weitere Alternativen – Vorschläge gab es ja schon viele.
VRR rächt sich an Nokia
Nokia hat den Standort Bochum dichtgemacht. Nun kommt die Retourkutsche.
Nokia Bahn. Foto: Wikipedia
Der VRR sucht nach einem Namen für die bisherige Nokia-Bahn, welche die Hauptbahnhöfe Bochum und Gelsenkirchen miteinander verbindet. Der Name Nokia-Bahn soll ab Dezember verschwinden. In Anlehnung an den neuen Arbeitgeber zahlreicher Nokia-Ingenieure Research in Motion (RIM) hatte Jens vom Pottblog schon vor Monaten eine sehr schöne Idee: Rimmelbahn. Noch vier Wochen lang kann man diesen und andere Vorschläge beim VRR einreichen. Kontakt: Sabine Tkatzik, Telefon: 0209/1584-421, E-Mail: tkatzik@vrr.de
Telekom – Wie Spionage und Callcenter zusammenhängen
Jetzt ist es also amtlich: die Telekom hat nicht einen, sondern mindestens fünf Aufsichtsräte bespitzelt. Die Empörung ist groß, denn der Konzern wurde von der Staatsanwaltschaft Bonn vor den Opfer über die neusten Entwicklungen informiert. Diese erfuhren erst von Vorstandschef René Obermann, dass in ihre Privatsphäre eingedrungen wurde.
Für die frühere Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, die die betroffenen Aufsichtsräte juristisch vertritt, ein unverständliches Vorgehen. Die einseitige Informationspolitik der Staatsanwaltschaft sei "völlig inakzeptabel", sagte die SPD-Politikerin mir. Verständlich: Denn die Täter sind eher im Umfeld der Telekom zu suchen – im Fokus stehen Ex-Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke und Ex-Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel. Warum wird das Unternehmen dann vor den Opfern informiert? Die Telekom schweigt dazu; bei der Staatsanwaltschaft ist niemand erreichbar.
Im Konzern erzählt man sich nun folgende Geschichte: Telekom-Chef Obermann bat die Staatsanwaltschaft, ob er die Aufsichtsräte über die Spitzelattacke informieren könnte. Sein Ziel, er will die Stimmung verbessern. Denn seit dem Streit um die Verlagerung von rund 50.000 Mitarbeiter in konzerninterne Töchter herrscht dicke Luft zwischen Arbeitnehmerbank und Konzernführung. Mit der geplanten Schließung von zwei Drittel aller Callcenter hat sich die Lage nun noch einmal verschärft. Regelmäßig knallt es zwischen den Parteien, wie mir Beteiligte sagten.
Nun schaltet sich die Politik ein und damit kann es brenzlig für die Telekom-Führung werden. Auch wenn der Konzern stets versucht, den Einfluss von Berlin runter zu spielen. Wie die Rauswürfe von Ricke und Ron Sommer gezeigt haben, wichtige Entscheidung werden vom oder im Einklang mit dem Kanzleramt gefällt. Obermann weiß das. Er hat sich seit seinem Amtsantritt im November 2006 um einen guten Draht bemüht und kann auf eine breite Unterstützung in Berlin bauen.
Mit dem Kahlschlag bei den Callcentern bläst dem Vorstand aber plötzlich der Wind ins Gesicht. Mir liegen etliche Brief von Bürgermeistern und Bundespolitikern vor, die scharfe Kritik an den Plänen und auch an Obermann persönlich üben.
Da kommt die Spitzelaffäre ungelegen: Denn ausspioniert wurden die Daten von Aufsichtsräten der Arbeitnehmerbank. Die Arbeitgeberseite blieb unbehelligt oder steht mit Zumwinkel sogar selbst unter Verdacht. Moralisch ist die Konzernführung damit ins Hintertreffen geraten, auch wenn Obermann keine schuldhaftes Verhalten nachgesagt wird. Er muss also bemüht sein, das Thema schnell vergessen zu machen. Da ist es hilfreich, sich als erster im Namen des Unternehmens bei den Betroffenen zu entschuldigen.