Auch Ruhrkultur: Die Kleinkunst der Werkzeuge

Ein einprägsames Bild, charmant, wie das Ruhrgebiet selbst: Klüngelskerle sammeln Altmetall. Was wiegt dabei besonders schwer und ist überall vorhanden? Na, klar: Werkzeug – von Keller zu Keller gewandert, von Generation zu Generation weitergereicht. Verbogen von der Last der Arbeit, roststarrend und fast leidend als wärs lebendig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Standardhandelsware auf dem Revierflohmarkt. Beliebt bei der Haushaltsauflösung. Zuverlässig den Arm der Arbeiterschaft verlängernd. Mit Einfühlungsvermögen gegen lockere Muttern.

So war das damals: Ausschließlich Stahl und Kohle, mehr Zechen als Wohnhäuser, gar keine Menschen, nur Maulwürfe. Ganz klar: In diesem Klima, konnte kein Mann ohne Werkzeug sein. Viele kamen aus Posen, Pommern, Schlesien. Werkzeug war die Erweiterung ihrer Möglichkeiten, fürs Überleben.

Heute: Gibt es nur noch Kochutensilien. Der Hammer schmiedet nicht mehr das Eisen. Er klopft das Steak platt. Die Zange kneift nicht mehr den Nagel: Sie wendet den Fisch in nativem Ölivenöl. Der Korkenzieher killt den Schraubenzieher. Und der Werkzeugkasten hat sich in "Besteckkasten" umbenannt.

Die Ruhries – mein Gott – sind nicht mehr schwarz im Gesicht! Aber so ähnlich: sonnengebräunt. Oder grün hinter den Ohren. Denn sie wissen nicht mehr, wie wichtig gutes Werkzeug ist. Wie identitätsstiftend. Wie der Architektonik des Selbstbildnisses förderlich. Für den Mann natürlich. Aber Werkzeuge sind auch die Waffen einer Frau: Für deren Eigenständigkeit, für ihre Selbstbehauptung.

Leute! Werft die Mäuse fort. Die auf das Fünftausendstel genaue Lasermaus ist grobmotorischer als jede schwere Axt, die ein Holzscheit punktgenau spalten muß. Wieviel Genauigkeit und Präzision dazu gehört? Das weiß keiner mehr. Jetzt lernt mal wieder richtig gucken: Das Ziel ist der Nagel, nicht der Finger. Wer von euch kann das noch real, nicht virtuell? Wer koordiniert Geist und Physis?

Wo Architektur immer gigantomanischer geworden ist, offenbart sie den Wandel zu augenfällig. Doch manches zeigt sich präziser im Kleinen, im Alltag: An Brillenformen, am Design von Schreibgeräten – oder in Werkzeugkisten. Werkzeuge dokumentieren den Wandel der Gesellschaft, ihrer Ästhetik und Wahrnehmung. Sie klatschen uns ins Gesicht, dass Funktion vor Form kommt. Dass es sich mit beiden aber wie mit eineiigen Zwillingen verhält.

Immer ging es bei Hammer und Sichel, bei Messer und Meissel darum, dass ihr Gebrauch eine Anforderung zu erfüllen hatte. Gefertigt wurden sie seit Anbeginn in KMU-Schmieden. Dann mutierten sie zu Industrieprodukten. Die Funktionaltät dieser Werkstücke ist die schärfste Messlatte für sogenannte Gebrauchsgegenstände.

Werkzeuge sind unsere täglichen Begleiter. Sie sollen funktionieren. Aber wir kennen uns nicht mehr aus. Haben Freudentränen in den Augen, weil beim Discounter alles so billig ist. Ramsch goes Schrotting: Brechende Bits, sich krümmende Schraubenschlüssel, überdrehte Schraubenzieher.

 

Da muß Innovatives her: Der Schraubenschlüssel von Morgen schraubt mit Köpfchen. Deutsche Ingenieure bauen eben nicht nur Kraftwerke oder Flugzeuge, auch Werkzeuge. Übrigens rosten die nicht mehr: Euphorische Käufer, depressive Klüngelskerle.

DER PRÄSI KOMMT IN SPREE

Ich bin ja Obama-Fan. Und hoffe auf seine Rede im Tiergarten. Vielleicht fahre ich auch selbst hin. Die Rede wird sicher besser als alles, was man kennt.

 Ist das Plakat nicht schön? Solche politischen Plakate gibt es in Deutschland überhaupt nicht. Oder hat jemand schon mal so ein Ding gesehen, wenn es um eine Rede von Angela ging? Niemals.

Deswegen finde ich auch dieses Video so klasse. Kann man gar nicht oft genug sehen. Das ist mal cooler Wahlkampf.

 

Zu Mac-Cain fällt einem dabei nur das hier ein:

Kohledebatte führt SPD ins politische Abseits

Die hohen Energiepreise nähren bei den Gewerkschaften, der SPD und der RAG Deutsche Steinkohle AG die Hoffnung, dass es doch irgendwie weiter geht mit der Kohle. Aktuell will sogar der einzige deutsche Zechenbetreiber in Bottrop ein neues Kokskohlefeld erschließen. Bereits Ende des Jahres könnten die Planungen abgeschlossen sein und der Schachtbau zu der Lagerstätte in mehr als tausend Meter Tiefe beginnen, teilte das Unternehmen mit.

Zeche Prosper II in Bottrop. Foto: Flickr/andi kahle

Parallel dazu verspricht der IGBCE-Gewerkschaftsboss Hubertus Schmoldt, dass jetzt der Stillegungsbeschluss politisch wieder aufgelöst werden muss.

Und Fatalerweise beteiligt sich die SPD in NRW an dieser törichten Kampagne.

Zunächst mal zu den Fakten: Kokskohle ist genauso wie die so genannte Kesselkohle energiereiche Steinkohle. Während Kesselkohle in Kraftwerken nahezu unbehandelt verbrannt wird, muss Kokskohle für die Weiterverarbeitung in der Stahlindustrie aufbereitet werden und ist deshalb in der Regel teurer als die Verbrennungskohle. Auf dem Weltmarkt sind die Preise für Kokskohle im vergangenen Jahr um rund 50 Prozent auf über 200 Euro gestiegen. Kesselkohle dagegen kostet nach Angaben des Verbandes der Kohleimporteure rund 80 Euro.

Die Zechen in Deutschland sind derzeit nicht in der Lage kostendeckend Kohlen zu fördern. Die Förderkosten liegen im Schnitt bei über 170 Euro für die einfache Kesselkohle. Auch bei den aktuell steignenden Kosten gut 90 Euro über den Marktpreisen.

Für Kokskohle muss noch tiefer in die Erde gebohrt werden. Die Preise liegen entsprechen um fast das Doppelte höher. Insgesamt kassiert die Steinkohle bis 2018 noch über 14 Mrd Euro Subventionen.

Die Hoffnung auf lukrative Kesselkohle ist dumm, wie der Blick auf die Preise zeigt.

Die Hoffnung Kokskohle ist trügerisch. In Deutschland gibt es nur noch eine Bergwerkskokerei. Daneben existieren nur noch vier Kokereien, die allerdings direkt an Eisenhütten angegliedert sind. Diese Kokereien erhalten den größten Anteil ihrer Kokskohle aus Australien und Kanada.

Sollte also in Deutschland wieder mehrere Millionen Tonnen Kokskohle gefördert werden, müsste diese unter Umständen exportiert werden. Zu den hohen Förderkosten kämen dann noch erhebliche Transportkosten. Was die Preise erst recht verdirbt. Nicht umsonst will niemand im Ausland deutsche Kohle haben.

Ein Sprecher des Zecheneigentümers, der RAG-Stiftung, sagte deshalb in einem Telefonat: „Auch wenn die Kokskohlepreise steigen, ändert das nichts an der Tatsache, das die hohen Kosten den deutschen Steinkohlebergbau unwirtschaftlich machen.“ Zum Vergleich: In Kanada und Australien wird die Kohle überwiegend im Tagebau gewonnen.

Aus diesem Grund ruht derzeit auch das Projekt einer neuen Zeche in Hamm mit dem Namen Donar. Die RAG Stiftung als Eignerin der RAG Steinkohle AG hat weitere Investitionen in das Vorhaben untersagt, da eine Wirtschaftlichkeit nicht abzusehen ist. „Sollte sich ein Investor finden, steht die RAG Steinkohle AG als Dienstleister bereit. Eigenes Geld wird nicht mehr fließen“, sagte ein Stiftungssprecher.

Die RAG-Stiftung soll im staatlichen Auftrag den deutschen Bergbau bis 2018 abwickeln. 2012 will allerdings der Bundestag noch einmal darüber beraten. Dann erst entscheidet sich, ob in Deutschland langfristig weiter Steinkohle gefördert wird. Die SPD in Nordrhein-Westfalen überlegt derzeit einen Kohlewahlkampf gegen die CDU zu führen und mit dem Thema im Ruhrgebiet die eigene Klientel zu mobilisieren.

Wie wir sehen können, wollen SPD und Gewerkschaften im Gleichschritt mit der RAG Steinkohle AG jetzt schon die Diskussion um die Kohle aufmachen. Das ist richtig dumm.

Zunächst ist die Zeit viel zu lange bis zum echten Wahlkampf. Hier können sich also die Gegner der Steinkohlefreunde bis zur heißen Phase ordentlich vorbereiten. Ein Überraschungsangriff mit neuen Argumenten geht also in die Leere. Das ist ein taktischer Fehler.

Aber vor allem inhaltlich ist das Vorgehen dumm. Schon beim letzten Wahlkampf hat die SPD mit dem Kohlethema verloren. Und da ging es auch noch um Studiengebühren. Man kann nicht mit der Vergangenheit Wahlkampf für die Zukunft führen. Oder anders gesagt: Von den Milliarden-Subventionen profitieren mit den Bergleuten und den Funktionären in Gewerkschaften und SPD zuwenig Leute, als dass der Pott aufgerüttelt werden könnte.

Weiter hat die Kohle anders als beispielsweise die Kernenergie keine irgendwie positiven Auswirkungen auf den Klimawandel. Im Gegenteil. Die Kohle ist in der Defensive. Überall formieren sich Bürgerinitiativen gegen Kohlekraftwerke. Wie sollen hier die Subventionsfresser von der Ruhr neue Argumente finden? Nochmehr Subventionen verlangen etwa um CO2 abzubauen?/p>

Zuletzt hat die SPD anscheinend nicht verstanden, dass sie mit dem Kohlethema im Ruhrgebiet als fetter Wal auf einem Strand aus dem goldenen Revierzeitalter gestrandet ist. Die Kohle interessiert hier kaum noch einen. Hier wird spannend, dass hunderte wenn nicht tausende Hausbesitzer um ihren Besitz bangen, weil die letzten Zechen sinnlos, da subventionsgestärkt, Kohle unter ihren Immobilien kratzen und die Bergschäden viel zu viel zerstören.

Wenn die SPD dieses Sommerloch-Thema in das Wahlkampfjahr trägt, wird sie untergehen.

Auch hier zählt wieder die Taktik. Um die Landtagswahlen aus der Opposition zu gewinnen, reicht es nicht aus, die eigene Klientel zu überzeugen. Diese Klientel hat in der letzten Wahl so irgendwas mit 30 plus wenig gebracht. Stattdessen muss die SPD genügend Wähler aus dem gegenerischen Lager überzeugen und ins eigene holen.

Das geht aber nicht mit der Kohle.

Die Kohle macht die eigenen Anhänger nur noch SPD-höriger. Die Nahestehenden Wähler schreckt das Thema ab.

Da auch die Linken von der SPD im Landtagswahlkampf knabbern werden und die Landeschefin Hannelore Kraft zudem mit den Linken liebäugelt, kann ein konsequenter Kohlewahlkampf nur dazu führen, dass die SPD am rechten Rand und in der Mitte deutlich verliert. Das Ergebnis: die SPD bei 20 Prozent plus wenig landet.

Und da haben wir von der Schulpolitik und dem wackeligen Kompromissquatsch um die Einheitsschule noch gar nicht gesprochen.

Essen Hauptbahnhof: ?Ladenflächen statt Aufenthaltsqualität?


Im Herbst beginnt der Umbau des Essener Hauptbahnhofes. In Essen ist man mit den Plänen der Bahn nicht zufrieden.

Hauptbahnhof Essen. Foto: Flickr/Florian_K

In den letzten 50 Jahren hat sich ja vieles geändert: Es gibt jetzt Buntfernsehen, Menschen flogen auf den Mond (um dann festzustellen dass es dort auch nicht viel spannender ist als in Oer-Erkenschwick), der Computer hat sich irgendwie als Technik durchgesetzt, fast alle Wohnungen haben ein Badezimmer und VW stellte die Produktion des Käfers ein.
Doch auch in dieser von Hektik und Veränderung geprägten Welt gibt es Inseln der Ruhe, in denen man das Gefühl hat, die Zeit sei stehen geblieben. Der Essener Hauptbahnhof ist einer dieser Orte. OK, man hat den traditionellen Besatz an Alkoholikern dem Zeitgeist folgend durch ein paar Junkies ergänzt und in ein paar der Ladenlokale wurde mal geputzt , aber ansonsten versprüht der Haltepunkt gegenüber dem Haus der Technik noch den Charme der 60er Jahre. Würde einem Willy Brandt, bekleidet mit einem Batikhemd, auf dem Bahnsteig entgegenkommen – man wäre nicht verwundert.
Natürlich war man in Essen nie glücklich mit dem Bahnhof und drängte seit Jahrzehnten darauf, dieses Schmuckstück zeitgemäß umzubauen. Seit Jahrzehnten wurden in Essen Pläne diskutiert, aus denen dann Projekte hervorgingen die dann die Bahn vorgelegt bekam. Die bedankte sich und warf die Pläne wohl zumeist in den Reißwolf, denn eines geschah immer: Nichts. Das änderte sich erst als Essen zum Bannerträger der Kulturhauptstadt wurde. Wenn 2010 die Blicke der Welt auf Essen richten würden, da war man sich in der Stadt sicher, dürften sie nicht einen vergammelten Hauptbahnhof sehen. Evonik-Chef Müller nahm sich der Sache höchstpersönlich an. Als Aufsichtsratsmitglied der Bahn macht er Druck auf deren Chef, Hartmut Mehdorn. Und siehe da: Es kam Bewegung in die Umbaupläne – im September beginnen die Arbeiten: 60 Millionen Euro stehen zur Verfügung. Von denen zahlt das Land NRW die Hälfte, die Bahn 16 Millionen und die Stadt Essen 14 Millionen. Mit gut zwei Millionen wird sich auch die Essener Verkehrs AG (EVAG) am Umbau beteiligen.
Doch als Mitte Juli Stadt, Bahn, die Architekten und der Arbeitskreis Essen 2010 zusammen kam, um über die Pläne zu diskutieren, wollte keine Rechte Freude aufkommen. Aus einem mir vorliegenden Protokoll zu dem Treffen am 17. Juli geht hervor, dass die Essener der Runde offensichtlich tief enttäuscht von den Plänen der Bahn sind: „Ingesamt stellen die Vertreter von Essen 2010 fest, dass die Planung der Bahn zur Bahnhofsanierung primär geleitet ist von der Sicherung, ja sogar der Mehrung der Verkaufsflächen unter Zurückstellung der Ansprüche an die Aufenthaltsqualität für den Bahnkunden.“ Auch sei offensichtlich, dass architektonische Qualität nicht das Leistprinzip der Planungen.
Was plant die Bahn nun am Essener Hauptbahnhof?
–    Die Front der Ladenlokale soll Begradigt werden  
–    Im Bereich des ehemaligen Gepäckabfertigung soll einen neue (O-Ton Bahn: „gigantische“  Verkaufsfläche von 1.500m2 entstehen.
–    Es soll eine neue Verkaufsfläche auf zwei Ebenen entstehen. Dafür soll der Ausgang von der oberen Etage zur Innenstadt geschlossen werden
–    Es gibt vier neue Aufzüge zu den Bahnsteigen geben.
–    Die Bahnsteigüberdachung soll überarbeitet werden. Pfiffig: Die Glasschürzen, die Kunden bislang vor Schrägregen schützten werden entfernt.
–    Das Vordach am Nordausgang wird ein paar Lichtöffnungen bekommen.

In Essen ist man mit den Plänen unzufrieden – vor allem weil die Bahn sich vor allem darauf konzentriert, neue – für sie als Vermieter lukrative – Verkaufsflächen zu schaffen, deren Bau sie sich von Land und Stadt finanzieren lässt.

Der große Umbau des Essener Hauptbahnhofes – er ist kaum mehr als ein Rohrkrepierer. Schade, dass dieser Umbau auf HartzIV-Niveau  wohl die Vorlage für den Umbau weiterer Bahnhöfe in der Region ist, denn auch in Dortmund will man den Hauptbahnhof liften. Für Essen ist klar: „mit dem schmalen Budget, das für den Essener Bahnhof bereitgestellt wurde, ist eine angemessene Sanierung sehr schwierig.“
Die Bahn ist übrigens nicht immer so knauserig: Für die Renovierung des Dresdner Hauptbahnhofes, der gerade einmal 1/3 der Fahrgäste Essens zu verkraften hat, werden 230 Millionen ausgegeben. Auch eine Kleinigkeit, verglichen mit dem was der Umbau des Bahnhofes in Stuttgart kosten wird: Dort rechnen Kritiker mit 6,8 Milliarden Euro.

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RVR-Chef Klink: Und er bewegt sich doch…

Im Kreis Wesel diskutieren sie über den Ausstieg aus dem Regionalverband Ruhr – nun meldet sich der RVR-Chef zu Wort.

Heinz-Dieter Klink. Foto: RVR

Einen schienen die Auflösungstendenzen indes nicht sonderlich zu interessieren: Heinz-Dieter Klink, der Chef des RVR hielt sich aus den ganzen Diskussionen um den RVR – Austritt weitgehend raus – und auch der Verband hielt sich politisch zurück. Intern hatte Klink die Parole ausgegeben, dass die Austrittsdiskussionen interne Probleme der Verbandsmitglieder wären, aus denen sich der RVR raushalten solle. Erst wenn es um die konkrete Frage des Austritts ginge, solle sich der RVR äußern. Die ausgebene Verteidigungslinie: Ein Austritt aus dem RVR kommt den Städten und Kreise teurer zu stehen als die Mitgliedschaft. Kein Argument, das von Selbstbewußtsein strotzt. Doch nun hat Klink es sich wohl anders überlegt. In einem Schreiben vom 30. Juni, das Klink an die "Hauptverwaltungsbeamtinnen,
Hauptverwaltungsbeamten und Fraktionsvorsitzenden der Städte und des Kreises im Kreis Wesel" schickte, schreibt Klink: "bei der im Kreis Wesel anstehenden Entscheidung über den Verbleib im Regionalverband Ruhr geht es um eine wichtige Zukunftsfrage für das Ruhrgebiet und damit auch für Ihre Stadt. Viele gute – ich meine sogar zwingende – Gründe wie das bisher gemeinsam Erreichte sprechen dafür, am kommunalen Verbund im Ruhrgebiet festzuhalten und ihn künftig noch enger zu gestalten. So soll die beigefügte Auswahl von 10 prägnanten Argumenten nicht bloß werben, sondern überzeugen, wo vielleicht noch Unsicherheit über die Bereitschaft zur aktiven Rolle der eigenen Kommune in der Metropole Ruhr besteht. Ich bitte Sie daher, die genannten Gründe für eine weitere Mitgliedschaft im RVR bei Ihren politischen Beratungen zu berücksichtigen."

Die zehn Gründe, warum es für die Kreise und  Städte besser ist, im RVR zu bleiben als auzutreten sind laut Klink:

1. Der RVR bildet mit seiner landesgesetzlichen Grundlage die einzige demokratisch legitimierte und damit verlässliche regionale
Klammer des Ruhrgebiets. Er war und ist auch für andere Regionen in Deutschland das Vorbild, eine Regionalorganisation auf der Basis eines eigenen Gesetzes zu errichten (z.B. Regionalverband Stuttgart). Keine selbst organisierte themenbezogene kommunale Kooperation kann diese Qualität ersetzen.
2. Der RVR bietet das einzige Forum für alle Städte und Kreise im Ruhrgebiet; nur sein räumlicher und inhaltlicher Zuständigkeitsbereich
definiert die Metropole Ruhr. Ohne Zugehörigkeit zum RVR keine Zugehörigkeit zur Metropole Ruhr.
3. Nur der RVR sichert auf der Basis politischer Abstimmungsprozesse in der Verbandsversammlung als „Ruhr-Parlament“ ein gleichberechtigtes Nebeneinander der Kommunen, sorgt für einen fairen Interessenausgleich innerhalb der Region und trägt damit entscheidend zu einer gleichmäßigen Entwicklung des Ruhrgebiets bei. Die Tatsache, dass sich mit „Essen für das Ruhrgebiet“ die gesamte
Metropole Ruhr erfolgreich um den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2010“ beworben hat – und ihn auch nur als Gesamtheit gewinnen
konnte -, ist der Fähigkeit des Verbandes zur Herstellung des regionalen Konsenses zu verdanken.
4. Der RVR organisiert in seinen Gremien als einziger den kommunalen Konsens über die Metropole Ruhr und ist so besser als alle anderen in der Lage, regionale Entwicklungsstrategien und Projekte anzustoßen, zu erarbeiten und umzusetzen. So widmet sich der RVR regionalen Handlungsbedarfen mit seinem Instrument der Masterplanung, aktuell etwa zu Themen wie „Saubere Luft“, „Kultur“ und „Sport“.
5. Der RVR verleiht der Metropole Ruhr mit markanten städte- und landschaftsbaulichen Verbundprojekten eigener Art ein unverwechselbares
Gesicht. Beispielsweise mit der Route der Industriekultur, dem Emscher Landschaftspark und der Kette der Haldenereignisse schafft der
Verband eindrucksvolle, über die Grenzen der einzelnen Städte hinausgreifende Verortungen der Metropole Ruhr, die aufgrund ihrer
Polyzentralität durch punktuelle Wahrzeichen alleine nicht in ihrem viele Kommunen umfassenden Charakter repräsentiert werden
kann.
6. Der RVR akquiriert durch die Initiierung und Profilierung regionaler Projekte Fördermittel des Landes, des Bundes und der EU, die für den Aufbau der Metropole Ruhr unverzichtbar sind. Alleine in den Jahren 2004 bis 2007 hat der RVR Fördermittel in einer Größenordnung von rund 50 Millionen Euro für die Region gesichert.
7. Der RVR verschafft seinen Mitgliedern national wie international eine Wahrnehmung, die kein Mitglied alleine erzielen kann. Im Rahmen seiner regionalen Öffentlichkeitsarbeit, operativ an vielen Stellen unterstützt durch eigens gegründete RVR-Gesellschaften wie z.B. die Ruhr Tourismus Gesellschaft und die Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr GmbH, stellt der RVR z.B. durch sein Internet-Kulturportal KIR (einzige regionalweite Veranstaltungsübersicht) und auf Messen wie der ITB, der Expo Real und der Mipim die Leistungen der Metropole Ruhr und ihrer Kommunen dar.
8. Der RVR kann Aufgaben durch Synergien deutlich günstiger erledigen als jedes Mitglied alleine. Beispiele hierfür liefert der Verband mit seinem Geodatenverbund im Stadtplanwerk Ruhr, dem Rad- und Wanderwegebau und der Freiraumpflege.
9. Der RVR kann durch seine zahlreichen Spezialisten und eng eingebunden in eine Vielzahl von Netzwerken mit externen
Partnern auch komplexe Projekte flexibel und nachhaltig realisieren. Ohne sein spezifisches regionales Know-how sind Metropolenprojekte
wie der Emscher Landschaftspark, die großräumigen Freizeitangebote wie Revierparks, Erholungswälder und dazugehörige
Infrastrukturen sowie Events wie die Ruhrolympiade und Extraschicht nicht machbar.
10. Der RVR hat 88 Jahre Erfahrung im Regionalmanagement. Dieser Vorsprung gegenüber allen anderen deutschen Regionen
bildet die verlässliche Basis und Voraussetzung, dass die Zukunftssicherung als Metropole Ruhr gelingt. Never change a winning team.

Gut, dass Klink in diesem Schreiben auf die Stärken des RVR hinweist: Es gibt ein (wenn auch schwaches) Parlament. Besser als nichts – man könnte es ja stärken. Klink hat Recht: Viele Projekte, wie die Route der Industriekultur und die Kulturhauptstadt 2010 hätten die Städte ohne den RVR nie hinbekommen. Auch ob es eine gemeinsame Wirtschaftsförderung je gegeben hätte, wenn die Städte sie hätten gemeinsam gründen und finanzieren müssen, ist eher unwahrscheinlich – auf viel mehr als warme Worte konnten sich die Städte untereinander bislang nur selten einigen. Auch gemeinsame Messeauftritte hätte es kaum gegeben. Dass das Internetportal KIR von etlichen privaten Internetseiten lässig getoppt wird – geschenkt. Zu kleinkrämerisch bin selbst ich nicht.
Aber die Kritik der Grünen im RVR an dem Papier von Klink ist nachvollziehbar. Deren Fraktionsspitzen Sabine von der Beck und Martin Tönnes kritisieren in einem Schreiben an Klink vom 8. Juli, dass Klinks Papier nicht nur ein Alleingang war – was  wohl Klinks gutes Recht  ist, sondern auch, dass er kaum auf die besondere Situation im Kreis Wesel eingeht. Weder auf die Stärken des RVR, der sich in den vergangenen Jahren besonders im Kreis Wesel engagiert hat (Üfter Mark, Bislicher Insel, Freizeitzentrum Xanten) noch die spezifischen Probleme des Kreises mit dem RVR werden benannt: " (Es) fehlt eine Auseinandersetzung mit dem Thema AGR, die im Kreis Wesel mit der Verantwortung für die Deponienachsorge in den öffentlichen Diskussionen eine durchaus zentrale Rolle spielt. Hierbei wird ja auch gezielt mit den Ängsten der Bürgerinnen und Bürger gespielt, dem Sachargumente durch entsprechende Investitionsplanungen und andere Aktivitäten öffentlich entgegen zu stellen sind.

Auch wollen die Grünen Zukunft darfür sorgen, dass es deutlicher wird, dass die Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr GmbH, die Revierparks oder auch der Ruhrtriennale Veranstalter Kultur Ruhr GmbH ganz oder zum großen Teil Tochtergesellschaften des RVR sind.

Die Grünen fordern von Klink auch mehr Eigenintiative und Ideen – daran herrscht im Verband ein großer Mangel: Ein Nachfolgeprojekt für die Kulturhauptstadt 2010? Niente. Schade nur, dass auch die Grünen im RVR einen Dienstleister der Städte sehen. Das könnten Agenturen besser erledigen als ein Verband. Der RVR müßte Taktgeber sein, Ideenschmieder und laut zu vernehmender Interessensvertreter der Region. Doch bis der RVR das (wieder) wird, ist es wohl noch ein weiter Weg.

Beck will von Rüttgers Aufklärung über WDR-Filz

Erstaunlicherweise bekommt der WDR-Filz (wie von den Ruhrbaronen hier beschrieben: klack) im früher als "Rotfunk" beschimpften Sender rund um den WDR-Rundfunkratsvorsitzenden Reinhard Grätz (SPD) und den Chef des WDR-Verwaltungsrats Ludwig Jörder nun ausgerechnet Druck aus einem Bundesland unter SPD-Herrschaft. Nämlich aus Rheinland-Pfalz, dem Heimatland von SPD-Chef Kurt Beck. von Marvin Oppong

Der Chef von Becks Staatskanzlei Martin Stadelmaier sagte:

"Frau Intendantin Piel ist gefordert, Klarheit über die Beteiligung der beiden Gremienmitglieder an WDR Unternehmen zu schaffen. Es liegt im Interesse der Effektivität der Binnenkontrolle des Öffentlich-Rechtlichen, wenn Aufsichtsfunktionen und Geschäftstätigkeit sich nicht in einer Hand vereinen", so Stadelmaier.

“Die CDU/CSU in den Ländern ist gefordert, endlich ihren Widerstand gegen eine Inkompatibilitätsregelung aufzugeben“. Die SPD-geführten Länder fordern seit langem im Rundfunkstaatsvertrag eine Regelung aufzunehmen, die sicherstellt, dass Gremienmitglieder in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht zugleich Geschäftsleitungsfunktionen in Eigen- oder Beteiligungsunternehmen wahrnehmen oder Anteile an ihnen halten."

Ich recherchiere weiter über den Filz beim WDR: Wenn einer was hat, ich bin unter Marvin.Oppong@ruhrbarone.de zu erreichen.

Loveparade, Laufparade – Verkehrschaos am Samstag

Besucherrekord bei der Loveparade in Dortmund – wunderbar, aber sicher wäre es noch ’ne Million mehr Besucher geworden, wenn der öffentliche Nahverkehr funktioniert hätte.

Am Samstag Nachmittag hieß es am Essener Hauptbahnhof über die Lautsprecher: "Ein Zugverkehr in Richtung Bochum und Dortmund ist zur Zeit aufgrund von unbefugten Personen im Gleisbereich nicht möglich. Wir halten Sie auf dem Laufenden." Gleise quollen über vor traurigen Ravern, Züge fielen aus, die Polizei verhinderte das Betreten der Bahnsteige, und das mehrere Stunden lang. Allerorts entnervte Fahrgäste. Ein denkwürdiger Tag der Immobilität. Zu Fuß wärs vielleicht noch gegangen. Laufen anstatt Abzappeln…

Rekordparade im Ruhrgebiet

"Pott schlägt Hauptstadt: Die Loveparade 2008 in Dortmund hat mit 1,6 Millionen Ravern einen Besucherrekord aufgestellt – und die letzten Spektakel in Berlin bei weitem übertroffen" schreibt SPON – und dabei war das Wetter gestern wirklich mies.

Loveparade. Foto: Stadt Dortmund

Es ist das alte Problem der Kulturkritik, dass sich eigentlich kaum jemand für ihre Diskurse interessiert – so auch bei der Loveparade. Ob die (dämlichen) Reden von Dr. Motte wichtig waren, Techno noch einen wichtigen Beitrag zur Popkultur liefert oder die 1989 in Berlin gestartete Loveparade ihre  Autentizithät verloren, seitdem sie vom Betreiber einer Fitnessstudiokette gemanagt wird, fanden zumindest die 1,6 Millionen, die gestern in Dortmund für einen neuen Besucherrekord sorgten und vor allem ihren Spaß haben wollten, nicht ganz so spannend. Die Loveparade ist Karneval im Sommer und das ist OK. Wem es nicht gefällt, der muß ja nicht hingehen und hat täglich zahlreiche Gelegenheiten, seinen elaborierten Geschmack unter Beweis zu stellen. Im nächsten Jahr kommt die Loveparade nach Bochum – mal schauen ob ich sie mir dann anschaue, denn eigentlich mag ich keine Bässe – ein Problem, bei einer Technoparty, aber einen Teil des gestrigen Lineups hätte ich mir ganz gerne angeschaut: Moby und Underworld – vielleicht sind sie ja nächstes Jahr auch dabei. Übrigens: Eine schöne Fotostrecke gibt es  auf der Internetseite der Stadt Dortmund.     

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Update: Schicht im Schacht

Heute Abend lohnt es sich, um 20.15 Uhr einen Blick ins Fernsehprogramm zu werfen: Der neue Schminanski läuft im Ersten.

Schimanski (Foto: Wikipedia)

In den 80ern probten wir mit unserer Band, deren Namen nicht erwähnt werden muß, weil ihn schon damals niemand kannte, jeden Sonntag in einem Bunker in Gladbeck-Brauck. Der Termin war heilig, nicht zur Probe zu erscheinen ein Sakrileg. Es sei denn, die ARD zeigte einen Schimanski-Tatort – das ging natürlich vor. Da schwiegen selbst die Stromgitarren. Der neue Schimanski heißt "Schicht im Schacht" und die Kritiken in der Süddeutschen, der Welt und der Rundschau sind gut, die taz hat auch noch ein paar lustige Anmerkungen veröffentlicht, wie es auch der Stern tat.

Für das Ruhrgebiet war Schimanski in den 80er Jahren, die erste Folge "Duisburg Ruhrort" wurde am 28. Juni 1981 ausgestrahlt,   eine außerordentlich wichtige Figur: Die von dem Berliner Schauspieler Götz George verkörperte Figur des Duisburger Hauptkommissars Horts Schimanski wurde vor allem für die damaligen Kids zu einem Symbol des Ruhrgebiets. Schimanski war kein alter Bergmann, wie der von Jürgen von Manger dargestellte Tegtmeier, sondern ein unkonventioneller Ermittler im Stil amerikanischer Action Serien. Mit Schimi konnte man sich indentifizieren. Das Ruhrgebiet wurde als Dschungel dargestellt. Eine Gegend mir rauem Charme, nicht von klassischer Schönheit, aber dafür einzigartig. Das Ruhrgebiet war etwas besonderes geworden.  Bei der Beurteilung der Schimanski Tatorte ging ein Riß durch die Bevölkerung. Während die einen die Tatort-Folgen mit Götzt George liebten, stieß er in den traditionell orientierten Kreisen der Bevölkerung auf Ablehnung. Zu realistisch war das dort gezeigte Bild des Ruhrgebiets als  Region im Niedergang, als das man sich damit identifizieren wollte.
Doch den Aufstieg Schimanskis zu einer Ikone des Ruhrgebiets konnte auch dieser Widerstand nicht verhindern.
Auch heute noch wird über Schimanski genörgelt. Die gute, alte WAZ bemängelt, dass der neuen Schimanski nicht in ausreichendem Maße die Fortschritte des Strukturwandels würdigt, die erfolgreichen Neuansiedlungen preist und ohnehin ein nostalgisches Ruhrgebietsbild transportiert. Am Besten, so der Autor, Schim sollte in Rente gehen. Ach, es ist wie immer.

Update: War ein richtig guter Krimi. Dramatisch, klar, ein wenig Ruhrgebietskitsch (Aber das darf bei einem Schimanski sein) und eine wirklich gut erzählte Geschichte. Auch die Musik hat mir gut gefallen – und so etwas fällt mir bei einem Fernsehfilm nur selten auf. Kein Grund für Schimi in Rente zu gehen – nur mir fehlt immer noch Thanner.

Die alten Männer vom WDR

Die ganze Nummer ging vor zwei Jahren los, als ich angefangen habe über den WDR zu recherchieren. Ich wollte wissen, wer im Rundfunkrat sitzt. Wer hat da das sagen und warum? Zwei Namen fielen mir nach kurzer Zeit auf. Zunächst der Vorsitzende des WDR-Rundfunkrates, Reinhard Grätz, und dann noch der Chef des WDR-Verwaltungsrats Ludwig Jörder. Zwei Männer, längst über das beste Alter hinaus und doch kontrollieren sie den mächtigsten öffentlichen Sender in Deutschland. Wie können sich zwei Fastrentner an der Spitze des öffentlich-rechtlichen WDR halten? Ich wurde misstrauisch und ging der Sache nach. Nach langen Recherchen fand ich heraus, dass die Gremienchefs an der lukrativen Werbetochter des Senders beteiligt sind – als „Treuhänder“. Interessenkonflikte sind leicht möglich. von Marvin Oppong

In den vergangenen Jahren haben die Öffentlich-rechtlichen Sender immer wieder versucht, ihren staatlichen Charakter zu betonen, wenn es um die Einziehung von GEZ-Gebühren ging oder um staatliche Unterstützung. Wenn es allerdings um ihr Geld geht, haben der WDR und andere öffentlich-rechtliche Sender immer wieder Aktivitäten auf neue Tochterfirmen übertragen. So sind viele privatrechtlich organisierte Firmen entstanden – auch die WDR Mediagroup GmbH in Köln.

Die Gesellschaft soll Werbung im öffentlichen Auftrag möglichst teuer verkaufen und tritt als Finanzier von Programmen auf. So koproduzierten die Kölner den Film „Ein Sommermärchen“ über die Fußball-WM 2006.

Da der WDR der größte Sender in der ARD ist, kommt auch der Kölner Tochter (früher: Westdeutsche Rundfunkwerbung) große Bedeutung zu. Nun habe ich herausgefunden, dass die WDR Mediagroup noch aus einem anderen Grund etwas ganz Besonderes ist: Die Anteile der Gesellschaft gehören nicht nur dem WDR, sondern auch dem Rundfunkratsvorsitzenden Reinhard Grätz und dem Verwaltungsratschef Ludwig Jörder.

Die beiden Chefkontrolleure des Senders als Teilhaber bei einem wichtigen Ableger? Ungewöhnlich – normalerweise halten die öffentlich-rechtlichen Anstalten ihre Beteiligungen völlig in eigener Hand.

Und doch zeigen Dokumente, dass Veteran Grätz seit 1986 und Jurist Jörder sei 1999 Beteiligungen an der WDR-Werbetochter halten – heute in der Höhe von jeweils 677.000 Euro, also von jeweils etwas mehr als zehn Prozent am Gesamtkapital. Der WDR selbst besitzt Anteile im Wert von 5.146.000 Euro.

Auch langjährige Experten haben von den Beteiligungen nichts mitbekommen. Im Internet wiederum weist der WDR seine Mediagroup als 100-prozentige Tochter aus. Einen Hinweis auf die Gesellschafter Grätz und Jörder gibt es nicht.

Nach Ansicht des WDR ist das auch nicht nötig. Der Sender erklärt auf Anfrage, die beiden Gremienchefs würden ihre Beteiligungen an der Mediagroup im Namen des WDR ohne Gewinnbeteiligung ausüben – „ausschließlich unter Effizienzgesichtspunkten“.

In ihrer Antwort verweisen Grätz und Jörder auf ihren mit dem WDR geschlossenen Treuhandvertrag, der nicht einsehbar sei. Sie seien, so das westdeutsche Duo, „nicht als Privatpersonen, sondern satzungsgemäß qua Amt als Gremienvorsitzende treuhänderisch beteiligt“.

Treuhänder? Das erinnert an Camouflage-Aktionen in den Bestzeiten des einstigen Medienmoguls Leo Kirch, der die Fülle seines Besitzes damit ein wenig verdeckte. Jetzt heißt es im Fall WDR, die Treuhänderschaft der Gremienchefs solle der besseren Kontrolle der WDR Mediagroup dienen.

Bessere Kontrolle? Hat nicht bereits der WDR als Mehrheitseigner die volle Kontrolle? Und: Können die Oberaufseher Grätz und Jörder nicht jederzeit alle Papiere anfordern?

Im WDR ist Grätz seit 1985 eine graue Eminenz. Der langjährige SPD-Landtagsabgeordnete war in Zeiten sozialdemokratischer Landesregierungen von politischer Wichtigkeit. Als Chef des WDR-Rundfunkrats ist er zuständig für Beschlüsse über den Jahresabschluss des WDR und die Genehmigung des Geschäftsberichts; ebenso ist er mit Beschlüssen über Erwerb und Veräußerung von Beteiligungen betraut.

Kontrolleur Jörder wiederum ist in der Hauptsache Geschäftsführer der Dortmunder Westfalenhallen. Dort organisierte der WDR-Radiosender 1Live öfter Großevents und Konzerte. In diesem Jahr wird 1Live in der Westfalenhalle mehrere Konzerte präsentieren, zum Beispiel mit den Toten Hosen. Tickets können über die 1Live-Hotline bestellt werden; die Anrufe landen im Callcenter der WDR Mediagroup Dialog GmbH.

So kommt an Rhein und Ruhr eins zum anderen. Als Jörder vor einigen Jahren die Plakette „Eiserner Reinoldus“ von der Stadt Dortmund erhielt, war es dem WDR eine Pressemitteilung wert.

Die wenig effiziente Kontrolle von ARD und ZDF ist andererseits immer wieder ein Thema gewesen. Auch die EU-Kommission fordert Besserung. Sind da Beteiligungen der wichtigsten Kontrolleure der richtige Weg?

Als 2002 wegen der Euro-Umstellung das Stammkapital der WDR Mediagroup erhöht wurde, mussten Grätz und sein Partner Jörder je 37.885,15 Euro zuschießen. Dabei wurde unter Punkt 3 zur WDR Mediagroup festgelegt: „Die neuen Geschäftsanteile nehmen am Gewinn der Gesellschaft vom 1. Januar 2002 an teil.“

Das zusätzliche Geld mussten Grätz und Jörder nicht bar zahlen, sondern sie wurden ausweislich der Handelsregisterunterlagen mit einem Darlehen der beiden WDR-Funktionäre an die WDR Mediagroup verrechnet. Die Gesellschafter brächten „ihren Anspruch auf Rückzahlung der gewährten Darlehen“ ein, heißt es da. Darlehen? Ein Kredit der beiden Aufseher? Wie kam es dazu?

Tatsache ist, dass die beiden Gremienchefs an einer florierenden Firma beteiligt sind. Allein 2006 setzte die WDR Mediagroup fast 100 Millionen Euro um. Im Rahmen eines Gewinnabführungsvertrages führte sie 16.642.789,10 Euro an den WDR ab.

Darüber hinaus weist der Konzernabschluss der WDR Mediagroup zum 31. Dezember 2006 einen Betrag von 40.091,62 Euro als Gewinn aus, der „anderen Gesellschaftern“ zustehe. Davon gehe nichts an Grätz und Jörder, erklärt der WDR, die beiden würden nicht am Gewinn der WDR Mediagroup beteiligt.

„Die Tätigkeit als Gesellschafter ist in vollem Umfang unentgeltlich“, erläutern die beiden Gremienchefs. Die Aufsichtsratsvergütung der WDR Mediagroup in Höhe von monatlich 300 Euro nimmt sich im Vergleich genauso winzig aus wie das Tagegeld von 15 Euro, das jedes WDR-Gremienmitglied bei Sitzungen kassiert.

Eine ganz andere Frage ist, ob der Doppeljob der beiden WDR-Mächtigen nicht Interessenkonflikte hervorruft. Als Rundfunkratschef muss Grätz die Interessen der Allgemeinheit vertreten, als Gesellschafter einer kommerziellen Firmentochter ist er den Normen der Kaufleute verpflichtet.

Grätz und Jörder beruhigen. Sie sehen keinen Konflikt – und können in ihren Doppelfunktionen als Gremienvorsitzende und Gesellschafter keinen Verstoß gegen Vorschriften erkennen: „Im Gegenteil, die treuhänderische Gesellschafterfunktion dient der vertieften Kontrolle der Tochtergesellschaft.“ Zur Frage, ob er im Rundfunkrat an Entscheidungen mitwirkt, die die WDR Mediagroup betreffen, nahm Grätz keine Stellung.

Die beiden betonen im Übrigen „ausdrücklich“, dass mit ihrer Rolle bei der WDR Mediagroup keine finanziellen Vorteile verbunden seien. „Dies“, versichern sie, „ist nicht der Fall“.