Szenen wie in Paris. Auf dem Friedensplatz in Dortmund versammeln sich bis zu 1500 Mann. Aufgebracht. Wütend. Schreiend. Es sind Gewerkschafter. Verdianer. Und es geht ihnen nicht um mehr Lohn. Sie sind hier vor dem Rathaus für die Gerechtigkeit. Oben, über ihnen, im Zimmer des Oberbürgermeistes, verbarrikadiert sich Gerhard Langemeyer. Der wie der örtliche Fürst in seiner schwindenden Machtvollkommenheit dort hockt und schweigt.
Was hier passiert in Dortmund, ist einzigartig in der Geschichte des Ruhrgebiets und revolutionär. Langemeyer ist SPD-Politiker und draußen auf der Straße stehen die Massen, seine Massen. Keine verirrten Schafe der Linken, die gegen Hartz IV anschreien. Hier stehen die Männer und Frauen der Stadtverwaltung. Das Rückrad der SPD in einer Ruhrgebiets-Stadt. Man könnte sagen, die Prätorianer, auf die sich ein SPD-Chef immer verlassen können muss, sind in Rebellion. Dabei müssen gerade diese Männer und Frauen stehen, wenn es darum geht, für die SPD in den Wahlkampf zu ziehen. Wenn es darum geht, Mehrheiten zu schaffen. Hier im Herzen der Sozialdemokratie in Dortmund.
Foto: Mr. flindert
Die Verdianer auf der Straße haben gezeigt, dass die Zeit von Langemeyer abgelaufen ist. Sie wollen ihn nicht mehr.
Vordergründig geht es um zwei Personalien. Zwei Angestellte der Stadtkasse haben Geld ausgegeben. Ohne die nötigen Belege. Das Geld hat eine Kokserin genommen. Zumindest einen großen Teil davon. Sie hat im Büro von Oberbürgermeister Langemeyer gearbeitet.
Mit dem Geld hat die Kokserin ihre Sucht finanziert. Den Schnee in der Nase. Den Suff in der Kneipe…. Welche Szenen hat im Büro des Oberbürgermeisters gegeben? Man kann nur spekulieren. Einzelheiten könnten in einem öffentlichen Prozeß an Licht kommen. Doch den versucht die Staatsanwaltschaft Dortmund nach meinen Informationen zu vermeiden. Es soll Gespräche über einen Deal geben. Die Kokserin akzeptiert eine kleine Strafe. Dafür muss sie nicht öffentlich aussagen. Der Mantel des Schweigens fällt…..
Um auch das Rathaus abzudichten vor dem Skandal, hat Langemeyer die beiden Angestellten aus der Stadtkasse gefeuert. Die beiden, von denen die Rede war. Sie sind Bauernopfer. Langemeyer sagt, damit hätte er seine Verantwortung als Behördenchef erfüllt. Ansonsten sei sein Haus sauber. Keine Kokser mehr in der Hütte und keine Kriminellen. Kann man das glauben?
Die SPD tat es in Dortmund. Nach anfänglichen Zögern hat sie Langemeyer wieder auf den Schild gehoben, der Unterbezirksvorstand schlug den 64-Jährigen als Oberbürgermeisterkandidaten vor. Die SPD in Düsseldorf stellte sich hinter Langemeyer. Allen voran die Landeschefin Hannelore Kraft. War das eine gute Wahl?
In Dortmund auf der Straße schreien die Massen jetzt gegen Langemeyer. Keine Spinner. Sondern die Muskeln und Nerven im Herz der Sozialdemokratie. Sie schreien: "Wir gehören keiner Partei an. Wir gehören zur Partei der Beschäftigten." Sie rufen: "Das ist kein Führungsstil, wenn kriminelle Machenschaften unterstützt werden." 34 Männer und Frauen aus der Stadtkasse sagen, sie seien Zeugen, dass es eine Anweisung "von oben" gegeben habe, das Geld auszuzahlen. Jetzt die Kassierer zu feuern, sei "widerlich". Sie berichten, dass die Gefeuerten Gegenbelege angefertigt hätten, aus Angst davor irgendwann gehängt zu werden. Die Männer und Frauen auf der Straße rufen Langemeyer heraus auf den Platz. Er soll kommen, erscheinen, reden und sofort die Kündigungen zurücknehmen.
Langemeyer kommt nicht. Wenn er die beiden einstellt, muss er zugeben, dass er Schafe opfern wollte aus der Mitte seiner Untergebenen. Dass er kalt lächelnd über Leichen gehen wollte. Das wäre sein politischer Tod. Sitzen zu bleiben aber, in seinem Büro ist das gleiche. Es ist schlecht. Es ist der politische Tod. Langemeyer schweigt.
Jetzt reden sie auf der Straße vom Klima im Rathaus, von der Angst , von Schreierei, vom Druckmachen. Sie reden und reden vom Chef. Alle zusammen. Sie sind stark. Stärker als Langemeyer. Stärker als die Partei in Düsseldorf. Sie sind die Masse in Dortmund. In der Herzkammer.
Für die SPD gibt es nur noch einen Ausweg aus diesem Desaster. Landesgeneralsekretär Mike Groschek muss sofort nach Dortmund und Langemeyer zum Rücktritt überreden.
Was soll noch passieren? Ein SPD-Oberbürgermeister kann nicht gegen eine offene Rebellion der SPD-Prätorianer bestehen. Das ist undenkbar.
Davon ab: Die Gewerkschaft hat noch mehr im Ärmel. Bis jetzt hat sie nicht gesagt, wer die Dienstanweisung gegeben hat. Und wer diese Anweisung gedeckt hat. Dies könnte strafbar sein. Und die Spur führt nach oben…..