Schnapsgläser voll Gas gegen Sanierung der AGR-Deponie im Kreis Wesel

Die Abfallgesellschaft Ruhr (AGR) ist wie ein Mühlstein, der um den Hals des Regionalverbandes Ruhr hängt. Geht die Firma Pleite, zieht sie ihren einzigen Gesellschafter, eben den RVR, tief in den Brunnen.

Foto: flickr.com / dev null

Verantwortlich für eine Pleite wären Politiker, die Namen, Adressen und Telefonnummern haben. Und deshalb haben diese Männer und Frauen Angst. Sie wollen nicht verantwortlich sein. Nur so ist zu erklären, dass der Konzern mit einer bilanziellen Überschuldung von gut 80 Millionen Euro, noch nicht dichtgemacht wurde. Statt ein Ausweg auch mit Schrecken zu suchen, haben sich die Politiker im RVR bis auf eine kleine Minderheit von Linken und FDP entschlossen, ihren Angstgolem mit immer neuem Geld zu füttern. Sie werfen gutes Geld dem schlechten hinterher.

So musste der RVR Bürgschaften für Kippen der AGR übernehmen – in Millionenhöhe. Eigentlich sollten das Geld aus den AGR-Rückstellungen für die Sanierung der Kippen herhalten. Aber dieses Geld wurde zu einem großen Teil verfressen.

Nun muss die AGR sogar Müll aus dem Mafia-verseuchten Neapel annehmen und den Dreck aus Italien in Herten verbrennen, um noch Geld zu machen. Ist das ordnungspolitisch OK? Wurde dafür die AGR gegründet? Oder ist sie nur ein Tobeplatz von Politikern, die auch mal Unternehmer spielen wollen? Gutwilligen Amateuren, die das Geld anderer Leute verbrennen? Selbst die ehemals AGR eigene Müllverbrennungsanlage RZR I haben die Finanzfachleute bereits in einem Cross-Border-Leasing verjuckt. Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man lachen.

Hier geht es jetzt um die Deponie Rheinberg im Kreis Wesel. Bis zum 31. Dezember 1996 hat die AGR hier mehrere Millionen Tonnen Müll abgekippt. Mit den Abfallentsorgungsentgelten, so heißen die Müllgebühren, hat der Kreis bereits die Rekultivierung der Deponie Rheinberg an die AGR gezahlt. Das stellt der Landrat des Kreises Wesel, Ansgar Müller, in einem Brief an die Bezirksregierung Düsseldorf so fest. Müller fragt nach, wann nun endlich die Deponie saniert wird. Konkret geht es um die Aufbringung einer Oberflächenabdichtung. Eigentlich sollte die Abdichtung schon erfolgen, wenn die Deponie zugemacht wird, schreibt Müller. Damit kein Sickerwasser in die Kippe eindringen kann. Zehn Jahre passierte allerdings wenig. Am 21. November 2005 schließlich wurde beschlossen, dass die Oberflächenabdichtung der Deponie im Jahr 2008 beginnen soll. Müller schreibt: „Der Kreistag ist der Auffassung, dass zehn Jahre nach der letzten Ablagerung eine weitere Verzögerung nicht mehr hinzunehmen ist.“ Der Standort Kippe müsste der Bevölkerung wieder zugänglich gemacht werden.

Ein berechtigtes Anliegen? Ach was. Wie naiv, aus der zuständigen Tochterfirma der AGR, die sich um die Deponienachsorge kümmern soll, fließt ständig Geld für andere Zwecke ab. Zum Beispiel an den Insolvenzverwalter der Hans-Brochier GmbH, oder in den Bau der Müllverbrennungsanlage RZR II.

Im Fall der Deponie Rheinberg wurde auch nicht der naive Weg beschritten, also der Weg, der Geld kostet. Stattdessen schrieb der Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow an den Landrat Müller: „Es wird jetzt als zweckmäßiger angesehen, die Deponie kontrolliert über einen längeren Zeitraum ausreagieren zu lassen.“ Ein entsprechendes 25-Seitiges Gutachten der Essener Professoren Renatus Widmann und Tim Ricken war dem Schreiben beigelegt.

Darin heißt es, in der Deponie Rheinberg bildet sich Gas. Und dieses Gas bedrohe die Sicherheit der Deponie. Weiter sagen die Essener Professoren, erst wenn sich ab Jahr 2020 kaum noch neues Gas bilde, sei es ratsam mit der endgültigen Abdeckung der Deponie zu beginnen.

Welche grandiose Erkenntnis der Wissenschaftler. Sie haben herausgefunden, dass man nichts machen muss.

Mir fehlt der Glaube an diese Erkenntnis. So schreiben die Wissenschaftler, dass sich auf der Deponie auf einer Fläche von 20 Hektar etwa 200 Kubikmeter Gas im Jahr entwickeln. Das Gas dringe durch die Zwischenabdeckung nach oben an die frische Luft.

Soweit so gut. Aber was heißt das konkret? Ist das viel Gas und ist das gefährlich? Das Gas, dass da in der Deponie entsteht, ist ja vor allem Methangas.

Um einschätzen zu können, wie gefährlich das Gas ist, muss man die Emission aus der Deponie Rheinberg umrechnen. Schaut man sich an, was an einem Tag aus zehn Quadratmeter Boden entweicht, sieht man, dass ungefähr ein Schnapsglas voll Gas entweicht. Auf der Fläche von zwei mal fünf Schritten. Das ist die Größenordnung, über die wir sprechen.

Man kann das auch anders sagen: Da gelangt weniger Pupsgas am Tag an die frische Luft, als in einer durchschnittlichen westfälischen Turnhalle.

Und aus diesem Grund will die AGR jahrelang auf die millionenteure Sanierung der Deponie Rheinberg verzichten.

Hand aufs Herz. Wer glaubt hier, es geht nicht ums Geld.

Bochum macht nicht mehr jung

Mit der Mehrheit von CDU, Grünen, Linkspartei und Sozialer Liste hat der Bochumer Rat die Kampagne Bochum macht jung gekippt.

Das berichtet Jens vom Pottblog. Die Kampagne stand unter keinem guten Stern: Die Stadt hatte sich nicht an das Vergaberecht gehalten, es gab Streit mit der Agentur, die schließlich die Brocken hinwarf und auch die Polizei ermittelte – allerdings ohne Ergebnis. Prinzipiell finde ich, dass die Städte im Ruhrgebiet nicht das Geld haben, um alleine für sich zu werden – nur wenn alle ihre Kohle in einen großen Topf werfen um einen Regionalmartektingkampagne zu machen, kann einen Summe zusammen kommen, mit der man zumindest bundesweit wahrgenommen wird.   

schurians runde welten: iSmell

Ich bin gerne im Stadion, nur meine Schweißdrüsen sind es nicht. Selbst bei unwichtigen Freundschaftsspielen durchfeuchten sie das Baumwollhemd und sorgen für einen Geruch, den ich besser bei mir behalten möchte. Bis auf weiteres.

 

 

Fußball macht tierisch Achselschweiß   Foto: Ruhrbarone

 

In meinen Achselhöhlen bilden sich dann Dunstgaswolken, die an gegorene Yak-Milch erinnern. Um den Gestank nicht entweichen zu lassen, verschränke ich die Arme vor dem Bauch und versiegele den Körpergeruch hinter den Reißverschlüssen meiner Allwetterjacke, die ich erst ausziehe, wenn ich allein bin.

Ich rieche nur als Zuschauer so. Spiele ich selbst, rinnen mir salzige Tropfen die Stirn hinab. Sie sind fast ohne Geruch, das gilt auch fürs Fahrradfahren. Oder Herumsitzen. Oder Sonnenbaden. Schlimm ist es im Flugzeug, generell auf Fernreisen. Das kann Stress sein. Aber was haben meine Drüsen nur gegen Fußball gucken? Was ist daran Stress? Warum tun sie mir das an? Und was ist das eigentlich: Geruch?

Die Frage müsste zu den Grundfragen unseres Daseins gehören, doch lieber wird sie verschwiegen. Denn jetzt wird es unappetitlich: Anders als Geräusche sind Gerüche stofflich zu fassen. Ein Hundehaufen sendet keine Geruchswellen an seine Umgebung. Nein, er löst sich an den Rändern in Kleinstbestandteile auf. Eine Art Scheißschmelze. Und je nach Hund und Haufen kann dieser Prozess einen Radius von einigen Metern umfassen.

Fies ist, dass wir Geruchspartikel nicht sehen können, wir nehmen sie mit der Nase auf, sie kleben an Scheidewänden und Nasenhaaren, nur manchmal nießen wir sie direkt wieder aus. An die meisten Duftträger gewöhnen wir uns, sie verlieren ihren Geruch und sie bleiben. Diese Grundregeln gelten auch für schöne Dinge wie Blumen, oder Rotwein. Trotzdem bleibt es sonderbar, dass sich selbst Menschen an den Rändern auflösen, dass wir unentwegt kleine Stücke von uns absondern, wie wir andere einatmen. Möchten wir das?

Wahrscheinlich kalter Käse und längst Geheimprojekt eines Life Science Zentrum: Warum wird Geruch nicht digitalisiert. Gerüche könnten wie Geräusche durch eine Kombination von Nullen und Einsen ersetzt werden und auf irgendeinem Medium Platz finden. Das analoge Hundekot- und Yakmilchzeitalter würde abgelöst. Und ich könnte Fußball betrachten, ohne mit den Oberarmen meine Achselhöhlen zuzukneifen, weil meine Schweißdrüsen nicht mehr ranzige Flüssigkeiten produzieren, das übernimmt nun ein Duftrechner.

Übrigens: Damit es weiter duftet, wird auch an digitalen Geruchsspeichern für unterwegs geforscht, portable Geruchsabspieler, Kopfriecher für die Nasenlöcher. Abgespielt werden darauf nur saubere, digital erzeugte Geruchswellen, für den Kenner auch fieses, absonderliches. Natürlich hat der Player einen Namen:"iSmell".

Verzocken Marls Politiker Ansiedlungschance?

Chinesische Investoren planen in Marl ein Außenhandelszentrum zu errichten. Es könnten hunderte neuer Arbeitsplätze entstehen – doch Marls Politiker und eine Bürgerinitiative sind dabei, die Chance zu vertun.

Marls Bürgermeisterin Uta Heinrich mit den Vertretern der chinesischen Investoren im Marler Rathaus. Foto: Ruhrbarone

Es klang wie ein Traum. Im Herbst vergangenen Jahres tauchte erstmals das Gerücht auf, dass ein chinesischer Investor in Marl ein Groß- und Einzelhandelszentrum errichten will. Gegen Anfang des Jahres wurden die Pläne, die von in Marl ansässigen chinesischen Gastronomen mit guten Kontakten in die Volksrepublik angestoßen wurden, konkreter, Delegationen besuchten einander, es wurde ein erstes Papier unterzeichnet, in dem die Investoren, hinter denen der chinesischen Immobilienkonzern Greentown steht, sich auf Marl als Standort festlegen. 30 Millionen wollen sie investieren, 200 chinesische Unternehmen nach Marl holen und eine permanente chinesische Messe auf 28.000 Quadtratmetern aufbauen. Dazu ein Hotel und eine Wohnsiedlung für 200 chinesische Manager. Für eine Stadt wie Marl ist das wie sechs Richtige im Lotto.

Keine Freude
Gibt man sich nun der naiven Vorstellung hin, in Marl würde Freude über die Chance auf die Investition, herrschen, irrt man. Schon sah sich Recklinghausens Landrat Jochen Welt, selber in der Sache machtlos, gezwungen, die Marler Lokalpolitiker in einem Brief aufzufordern, gemeinsam alles zu tun, um das Projekt erfolgreich umzusetzen. „Eine solche Chance gibt es nur ganz selten. Das kann ein wichtiger Ansiedlungserfolg für das ganze nördliche Ruhrgebiet werden – so etwas darf nicht an lokalpolitischen Streitereien scheitern. „Andere Stadträte liegen da schon auf Lauerstellung“
Auch Marls Bürgermeisterin Uta Heinrich hofft darauf, das alles glatt geht: „Ich gehe davon aus, das alle Ratsmitglieder zum Wohle der Stadt handeln und da Projekt unterstützen.“ Ein verständlicher, wenn auch frommer Wunsch.
Überraschender Widerstand
Denn die Pläne stoßen in Marl auf Widerstand. Da ist eine Bürgerinitiative, die vor der Überfremdung Marls durch chinesische Zuwanderer warnt, als ginge es darum, die darbende Kommune vor Maos roten Horden zu bewahren.
Und dann sind da noch die Marler Lokalpolitiker, einig nur in ihrem Streben, bei jeder Gelegenheit die eigene Weltgeltung unter Beweis zu stellen, die der Welt indes bislang weitgehend verborgen blieb. Vor allem CDU und SPD haben es auf einmal gar nicht mehr so eilig, den Wünschen der Investoren nachzukommen, pochen auf exakte Prüfung der Voraussetzungen und wollen das Projekt, wie SPD-Fraktionschef Michael Gross erklärte, noch einmal angesichts der Tibetpolitik Chinas neu diskutieren. Grund zur Eile sehen sie alle nicht. Aus gutem Grund: Es ist ein offenes Geheimnis, dass sie, nur ein Jahr vor der Kommunalwahl, vor allem eines nicht wollen: einen Erfolg für Bürgermeisterin Uta Heinrich und ihren Wirtschaftsförderer Dr. Manfred Gehrke, der sich jede noch so kleine Ausgabe von den Lokalpolitikern genehmigen lassen muss. Gestern hat der Haupt- und Finanzausschuß Marls ein Drittel der benötigten Fläche an die chinesischen Investoren verkauft. Das Geschäft so plump platzen zu lassen, ist auch den Marker Kommunalpolitikern zu riskant. Sie werden nach anderen Wegen suchen, Uta Heinrich und das Groß- und Einzelhandelszentrum scheitern zu lassen – wenn Marl Pech hat, werden sie auch welche finden.

Unabhängige Bürgermeisterin
Denn Heinrich ist unabhängig. Vor zehn Jahren als Bügermeisterkandidatin vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Hubert Schulte-Kemper aufs Schild gehoben, gewann sie die Wahl – und machte sich von Schulte-Kemper zunehmend unabhängig. Es kam zum Bruch, was Heinrich nicht daran hinderte, auch die Kommunalwahl 2004 lässig im ersten Wahlgang zu gewinnen und die Kandidaten von CDU und SPD zu demütigen. Auch für die kommende Wahl im nächsten Jahr sieht es nicht viel besser aus. Was ist schon eine Investition von 30 Millionen Euro und hunderte neue Arbeitsplätze gegen den Machtwillen von Lokalpolitikern? Marl könnte eine Riesenchance vergeben. Bleibt zu hoffen, dass sich Greentown dann in einer anderen Ruhrgebietsstadt engagiert. Interessenten soll es bereits mehrere geben. Oberhausen, Duisburg und Dortmund sind auch schöne Städte.

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Weltstars von Morgen

An Pfingsten blickt die Fußballwelt nach Ennepetal. Nach  Ennepetal? Nach Ennepetal!

Vom Jungtalent zum Elfmeterkönig: David Beckham. Foto: Wikipedia

Zum 35. Mal findet an Pfingsten im idyllisch gelegenen Bremenstadion das vom Landesligisten TuS-Ennepetal veranstaltete A-Jugend Pfingstturnier statt. Die Nachwuchskicker vom TuS-Ennepetal werden auch in diesem Jahr wieder vor gut 15.000 Zuschauern gegen die Jugendmannschaften von zum Teil internationalen Top-Vereinen antreten: Chlesea, Schalke 04, Borussia Dortmund, Olympiakos Piräus, HSV, Atletico Miniero und Zenit St. Petersburg werden ihre Jugendmannschaften ins südliche Ruhrgebiet schicken. Die Chancen stehen gut, dass das Publikum an Pfingsten künftige Weltstars zu sehen bekommen. Lajos Detari, Jürgen Klinsmann, Dennis Bergkamp, Andrei Schevtchenko und David Beckham  waren  in  ihrer Jugend jedenfalls  in Ennepetal.  Wer also noch nicht weiß , wohin der Pfingsausflug in diesem Jahr gehen soll: Ennepetal  ist ein lohnendes Ziel.

Das Essener OB-Duell steht. Lehrer contra Diplomingenieurchemiker

Essen ist in der Politik des Ruhrgebietes eine der wenigen tragenden Säulen. Umso wichtiger ist es, wer in Essen Oberbürgermeister wird. Nachdem nun der alte Stadtchef Wolfgang Reiniger (CDU) seinen Rückzug zur kommenden Wahl erklärt hat, wurde nun der Oberstudienrat a.D. Franz-Josef Britz, bald 60, auf den Konservativen Schild gehoben. Er soll 2009 Oberbürgermeister an Stelle des Oberbürgermeisters werden.

Eine gute Wahl? In der CDU hat sich zur Kür von Britz eine alte Geschichte wiederholt. Wie vor 20 Jahren stand nämlich ein anderer Name auf der Liste der CDU-Hoffnungsträger, und zwar Stephan Holthoff-Pförtner. Doch diesen Mann wollten die mächtigen Konservativen in Essen verhindern. Um jeden Preis und sei es um den Preis des eigenen Erfolges.

Stephan Holthoff-Pförtner ist nicht irgendwer. Er gehört zu den Mächtigsten Menschen in NRW. Das CDU-Mitglied vertritt eine der beiden Eigentümerfamilien der WAZ-Mediengruppe. Er ist Adoptivsohn der WAZ-Gesellschafterin Gisela Holthoff. Als Rechtsanwalt vertrat er Altkanzler Helmut Kohl in der Spendenaffäre. Er kämpfte auch für den korrupten Schiri Robert Hoyzer. Und ist zudem Mitglied des Kohlekuratoriums der RAG – mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers ist er über die Partei hinaus befreundet.

Holthoff-Pförtner ist ein Mann von Welt. Einer der wenigen, die das Ruhrgebiet hat. Als Oberbürgermeister-Kandidat wäre er jemand gewesen, der im Fall eines Sieges über die Stadt hinausgestrahlt hätte. Vielleicht hätte es Holthoff-Pförtner auch mit dem Spitzenmann der SPD im Pott, dem Dortmunder OB Gerhard Langemeyer, aufnehmen können.

Tja, jetzt ist Britz der Kandidat der CDU. Ein Ex-MdL-Mann und Ex-Berufschullehrer, den nur Eingeweihte von außerhalb kennen, weil er sich schon mal von einem Energieversorger zu einer Reise nach Barcelona einladen ließ. Wie kam es dazu?

Holthoff-Pförtner hatte gesagt, er steht nur der CDU zur Verfügung, wenn er ohne Gegenkandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters antreten kann. Dagegen hatte aber das Old-Boy-Network rund um Norbert Königshofen etwas. Genau wie vor 20 Jahren wollten der Hinterbänkler aus dem Bundestag und seine Essener Kumples verhindern, dass mit Holthoff-Pförtner jemand in der CDU das Ruder übernimmt, der dem grauen Pantoffel-Mief ein Ende gemacht hätte. Schnell waren Britz und die CDU-Ratsfraktion überredet, dass der RAG-Bildungs-GmbH-Beschäftigte Britz besser für die Stadt sei als der Weltmännische Holthoff-Pförtner.

Und so steht es nun, dass Duell Lehrer gegen Diplomingenieurchemiker. Denn auch bei der SPD ist mit Reinhard Paß kein Kandidat in der ersten Reihe, der landespolitisch oder bundespolitisch aufgefallen wäre. Dafür hat der Betriebsratschef der DMT Paß die Aktion "Aktion Wachsames Hähnchen" ausgerufen. Hier können sich Leute über Zipperlein in der Nachbarschaft mokieren. Das ist also das Essener Niveau der Zukunft.

Damit wir uns richtig verstehen. Das muss nicht unbedingt schlecht sein. Es kann für die Menschen vor Ort die Heimat abbilden, von Leuten wie Britz oder Paß vertreten zu werden. Damit wäre die Wahl der Männer genau das richtige im demokratischen Sinne. Das kleine Karo wird eben gerne vom kleinen Karo regiert. Aber ich hätte mir im Sinn der Metropole mehr Mut gewünscht.

So ist das Duell in Essen farblos, eher im Kleingartenschnitt.

Nur in einem Punkt bringt die Kür von Britz Spannung. Die SPD um Paß kann wieder Morgenluft schnuppern. Gegen den amtierenden CDU-Vorsitzenden ist leichter Wahlkampf zu machen, als gegen einen Mann mit den Möglichkeiten von Holthoff-Pförtner. Es wird keine reine Amtsübergabe von Reinger an den nächsten CDU-Mann.

Leider wird das Duell die wahren Machtverhältnisse um den echten ersten Bürger in Essen kaum bewegen. Nach wie vor wird Berthold Beitz das Sagen haben. Er war es, der ThyssenKrupp geholt hat, er hat den Folkwang- und den Saalbau-Umbau möglich gemacht. Vom Rest kamen viele Worte. Von Beitz – Taten.

Oberhausener Kurzfilmtage, Teil 2: Vom Festival zum zeitgenössischen Museum? ? Eine Nachbetrachtung

Festivalleiter Dr. Lars Henrik Gass sagte es in seiner Eröffnungsrede der 54. Internationalen Kurzfilmtage deutlich: „Kaum ein Kurzfilm erzielt Einnahmen im Fernsehen oder Internet.“ Und: „Der Film als Ware braucht keine Festivals mehr; und das ist die historische Chance, dort endlich bessere Filme zu zeigen.“ Mutige Worte, natürlich den aktuellen Entwicklungen im Internet (und auch bei den DVDs) geschuldet, die selbst Hollywood nicht kalt lassen und bekanntermaßen schon zu Streiks in der amerikanischen Filmbranche führten. Und ein krasser Gegensatz zu den Plänen der Bundesregierung im Rahmen der Novellierung des Filmfördergesetzes. Wie aber stellt man sich die Zukunft einer nicht ausschließlich digital vernetzten Kurzfilmszene vor? Und: Was plant die Bundesregierung eigentlich mit dem Genre „Kurzfilm“?

„Wer also das Kino erhalten will, muss es zerstören, um seine soziale Funktion wiederzubeleben.“ Das könnte von Godard oder Debord sein, entstammt aber auch der oben zitierten Eröffnungsrede. Der Festivalleiter schlussfolgert: „1. Filmfestivals müssen künftig für die Verwertung von Filmen zahlen. 2. (…) Filmförderung aus öffentlichen Mitteln sollte künftig allein der Herstellung von künstlerisch relevanten Werken und ihrer Präsentation dienen. 3. (…) Das Kino wird nur als Museum überleben können, als ein Museum aber, das wir noch nicht kennen.“ Kein Geld also mehr für die Cannes- und Berlin-Schickeria und stattdessen für ein künstlerisch und kulturell wertvolles Programm? Ist das noch populär? Dr. Gass führt aus: „Vielleicht werden die Museen für zeitgenössische Kunst die Filmfestivals überflüssig machen. (…) Der Gegensatz zwischen hier Kunst und dort Film ist überholt. (…) Filmfestivals müssen Bücher und DVDs machen, Partys und Konferenzen, sie müssen das bessere Fernsehen sein und die bessere Universität.“

Oberhausen 2008 hat vor allem den Status Quo der Filmbranche deutlich gemacht: Viele, viele Screenings von Internetportalen, die sich als Filmarchive verstehen, stehen zahlenmäßig zumindest gleichberechtigt neben den guten, alten Wettbewerben auf dem Programm. Themen orientierte Reihen gibt es gerade mal zwei, aber sechs Künstler orientierte unter dem Titel „Profile“. Dazu an jedem Tag zumindest ein Podium sowie die Diskussionsrunden zu den Wettbewerben. Oberhausen funktioniert also eh als Präsentationsfläche, Service und Seminarangebot für die Kurzfilmszene, der der Austausch spürbar gut tut; einer Generation, die sich oft in virtuellen Welten wohler fühlt denn als „Chronisten der Gegenwart“ oder gar als Auftragsarbeiter der Werbeindustrie. Wie ein Filmportal-Betreiber aus NRW am Rande des Festivals sagt: „Manchmal ist es besser, die Leute gar nicht erst zu treffen mit denen man zusammenarbeitet.“ Bernd Neumann, Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien, hat allerdings anderes mit der Kurzfilmszene vor: „Das neue Filmförderungsgesetz soll dazu beitragen, dass der Kurzfilm auch das Kinopublikum wieder häufiger erreicht.“ Zurück ins sterbende Kino? Womöglich in Form von Werbespots oder anderen Blockbuster-Appetizern? Ein extrem zynisches Todesurteil. Bernd Neumann weiter: „Die Bundesmittel für Oberhausen waren und sind stets eine gut angelegte Investition in die Zukunft des Kinofilms.“ Der Staatsminister scheint geistig im Kino gefangen und in Zeiten als man Kurzfilme drehte, um sich "für die große Leinwand zu qualifizieren“. Besser zurück zur äußerst lebendigen Wirklichkeit des Genres und zu gelungenen Präsentationen eines „zeitgenössischen Museums für Kurzfilme“:

Der Film als Buch, das gab es des Öfteren, so im Werk des gelernten Schriftsetzers Jörg Petri, dessen Musikvideo zu „Dot“ von Michael Fakesch auch als überdimensioniertes Daumenkino erhältlich ist. Zum anderen im Rahmen einer „Book Launch Action“ mit Mike Sperlinger, Emily Wardill und Ian White zum Buch „Kinomuseum – Towards An Artist´s Cinema“ mitten im Oberhausener Hauptbahnhof. Bekannt gemacht wurde diese Aktion durch Flyer am Ende der Reihe „Wessen Geschichte“, die mit dem letzten Beitrag auch aufzeigte, wie sich Performance, Museum und Kurzfilm hervorragend ergänzen können: Die Kuratorin Sharon Hayes war nur fernmündlich anwesend und kommentierte die Auswahl in einer spontanen Telefonperformance mit Ian White über die Kinolautsprecher vor, nach und während der Filme, ließ sich auch mit Bekannten im Saal verbinden und fasste schließlich die gemeinsame Botschaft jeder (im Film gezeigten) Protestbewegung wie als Leitlinie für die Kinorevoluzzer des 21. Jahrhunderts am Ende so zusammen: „Now. Now! NOW!“ Es schien fast symptomatisch, dass diese Worte nur noch an die Mitglieder des „Artist´s Cinema“ gerichtet waren. Die “Endkonsumenten” hatten das Kino bereits verlassen.

Fazit? Der Autor war selbst Akteur, als bei der ersten großen Welle des Kinosterbens auch andere Veranstaltungsformen Einzug in die Lichtspielhäuser fanden. Nicht einmal die von der Szene eigentlich verhassten Multiplexe funktionieren im Grunde anders. Gleichzeitig definiert sich die Kurzfilmszene mehr denn je über weltweite Vernetzungen. Umso wichtiger sind Treffpunkte, offene Formen und eine moderne Kulturförderung, die auch in Deutschland endlich nicht mehr in Genregrenzen und auf die Verwertung in veralteten Strukturen hin denkt.

Kein Ruhmgebiet

 Ausschnitt:hall-of-fame-sport.de

Die deutsche Sporthilfe und das Deutsche Historische Museum haben heute ihre Hall of Fame des deutschen Sports vorgestellt. Eine 25-köpfige Jury um Bundesinnenminister Wolfgang „Stoppt“ Schäuble einigte sich auf 40 ganz besonders verdiente Persönlichkeiten in Leibesübungen. Natürlich gibt es bereits Geraune um die Auswahl, nicht nur das Gold-Rosi Mittermeier sich selbst auswählen konnte.

 

Auch die kümmerliche Zahl ehemaliger DDR-Atheleten – nur Roland Matthes schaffte den Sprung in die Top Forty – und das Fehlen von deutsch-jüdischen Athleten stößt Kritikern bitter auf.

Ich finde die regionale Aufteilung etwas seltsam, aus Köln kommen gleich vier Geehrte, aus NRW sind es insgesamt tüchtige 12, aus dem Ruhrgebiet sind nur zwei dabei, aber nicht etwa Helmut Rahn, Willi Wülbeck oder Annegret Richter, sondern der FDP-Politiker, Vater der Stauschau und Sportbund-Präsident Willi Weyer aus Hagen, sowie Gustav Kilian, der eiserne Bahnradtrainer – er starb in Dortmund und war Deutschland tatsächlich ein rechter, dunkelbrauner Botschafter des Sports. Siegte in den 1930ern mit Hakenkreuz in den USA. Rümpf, rümpf.

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Schreiben lassen (1)

Foto: flickr/photos/kubia

In sehr loser Folge veröffentlichen wir hier nun auch aktuelle Beiträge, die aus unerfindlichen Grüßen noch nicht abgedruckt wurden. Den Anfang macht eine Rezension vom Kollegen Christian Werthschulte. Auf gehts, Bua:  

Alpinisten der Improvisation

Österreich, du hast es besser. Dank einer nachhaltigen Kulturförderung hast du im Übermaß, was das Ruhrgebiet nur am Rande hat – Schmankerl der experimentellen Musik. Wer davon probieren wollte, war am Samstag bei „Felix Austria" im Dortmunder Künstlerhaus an der richtigen Adresse.
Michael Moser ist eigentlich Cellist. Doch anstatt sein Instrument mit klassischer Musik zu langweilen, erforscht er lieber seine Klangeigenschaften, streicht mal zart über die Seiten und nutzt den Korpus für Halleffekte – wie einst im Fluxus. Doch der Fortschritt hat vor der improvisierten Musik nicht Halt gemacht. Ein Computer nimmt die Klänge auf und manipuliert sie sanft und bei bloßem Hinhören kaum wahrnehmbar.
Anders Billy Roisz und Silvia Fässler. Als Silly setzen sich die beiden vor ihre Laptops, verziehen keine Miene und starren für die Dauer ihres Sets gebannt auf die Monitore. Was dort passiert, lässt sich nur erahnen. Kurze Pianoloops werden hörbar, unterbrochen von einem minimalen Rhythmus und digitaler Klangsynthese. Das ist laut, humorvoll und kickt auf angenehm unklimaktische Art und Weise. Doch wo Silly dafür den Computer bemühten, hat sich Werner Dafeldecker der Analogtechnik verschrieben. Mit Hilfe eines Bandechos wurde aus einem einfachen Sinuston eine Klangkaskade, die nuancenreich zwischen Lärm und Stille oszillierte.
Zum Abschluss collagierte dieb13 Fragmente aus der Jazzgeschichte mit drei Plattenspielern. Dass dabei von den Originalaufnahmen wenig erhalten blieb, verdankt er einer selbstgeschriebenen Software, die im Inneren eines kleinen Holzkastens ihr Werk tat und ihre Ergebnisse zurück in die Mix-Melange speiste. Eine Form von musikalischer Aneignung, die ihre politischen Ambitionen nicht verleugnet. Zum Schluss seines Sets ertönt eine geloopte „Internationale" in der Spieluhr-Version, dieb 13 riss die Regler nach oben und entließ seine Zuhörer ins weiße Rauschen. Hat Spaß g’macht.

PFT – Das Problem des Ruhrverbandes – Fortsetzung X

Neuerdings berichtet der Ruhrverband schon per Pressemitteilung über meine Anfragen und Berichte. Nun denn, sei’s drum. Jedenfalls habe ich herausgefunden, dass der Ruhrverband offensichtich tiefer in den PFT-Skandal verstrickt ist, als bisher bekannt. So hat der Verband selbst tausende Tonnen Klärschlamm, offensichtlich auch mit PFT verschmutzt, an die Firma GW Umwelt aus Borchen geliefert. Zur Erinnerung: Diese Firma wird für die Verseuchung der Felder im Sauerland verantwortlich gemacht.

Eigentlich hieß es, die Firma GW Umwelt habe den PFT-Schlamm aus Holland oder Belgien importiert. Nun scheint es, als stamme einiges von dem Dreck aus dem Ruhrgebiet selber. Eine Katze also, die sich in den eigenen Schwanz beißt.

Tatsächlich ist es schwierig die Ursachen der PFT-Verschmutzung in der Ruhr zu finden. Bei Recherchen im zuständigen Ministerium stößt man auf eine unsichtbare Mauer des Schweigens. Je tiefer und je näher man der Wahrheit kommt, umso fester wird diese Mauer. Vor allem, wenn die Spur in Richtung des Ruhrverbandes führt.

So beharrt NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) auf der nachweislich falschen Behauptung, die PFT-Verschmutzung aus den Kläranlagen des Ruhrverbandes habe auf 147 Gramm gesenkt werden können. Tatsächlich liegt die Menge um gut 100 Gramm höher. Die Fracht wurde nicht gesenkt. Uhlenberg muss das eigentich wissen. Ist das schon eine Lüge?

Trotzdem meldet der Minister einen Erfolg: Die PFT-Konzentrationen in der Ruhr sinken. Doch das liegt nicht daran, dass weniger PFT aus den Klärwerken abgeht. Vielmehr wird schlicht mehr Rohwasser in der Ruhr mit der fast gleichen Menge PFT verunreinigt.

Warum Uhlenberg die Kläranlagen des Ruhrverbandes mit einer falschen Aussage schützt, ist schwer nachvollziehbar. Allerdings geht aus Unterlagen, die mir zugingen, hervor, dass der Ruhrverband Jahrelang KLärschlamm an die Firma GW Umwelt geliefert hat. Beispielsweise wurden allein im Jahr 2000 aus der Kläranlage Arnsberg-Neheim über 880 Tonnen nach Borchen gebracht. Aus Arnsberg kamen 414 Tonnen hinzu. Der Klärschlamm wurde in Borchen mit anderen Abfällen durchmengt und auf die Felder verklappt. Dafür gab es amtliche Genehmigungen.

Der Ruhrverband gibt zu bis mindestens 2004 Klärschlamm an die Firma GW Umwelt zum weiterverklappen geliefert zu haben. Dies sei auch rechtens gewesen, da der Verband für seine Klärschlammentsorgung Ausschreibungen hätte machen müssen und dabei habe halt GW Umwelt gewonnen.

Wie viel Klärschlamm der Ruhrverband an die Firma GW Umwelt lieferte, ist allerdings weiter unklar. Große Mengen wurden zunächst in Zwischenlager gebracht und erst später im Sauerland abgekippt. Aus den vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass GW Umwelt weit über 80 000 Tonnen Klärschlamm aus kommunalen Klärwerken angenommen hat. Das Treiben wurde erst eingeschränkt, als das NRW-Umweltministerium im Jahr 2002 die Verbrennung des Klärschlamms durchsetzte. Auch der Ruhrverband hat noch keine Antwort auf diese Frage gegebem.

Es ist aber auf jeden Fall davon auszugehen, dass etliche Tonnen Klärschlamm bereits in den 90er-Jahren mit PFT verseucht wurden – auch wenn erst seit wenigen Jahren bekannt ist, wie gefährlich das Gift ist. Die Firma Gerhardi aus Lüdenscheid beispielsweise verwendet nach eigenen Angaben seit Anfang der 90er-Jahre PFT. Aktuell leitet das Unternehmen etwa 26 Gramm PFT am Tag in das Klärwerk Rahmedetal ein. Ein Sprecher der Firma sagte, bis zum Ende des Jahres werde die Emission auf Null reduziert.

Der Ruhrverband sagt nun, die Belastuing mit PFT könne nicht so hoch sein, da die betroffenen Klärwerke, aus denen Schlamm weggekarrt worden sei, allesamt wenig PFT belastet gewesen wären.

Wie dem auch sei. Auf jeden Fall bedeutet diese Recherche: Ziemlich sicher wurde auch PFT-belasteter Klärschlamm aus Anlagen des Ruhrverbandes auf Ackerflächen im Sauerland verklappt. Damit lässt sich die These des Alleinverursacher GW Umwelt nicht mehr aufrechterhalten.