Update: Willamowski: Erhebliche Bedenken zum SIHK-Gutachten

Die Südwestfälische IHK mit Sitz in Hagen trommelt gegen das Ruhrgebiet. Nicht ganz uneigennützig. Und jetzt hat auch RVR-Regionaldirektor Klink auf das Gutachten reagiert.

SIHK-Hauptgeschäftsführer Hans-Peter Rapp-Frick. Foto: SIHK 

Wer die Internetseite der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK)  mit Sitz in Hagen aufsucht, sieht auf den ersten Blick, wo die Kammer in der Auseinandersetzung um den Verbleib Hagens im RVR steht: Die Schlagzeile "Gutachten: RVR-Austrittsregelung ist rechtswidrig und nichtig" empfängt den Besucher als erstes. Worum es geht? Die SIHK ließ sich von  Prof. Dr. Janbernd Oebbecke, dem Geschäftsführenden Direktor des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Münster, ein Rechtsgutachten zur Höhe von Ausgleichszahlungen im Falle eines Austritts von Mitgliedern aus dem Regionalverband Ruhr (RVR) schreiben. Das fiel differenzierter aus, als es die Schlagzeile der SIHK vermuten lässt: In weiten Teilen bestätigt das Gutachten die Austrittsmodalitäten zwischen dem RVR und den Städten, allein bei den Finanzen weicht das Gutachten von der Ansicht des Verbandes ab.
Das überrascht nicht – da Gutachten zumindest in wesentlichen Teilen die Meinung desjenigen wieder geben, der sie in Auftrag gegeben hat, ist Teil des politischen Geschäfts und deshalb sind solche Gutachten vor allem ein wichtiger Teil der Öffentlichkeitsarbeit. Was an den RVR-Austrittsregeln korrekt ist und was nicht, werden irgendwann einmal, sollte es zu Austritten kommen, die Gerichte entscheiden müssen.
Anders ist das bei der Frage, ob die SIHK mit den Beiträgen ihrer Mitglieder ein solches Gutachten überhaupt finanzieren darf, denn die SIHK ist nicht irgendein Verein, in den man ein- und austreten kann wie man möchte. Nahezu jedes Unternehmen, das im Handelregister eingetragen ist, muss Mitglied der Kammer sein – ob es will oder nicht. Aus diesem Privileg leitet sich nach Meinung von Dr. Gerd Willamowski, dem ehemaligen Verbandsdirektor des KVR und langjährigen Richter am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eine gewisse Zurückhaltung ab. "Meiner Ansicht nach dürfen Zwangskörperschaften des öffentlichen Rechtes wie die Kammern mit dem Geld ihrer Mitglieder nicht machen was sie wollen. Sie haben sich in einem eher engen Rahmen an ihre Aufgaben zu halten. Ich habe erhebliche Zweifel, ob die Finanzierung eines Gutachtens über das Verhältnis einer Kommune zu einem kommunalen Zweckverband, wie in diesem Fall, dazu gehört." Bei vergleichbaren Institutionen, zum Beispiel den Allgemeinen Studentenausschüssen (AStA), sorgte allzu offensives Vorgehen der Studentenvertreter häufig für Ärger. Da sie von jedem Studenten finanziert werden müssen, haben sie sich zwar um die Belange der Studenten auch gegenüber der Politik zu kümmern, dürfen aber nicht, mit Zwangsgeldern ausgestattet, sich jedes Thema aneignen – zum Glück, denn gerade in den 70er und 80er Jahren hätten sich viele  ASten wohl lieber um die Unterstützung des bewaffneten Kampfes in Honduras gekümmert, als um neue Prüfungsordnungen. 
Ähnlich die Lage bei der SIHK, so Willamowski: "Warum sollte ein Unternehmer aus dem Märkischen Kreis ein Gutachten über Rechtsprobleme der Stadt Hagen finanzieren müssen?"

Man könnte einräumen, dass die Kammer machen kann was sie will, so lange das Kammerparlament diese Politik mitträgt – wenn Kammerparlamente nicht eine ähnlich erbärmliche Wahlbeteiligung wie Studentenparlamente hätten – bundesweit kommt kaum eine über 10%, und das, die Kammer Hagen in ihrer Pressemitteilung zur Kammerwahl die Wahlbeteiligung nicht veröffentlicht, lässt wenig Gutes zu diesem Thema erhoffen.

Denn im Falle der RVR Mitgliedschaft vertritt die SIHK weniger die Interessen ihrer Mitglieder, die zu einem großen Teil außerhalb des Verbandsgebietes leben, denn zum Kammerbezirk gehört auch der Märkische-Kreis, als die Interessen der Kammergeschäftsführung. Die dürfte in Sorge sein, dass, wenn es zu der vom Land geplanten Aufteilung des Landes in einen Westfälischen, einen Rheinischen- und einen Ruhrgebietsbezirk kommt, die Kammer Hagen das nicht so ohne weiteres übersteht, denn Kammerbezirke über Regierungsbezirksgrenzen hinweg gibt es in NRW nicht – ein Problem, das auch auf die Kammern in Duisburg und Münster zukommen könnte, die sich ja auch als Widerstandsnester gegen die Neustrukturierung des Landes gefallen. Bei einer Neustrukturierung könnte die Kammer Hagen einfach wegfallen – aufgeteilt  zwischen den Kammern in Siegen, Bochum und Dortmund würden die Unternehmer davon kaum etwas mitbekommen – der jetzige Kammersitz wäre wohl weiterhin eine Anlaufstelle für alle Alltagsprobleme der Betriebe – nur ohne Geschäftsführung und ohne Geschäftsführer. Keine gute Perspektive für SIHK-Hauptgeschäftsführer Hans-Peter Rapp-Frick – schnell könnte er zu einem König Ohneland werden. Wohl deshalb auch steht, wie man aus der Union hört, die Vorsitzende der Hagener CDU, Carmen Knollmann, im Augenblick unter hohem Druck. Knollmann ist Angestellte der Kammer – und soll den Kurs ihrer Partei ändern helfen, denn in Hagen ist es die CDU, die im RVR bleiben will. Und da für den Austritt eine 2/3-Mehrheit nötig ist, geht in Hagen nichts ohne die Christdemokraten. Bei der Argumentation soll das Gutachten Prof. Dr. Janbernd Oebbecke wohl helfen – auch wenn sich viele Zwangsmitglieder der Kammer wohl lieber über geringere Gebühren als über teure Gutachten zu Fragen, die sie gar nicht berühren, freuen würden.  

Update
Mit einer Presseerklärung hat mittlerweile auch RVR-Verbandsdirektor Klink auf das Gutachten der IHK reagiert:

Regionaldirektor Klink:
Interpretation des Hagener IHK-Gutachtens ist falsch und unfair

Erstaunt und verärgert ist Heinz-Dieter Klink, Direktor des Regionalverbandes Ruhr (RVR), über die Interpretation der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer über das von ihr eigens in Auftrag gegebene Gutachten zum möglichen Austritt der Stadt Hagen aus dem RVR. „Der Gutachter stellt auf Seite 44 fest, die Bestimmung des Paragrafen 18, Absatz 1 und 2, ist rechtlich nicht zu beanstanden. In der Pressemitteilung steht aber, die RVR-Austrittsregelung sei in Gänze rechtswidrig und nichtig. Da war wohl der Wunsch der Vater des Gedanken“, so Klink. Der Gutachter zweifelt insbesondere an, dass die Gebäude und Flächen im Besitz des RVR nicht gewinnbringend zu veräußern sind, und daher der Zerschlagungswert auf null gesetzt wird.

Klink weiter: „Das Gutachten der IHK in Hagen bringt uns in der Sache nicht weiter. Ärgerlich ist besonders, dass die Interpretation der Rechtsauffassung von Professor Oebbecke falsch und unfair ist. Ich frage mich überhaupt, wieso sich die Kammer so vehement in die Verhandlungen zwischen dem RVR und seiner Mitgliedskommune Hagen einmischt. Ich würde mir wünschen, dass die Diskussion sich weniger um Zahlen sondern um Entwicklungsperspektiven von Hagen als Teil der Metropole Ruhr dreht. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass Hagen auch zukünftig von der Zugehörigkeit zur Metropole Ruhr profitieren wird, unter anderem bei der Finanzierung von Projekten mit regionaler Bedeutung durch Fördermittel des Landes und der EU“.

 

Uhlenbergs Eigentor: Ermittlungen im Wirtschafts- und Innovationsministerium

Ich glaube, NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) hat mit seinen Anzeigen gegen den ehemaligen Abteilungsleiter aus seinem Haus ein richtiges Eigentor geschossen. Zunächst konnte bis heute nichts wirklich verwerfliches gefunden werden, was dem Mann angehängen kann. Und dass, obwohl seit zwei Jahren mittlerweile die beiden Belastungszeuginnen D. und F-H. teilweise in Privatermittlungen jeden Stein umgedreht und die absurdesten Sachen behauptet haben.

Auch im neuen Fall, den ich nun aufgearbeitet habe, versuchte das Landeskriminalamt nach den Uhlenberg-Anzeigen, Missetaten de ehemaligen Abteilungsleiters aufzudecken. Doch was die Ermittler fanden, hatte wieder nichts mit Friedrich zu tun. Stattdessen geraten jetzt in dem Verfahren wegen des Verdachts auf Korruption das Wirtschaftsministerium von Christa Thoben (CDU) und das Wissenschaftsministerium von Andreas Pinkwart (FDP) in das Fadenkreuz. Nach meinen Informationen haben Beamte des LKA die Ministerien als "Durchsuchungsobjekte" bereits im Juni "aufgesucht" und Dutzende Akten sichergestellt.

Offiziell wollte sich kein Beteiligter zu den Recherchen äußern. Aber ich konnte Einblick in die Ermittlungsunterlagen nehmen. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal und die Kommission "Stuhl" beim LKA vermuten diesmal, dass es rund um die Einrichtung der Wasserwirtschaftsinitiative NRW (WWI) zu Vergabeverstößen gekommen ist. Die Initiative wird gemeinsam vom Umweltministerium, dem Wirtschaftsministerium sowie dem Wissenschaftsministerium vorangetrieben. Insgesamt überprüfen die Ermittler die Verwendung von rund 1,8 Millionen Euro, die seit dem Jahre 2005 zumindest teilweise zweckwidrig verwendet worden sein sollen.

Das Strafverfahren wurde wie gesagt durch drei Anzeigen des Umweltministeriums unter Eckhard Uhlenberg (CDU) initiiert. Insgesamt werden 13 Beschuldigte verdächtig, gemeinsam über vier Millionen Euro unterschlagen zu haben.

Die ersten Ideen für die WWI entstanden bereits im Jahr 1999 nach dem üblichen Strickmuster der Wirtschaftsförderung unter dem damaligen NRW-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement (SPD): mit Hilfe von Landesgeld sollten mittelständische Unternehmen zusammengefasst und weltweit vermarktet werden. Die ersten Konzepte zeichnete der damalige Wirtschaftsminister Peer Steinbrück persönlich ab. Ein an den Verhandlungen Beteiligter erinnert sich: "Die WWI war von allen beteiligten Ministern auf Kabinettsebene gewollt."

Selbst der unvermeidliche Hanns-Ludwig Brauser versuchte über die Staatskanzlei seine Finger auf die WWI zu legen. Auch das ist in den Ermittlungsunterlagen dokumentiert. Brauser war damals Chef der Projekt Ruhr GmbH. Und danach Beteiligter an einem Untersuchungsausschuss im Landtag, der Verschwendung und falsche Vergaben in der Projekt Ruhr untersucht hat. Doch die drei beteiligten Ministerien konnten die Angriffe Brauser abwehren und die WWI unter eigene Fittiche halten.

2002 bekam die Firma Matrix aus Düsseldorf den Zuschlag, das Projekt zu führen.

Kurz vor den Landtagswahlen 2005 sollte der Vertrag für die WWI erneuert werden. Doch nach mehreren Zeugenaussagen, die eng dokumentiert sind, waren die Ministerien nicht mit der Matrix GmbH zufrieden. Bei einer neuen Ausschreibung, an der alle Ministerien beteiligt waren, bekam das Institut FIW aus Aachen unter Professor Max Dohmann den Zuschlag. Dohmann war damals in den Müllskandal um Helmut Trienekens verstrickt.

Wie die Ermittler herausfanden, bekam auch die Matrix GmbH nach einer Vergabebeschwerde ein Trostpflaster. Für rund 100.000 Euro im Jahr sollte sie unter anderem Projekte in Rumänien betreuen. Interessant ist, dass die heutige SPD-Fraktionschefin Hannelore Kraft damals als Wissenschaftsministerin in das Verfahren involviert war. Dabei hatte sie eine über Eck eine Verbindung zur Matrix GmbH. Die Firma kooperierte in Sachen WWI mit dem alten Arbeitgeber von Kraft, der Mülheimer Zenit GmbH.

Wie mir einer sagte, der an den Vergabe-Verfahren teilgenommen hat, war von Anfang an klar, dass es sich bei der Matrix-GmbH  um einen "SPD-Kiste" handelt.

Nach Aussagen von mehren Beteiligten lag die Federführung und die Initiative für das WWI im Wirtschaftsministerium. Den Vertrag mit dem FIW schloss das Ministerium sogar erst nach dem Regierungswechsel im August 2005 unter Christa Thoben (CDU).

Der vom Umweltministerium der Korruption verdächtigte Ex-Abteilungsleiter hatte nach mehreren übereinstimmenden Zeugenaussagen nur am Rand mit der WWI zu tun. Er nahm an wenigen Sitzungen zur WWI teil. Das Projekt wurde vor allem von Hans-Josef Düwel betreut. Der Mann ist SPD-Mitglied und war früher Kofferträger von dem SPD-Umweltminister Klaus Matthiesen. Heute ist Düwel der Nachfolger des geschassten Abteilungsleiters im Umweltministerium und einer von den wichtigen Männern des Ministers im PFT-Fall. Würden die Ermittlungen des LKA unbeachtet der Person verangetrieben, müsste Düwel im Fall WWI als Beschuldigten vernommen werden.

Das Eigentor, dass ich oben beschrieben habe, ist also gefallen. Umweltminister Uhlenberg schmiert seine Kabinettskollegen Thoben und  Pinkwart an. Und bringt seinen Abteilungsleiter in Verdrückung. Alles auf Basis von zwei Belastungszeuginnen, die, während ihre Aussagen laufen, im Ministerium befördert werden. Hurra – ein Experte.

Unterdessen weitet sich auch die Abhöraffäre rund um das Verfahren weiter aus. Wie ich erfahren habe, wurden etliche Telefonate zwischen den Beschuldigten und ihren Rechtsanwälten im Korruptionsfall mitgeschnitten. Auch ein Gespräch zwischen dem Anwalt des Hauptbeschuldigten und dem grünen Landtagsabgeordneten Johannes Remmel zeichneten die Beamten auf. Aus der Staatsanwaltschaft hieß es, diese Telefonate würden nun alle gelöscht.

 

Offside 2008: Dritter Tag, verkrasster Jazz

Was für ein dritter Tag mit Jazz in Geldern: Für manche war das Panzerballett mit eigenverkrasster oder fremdverkrasster Musik das Highlight des Festivals bisher.

"Panzerballett" – das ist ein ganz eigenes Treffen zwischen Jazz und Rock. Cover von Motorhead oder Deep Purple neben Eigenkompositionen. Sehr originell, äußerst eigenständig und außerdem kraftvoll.

Das Foto zeigt "Hildegard lernt fliegen". Sie räumten nach Panzerballett um 16:30 Uhr ab – den Instrumenten und der Stimme des Sängers Andreas Schaerer stets individuelle Klangfarben und Klangwelten entlockend. Stimmakkrobatik mit viel Witz. Der Gag zuletzt: Die Zugabe kam ganz leise aus einer Spieluhr. Klatschen und Lacher hielten sich die Waage. Der Sonntag, der letzte Tag des Festivals in Geldern gab bisher am meister her.

Der Hexenmeister war da. Was John Zorn jüngst für das Jazzfestival in Moers war, war Mars Williams am 23.08. für Offside 2008 in Geldern – man kann es nicht oft genug sagen.

Mit mächtgem Saxophon und vielen kleinen Hilfsmitteln, wie Kinderpfeife und Schlauch, an den Grenzen der improvisierten Musik. Für ein Konzert aus Chicago nach Old Europe angereist, vermutlich für das einzige Konzert in Europa für dieses Jahr.

Gastfotograf Marc Hubben zeigt uns das Offside 2008 Jazzfestival vom gestrigen Tage. Oben: Mars Williams. Links unten: Roy Paci. Rechts: Paci und Band Aretuska sorgten für Partystimmung.

Offside 2008: Mars macht mobil

Der Hexenmeister war da. Was John Zorn jüngst für das Jazzfestival in Moers war, war Mars Williams am 23.08. für Offside 2008 in Geldern – man kann es nicht oft genug sagen.

Mit mächtgem Saxophon und vielen kleinen Hilfsmitteln, wie Kinderpfeife und Schlauch, an den Grenzen der improvisierten Musik. Für ein Konzert aus Chicago nach Old Europe angereist, vermutlich für das einzige Konzert in Europa für dieses Jahr.

Gastfotograf Marc Hubben zeigt uns das Offside 2008 Jazzfestival vom gestrigen Tage. Oben: Mars Williams. Links unten: Roy Paci. Rechts: Paci und Band Aretuska sorgten für Partystimmung.

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Das Ende der GEMA wie wir sie hassen? – Eine Behörde kapituliert vor dem 21. Jahrhundert

Vielleicht ist es die richtige Zeit: In den Metropolen Deutschlands übertreffen Firmenfeiern so langsam das Angebot der öffentlichen und privaten Veranstalter. Da könnte ein Reformversuch der GEMA-Statuten zugunsten der Künstler und Kleinveranstalter großzügig durch gewunken werden. Es begann in Sonthofen…

 In einem Schreiben von Mitte August, das ruhrbarone.de vorliegt und nun auch in Ruhrgebietskreisen seine Runden zieht, schreibt Monika Bestle von der Sonthofer Kultur-Werkstatt, wie sie das Geheimnis der GEMA-Ausschüttung an Künstler ergründete und warum Kleinveranstalter innerhalb dieses Systems benachteiligt werden. Man mag sich erinnern: Gerade in Zeiten der massiven Umsonstmusik via Internet hatte sich die GEMA letztens noch gern als Bewahrerin des geistigen Eigentums positionieren wollen. Aber für wen sprach sie da eigentlich? Das geneigte Auge wirft einen Blick in den Rundbrief der Frau Bestle aus Sonthofen:

Beispiel 1 (Veranstaltungen): Kommen in einen 100qm großen Raum 100 Besucher, die je Euro 10,- bezahlen, und es werden den ganzen Abend nur GEMA-geschützte Werke gespielt, werden Euro 87,- an die Behörde fällig. Kommen drei Besucher in denselben Raum, die bis zu Euro 20,- bezahlen und es wird nur ein einziges solches Stück gespielt, kostet das Ganze Euro 107,-. Raumgröße(!), Anzahl der geschützten Werke und die Höhe des Eintrittsgeldes sind die Kriterien – der einfachen Abrechnung halber. Ausgehebelt werden kann dies nur durch eine sogenannte Missverhältnisklausel, die aber nicht wirklich öffentlich gemacht wird. Zusammen mit diversen Steuern und zusätzlichen Unkosten bei weit gereisten Künstlern erklärt dies vielleicht bereits, warum es eigentlich fast nur noch Arenenkonzerte und Gigs von Kapellen aus der Nachbarschaft gibt.

Beispiel 2 (Künstler): Die Tantiemen richten sich nach den bespielten Bezirken(!) und den angemeldeten Stücken. Kurz gesagt: Tourt man viel und hat viel angemeldet ist egal wer zuguckt. Ausgerechnet gepresste CDs bewirken einen Bonus, Radio und Fernsehen sowieso. Und was einmal im großen GEMA-Topf verschwindet, wird vielleicht gar nicht richtig weiter gegeben, schon gar nicht ins Ausland. Lieber an die Onkelz.

Eine Atempause.

Es gibt mittlerweile Internetradios, die pro gespieltem Stück Tantiemen an Künstler ausschütten, behördenunabhängig.

Kaum einE KünstlerIn führt derart Buch (und bezahlt womöglich noch etwas an die GEMA dafür), die Karriere nach Bezirken zu organisieren und Tantiemen orientiert zu arbeiten. Ganz zu schweigen von CDs und Medien, die eher den „Großen“ nützen.

Und wie will eigentlich eine Behörde all die Millionen gespielten Stücke im Internet kontrollieren? Also, ich lasse meine Lieblingskünstler den ganzen Tag einfach durchlaufen, vor allem meine eigenen Stücke…

Zurück nach Sonthofen, denn der Fall wurde bereits der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zugetragen, und die Petition beinhaltet folgende Punkte:

·        Genaue und für jeden verständliche Geschäftsbedingungen

·        Größtmögliche Transparenz

·        Änderung der Beitragberechnungsgrundlagen für Kleinveranstalter

·        Offenlegung und Vereinfachung der Berechnungsgrundlagen zur Auszahlung der Künstlertantiemen,

·        Änderung der Inkasso-Modalitäten

Die Petition und weitere Informationen gibt es hier: info@kult-werk.de

Es lebe das Schneeballsystem!

Offside 2008: Wenn es Nacht wird in Geldern

Nachts in Geldern auf dem Jazzfestival – was bedeutet das für uns? Hoffen auf den neuen Tag, auf besseres Wetter, auf ungetrübten Musikgenuß. Und tatsächlich: Wir haben Glück gehabt. Die Sonne kommt raus.

Das kleine Flüsschen am Zeltplatz ist bedrohlich gestiegen. Werden wir den heutigen Tag mit Weygold 10, Gregory Gaynair Trio, mit Boombox, Ramón Valle Trio, Mars Williams Quartett, Roy Paci & Aretuska sowie der Big Band des Städtischen Gymnasiums (Director’s Cut) als Opener gut überstehen?

Peking: Meine Bilanz

Jetzt ist mein Olympiaboycott bald vorbei. Weil Olympia bald vorbei ist. Und wenn ich zurückdenke, hat mir Olympia nicht gefehlt. Keine Minute. Wie man so liest, haben die Chinesen kleine Turnerinnen in den Wettkampf geschickt und naja, ein Typ beim Rennen gewonnen, der mich nicht interessiert. Was soll es? Nur eines ist mir auf den Sack gegangen. Während sich das Ding um Gold, Geld und Politik dreht. Machen die Organisatoren die ganze Zeot auf heile Welt. Und schöne Worte. Allen voran das Internationale Olympische Komittee.

Dabei ist Hälfte von dem, was der Olympischen Familie Würde und Adel verschafft, also diesen Funktionären mit Hang zum Übergewicht wie Michael Vesper, Exbauminister von den Grünen in NRW,  nichts anders als Propaganda. In bunten Bildern wird die Begeisterung inszeniert, der wir alles unterordnen sollen. Diese Idee, dass sich einer aus der Masse abhebt, ein Überflieger, dem wir zujubeln können. Diese Nummer, wenn ein Sportler es schafft aus Kraft, Ehrgeiz, Diziplin und Selbstüberwindung das GROSSE ZIEL  zu erreichen. Das sollen wir toll finden. Und damit wir bei der Olympiade im IOC das richtige erkennen, also die Organisatoren der göttlichen Wettkämpfe, die Hohe Priester der Spiele, bei denen sich diese Übermenschen präsentieren – und nicht die Funktionäre mit Übergewicht – ballert uns das IOC mit Propaganda voll. Die Botschaft ist einfach: Vergeßt die schlechten Nachrichten, die Miesmacher und Kritiker. Denkt an das Heere, das übergeordnete Ziel. Die Spiele. Und drumherum ein Eichenkranz.

Dabei überläßt das IOC wenig dem Zufall. So habe ich erfahren, wie das Komitee die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF vertraglich dazu verpflichtet hat, während der Spiele in Peking kostenlose Werbung in eigener Sache zu zeigen.

Es geht beispielsweise um Public-Relations-Spots, die vom IOC unter dem Namen "The Best of Us" maßgeschneidert für Jugendliche und Erwachsene auf prominenten Sendeplätzen, beispielsweise vor der Tagesschau, gesendet werden. In den Spots für Jugendliche werden schöne Kinder gezeigt, die in allen Weltsprachen – und in Zeitlupe – ihre Begeisterung für den Leistungssport ausdrücken. In den Sendungen für Erwachsene werden im Stil des Heldencomics "300 – Kampf um Sparta" prominente Sportler präsentiert, die in einer Art göttlichem Kräftemessen das Beste im Olympioniken darstellen sollen. Dazwischen läuft ein göttlicher Fettsack durch Bild und haut dumme Sinnsprüche raus.

Die Propaganda-Spots sind brisant. Während sich die Sender als Hort der kritischen Berichterstattung geben, und über Doping und die zwielichtigen Geschäfte des IOC aufklären wollen, strahlen sie gleichzeitig reine PR zu Gunsten des IOC aus. Die Glaubwürdigkeit der Aufklärungsbemühungen in den gebührenfinanzierten Anstalten gerät selbst in Zwielicht.

In den Spots fehlt ein direkter Hinweis auf das IOC. Am Schluss der Werbung werden die Olympischen Ringe eingeblendet. Darunter der Hinweis auf eine Internetseite, die zum IOC gehört. Die Trailer haben die Anmutung einer aufwendig produzierten Eigenwerbung der jeweiligen Sender. Die Ausstrahlung der Image-Propaganda ist für das IOC nach meinen Recherchen kostenlos. Man könnte die Spots als Schleichwerbung bezeichnen. Dem IOC kommt die Imagepflege im vermeintlich kritischen Umfeld gelegen. So wird das Komitee wegen seiner diffusen Haltung zum Umgang mit der Pressefreiheit in China angegriffen. Aber genauso werfen auch die wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder in Entscheidungsgremien oder die Vergangenheit im faschistischen Umfeld von IOC-Ehrenpräsident Juan Antonio Samaranch immer wieder Schatten.

Aus einer Sportlerriege mit hehren Ansätzen ist im Laufe der Jahre das Milliardenschwere Unternehmen Olympia geworden: undurchsichtig, machtbewusst und auf Kuschelkurs mit den Diktatoren. In den Imagespots dagegen wird das Bild der reinen olympischen Familie gepflegt: Sport über alles. Ein Sprecher der bei der ARD verantwortlichen Sendeanstalt NDR sagte mir zu der Frage, wie oft die Spots schon verbreitet worden seien: "Wir haben die Trailer passend zum Programmfluss eingesetzt und werden dies auch weiterhin an geeigneter Stelle tun." Das ZDF antwortete mir nicht auf eine schriftliche Anfrage.

Die beiden großen deutschen öffentlich-rechtlichen Kanäle haben sich zuletzt zur Ausstrahlung der Image-Werbung in einem Vertrag zu den TV-Rechten vom 13. Juli 2007 verpflichtet. Das Dokument, das mir in Auszügen vorliegt, wurde von der europäischen Vereinigung der öffentlich-rechtlichen Sender unterzeichnet, der so genannten European Broadcasting Union(EBU). ARD und ZDF sind Mitglied der EBU.

Unter Punkt "7 f" des Vertrages werden detailliert die Sendefolgen für Imagewerbung des IOC festgelegt: In dem Zeitraum von einem Jahr bis zu drei Monaten vor der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele sollen die Spots "regelmäßig" gesendet werden. Danach bis zur Eröffnungsfeier sollen die Spots zweimal in der Woche, am besten in der "Prime Time" ausgestrahlt werden. Während der Spiele schließlich sollen die Spots zweimal am Tag gezeigt werden. Zudem soll die IOC-Werbung einmal direkt vor der Eröffnungszeremonie und einem vor der Schlusszeremonie über die Bildschirme Europas gehen. Gleichzeitig räumt das IOC den Sendern das Recht ein, die Spots seltener zu zeigen, wenn es dafür wichtige Gründe gebe. Rudolf Küffner, Sprecher des Bayrischen Rundfunks, sagte dazu: "Es handelt sich nicht um PR-Spots, sondern um redaktionell abgenommene Sendungen." Sie seien Bestandteil des Vertrages, den die EBU schon 1996 mit dem IOC abgeschlossen habe. "Dieser Vertrag gilt für alle beteiligten Mitglieder der EBU in vielen Ländern Europas."

Neben der Image-Werbung verpflichteten sich die Gebührenfinanzierten Sender Europas dazu, eine Propaganda-Reportage des IOC mindestens dreimal zu übertragen. Unter Punkt "7 e" des Vertrages heißt es, der 52 Minütige Film müsse ohne Werbeunterbrechung gezeigt werden. Er werde vom IOC produziert und sich mit dem IOC und der Olympischen Bewegung beschäftigen. Gleichzeitig sagte das IOC zu, der PR-Streifen dürfe auf minimal 26 Minuten gekürzt werden, wenn das nicht anders gehe.

Tatsächlich zeigte die ARD den IOC-Film "Peking – eine Stadt im Wandel durch Olympia" des Regisseurs Andrew Scott am 7. August um 17.45 und 22.15 Uhr sowie am Morgen des 8. August um 4.00 Uhr auf EinsFestival in einer 45-minütigen Fassung. Das ZDF hatte den PR-Streifen schon früher dreimal auf ZDF.doku ausgestrahlt.

Laut Bayrischen Rundfunk handelt es sich bei dem Film nicht um eine PR-Reportage, sondern um "eine redaktionell abgenommene Sendung." Zudem habe es auch bei vorangegangenen olympischen Spielen solche IOC-Filme im Programm gegeben, doch seien sie nicht weiter aufgefallen.

Unter Punkt "7 g" verpflichten sich die öffentlich-rechtlichen Sender weiter dazu, "ihr möglichstes zu tun", um "Werbe- und Informationsmaterial" des IOC und des chinesischen Organisationskomitees BOCOG zu senden. Dabei geht es um Sportberichte, um Berichte über die Olympischen Bewegung sowie um eine "repräsentative Auswahl" von Berichten über das kulturelle Rahmenprogramm. Zuletzt versprechen ARD und ZDF immer und jederzeit ausschließlich "würdiges Material" zu senden, dass dem guten Geschmack und hohen Qualitätsansprüchen genügt. Eine Definition, was das sein soll, steht nicht im Vertrag.

Küffner vom Bayrischen Rundfunk sagte mir, das vom IOC zur Verfügung gestellte Material werde von einer Fachredaktion geprüft, geschnitten und redaktionell abgenommen. Zudem werde die kritische Berichterstattung über die Spiele durch die Sendung der IOC-Propaganda nicht beeinträchtigt. "Beides hat nichts miteinander zu tun." Vom ZDF gab es dazu keine Auskunft.

Übrigens wichen ARD und ZDF der Frage aus, was das kostenlose Ausstrahlen von Propaganda für das IOC mit der Idee eines Gebührenfinanzierten Fernsehens zu tun hat. ich weiß es nicht. Mich ärgert es.

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Jazzen bis der Arzt kommt – diesmal nicht

Wild ging der erste Tag des Offside 2008 Jazzfestivals nicht zuende. Jedenfalls konnten die Sanitäter Däumchen drehen – sofern nicht irgedwo jemand ertrunken ist.

Ganz so wie bei der abendfüllenden Probe der Jazzkantine war es aber auch nicht: Niemand im Publikum biss aus Gram über soviel schlechtes Wetter in die Noten.

So ging nun gerade der erste Tag in Geldern zuende – leider ohne die sicher spannende Jam-Session mit Mars Williams. Sehen wir morgen weiter.

Offside 2008 Jazzfestival: Hey Joe, lass das Rappen

Es begann langsam mit Ali Claudi, mit runder Gitarre, mit Funk und Soul made in Germany. Präzise, taktvoll, Understatement angesagt.

Es folgte Gunter Hampel mit seiner Band auf dem Scheideweg zwischen zwischen Ruhe und Dissonanz. Furios und souverän im Spiel. Unterstützt von vier modernen Tänzern: Prince Alegs, bboy Zeerock, bboy Cemil und bboy Tom. Jazz-Musik trifft auf Hiphop-Dance. Mit viel Spass. Eine junge Band, geführt von einem alten Hasen, gekonnt gespielt, gekonnt gebreakdancet – die virtuose Beherrschung der Instrumente gepaart mit der Körperbeherrschung der Tänzer. Ein frühes Highlight des Festivals.

Schliesslich: Jazzkantine. Instrumental überzeugend. Wenn sie anfingen zu rappen aber eher zum Abgewöhnen. Auch die Coverversionen von AC/DCs "Hells Bells" oder "Jump" von VanHalen überzeugten nicht. Eine Geduldsprobe, dass sie fast so lange zum Instrumentestimmen brauchten, wie ihr Konzert dauerte.