Nokia: Finnen sind sperrig

Ob bei den Verhandlungen mit der Landesregierung oder dem Betriebsrat: Nokia gibt sich sehr zugeknöpft. Die versprochenen innovativen Lösungen sind nicht in Sicht – und auch der Betriebsrat hat sich damit abgefunden, kleinere Brötchen zu backen als ursprünglich versprochen.

Foto: Nokia

Heute Nachmittag wird der Nokia-Aufsichtsrat in Düsseldorf tagen und der Betriebsrat protestieren: Mit einer Informationsveranstaltung, an der zahlreiche Mitarbeiter des Bochumer Standortes teilnehmen sollen. Nokia Deutschland-Chef Klaus Goll hat den wissensdurstigen Nokianern daraufhin mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht. Möglich wären Abmahnungen und Lohnkürzungen wegen des Fehlens am Arbeitsplatz.

Der Grund für den Protest: Nokia zeigt sich gegenüber dem Betriebsrat mehr als sperrig. Lange soll es gar keine Reaktionen von Klaus Goll gegenüber den Vorschlägen des Betriebsrates gegeben haben. Nun, indes hat es wohl eine erste Reaktion gegeben – sie soll sich an den Sozialplänen orientieren, die Nokia bei der Abwicklung der Netzsparte abgeschlossen hat. Klar ist schon heute: Die teuerste Werksschließung aller Zeiten wird der Nokia-Standort nicht werden, und auch von der Forderung, den Standort erst gegen Ende des Jahres zu schließen, ist der Betriebsrat in seinen Angeboten an die Unternehmensführung abgerückt. Doch bislang hat alle Kompromissbereitschaft der Belegschaft nicht zu entsprechenden Reaktionen aus Helsinki geführt – deshalb nun der eher verzweifelte Protest. Fragen zu Details der Verhandlungen will das Unternehmen auf Anfrage im Moment nicht beantworten.

Auch von den von Nokia angekündigten innovativen Lösungen ist schon lange nicht mehr die Rede. Ein Experte der Ruhr-Universität, der über Kontakte zum Top-Management von Nokia verfügt, schätzt die Lage wie folgt ein: "Die Nokia-Spitze besteht aus gut und kühl kalkulierenden Managern. Ich glaube nicht, dass sie deutlich über das hinaus gehen, was üblich ist.

 

Werbepause für Bochum

calli.tv

Wenn ich an den VfL Bochum denke, dann höre ich ihn.

Ich höre ein Pfeifkonzert, wie ein Haufen Rückkopplungen, als ob Hendrix achtziggmal wiederauferstanden wäre, so pfiffen die Leute im Stadion, in das damals noch 40.000 reingingen. Wenn mal viele da waren und der Gegner unsympathisch, hätte ich keine Lust gehabt, dort unten zu spielen.  Man bekam eine Ahnung vom Hörsturz.

Ich höre den Stimmungskanon vorm Spiel, ein Schlagermoderator hat das eingeführt, das Bochumer Jungenlied von den Provinz-Tote-Hosen. Dann das Original mit der durchsichtigen Ranschmeiße an Liverpool und das suizidale Vereinslied namens "Mein VfL". Zitat: "Manchmal frag ich mich, wie das Leben denn so wäre, wenn es dich nicht gäbe, nein, das wär kein Leben mehr…" und schließlich Grönemeyer, Bochum. Ein Lied wie eine Werbepause. Jeder, wirklich jeder möchte nach 22 Jahren endlich abschalten, wenn das Saxophon losfeuchtelt, aber erst danach kommen VfL und Doppelpass zu Ehren. Also dranbleiben.

Ich höre Werbungen. Früher: "Und nach dem Spiel ein Spielchen – in Jürgen Köpers Megaplay". Heute die Karabalta GmbH. Zeitlupenszenen auf den beiden Videowänden. Staub, Steine, Mauern, die Musikauswahl erinnert an ein Kurzprogramm im Eistanz, und doch geht es tatsächlich um ein stolzes Bochumer Abbruchunternehmen mit Migrationshintergrund.

Dann zum Einlaufen, klick, Carl Orff, Carmina Burana, klingt auch ein bisschen wie Eistanz-Drama Marke Torvill Dean. Ich kenn die hochmittelalterlichen Weisen vor allem aus Excalibur (1981), andere aus der Waldorfschule auf Klanghölzern, Triangel, Blockflöten. Passt schon, Bochum ist eine Hochburg der Anthroposophen.

Was ich noch höre, wenn ich an den VfL Bochum denke? Das Bochumerische. Dieses gewisse Idiom, Sie kennen es, schließen Sie die Augen und denken Sie an Hermann Gerland, an Thorsten Legat, oder – nicht zuletzt – an Werner Altegoer. klick

Das Bochumerische spricht sich schneller. Es wird nicht gesungen, sondern gekeucht und gekaut. Die Zunge stößt gegen die Zähne. Nein, nicht alle Bochumer lispeln: Es wird ja auch Pfälzer geben, die CH und SCH auseinander halten können, sich aber nichts anmerken lassen. Für mich gibt es kaum Niedlicheres als Bochumer Lispler, den zischelnden Werner Altegoer, wenn er sagt, nein, wenn er ssaggt, "ish ssag mal, ish hab ihn ja hergeholt…." Hören Sie sich an, diesen Netzer des Monats!

Sehen Sie es sich an, die Weltkarte, die Hinterhoffirma, Hausnummer 12 b, Verwaltungsgesellschaft Altegoer, das Modell am rechten Bildrand; – ist das nicht das alte Verwaltungsgebäude von Krupp in Bochum mit dem Glockenspiel?  Und ganz wunderbar, Rainer Calmund als tapsiger Interviewer, "wir kenn‘ uns von früher", der nichts falsch machen will, damit er nicht vergessen wird. Und zum Schluss wünscht ihm der VfL-Präsi "auch für Sie alles Gute". Mitleid.

Ach ja: Altegoer hat momentan Ärger, weil Manager Stefan Kuntz das Weite sucht. Kuntz ist eine Art Fußballstar, spricht eine hässliche Mundart, saarländisch, er singt, grooved aber nicht. Kuntz hat in Bochum als Manager gearbeitet. Und das gut. Was ich nicht an ihm mochte: Als wir ihn – gerade wieder an der Castroper Straße – fragten, ob er auch zurückgekehrt sei, um etwas wieder gut zu machen, wusste er nicht, was wir meinten. Dabei hatte er beim VfL seine Fußballerkarriere unterirdisch ausklingen lassen, nicht fit, ein träger, schlapper Libero, die ganze Mannschaft wie gelähmt. Es war eine Katastrophe. Der dritte Abstieg.

Wenn ich an Bochum denke, höre ich es zischeln und keuchen.
Ich höre es pfeifen und singen, knödeln und brüllen.
Sein Verein in meiner Stadt.

Kulturhauptstadt: Die Zeit der Enttäuschung beginnt

Viele im Ruhrgebiet bekommen im Augenblick Post von der Ruhr2010 GmbH: Die Zeit der Absagen hat begonnen.

Zeche Zollverein. Foto: RTG

Über 2000 Projektvorschläge hatten die Ruhr 2010 GmbH erreicht. Sie hatte dazu aufgerufen, Ideen für Projekte einzureichen. Eine schöne Marketingaktion, vermittelt sie doch das Gefühl, dass jeder mitmachen kann, jeder eine Chance hat. Aber eine Marketingaktion bleibt eine Marketingaktion. Nun ist bei Vielen, die Ideen entwickelt haben, die Enttäuschung groß, und ich bin mir sicher, dass, sobald die Liste der endgültig akzeptierten Projekte bald vorgestellt wird, man viele bekannte Namen unter denen finden wird, deren Projekte angenommen wurden. Nun gibt es sicher viele Gründe, die meisten eingereichten Projekte abzulehnen – ein internationales Festival lässt sich nun nicht einmal basisdemokratisch organisieren. Aber sind wirklich nur die schlechtesten Ideen abgelehnt und die Besten angenommen worden? Ich glaube, es wäre naiv, davon auszugehen. Jörg Stüdemann, der Kulturdezernent Dortmunds, beklagte einmal, dass es im Ruhrgebiet im Kulturbereich (und nicht nur da) eine Szene gäbe, die vor allem in einem Bereich eine hohe Professionalität erreicht hätte: Im Schreiben von Förderanträgen. Neulinge, auch mit guten Ideen, hätten gegen die Projektförderungsprofis kaum eine Chance, so Stüdemann, der die Situation bedauerte. Und die seit Jahren erfolgreichen Projektprofis, die gewohnt sind, den Erfolg nicht beim Publikum sondern in den Verteilungsgremien zu suchen, werden sicher wieder einen Gutteil der zu verteilenden Mittel für sich gesichert haben. Matthias Burzinski von Unruhr hat auf diesem Blog in einem Kommentar etwas formuliert, was ich für zukunftsweisend halte: "Aufgabe der Bürger und auch der Wirtschaft ist es, parallele unabhängige Strukturen aufzubauen, die das Ruhrgebiet tatsächlich widerspiegeln. Das ist jetzt kein Aufruf zur Anarchie, sondern der Aufruf dem Beispiel des Initiativkreis zu folgen, so sehr man damit auch hadern mag. Der Weg ist richtig. Wir alle sollten unabhängig den richtigen Weg gehen und die Herr- und Frauschaften einfach sitzen lassen." Einfach machen.  

Werbung

RWE – Das E-Geweih kommt weg

Der Energieriese RWE will sich von seiner Hand trennen. Also dem Pixelgriffel im Logo, der aus dem E rauslappte, wie ein Hirschgeweih.

copyright: RWE

Ich finde das eigentlich ganz gut – also dass der Grabbel wegkommt. Damals, vor Jahren, wurde die Hand ins Logo eingeführt, weil RWE damit den Griff auf alles dokumentieren wollte, was die Menschen brauchen. Also Trinkwasser, Abwasser, Müll und Strom. Die Bürger sollten alles aus einer Hand bekommen. Oder eben in einer Hand gefangen sein.

Das war die Bildsprache damals. Kann sich noch irgendwer an den Planet of Visons auf der Expo erinnern? Da ging es auch um die Hand. Weltweit war sie im Einsatz. Überall RWE. Überall alles in einer Hand. Fand ich damals schon nicht so gut.

Wenn jetzt die Hand verschwindet, ist das nur konsequent. RWE hat sich vom Wasser getrennt, zumindest im Ausland, vom Müll, und was weiß ich. Der Konzern will sich auf den Strom konzentrieren. Da ist ein neues Logo richtig.

Dafür 100 Mio auszugeben, wie der Spiegel berichtet, ist viel. Aber OK. Es geht halt um einen Namen und um ein Geschäft.

Dass es jetzt heißen soll: "Vorweg gehen" und dann RWE, das ist so naja. OK? Was weiß ich.

Jedenfalls kein E-Geweih mehr. Hoffentlich wird der neue Schriftzug das Ruhrgebiet auf Dauer schöner prägen.

 

PFT – Das Problem des Umweltministers – Fortsetzung 5

Ich habe das Gefühl, es geht dem Ende zu in der PFT-Berichterstattung. In der vergangenen Woche war ich vor Gericht. In Berlin. Vor dem Landgericht 27. Zivilkammer.

Uhlenberg. Foto: nrw.de

NRW-PFT-Minister Eckhard Uhlenberg (CDU) wollte dort eine Gegendarstellung in der "Welt am Sonntag" gegen mich durchdrücken. Dort hatte ich die meisten PFT-Artikel veröffentlicht. Und die Gegendarstellung sollte dann wahrscheinlich als PR-Waffe gegen mich eingesetzt werden. Der Trick wäre einfach gewesen. Eine Gegendarstellung kriegt man üblicherweise immer durch. Egal was wahr ist. Es geht eigentlich nur um Formalia. Dass Uhlenberg diesen Weg gehen wollte, kann man aus seinen Äußerungen im Landtag ablesen. Dort erzählte der PFT-Minister, dass er ein Gerichtsverfahren gegen mich angestrengt habe, an dessen Ende ich als Schwätzer dastehen würde.

Tja, jetzt ist das Verfahren in Berlin zu Ende. Und Uhlenberg hat auf ganzer Linie verloren. Die verhandlungsführende Richterin stellte fest: Der Minister schönte die wichtigste Gift-Tabelle, mit der er die Erfolge seiner Arbeit dokumentieren wollte. Genau so, wie ich es beschrieben hatte. Auch hier.

Eine Gegendarstellung wird nur dann abgelehnt, wenn sie offensichtlich die Unwahrheit behauptet oder die Leser irreführt. Beides trifft nach Ansicht des Landgerichts Berlin auf die von Minister Uhlenberg geforderte Gegendarstellung zu.

Inhaltlich geht es um die Tabelle „komkas.pdf“. Mit ihr versucht der Minister seit Monaten zu beweisen, dass der Ausstoß von PFT aus den Kläranlagen an der Ruhr um rund 68 Gramm verringert werden konnte. Die verhandlungsführende Richterin der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin, Anne-Kathrin Becker, sagte dazu wörtlich: „Die Tabelle ist geschönt.“

Wie berichtet, werden unter PFT alle Industriechemikalien der Gruppe „Perflourierte Tenside“ zusammengefasst, die im Verdacht stehen, Krebs zu erregen. Das Gift reichert sich im Körper des Menschen an. Bei zwei Kindern aus dem Sauerland wurden Werte von über 200.000 Nanogramm je Liter Blut gemessen. Das Gift war nach Ansicht von Wissenschaftlern sehr wahrscheinlich über das Ruhrtrinkwasser geschluckt worden. Aber auch über die Umwelt kommt das Gift in die Menschen. Bei einem Angler, der regelmäßig Fische aus der Möhne gefuttert hatte wurde ein Wert von über 100.000 Nannogramm je Liter Blut gemessen. Seine Frau hatte noch 67.000 Nannogramm je Liter im Blut. Schließlich kriegte auch sie hin und wieder einen Barsch aus der Möhne ab. Zum Vergleich: Im Trinkwasser gilt derzeit eine Konzentration von 100 Nanogramm als unbedenklich.

Im Januar berichtete ich, der Minister habe in der Tabelle „komkas.pdf“ aktuelle Daten nicht berücksichtigt und zumindest in einem Klärwerk die PFT-Emissionen auf Null gesetzt. Meine Recherchen zeigten außerdem, dass das Ministerium Zahlen offensichtlich frisiert hatte. So fielen die Daten von Klärwerken, in denen sich die Situation verschlechtert hatte, unter den Tisch.

Der Kern meiner Berichterstattung war, dass täglich mehr als 200 Gramm PFT aus den Klärwerken in die Ruhr gelangen. Dies stellt keine Verbesserung der Situation dar – entgegen der Behauptung des Ministers, die Klärwerke würden dank seiner Mühen erheblich weniger PFT in die Ruhr ausscheiden.

Meine Recherchen stützten sich auf Messdaten der Bezirksregierung Arnsberg, die mit den Angaben des Ministeriums verglichen wurden. Die Daten der Bezirksregierung musste ich mit einer Auskunftsklage vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg erstreitten. Ich hatte die Nase voll von den Vertröstungen und Heimlichtuereien.

Kurz nach Veröffentlichung der Recherche in der "Welt am Sonntag" verkündete der Minister öffentlich, die PFT-Emissionen aus den Klärwerken an der Ruhr seien von rund 200 Gramm auf 147 Gramm reduziert worden. Weiter gab Uhlenberg in einer Rede vor dem Landtag an, er habe nicht, wie von der dargelegt, Daten geschönt: „Das ist falsch und eine verantwortungslose Verbrauchertäuschung.“ Statt aber die Widersprüche zwischen der Berichterstattung und seinen eigenen Aussagen aufzuklären, überzog Uhlenberg die „Welt am Sonntag“, in der ich die meisten PFT-Geschichten publiziert hatte und mich, mit einem juristischen Kleinkrieg.

Der Bonner Rechtsanwalt Gernot Lehr wurde beauftragt, eine Gegendarstellung in der „Welt am Sonntag“ durchzusetzen. Gleichzeitig wurde Lehr noch für den Ruhrverband tätig, dem ich auch heftige Vorwürfe gemacht hatte. Auch dieser Verband will mich mit Gegendarstellungen zupflastern. Aber das, was die vorzubringen haben, sind nur Nebensächlichkeiten. Spannend ist hier vor allem folgendes: Vor Gericht in Berlin war niemand aus dem Umweltministerium, um den Anwälten des Ministers beizustehen. Dafür stand ein Fachmann aus dem Ruhrverband parat, der Lehr und seinem Helfer ins Ohr flüsterte, wenn es brenzlich wurde. Das habe ich selbst gesehen. Es gibt genügend Zeugen.

Vor dem nordrhein-westfälischen Landtag konstruierte Uhlenberg eine passende Verschwörungstheorie: Von „interessierter Seite“ würden „die ungeheuerlichen Unterstellungen und Verleumdungen“ in die „Welt am Sonntag“ gesetzt. Weiter sagte Uhlenberg, „dass wir es mittlerweile nicht mehr mit einem Giftskandal zu tun haben, sondern mit einem Skandal im öffentlichen Umgang mit diesem Thema“.

Das Landgericht Berlin entzog solchen Anschuldigungen nun die Grundlage. Es lehnte die Veröffentlichung einer Gegendarstellung ab und hob gleichzeitig eine einstweilige Verfügung in allen Punkten auf. Uhlenberg ist also vor einem Gericht gescheitert, das sich detailliert mit meiner Berichterstattung in der „Welt am Sonntag“ und der geschönten Tabelle auseinandergesetzt hat.

Unterdessen weitet sich der PFT-Skandal in NRW aus. Insgesamt fließen durch die Ruhr nach Angaben des Ruhrverbandes rund 600 Gramm PFT am Tag. Der Minister gibt öffentlich an, davon kämen 147 Gramm aus den Klärwerken. Aus Daten, die der „Welt am Sonntag“ vorliegen, geht jedoch hervor, dass die Klärwerke über 240 Gramm in den Fluss abgeben. Zudem fließen aus der Möhnetalsperre nach neuen Daten etwa 100 Gramm am Tag in die Ruhr. Bei fast einem Drittel der PFT-Emissionen ist ungeklärt, woher sie stammen.

Der Minister sieht das anders. Er benennt eine verseuchte Ackerfläche in Brilon Scharfenberg als Hauptquelle des PFT. Doch das lässt sich nicht mit unseren Recherchen in Einklang bringen. Denn nach einer Sanierung des Ackers fließen von dort nur noch etwa drei Gramm PFT täglich in die Ruhr.

Stattdessen halte ich es für wahrscheinlich, dass es noch mindestens einen anderen Hauptverursacher der PFT-Verunreinigung gibt. Nach Angaben des Ruhrverbandes sind Klärschlämme aus 18 kommunalen Klärwerken „erhöht belastet“. Zudem wurden über die Jahre etwa 15.000 Tonnen Klärschlamm aus Ruhrklärwerken auf Ackerflächen gekippt. Das geht aus Angaben der Bezirksregierung Arnsberg hervor. Unklar ist, ob es sich dabei auch aus Klärschlamm aus den Klärwerken mit erhöhter Belastung handelt.

Zudem wurden mindestens 62.000 Tonnen Klärschlamm aus den Ruhrkläranlagen in Zwischenlager und Schlammplätze im Sauerland gebracht. Zwischenzeitlich wurden davon etliche Tonnen wieder abtransportiert. Aber große Mengen wurden einfach liegengelassen. Seit 2004 werden die Klärschlämme in der Regel verbrannt.

Es ist denkbar, dass aus dem Alt-Schlamm der Ruhr-Kläranlagen seit Jahren PFT in die Ruhr sickert. Einen Beweis dafür gibt es allerdings noch nicht. Eine amtliche Untersuchung steht offenbar aus.

Unterdessen werden auch die Auswirkungen der PFT-Verseuchung immer deutlicher. Nach aktuellen Daten des Umweltministeriums hat sich die PFT-Konzentration in Barschen aus dem Möhnesee von 2006 bis 2007 auf durchschnittlich über 100.000 Nanogramm je Kilogramm Gewicht verdoppelt. Wie schon gesagt, wurde bei einem Angler aus Soest, der seit Jahren Fisch aus der Möhne isst, eine PFT-Belastung von 118.000 Nanogramm je Liter Blut gemessen, bei seiner Frau 67.000 Nanogramm.

Bislang erzählt Uhlenberg, wenn im Wasser der Ruhr die Normen für Trinkwasser eingehalten würden, gebe es kein Problem. Damit spielt er wahlweise auf den Wert von 100 Nanogramm je Liter an, den die Trinkwasserkommission für unbedenklich hält, oder den Wert von 300 Nanogramm der als duldbar gilt.

Aber diese Rechnung passt nicht zusammen. Weil es einmal um Trinkwasser geht und beim anderen Mal um Emissionen in die Umwelt. Wie gesagt, reichert sich das Gift in Fischen an. Und Menschen, die diese Fische essen, werden wohl mit PFT verseucht. Das wäre der Beweis, dass sich der Stoff die Nahrungskette hocharbeitet. Wer weiß, ob nicht auch schon Kühe verseucht sind, Milch oder Getreide.

Bäh.

Ich wiederhole hier mal ein Interview, dass mir der Toxikologe Hermann Dieter vom Umweltbundesamt vor einiger Zeit gegeben hat. Dieter sagte, rein aufs Trinkwasser bezogen würden die PFT in der Ruhr "kein Problem" mehr darstellen. „Wenn man sich aber vergegenwärtigt, dass diese Stoffe jahrzehntelang in der Umwelt bleiben, sich anreichern und kommenden Generationen gefährlich werden können, ist die jetzige Emission in die Ruhr jenseits aller Panikmache sehr relevant." Dieter ist beim Umweltbundesamt für die Bewertung von Stoffen im Trinkwasser zuständig. Er verweist auf neuere Erkenntnisse, nach denen es wahrscheinlich ist, dass bestimmte PFT beispielsweise im Mutterleib Einfluss auf das Wachstum von Föten haben könnten.

Dieter: "Wir wissen noch nicht genug über die Gefahren, die von den PFT ausgehen, aber alleine ihr Anreicherungs- und Verharrungspotential in der Umwelt ist genügend hoch, um diese Stoffgruppe nicht in die Umwelt gelangen zu lassen." Dieter lobte die Entscheidung der Trinkwasserversorger entlang der Ruhr, ihre Anlagen nachzurüsten, um die Belastung des Trinkwassers mit PFT möglichst gering zu halten. „Das ist ein großer Fortschritt und eine in jeder Hinsicht respektable Vorleistung." Gleichwohl kritisierte der Forscher: "Das Trinkwasser ist das Ende der Verschmutzungskette. Es wäre vielleicht wichtiger gewesen, sich stärker den Emissionsquellen von PFT zuzuwenden, doch ging diese sachlich begründbare Forderung im politischen Hin und Her der letzten Wochen und Monate offenbar verloren." Dabei zog Dieter Parallelen zu früheren Fällen, z. B. den Skandalen mit Dioxin, DDT oder den perchlorierten Pestiziden. "Es wurden nicht ausreichend Lehren aus der Vergangenheit gezogen. Jetzt ist uns wieder ein Stoff durch die Lappen gegangen." Obwohl die PFT nicht fettlöslich seien, zeigte sich der Toxikologe und Biochemiker überrascht, wieviel davon, insbesondere PFOS. man weltweit im menschlichen Blut findet. "Diese Stoffe erreichen den Menschen auf bisher kaum bekannten Wegen und Umwegen. Deshalb gilt: Nur ein gesperrter Weg ist ein guter Weg."

Mein Gott ist der Limbecker Platz schäbig

Heute habe ich mir den Limbecker Platz von außen angesehen. Ich war erschrocken.

Foto: Flickr.com / allstar.marco

Das Ding ist richtig häßlich. Wie eine 90er Jahre Bausünde. Diese ganze Arkaden-Kacke in Berlin etwa. Das einzige was am Limbecker anders ist, sind diese weißen Knubbel an der Seite, die wie Pickel am Arsch kleben. Die ganze Umgebung: eine Wüste, menschenfeindlich, abweisend, unwirtlich.

Das soll der große Wurf sein? Zu dem drögen Dingen wurde der Münchener "Star-Architekt" Gunter Henn von der berühmten Kleid-Szene in „Das verflixte Siebente Jahr“ mit Marilyn Monroe inspiriert? Da haben wohl ein paar PR-Fuzzis zuviel Kraut geraucht. Oder der Henn hat keine Ahnung von Sex.

Der Limbecker Platz ist von außen jedenfalls tagsüber absolut unsexy. Im Gegensatz zur Monroe. Die auch Tags eine gute Figur machte.

P.S. Hier startet der Wettbewerb "Ugly Ten": Wer macht das mieseste Foto von dem Pickel-Ding? Schicken Sie ihre Beiträge an info@ruhrbarone.de.

Kommenden Sonntag (13. April) sehen Sie dann hier die Auswahl der dreckigsten, schmierigsten und ekeligsten Pix des Limbecker Platzes.

 

Ein Lautartikel zum 60. Geburtstag

Foto:flickr.com/schuttmasse

Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung wird heute sechzig. Und der Chefredakteur bietet eine Sensation: Den gebellten Leitartikel. klick
"Revolution? Ja klar!" heißt das Stück (warum auch immer), und es gehört ins Stilbuch eines jeden Printlers. Eine Festschrift wie eine Dienstanweisung. Oder: Wenn Franz Müntefering eine Zeitung wäre, so würde er bedruckt werden. Markig, zackig, schnoddrig. Ulrich Reitz, der x-fache Familienvater, X-Chef der Rheinischen Post und x-konservative fetzt die Sätze aus der Hüfte, da kauen andere noch verzagt an ihrem Bleistift herum.

Zum Geburtstag meine private Reitz-Sätzliste als Top-Ten:   

Platz 10)   2008, das ist die Bewältigung von Überfluss.
Platz 9)    1948, das war der Umgang mit Knappheit.
Platz 8)    Hier wird aus dem Gestern das Morgen.
Platz 7)    Aber es ist nicht mehr nur das Gestern.
Platz 6)    Sondern auch das Heute und Morgen.
Platz 5)    Das hat Folgen.
Platz 4)    Das Anspruchsvolle bodenständig dargebracht.
Platz 3)    Die Nachricht bleibt, aber die Analyse holt auf.
Platz 2)    Nicht wir haben den Scoop geschafft, sondern: Sie.
Platz 1)    Und wer weiß, was noch alles kommt.

Werbung

Ruhr hoch n: Es tut sich was

Initiativkreis Ruhr, die Wirtschaftsförderung des Reviers und der RVR wollen künftig  in Sachen Ruhrgebietskommuniktaion kooperieren.

Und manchmal bewegt sich doch etwas im Ruhrgebiet: Nachdem der Inititaivkreis Ruhr mit seiner Kampagne Ruhrn Teamwork Capital vorgeprescht und dafür in die Kritik geraten ist, setzen sich nun alle Verantwortlichen in der Region zusammen – auch RVR-Chef Klink, der vor kurzem eine Ruhrgebietskampagne noch für vollkommen überfflüssig hielt (oder überflüssig halten mußte). In einer Erklärung des Initiativkrteises heißt es:
"Zusammen mit dem Regionalverband Ruhr (RVR), der Wirtschaftsförderung  Metropole Ruhr und der Ruhr 2010 GmbH arbeitet der Initiativkreis Ruhrgebiet  an der zeitlichen, inhaltlichen und zielgruppenorientierten Synchronisierung  der Kommunikation für das Ruhrgebiet. Ausgehend von den Reaktionen auf das Dachmarkenkonzept Ruhrn TeamworkCapital der Düsseldorfer Agentur Grey soll die Kommunikation für die Metropole Ruhr hinsichtlich der Zielgruppen,  Maßnahmen und Inhalte koordiniert und abgestimmt werden. Dabei sollen Anregungen und Ideen aus den beteiligten
Institutionen möglichst in das Dachmarkenkonzept des Initiativkreises  eingearbeitet werden."

Das klingt doch einmal wirklich  gut – und ich bin selten optimistisch, diesmal aber schon,  weil kein Kirchturmpolitiker dabei ist. Schön – hoffentlich kommt etwas dabei rum.

Aufklärung? – Ach neeeeeee, doch nicht in Bottrop

Kennen Sie Bottrop? Nein, das ist diese kleine verschlafene Stadt am Nordrand des Ruhrgebietes. Hier herrscht Ruhe.

c: Stadt Bottrop

Ich bin Bürger in Bottrop. Und mir kommt diese Ruhe oft trügerisch vor. Wie ein Morast, unter dessen Oberfläche die fauligen Schlämme sich verquirlen, zusammenschmieren und irgendwann hochkommen und explodieren

Warum denke ich das? Es sind ein paar Beobachtungen, die mich mißtrauisch machen. Ich sehe NPD-Sticker an Laternenpfählen. Ich höre von Naziparties und von Schlägereien.

Wussten Sie, dass einer der Täter aus dem Siegburger Knast aus Bottrop kommt? Ja, einer von denen, die ihren Zellenkumpel zu Tode gefoltert haben, lebte hier. In Bottrop. Und hat Schwulenpornos gedreht.

Bottrop ist beschaulich, sagen alle.

Mir kommt es so vor, als sei Bottrop so verlogen, wie der Säufer, der seinen Kindern sagt, eine Flasche Korn am Abend sei völlig OK.

Vor ein paar Tagen habe ich Flugblätter von PRO NRW gesehen. Die hatten irgendwelche Typen in die Briefkästen der Stadt gesteckt. Auf den Flugblättern war ein roter Kreis, mit einem roten Querbalken. Im Kreis, eine Moschee. Darüber der Spruch "Nein zu Minaretten und Muezzinruf" Darunter: "Islamistische Terrorgefahr bekämpfen:"

Mit dieser Rechts-Propaganda versucht PRO NRW in Bottrop Stimmen bei den kommenden Kommunalwahlen zu gewinnen.

Ich wollte meine Stadt über PRO NRW aufklären.

Deswegen habe ich bei der Lokalzeitung angerufen. Bei dem örtlichen Chefredakteur der WAZ. Ich hab ihm gesagt, dass ich freier Reporter bin. Ich hab ihm gesagt, dass ich seriös arbeite. Dass ich vor kurzem den Wächterpreis gewonnen habe. Zwar nur den dritten Platz, aber immerhin. Ich habe dem örtlichen WAZ-Chef gesagt, dass ich gerne über PRO NRW in Bottrop schreiben würde. Damit die Menschen in unserer Stadt wissen, wer sich hinter der Biedermann-Fassade versteckt.

Pro NRW. Das ist ein rechtsdrehender Verein, der mit übler Propaganda versucht, Dummköpfe zu ködern. Der Verfassungsschutz beobachtet die Bande. Fast wie unter einer Tarnkappe schleichend will die Truppe landesweit bei den kommenden Kommunal- und Landtagswahlen antreten. Ortsverbände gibt es schon in Gelsenkirchen, Bottrop, Nettetal und Warendorf.

Hinter Pro NRW steckt die fast gleichnamige Gruppe Pro Köln. Hier in der Domstadt, da haben die Populisten ihren ersten Erfolg gefeiert. Sie sitzen im Stadtrat. Dank ihrer verquasten Hetz-Sprüche.

Die „Pro Köln“-Aktivisten nennen sich "seriös“ und „demokratisch“. Es soll scheinen, als gehöre man zur politischen Mitte, sei sogar die „Stimme der schweigenden Mehrheit der einheimischen Bevölkerung“. Kritik wird als „billige propagandistische Masche“ des Establishments abgetan. „Werden Sie misstrauisch, wenn irgendjemand den Eindruck zu erwecken versucht, Pro Köln würde mit Rechtsextremisten gemeinsame Sache machen“, heißt es auf der Pro-Köln-Homepage.

Tatsächlich aber laufen im Umfeld der Gruppe und ihres politischen Vorläufers der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ haufenweise dubiose Figuren herum.

Da ist der glühende Hitler-Verehrer Thomas Adolf etwa.

Adolf fuhr den damaligen Liga-Aktivisten und heutigen Pro-Köln-Stadtrat Manfred Rouhs zu Veranstaltungen. Später machte er als „Killer von Overath“ von sich reden. Mit einer Schrotflinte erschoss er einen Anwalt, dessen Frau und Tochter.

Manfred Rouhs selber ist auf einem Foto zu sehen, wie er auf einer Demo für die Jungen Nationaldemokraten redet.

Jungen Nationaldemokraten – hinter dem Titel verbirgt sich die Jugendorganisation der rechtsextremen NPD.

Der Neonazi-Führer Axel Reitz gab schon mal als Berufswunsch „SA-Standartenführer“ an. Seine politischen Gegner wollte er mit eigenen Worten eines Tages auf den „Marktplatz stellen und erschießen."

Für Pro Köln hat Reitz nach eigenen Angaben eine Kundgebung organisiert – was die Kölner Rechten bestreiten.

Das sind die Kumpane, mit denen sich der Jupp Scholand eingelassen hat.

Jupp Scholand, Ex-Bergmann, Diplom-Ingenieur, 53 Jahre, baut mit offenem Bezug auf die Kölner Truppe den Kreisverband der Neodumpfer in Bottrop auf.

Sein Thema: "In Köln und Duisburg hat die Bevölkerung massive Kritik am Bau von Groß-Moscheen geäußert. Schon morgen kann es Bottrop treffen."

Ich habe dem Bottroper WAZ-Chef gesagt, dass ich gerne über die Hetzer im "seriösen" Kleid schrieben würde.

Der lokale WAZ-Chef hat abgelehnt. Er sagte, er wolle den Rechten keinen Platz in seiner Zeitung einräumen. Ich sagte, ich würde keine Propaganda Pro Scholand schreiben. Ich würde dafür sorgen, dass die Bottroper erfahren, wer hinter der Pro Truppe steckt. Damit sie nicht auf die Propaganda reinfallen. Ich habe gefragt, was der lokale WAZ-Chef von Aufklärung hält.

Der lokale WAZ-Chef hat gesagt: Aufklärung sei nicht nötig.

Vielleicht hat er ja recht, wenn er meint, die Rechten würden sich über jeden Text in der Zeitung freuen – auch wenn sie verrissen würden. Vielleicht hat er recht zu ignorieren, was da aus der Gosse stinkt.

Aber ich glaube an die Kraft der Aufklärung.

Die Menschen müssen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Sie brauchen keine selbstgewählte Zensur, sondern klare Worte. Gerade wenn es um Pro NRW geht.

Nur Aufklärung garantiert Freiheit.

Darum wurden Zeitungen einst gegründet, verboten und im Untergrund verteilt.