RWE-Vorstand: Konzernumbau geht weiter

Der Essener Energieriese RWE soll nach dem Willen der Konzernführung weiter umstrukturiert werden. Die Zerschlagung der Dienstleistungstochter RWE Systems sei erst der Anfang, sagte RWE-Vorstand Ulrich Jobs in einem Gespräch. In über 100 Einzelmaßnahmen sollen Kosteneinsparungen von rund 1,2 Mrd Euro in den kommenden drei Jahren erreicht werden. „Davon haben wir Maßnahmen von 1 Mrd Euro bereits identifiziert.“ Neben größeren Projekten betonte Jobs vor allem die kleinen Einsparchancen, die etwa der Einkauf biete. „Wir müssen uns auch nach den kleinen Dingen bücken.“

Bei aller Umbaufreude bestätigte Jobs gleichzeitig die Beschäftigungsgarantie im RWE Konzern. „Wir stehen zu unserem Wort.“ Zwar würden in geringerem Umfang Stellen in Querschnittsfunktionen über die natürliche Fluktuation abgebaut. Gleichzeitig entstünden aber auch neue Jobs in Wachstumsbereichen.

Der Umbau des RWE war vor zwei Wochen ins Stocken geraten, als sich im Aufsichtsrat der RWE Systems eine Mehrheit gegen die Umwandlung der Aktiengesellschaft in eine GmbH gebildet hatte. Jobs sagte dieser Widerstand habe durch ein Statusverfahren überwunden werden können. Nach der Ausgliederung der Computersparte aus der Dienstleistungstochter werde die „Rest-Systems“ auf juristischem Wege in eine GmbH überführt.

Gleichzeitig widersprach Jobs aber Spekulationen, nach denen die Vertriebstochter RWE Energy ebenfalls zerlegt werden soll. Der RWE-Vorstand sagte, die Zwischenholding sei nötig, um die gut 400 Beteiligungen des Konzerns bei Stadtwerken und kleineren Handelsgesellschaften zu koordinieren und zu Überwachen. „Das ist in der Holding nicht zu leisten. Man darf sich nicht verzetteln in der Feinsteuerung eines Konzerns.“

Aus diesem Grund machte Jobs auch der verbliebenen Wassersparte des Konzerns keine Hoffnung auf eine Aufwertung der Aktivitäten. Das Geschäft in der RWE Aqua laufe so mit, sagte der Vorstand. Nach dem Verkauf der ausländischen Wasserbeteiligungen verwaltet RWE Aqua nur noch zwei wesentliche Gesellschaften. Den Ruhrgebietsanbieter RWW und eine Beteiligung an den Berliner Wasserwerken. Zwar sei es nicht ausgeschlossen, dass dieses Geschäftsfeld ausgeweitet werden könnte, sollten sich Gelegenheiten bieten. Jedoch sei dies eher unwahrscheinlich. Die Lage im Kerngeschäft Energie erfordere die „volle Aufmerksamkeit“ des Vorstandes.

Vor allem das Geschäft mit den Endkunden birgt für den Konzern Risiken. Nach der Strompreiserhöhung zu Anfang des Jahres hatte der Versorger bis Ende Juni unter dem Strich 200.000 Stromkunden verloren. Laut Jobs wurde aber in der vergangenen Woche eine Trendwende eingeleitet. Im August habe der Konzern erstmals wieder 6000 Kunden mehr gewonnen als verloren. „Bis zum Ende des Jahres wollen wir alle Verluste ausgleichen“, sagte Jobs.

Dabei hofft der RWE-Vorstand auf den Erfolg des Billiganbieters eprimo. Dieser habe 280.000 Kunden gewinnen können. Bis zum Ende des Jahres sollen weitere 100.000 folgen. Allerdinsg bestätigte Jobs, dass eprimo immer noch mit Verlust arbeite. „Wir hoffen in zwei bis drei Jahren kostendeckend zu sein.“

Darüber hinaus stehen die Investitionspläne des Konzerns im Zentrum der Aufmerksamkeit von Jobs. In den kommenden Jahren werde RWE über 10 Mrd Euro in neue Kraftwerkse stecken. Dazu kämen Investitionen in Projekte der Sparte für Erneuerbare Energieen in Höhe von 1 Mrd Euro. „Nimmt man diese Projekte zusammen, ist dies das größte Konjunkturprogramm der Bundesrepublik Deutschland“, sagte der Manager.

Auch im Ausland will Jobs nach der gescheiterten Übernahme der British Energy weiter wachsen. „Wir planen Investitionen in Polen.“ Dort werde in Kooperation mit einem Partner vor Ort ein Kohlekraftwerk gebaut. Zudem stünde der Bau von Kernkraftwerken in Bulgarien und Rumänien an. Selbst einen neuen Anlauf in Russland kann sich Jobs vorstellen. „Wir sind mit mehreren Partnern im Gespräch“. Erst vor wenigen Tagen musste RWE eingestehen, dass die Beteiligung an einem kleineren russischen Stromversorger gefloppt ist, nachdem die Russen nicht bereit waren die Kontrolle über den russischen Regionalversorger TGK-2 abzugeben.

Das Geheimnis der Uniklinik Münster

Manchmal ist es schwer, die Wahrheit zu finden. Wer ist Täter und wer Opfer? Auch im Fall der Uniklinik Münster, Fachbereich für Herztransplantationen, ist das so. Ich kann in die Details eindringen. Versuchen zu verstehen, und dann kommt eine neue Wendung. Was ist passiert, was ist wahr?

Die Uniklinik in Münster Foto: Münster

Vor wenigen Wochen ging ein anonymer Brief bei der Staatsanwaltschaft Münster ein. Ein Insider beschrieb dort Unglaubliches. Es ging um tote Patienten, einen arroganten Leitenden Arzt sowie Mitwisser in weiß. Der Brief spielte mit den Urängsten der Menschen in einer Klinik. Kann sich ein Patient auf seinen Doktor verlassen, wenn er bewusstlos und nackt auf einem OP-Tisch liegt? Wenn sein Herz herausgeschnitten wird?

Der namenlose Briefeschreiber jedenfalls raubte den Glauben an die perfekte Versorgung in Münster. Er beschrieb in 25 Einzelfällen teilweise detailreich angebliche Fehler und ärztliche Anmaßung. Ein Mann erhielt vermeintlich ein viel zu schwaches Frauenherz und wird noch 15 Mal nachoperiert, bis er an Blutvergiftung stirbt. Nach einer anderen, zunächst glatten Transplantation sei Blut aus einer Naht an der Lungenschlagader geflossen und der verantwortliche Arzt habe das ganze Herz einfach wieder herausgeschnitten. Insgesamt warf der Anonymus der Klinik vor, für 13 Leichen verantwortlich zu sein. Eine Art Mord im OP, zumindest aber Totschlag, so glaubte der Briefeschreiber zu wissen. Und die Täter dabei alles zu vertuschen.

Die Schreiben gingen auch an Angehörige der Toten, an Mitarbeiter der Klinik und an das Düsseldorfer Wissenschaftsministerium. So als wolle der Schattenmann sicher gehen, dass seine Botschaft bei den Betroffenen ankommt und der Klinik weh tut.

Die Staatsanwaltschaft reagierte auf die Schreiben. Mitte Juli wurde die Herzchirurgie der Klinik durchsucht. Damit nicht genug: Etliche Polizisten und Staatsanwälte durchkämmten die Wohnungen und Dienstzimmer von zwei duzend Ärzten. Etliche Patientenakten wurden sichergestellt und die Öffentlichkeit informiert. Ein Skandal.

Seither werden die Unterlagen geprüft. Es wird in den Dokumenten nach Fehlern gesucht, nach Zweideutigkeiten, nach offenen Fragen. Aber sind diese überhaupt zu finden, und die Vorwürfe gerichtsfest zu beweisen?

Man ahnt nur, wie schwierig diese Fragen zu beantworten sind. Immer wieder unterliegen Opfer von Behandlungsfehlern vor Gericht, wenn sie sich wehren wollen. Sie müssen einen Arzt verklagen, dem sie eben noch vertraut haben. Sie müssen beweisen, dass der Herr Doktor Murks gemacht hat. Selbst beste Gutachter können selten einen bewussten Fehler nachweisen. Noch schwieriger ist es, wenn kriminelle Mediziner Akten frisieren.

Selten gibt es harte Beweise, wie beispielsweise eine Tonbandaufnahme aus einem anderen Verfahren, das der Welt vorgespielt wurde. Auf dem Band aufgezeichnet: ein Streit zwischen einem Chirurg und einer Mitarbeiterin im OP. Die Mitarbeiterin weigert sich dem bewusstlosen Patienten mehr Betäubungsmittel zu spritzen. Der Arzt flucht, schmeißt das Skalpell weg und haut ab. Man hört sogar die Tür zuknallen.

In Münster ist der Fall allerdings nicht so eindeutig. Die Klinik streitet alle Vorwürfe kategorisch ab. Das erwartet man. Aber man erwartet nicht, dass der leitende Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer berichtet, wie sich Ermittlungen zum Teil in Luft auflösen: Eine angeblich an den Operationsfolgen verstorbene Frau erfreue sich etwa „bester Gesundheit“.

Gibt es also vielleicht gar keinen Skandal? Diesmal führen die Spuren weiter zurück. Sie führen in die Intrigenwelt einer deutschen Klinik, in das soziale Geflecht der Ärzte und Schwestern. Die Spuren führen zu der renommierten Herzchirurgin Sabine D., die auf der Karriereleiter nach oben wollte.

Sabine D. war die designierte Nachfolgerin des aktuellen Leiters des Transplantationszentrums. Sie sollte Chefin werden anstelle des Chefs. Doch irgendwas ging schief. Es kam zu Differenzen. Die Klinik kündigte ihr im Winter den Vertrag wegen „unüberbrückbarer Differenzen”.

Intern ist die Rede davon, dass die Doktorin im Hebst vergangenen Jahres der Rektorin der Uniklinik ein Schreiben über angebliche Mängel in der Herzchirurgie vorlegte. Vorwürfe gegen ihren Chef, dessen Nachfolgerin sie werden sollte. Dieses Schreiben soll nach Informationen der Staatsanwaltschaft nahezu deckungsgleich mit den anonymen Schreiben gewesen sein, die bei Angehörigen der toten Patienten eingingen – auch dort war immer wieder die Rede von unhaltbaren Zuständen.

Erstaunlich auch, dass die Anklagebriefe kurz nach der Kündigung von Sabine D. bei der Staatsanwaltschaft und den Hinterbliebenen eintrafen.

Schon bald hatte die Klinik Münster den Verdacht, Opfer einer Rachekampagne zu sein. Die Rektorin erstatte Anzeige wegen Verleumdung und übler Nachrede. Zuerst gegen Unbekannt. Später gegen Sabine D.

Schließlich ging alles schnell. Im August vernahm die Polizei die Herzchirurgin. Im September durchsuchte sie die Wohnung der Frau und ihres Lebenspartners. Sie beschlagnahmte USB-Sticks, Datenträger, Computer und Schreiben.

„Wir haben eine Reihe von Indizien und, wie wir meinen, Beweise”, sagt Oberstaatsanwalt Schweer. Damit meint er, dass er sicher ist, in Sabine D. den Anonymus erkannt zu haben.

Aber heißt das auch, dass alle Vorwürfe falsch sind?

Die Staatsanwaltschaft sagt, sie habe die Ermittlungen wegen der Todesfälle nicht eingestellt. Spätestens Anfang Oktober erwartet Oberstaatsanwalt Schweer ein Gutachten. Zwei externe Fachleute und vier Wissenschaftler der NRW-Landesregierung wollen klären, was sich tatsächlich hinter den Todesfällen verbirgt. Böse Gerüchte einer gescheiterten Karrierefrau oder ein Klinikskandal. Noch ist die Wahrheit schwer zu erkennen.

Doch Oberstaatsanwalt Schweer ist optimistisch: „Warten wir es ab, wir kriegen alles auf den Tisch.“

Kraftakt in Dortmund

SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft griff in Dortmund ein und brachte die Lösung im Kandidatenstreit: Eine Mitgliederbefragung über die nunmehr drei Kandidaten, denn neben OB Gerhard Langemeyer, Kulturdezernent Jörg Stüdemann hat auch Stadtdirektor Ullrich Sierau seinen Hut in den Ring geworfen.

Über den künftigen Dortmunder OB-Kandidaten werden die SPD-Mitglieder in Dortmund nach vier  Mitgliederversammlungen per Briefwahl entscheiden.  Neben dem Amtsinhaber Gerhard Langemeyer und dem gestern von Partei- und Fraktionsvorstand vorgeschlagenen Kulturdezernenten Jörg Stüdemann geht auch Dortmunds Stadtdirektor Ullrich Sierau ins Rennen. Dieses Ergebnis präsentierte heute Mittag eine hochkarätige Runde im Tremonia-Saal des Dortmunder Rathauses. Neben SPD-Landeschefin Hannelore Kraft und  ihrem Generalsekretär Mike Groschek stellten Dortmunds OB Gerhard Langemeyer, Stadtdirektor Ullrich Sierau, Kulturdezernent Jörg Stüdemann, SPD-Bezirksvorsitzender Franz-Josef Drabig und der SPD-Fraktionschef Ernst Prüsse das Ergebnis der Verhandlungen aller Beteiligten vor – gestern noch hatten Prüsse und Drabig im selben Raum Stüdemann als Kandidaten auf das rote Schild gehoben – nun mussten sie den "guten Vorschlag von Hannelore" loben. Vor allem Stüdemann fiel das sichtlich schwer, aber auch Langemeyer wirkte so angeschlagen, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Allein Sierau war voller Energie – kein Wunder, haben ihm doch die vergangenen Stunden erst die Möglichkeit eröffnet, OB zu werden.

Hannelore Kraft betonte, dass die SPD in Dortmund mit diesen drei Kandidaten über ein hervorragendes Personaltableau verfügen würde – und die 9.000 Mitglieder des noch immer größten SPD-Unterbezirks der Republik nun ihre Wahl treffen müssen. "Das ist ein gutes demokratisches Vorgehen", so die SPD-Landesvorsitzende.   

Bei der Entscheidung helfen sollen den Genossen vier Vorstellungsveranstaltungen, die, jeweils in den Landtagswahlbezirken, von Ende Oktober bis Anfang November stattfinden, werden. Moderator: SPD-Landesgeschäftsführer Mike Groschek. Anschließend bekommen alle einen Wahlzettel zugeschickt – inklusive einem frankierten Umschlag für die Rücksendung.

Bei aller Betonung der Einigkeit, bei aller allzu offensiv vorgetragenen Freude über den demokratischen Weg, der jetzt beschritten werden soll, wurde doch eines deutlich: Die SPD in Dortmund war dabei, ihre Einigkeit zu verlieren. Es war offensichtlich nicht möglich, die auseinanderdriftenden Interessen aller Protagonisten in Einklang zu bringen. Das Machtwort aus Düsseldorf soll nun den Streit wenigstens in geordnete Bahnen lenken. Klar ist: Die SPD wird bis zu ihrem Parteitag am 29. November die (Dortmunder) Medien dominieren – ob sich das für die Sozialdemokraten auszahlt, wird sich  zeigen müssen. 

Übrigens: Noch bis zum 6. Oktober können sich weitere Kandidaten bei der Partei melden.

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Eine Messe zu Ehren des Künstlers – Schlingensief bei der Triennale

Die Gebläsehalle des Landschaftsparks Duisburg-Nord hat sich kurzfristig in eine Kirche verwandelt: Das Publikum sitzt auf klassischen Holzbänken, während Christoph Schlingensief und Getreue in strikter Messe-Dramaturgie Leben und Leiden des Künstlers präsentieren – stellvertretend für uns (Künstler) alle, natürlich. Alle Vorstellungen sind ausverkauft, und das zu einer Uraufführung eines Herrn aus der Region. Da jubeln wir doch mal ab!

Als Erstes ein Lob an Bühnenbild und Architektur, Licht und sonstige Technik. Bis ins Detail (kleine Schränke und Bilder an den Seitenwänden), aber auch im Großen (Leinwände mit Live-Bildern von der Bühne und andere Filme; eine tolle Beweglichkeit im Bühnenbild auf engstem Raum; fantastisches Farb- und Fasergewaber ebenda) sitzt alles. Hier wird nicht nur Ensemble-Theater gespielt, hier stimmt es anscheinend auch generell mit der Chemie. Problem: Die Bühne ist für die meisten viel zu weit weg, da helfen auch keine Kirchen typische Prozessionen durch den Mittelgang. Alles in allem aber: Eine wirklich beeindruckende Kulisse.

Dann also das eigentliche Stück: Sämtliche Schauspieler leiden in Wort und Tat mit dem Regisseur (überstandenes Krebsleiden), zitieren Hölderlin, Beuys, Heiner Müller und viele andere, und immer geht es um im Grunde ganz normale Gedanken eines gar nicht mal ungewöhnlich denkenden und fühlenden Menschen, der ein wenig von Religion und klassischen Krankenhaus-Assoziationen abbekommen hat: Vergänglichkeiten und Versäumnisse hier, Aufbegehren und Ratlosigkeit da und da. Da es sich bei der Aufführung um ein Fluxus-Oratorium handelt (siehe Überschrift) ist alles ein wenig egomanisch bis spezifisch (katholisch), aber viele Gedanken und Gefühle stecken durchaus auch an. Angst gab’s allerdings wenig.

Und dann wieder: Skurrile Figuren tauchen auf, eine Band macht auf laut oder eine wirklich ganze Menge an Chorgesängen erweckt den Eindruck von Schönheit, symbolisiert aber wohl eher Schwere und kirchliche Macht. Irgendwann fragt man sich: Ja, aber… der lebt doch noch? Kommt jetzt die Party mal so sachte? Und tatsächlich spielt der Meister gegen Ende selbst mit, die Lichter werden weniger sakral und eher lebendig, und am Ende ist halt Ende. Genau, man wollte es ja auch nicht übertreiben mit der Schwere! Also geht man raus wie wohl aus einer Kirche sonst auch: Man hat mitgemacht und fühlt sich hinterher besser.
Das Stück insgesamt? Wirklich in Ordnung, leicht angemüdet vielleicht aber dafür in einigen Momenten und Szenen auch ganz stark. Wir dürfen uns auf ein Alterswerk freuen das Tiefe und Unbekümmertheit nochmal ganz neu mischt aber natürlich Schlingensief bleibt. Mal gucken was ihm als nächstes so passiert, gerüchteweise ist ja jetzt wieder das Thema Afrika dran. Möge er weiter missionieren gehen. Das Ruhrgebiet bedankt sich artig.

Kraft heute in Dortmund – Sierau als Alternative?

Keine orginelle Analogie, aber in der einstigen Herzkammer der Sozialdemokratie geht es hoch her. Heute abend versucht SPD-NRW-Chefin Hannelore Kraft zu retten was zu retten ist.

Ullrich Sierau Foto: LBS Zukunftswerkstatt / Christian Bierwagen

Denn eines ist klar: Streitigkeiten um den richtigen OB-Kandidaten, gar ein Streit zwischen Partei und Fraktion auf der einen und Amtsinhaber auf der anderen Seite ist bislang selten von den Wählern honoriert worden. Grund genug für SPD-Landeschefin Hannelore Kraft, in Dortmund zu kitten was noch zu kitten ist, denn wenn die SPD im kommenden Jahr Dortmund verliert, wäre das ein schlechtes Zeichen für die Sozialdemokratie in NRW – und natürlich auch für die Landeschefin, die es ohnehin nicht leicht gegen Ministerpräsident Rüttgers hat.

Während also Kraft versucht, eine offene Konfrontation zwischen Langemeyer und Stüdemann zu verhindern, wird in der Partei der Unmut über die Entscheidung der Spitzen von Fraktion und Partei immer lauter, Stüdemann im Alleingang aufs Schild gehoben zu haben. Nicht wenige würden sich eine dritte Alternative wünschen: Dortmunds Stadtdirektor Ullrich Sierau. Doch der hat schon vor längerem erklärt, nicht gegen Langemeyer antreten zu wollen. Von einem Verzicht der Kandidatur gegen Stüdemann, den Sierau schon bei der Wahl zum  Stadtdirektor auf die Plätze  verwiesen hat, war indes nie die Rede – sollte Langemeyer verzichten. Sierau gilt als guter Redner, verkörpert den Typis des Machers und gilt als Wunschnachfolger Langemeyers. Stüdemann wurden bislang wenig Kämpferqualitäten nachgesagt. Es gibt Stimmen in der SPD, die ihn für den Traum-OB von Parteichef Franz-Josef Drabig und Fraktionschef Ernst Prüsse halten  – und damit für einen künftig eher schwachen, gut zu lenkenden OB.  Aber ob Sieraus Nähe zu Langemeyer beim Wähler im kommenden Jahr von Vorteil ist, bleibt abzuwarten –  obwohl sie in Dortmund  noch vor kurzem so Stolz auf das Erreichte, auf  "New Dortmund", das sozialdemokratische Modell für ganz NRW waren, das allerdings in letzter Zeit Risse bekommen hat – ist die Stadt doch im Moment Spitzenreiter bei der Arbeitslosigkeit im Ruhrgebiet.

Egal wie sich die SPD auf ihrem Parteitag am 29. November entscheiden wird – längst ist Dortmund nicht mehr die uneinnehmbare SPD-Hochburg vergangener Jahrzehnte. Handelt die SPD nicht schnell und geschlossen, könnte es für die Genossen sehr eng werden. Im Augenblick hat die SPD allerdings einen Verbündeten: Die CDU. Die hat noch immer keinen eigenen OB-Kandidaten benannt. Eine kürzlich als Spitzenkandidatin präsentierte Dortmunder Anwältin wurde rasch wieder  zurückgezogen. 

Stüdemann machts

Die Dortmunder SPD geht mit dem Kulturdezernenten Jörg Stüdemann in die OB-Wahl im kommenden Jahr gehen.
Die SPD rückt damit endgültig von ihrem bisherigen Favoriten, dem amtierenden OB Gerhard Langemeyer ab. Der Nominierung Stüdemanns ging ein monatelanger Konflikt voraus. Bereist im Frühjahr forderte der Vorstand der Dortmunder SPD Langemeyer zum Verzicht auf – und wollte einen anderen Kandidaten präsentieren. Doch Langemeyer überstand die Auseinandersetzung – auch weil er die Unterstützung von Teilen der SPD-Basis gewinnen konnte.

Jörg Stüdemann. Foto: Stadt Dortmund

Doch die letzten Wochen liefen nicht gut für den alten Haudegen: Ein Streit um die Entlassung zweier Mitarbeiterinnen der Stadtkasse im Umfeld der Kokain-Affäre führte zum Bruch mit den Mitarbeitern der Stadtverwaltung, der Gewerkschaft Verdi und den SPD-Arbeitnehmern. Es kam zu einer Demonstration gegen Langemeyers Politik vor dem Dortmunder Rathaus. SPD-Chef Franz-Josef Drabig musste die Reißleine ziehen – wohl nicht ganz widerwillig, denn Freunde waren er und Langemeyer nicht.
Stüdemann ist indes eher die zweite Wahl – vielen Dortmunder Sozialdemokraten wäre wohl Ulrich Sierau, Stadtplanungsdezernent und Stadtdirektor lieber gewesen. Aber der stand zu jedem Zeitpunkt in Nibelungentreue zu Langemeyer. Ein politisch nicht kluger, aber menschlich eher sympathischer Zug, denn Sierau hatte frühzeitig erklärt, nicht gegen Langemeyer anzutreten.
Für Martin Tönnes von den Dortmunder Grünen kam die Entwicklung nicht allzu überraschend: „Der Konflikt zwischen der SPD und Langemeyer war eskaliert.“ Über die Aussichten Stüdemanns mag er sich nicht äußern, möchte aber dass seine Partei auf ihrer Mitgliederversammlung am 15. Oktober noch einmal darüber nachdenkt, einen eigenen OB-Kandidaten aufzustellen. „Wir werden am 15. Oktober sicher nicht ohne nochmalige Diskussion zur Kandidatenwahl schreiten“, so Tönnes.

Morgen um 13.00 Uhr wird sich Dortmunds OB Gerhard Langemeyer zu seinen Plänen äussern.

Jörg Stüdemann, war  von 1987 bis 1992 Mitarbeiter im Soziokulturellen Zentrum Zeche Carl. Von 1994 bis 2000 war er Bürgermeister und Beigeordneter für Kultur, Jugend und Sport der Landeshauptstadt Dresden.

SPD läßt Langemeyer fallen. Gegenkandidat in Dortmund

Im Endspiel um den Dortmunder Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer sind die letzten fünf Minuten in der zweiten Halbzeit angebrochen. Wie ich erfahren habe, stellt die SPD heute noch einen Gegenkandidaten zum Dortmunder  OB auf. Langemeyer soll zurücktreten.

Damit scheint die letzte Offensive des Comeback-Kids gescheitert zu sein. Langemeyer wollte heute die Amtsleiter im Rathaus und die SPD-Fraktion überzeigen, dass er der beste Mann für den Spitzenjob in der Ostruhr-Stadt ist. Die sahen das aber anders.

Langemeyer wurden viele Sachen zum Verhängnis. Vor allem aber seine Sturköpfigkeit im Kündigungsskandal um die Stadtkasseangestellten.

Wir werden den noch amtierenden OB als eine der wenigen prägenden Figuren des Ruhrgebietes im  Kopf behalten. Er hat viel bewegt.

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Ärger in der Kulturhauptstadt

Ein gutes Jahr noch, dann ist das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt Europas. Glaubt man der Studie von Jürgen Mittag, dem Geschäftsführer des Instituts für soziale Bewegungen, kommt auf das Ruhrgebiet tatsächlich ein Großereignis mit jahrelanger Strahlkraft zu – wenn die Region ihre Chance zu nutzen weiß. Das ist zumindest das Ergebnis von Mittags Studie „Die Idee der Kulturhauptstadt Europas“, die erstmals nicht nur die Geschichte sondern auch die Auswirkungen des Kulturhauptstadtjahres auf die einzelnen bisherigen Kulturhauptstädte untersuchte. Seit der Lektüre des Buches ist ein meine grundsätzlichen Skepsis gegenüber diesem Projekt geringer geworden.
Die letzten Tag, Wochen und Monate haben indes gute Gründe geliefert, sich doch ein paar Gedanken über den Zustand der hiesigen Kulturlandschaft zu machen und obwohl ich kein Kulturjournalist bin, ein paar Problem sind mehr als augenfällig und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie einer Region die sich darauf vorbereitet, Kulturhauptstadt Europas zu werden, gut tun.

Kulturhauptstadt 2010 – Hauptsache die Schilder stehen. Foto: RVR

Ich zähle einfach mal auf, was mir in letzter Zeit so aufgefallen ist – wer die Liste ergänzen möchte, kann es gerne tun.

–    In Essen steht die Zeche Carl vor dem Aus. Unabhängig von der Frage, ob sich soziokulturelle Zentren überlebt haben oder nicht, der Laden war einmal das umsatzstärkste soziokulturelle Zentrum Deutschlands und wird in der Essener Kulturlandschaft eine Lücke hinterlassen.
–    Der Aufsichtsrat der Essener Theater- und Philharmonie GmbH hat Michael Kaufmann, den Intendanten der Essener Philharmonie, fristlos entlassen. Das Defizit von 1,5 Millionen Euro war zu groß – die Zahl indes ist noch  ungeprüft und die Mitarbeiter protestieren gegen den Rauswurf ihres Chefs, der wohl ein anerkanntermaßen  gutes Programm gemacht hat.
–    Oliver Scheytt, der Kulturdezernent Essen wird 2010 nicht mehr als Kulturdezernent in Essen sein.
–    Elmar Goerden, der Intendant des Schauspielhauses Bochum, wird sich nicht um eine zweiten Amtszeit bewerben. Im Jahr 2010 wird es in Bochum – mitten im Kulturhauptstadtjahr einen Intendantenwechsel geben.
–    In Bochum gibt es Streit um das Viktoriaquartier – in die Marienkirche, direkt gegenüber dem Bermudadreieck, sollte eigentlich das Prinz-Regent-Theater einziehen. Nun sollen dort Kammerkonzerte stattfinden. Prinz-Regent-Theater-Chefin Sibylle Broll-Pape wurde von der Entscheidung überrascht und auch in der Kulturhauptstadtzentrale ist man darüber nicht glücklich
–    Evonik hat kein Interesse mehr, sich als Kultursponsor zu profilieren.
–    Der Regisseur Adolf Winkelmann will nicht mehr „Gründungsintendant“ des U-Turms in Dortmund sein.
–    Trotz aller Beteuerungen von Dieter Gorny über die Bedeutung der Kreativwirtschaft für das Revier ist die Realität eher trist.

Sorry, aber Aufbruchstimmung sieht irgendwie anders aus. Ein wenig scheint es so zu sein, dass der Gewinn des Titels das eigentliche Ziel gewesen ist – und jetzt niemand so recht weiß, was man den damit anfangen soll. Die Anfangs erwähnte Studie von Mittag sagt übrigens auch, dass es keinen Automatismus in der Frage der Kulturhauptstadt gibt. Profitiert haben immer nur die Städte (wie Glasgow 1990, was wohl das Vorbild des Ruhrgebiets ist), die sich stark und mit Mut für das Projekt engagiert haben. Gab es im Vorfeld vor allem Streit und Kompetenzgerangel, wie in Patras, der Kulturhaupstadt Europas 2004, wurde einfach nur ohne jeden Effekt (außer einer Blamage) eine Menge Geld verbraten.

3 für 7 – Die Veranstaltungen der Woche

Endlich Herbst! Allerorten packen Menschen ihre Badehosen wieder ein und erinnern sich ihres anderen Selbst als Kultur- und Politikinteressierte. Für die Ruhrbarone bedeutet dies natürlich zum einen Klicks bis zum Abwinken – nicht zuletzt dank dieser hochwertigen wöchentlichen Kolumne – zum anderen die Gelegenheit, sich so richtig ehrenwerten Häusern der Gegend gegenüber mal absolut gönnerhaft zu zeigen. Heute der Lichtburg, dem Aalto und dem Landschaftspark.

Deutschlandpremiere eines Kinofilms in Essen. Das bedeutet hier was, und die Filmfreunde und Bunte-Leser scharen sich um den roten Teppich. Ist das so? Nun, jedenfalls gilt das Augenmerk (der Kameras) auch beim Start von „Krabat“ sicher wieder dem anwesenden Schaupielervolk. Kommt Stadlober? Die Thalbach? Und wie hübsch ist eigentlich Paula Katenberg wirklich? So etwas halt. Der Film, der eigentliche Star also, spielt im späten Mittelalter und ist eine Verfilmung des Romans von Ottfried Preußler. Schauplatz ist eine alte Mühle um die herum sich natürlich extreme menschliche Dramen abspielen. Regiesseur Marco Kreuzpaintner setzt auf Atmosphäre und einige Zitate aus der Filmgeschichte und spielt bei aller Historizität die gute alte „Magie“-Karte ohne mit der Wimper zu zucken.

Christoph Schlingensief (Foto: Aino Labernez) reformiert seine Church Of Fear in Duisburg. Premiere war schon, die Kritik erscheint hier am Mittwoch. Also bleibt auf die weiteren Termine (unten) hinzuweisen und zu erzählen, wie der Autor dieser Zeilen von der RuhrTriennale hören durfte dass der Vorzeige-Mülheimer im Vorfeld mehr als dreimal das Gesamtkonzept umgeworfen hat. Dann schließlich suchte er per Anzeige nach „exotisch aussehenden Frauen“ für sein Triennale-Stück „Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir“. Aha, soso. Und ansonsten redet er etwas viel über Tod und Religion zur Zeit, oder? Naja, er wird halt auch zuviel danach gefragt. Genau: Christoph Schlingensief ist Nick Cave. 

Nun schnell was Amtliches: Jubiläumskonzert „20 Jahre Aalto-Theater“. Da werden durch den Besuch allein Karmapunkte in Ehrenwertenhausen gemacht auf dass die Beförderung nur eine Frage der Zeit sein kann. Und die Söhne und Töchter spielen Prinz und Prinzessin. Ein wunderbarer „Event“ also, vom Programm her geht es eher „á la casa“ zu mit dem Aalto Ballett Theater, den Philharmonikern, dem Opernchor und Gesangssolisten. Aber seit der „Spiegel“ sein Herz endgültig für das (Anzeigengeld aus dem) Ruhrgebiet entdeckt hat, ist das Opernhaus ja sogar vor Lob wie „Aufstieg in die Champions League der europäischen Opernszene“ nicht sicher. Da freuen sich doch alle, bestimmt auch der RWE.

Im Überblick:
Deutschlandpremiere von „Krabat“ in der Lichtburg: Dienstag, 23. September, 20 Uhr.
“Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir“ von Christoph Schlingensief in der Gebläsehalle des Landschaftsparks: Dienstag, 23. September, ab 19.30 Uhr. Weitere Vorstellungen zur selben Uhrzeit: 25., 26. und 28. September.
Jubiläumskonzert „20 Jahre Aalto-Theater“: Donnerstag, 25. September, 19.30 Uhr.