Schwarz-Grün: Wer hats erfunden?

Mülheim. Foto: Ruhrbarone

Das Ruhrgebiet. 1994 starteten in Gladbeck und Mülheim die ersten schwarz-grünen Bündnisse der Republik. Die gemeinsame Erfahrung jahrzehntelanger Opposition und  wohl auch die Starrheit der SPD machte es möglich, dass  Schwarz-Grün im Ruhrgebiet zu erst gedacht und gemacht wurde. Der Spiegel zitierte damals den Gladbecker-Grünen Mario Herrmann, heute Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im RVR: "Über Jahre sind wir von den Sozis als ,Ratten“ beschimpft worden", klagt Grünen-Fraktionschef Mario Herrmann, 32. Sogar von "alle erschießen" sei die Rede gewesen." Heute werden Essen und Duisburg von CDU und Grünen gemeinsam regiert und auch im Kreis Recklinghausen kooperieren beide Parteien. Nun ist also vielleicht Hamburg dran. 
Für die SPD begann 1994 übrigens ein Niedergang, der bis heute andauert: Wurden damals noch fast alle Städte im Ruhrgebiet von der SPD mit einer absoluten Mehrheit regiert, ist es heute bei den Großstädten des Reviers nur noch Oberhausen, das fest in sozialdemokratischer Hand ist – und das auch nur durch die Stimme des Oberbürgermeisters.

Jugend Kultur Zentren 2010 – Teil 4: Bahnhof Langendreer (2)

?: Kommt eigentlich irgendwann das Feindbild abhanden? Man sendet ja nach ganz weit draußen plötzlich und kann plötzlich mit der Stadt. Man repräsentiert etwas. Und im Tagesgeschäft stellt sich ja auch nicht zwingend die Frage nach dem politischen System in Deutschland. Wie bleibt man den Inhalten treu in einer irgendwann vielleicht doch etwas anderen Zeit? Oder wird das dann irgendwann corporate identity, so á la: „Wenn wir das täten, das wäre dann nicht mehr der Bahnhof“?

!: Es gibt ständige Reflektion. Wir diskutieren teilweise heute noch im kompletten Team Grundsatzentscheidungen, Personaldinge, auch einzelne Veranstaltungen. Ansonsten läuft vieles schlicht in der Praxis, in den Schwerpunkten Kabarett, Weltmusik, Neue Musik, Jazz, Kindertheater, Kino, Politik. Und das dritte ist, dass sich hier immer noch ganz viele Initiativen treffen. Die Gastronomie im Kneipenbereich ist verpachtet an Leute, die früher hier am Tresen gearbeitet haben, die anderen Bereiche machen wir selbst, wofür es insgesamt 14 Stellen gibt. Konsens ist, dass der Bahnhof ohne einen dieser Bereiche nicht der Bahnhof wäre. Und dann gibt es eine Jahresplanung, jetzt zum Beispiel mit der Reihe „60 Jahre DDR“. Falls da jemand dagegen aufstehen würde, dann wäre z.B. die Autonomie des Bearbeiters „Politik“ aufgehoben.

?: Und das Feedback von außen?

!: Die Szene kritisiert uns – wenn überhaupt – derzeit eher auf einem Niveau von „Kommerz“, „unpolitisch“, „nicht mehr der Revolution verpflichtet“. Oder Fragen wie: „Wie kann man hier Die Kassierer spielen lassen?“ Das Kino ist da meist außen vor, und man ist generell einer größeren Breite verpflichtet. Da kommen die Themen, die wir hier intern für konstitutionell halten, aber auch vor, wie der Nord-Süd-Konflikt und hiesige Sozial- und Arbeitsmarktpolitik.

?: Man kümmert sich also mehr. Wie sieht das aus und wie war das eigentlich mit dem Wageni gegenüber?

!: Das war 1986 das Baubüro, in dem man sich traf. Als dann keine Verwendung mehr dafür war, haben wir das weiter gegeben an Leute die gefragt haben und Volxküche und Punkkonzerte und so etwas gemacht haben und machen. Was das Engagement im Stadtteil betrifft findet das nicht im Hause statt, bis auf die Dorfpostille, eine Stadtteilzeitung die hier entstanden ist, eine Spielgruppe und eine Frauengruppe, die einmal in der Woche Frühstück macht. Schwerpunkt ist beispielsweise nicht, hier eine soziale Beratung zu machen. Das ist nicht die Zielsetzung. Wir kümmern uns eher um Themensetzungen. Und da strahlen die Kulturveranstaltungen halt viel weiter als das Kinoprogramm oder erst recht die politischen Veranstaltungen.

?: Der Bahnhof ist ja generell globaler und vielschichtiger aufgestellt als vergleichbare Häuser. Wie beisst sich das mit dem derzeitigen offiziellen Verständnis von Metropolentum und Leuchtturm-Debatten im aktuellen Kulturdiskurs? Man hat ja oft den Eindruck, dass mit der Aura dieser gewachsenen Zentren Werbung gemacht wird für Standorte, in denen sich dann letztlich höchstens Agenturen und Webdesigner ansiedeln.

!: Grundsätzlich gilt: Wenn es denn schon eine „Metropole Ruhr“ gibt, dann auch, weil es Zentren wie den Bahnhof, das GREND oder den Ringlokschuppen gibt! Solche locations gehören zwingend zur Urbanität einer Region wie dem Ruhrgebiet dazu, erhöhen für Einheimische und Externe die Attraktivität und Lebensqualität. Vieles, was heute im Ruhrgebiet als Touristenattraktion gilt, gäbe es nicht mehr, wenn es die freie Szene nicht gegeben hätte. Ein Beispiel: Die Jahrhunderthalle in Bochum, heute der bekannteste Spielort der Triennale, wurde zuerst vom Thealozzi und dem stahlhausen enterprise theatral bespielt. Da haben wir einiges zum Bewusstseinswandel beigetragen!
Dann: Soziokulturelle Arbeitsweisen haben sich auch in den großen Institutionen durchgesetzt. Welches Museum kommt heute noch ohne vermittelnde, kulturpädagogische Angebote aus, oder welches Theater ohne „junges Theater“ oder Jugendclub? Weiter: KünstlerInnen, die in den Zentren groß und bekannt geworden sind, bevölkern heute auch Fernsehsendungen, Konzerthäuser und und und.
Aber: Es gibt immer noch eine sehr hierarchische Wahrnehmung von künstlerischer Qualität durch Medien und auch die Politik. Es hat den Anschein, dass alles was in den großen Theatern, in den Konzerthäusern zur Aufführung kommt, gut und wichtig ist, während die Qualität der Freien und Soziokulturellen eher geringer geschätzt wird. Nicht zuletzt drückt sich das auch in barem Geld aus.

?: Kurz zurück zum System Bahnhof: Man hat ja manchmal den Verdacht, es könnte sich bei solchen ehemals besetzten Häusern und ähnlichem um so etwas wie Ein-Generationen-Projekte handeln…

!: Die Gefahr besteht. Ein großes Problem, das durchgängig viele vergleichbare Zentren haben, ist dass es sehr schwer fällt, Nachwuchs in die Teams zu integrieren. Das hat verschiedene Gründe: Die Gründergeneration waren in der Regel Autodidakten, ohne entsprechende passende Berufsausbildung, ursprünglich also tätigkeitsfremd, was einen Wechsel in andere Arbeitsbereiche schwer macht; wir haben außerdem auch aufgrund der hohen Identifikation der Mitarbeiter mit dem Haus eine sehr geringe Personalfluktuation und natürlich aus Geldmangel wenig Möglichkeiten, neue Stellen zu schaffen. Hier fehlt es eindeutig an tragfähigen Konzepten, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Der Bahnhof versucht z.B. mit der Schaffung von Arbeitsplätzen oder längerfristigen Praktikastellen hier ein wenig entgegenzuwirken. Aber es ist klar, das reicht noch nicht aus.

?: Abschließend: Wie geht es dem Bahnhof 2009, nach größeren Nöten Anfang des Jahrzehnts und dann dem Ausbau letztens mit dem Studio 108?

!: Wir haben teilweise deutliche Kapazitätsprobleme im Rahmen unserer wirtschaftlichen und inhaltlichen Notwendigkeiten und machen daher Veranstaltungen wie Herbert Knebel oder Dieter Nuhr auch in der Jahrhunderthalle, dem RuhrCongress oder auf der Freilichtbühne in Wattenscheid. Damit zollt man auch Tribut an ein verändertes Publikum, das klarer auswählt, ärmer geworden ist und deshalb auch weniger experimentierfreudig.
Ganz allgemein gilt auch, dass die Zahl der Kulturorte enorm angewachsen ist und noch weiter wächst: Allein in der unmittelbaren Nähe des Bahnhofs gibt es in den letzten Jahren neu das domicil und das Konzerthaus in Dortmund, das Zeltfestival Ruhr, demnächst das neue FZW in Dortmund, die Spielstätte der Symphoniker, die Marienkirche und das sogenannte Goosen-Theater in Bochum. Alle bemühen sich fast um das gleiche Publikum, d.h. die Gefahr besteht der Kuchen bleibt gleich groß, die Stücke werden kleiner. Hier gilt es, tatsächlich neue Publikumsschichten zu erschließen. Noch profitiert der Bahnhof von seinem Ruf, seinen Erfahrungen und Kompetenzen, aber wir können uns darauf nicht ausruhen, sondern müssen uns der Tatsache des wachsenden Angebotes stellen.

?: Besten Dank für das ausführliche Gespräch!

Einer flog über das Kuckucksnest I: Theater Oberhausen

FM Einheit. Foto: FH Einheit

33 Jahre nach Miloš Formans fünffach Oscar-prämierter Verfilmung mit Jack Nicholson in der Hauptrolle wird das Kuckucksnest direkt von zwei Theatern im Revier überflogen: Oberhausen startete am 22. Februar, Bochum wird eine Woche später nachziehen.

Die Dramatisierung von Dale Wassermann wurde 1963 uraufgeführt, 1977 war sie erstmals in Deutschland zu sehen. Laut dem deutschen Verlag Rowohlt hat das Stück einen festen Platz im Repertoire, indes kann ich mich an keine Inszenierung während der letzten zehn Jahre erinnern.

Um einer Gefängnisstrafe zu entkommen, lässt sich der Kleinkriminelle Randle McMurphy in die Psychiatrie einweisen. Dort trifft er auf eine Reihe von Patienten, die unter der Fuchtel von Oberschwester Ratched stehen. Zwischen dem aufmüpfigen McMurphy und Ratched entspinnt sich ein Machtkampf.

Der Regisseur Stefan Maurer arbeitet auch in dieser Inszenierung mit FM Einheit zusammen, der die Musik für das Stück komponiert hat. Schon vor Beginn der Vorstellung kann sich der Zuschauer in den Wahnsinn der Psychiatrie hineindenken, wenn er auf seinem harten Sessel des kleinen Theaters Platz genommen hat und immer den gleichen verzerrten Loop hört. Zwei Patienten – in Oberhausen ist die Dramatis personae zusammengestrichen, hier sind acht Personen auf der Bühne, während es in Bochum vierzehn sein werden – sind schon auf der Bühne: Dale Harding und Häuptling Bromden. Dieser hat von Regisseur Maurer eine Flüchtlingsbiographie angedichtet bekommen, und so ist er kein indianischer Ureinwohner wie in der Romanvorlage, sondern Flüchtling aus dem Irak, welcher an der Willkür der Einwanderungsbehörde verzweifelt und dem Wahnsinn anheim fällt. So fegt er beständig die Bühne, während die anderen Patienten bizarre Gruppensitzungen unter Schwester Ratcheds Leitung absolvieren, in denen sich weitere Flüchtlingsschicksale offenbaren.

Stefan Maurer und seiner Dramaturgin liegt dieser Aspekt sehr am Herzen, neben der Weiterdichtung des Textes sind in der Pause im Foyer des Theaters Videointerviews mit Flüchtlingen zu sehen, Infomaterial liegt aus. Der Fokus auf die Problematik wirkt etwas angestrengt und lenkt leider von der eindrucksvollen Schilderung der Missstände in dieser Psychiatrie ab: die Patienten werden von einer zwei Meter großen Tablette sediert, Sinn und Nutzen von Elektroschocks werden vorgestellt, Dr. Spivey, der Arzt, hat nur Floskeln zu sagen, welche das Ensemble als Chor herunterbetet und überhaupt ist der Herrscher der Station Schwester Ratched, welche selbst in ihrer Abwesenheit von der Szene per Lautssprecher mit ihren Untergebenen zu kommunizieren vermag.

McMurphy torpediert Ratcheds Diktatur und wettet, dass er es schafft, die Schwester zu zermürben. Höhepunkt seiner Revolution stellt eine wilde Party dar. Ratched sitzt indes am längeren Hebel: McMurphy, von dem man kolportiert, er sei geflüchtet, wird im Krankenhausnachthemd auf einer Sackkarre auf die Bühne gefahren – man hat bei ihm eine Lobotomie („Das ist eine Kastration fürs Hirn“) durchgeführt.

Stefan Maurer ist eine gute Inszenierung eines sehr guten Stücks gelungen. Der Abend bietet sehr komische, melancholische und auch schreckliche Momente, wegen derer sich eine Reise in die „Theater-Provinz“ unbedingt lohnt.

Oberhausen hat die Latte für das Kuckucksnest sehr hoch gelegt. Bis zur Bochumer Premiere am 29. Februar empfehle ich zum Zeitvertreib die Anstalt der misshandelten Kuscheltiere.

„Wir wollen kein zweites BenQ“

Nokia Protest: Foto: Görges

Ein Nokia Mitarbeiter berichtet über die Betriebsversammlung von Nokia in der Westfalenhalle

"Wir wollen kein zweites BenQ"

Unter diesem Motto stand die Betriebsversammlung der Nokia Mitarbeiter heute in der Westfalenhalle.
“Es ist kein Vertrauen mehr in Nokia” so Gisela Achenbach, die Betriebsratsvorsitzende, das habe sich die Firma gründlich verspielt. Daher besteht auch kein Vertrauen in die Lösungen, die Nokia für die Mitarbeiter der Automobilsparte und der CoreSoftware anbietet. “Dieses Vertrauen kann Nokia ganz schnell wiedergewinnen”, dazu müssen sie nur auf die Forderungen der Betriebsräte eingehen. Die stellten die Abfindung für alle an die erste Stelle. Egal, ob die Mitarbeiter danach von  irgendwelchen Düsseldorfer Private Equity Partnern übernommen werden, von Indischen Technologiefirmen oder sonstwem. Denn wer kann nach dem Fall „BenQ“ noch einem sogenannten Investor trauen? Technologie wird kopiert, wird in den Fernen Osten mitgenommen und nach einem Jahr ist wieder Schluss für die Mitarbeiter. Daher müssen alle Nokianer gleich behandelt werden, auch wenn sie von irgendwem übernommen werden sollen. Darüberhinaus werden die Investoren für die neuen Arbeitsplätze genau angerschaut. Zur Not tut es wohl auch eine Transfergesellschaft, die dann ab 1.1.2009 arbeitet. Bis dahin möchte der Betriebsrat die Anstellungen bei Nokia behalten, zumal das aufgrund des Zeitplanes und der Kündigungsfristen fair und sinnvol wäre. Für schwerer Vermittelbare soll es 2010 noch ein halbes Jahr Transfergesellschaft geben. All das kann der Arbeitgeber am Tag direkt nach der Betriebsversammlung unterschreiben, und so das gemeinsame Ziel erreichen, schnell Klarheit zu schaffen.
Zumindest sind die Bereiche Automotive und CoreSoftware Teil der Verhandlungen, so der Vertreter der Arbeitgeber auf der Versammlung, der auch ein Hauptaugenmerk auf die alternativen Beschäftigungen legt. Für ihn ist wichtig, dass Teams erhalten werden müssen, um ganze Teile sinnvoll verkaufen zu können. Was ihm natürlich die Frage aus der Belegschaft eingehandelt hat, warum – wenn Nokia trotz der Gewinne geht – dann jemand anderes in Bochum weitermachen solle.
Zumindest sagte der Arbeitgebervertreter, dass man sich verantwortlich fühle. Schadensbegrenzung, die ein wenig spät kommt, aber Nokia hat ja immer noch die Möglichkeit, seinen Ruf wenigstens im Nachhinein wieder etwas gerade zu rücken. Wirklich Wesentliches hat Nokia aber nicht verkündet, so der Eindruck bei der Belegschaft. Ein ehemaliger BenQ- und inzwischen Nokia-Mitarbeiter merkte an, er habe das alles schoneinmal gehört, dass man sich nach Investoren umschaue, dass man versuche, Arbeitsplätze zu erhalten undsoweiter. Und damals bei Benq habe er auf seine Abfindung verzichtet, weil er dachte es geht wirklich weiter.
Ein Lichtblick die Aussage von Klaus Goll, dem deutschen Nokia-Chef, der bei dem Verhandlungen am Mittwoch als Vertreter des Arbeitgebers teilgenommen hatte und die Forderungen des Betriebsrates kommentierte: „Wir haben nicht zurückgewiesen, was uns vorgetragen wurde“.

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Update2: Wenig Neues bei Nokia

 
Nokia Demo in Bochum. Foto: Görges

Heute treffen sich die Mitarbeiter von Nokia um 10.00 Uhr in der Westfalenhalle, um sich vom Betriebsrat über den neuesten Stand der in dieser Woche aufgenommenen Verhandlungen mit der Unternehmensleitung informieren zu lassen. Um 13.00 Uhr ist dann eine Pressekonferenz. Ob sich der Weg nach Dortmund lohnt, darf bezweifelt werden, denn nach uns vorliegenden Informationen haben die Verhandlungen bisher keine Ergebnisse gebracht: Die IG-Metall und der Betriebsrat haben ihre Forderungen – Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze am Standort Bochum und eine üppige Abfindung – vorgetragen. Die IG-Metall strebt eine Rekordabfindung an, Harald Dix, der als Betriebsrat bei AEG in Nürnberg die bislang höchste Abfindung in Deutschland heraus geholt hat, ist schon seit längerem in Bochum. "Nokia soll bluten, die machen hier einen gesunden Standort platt, um ein paar Cent zu sparen", so die Hoffnung eines Nokia Mitarbeiter.

Auch die Geschäftsleitung hat in den Gesprächen mit dem Betriebsrat bislang wohl keine "innovativen Vorschläge" gemacht, sondern nur auf altbekanntes wie den Verkauf der Automotive-Sparte  verwiesen. In den vergangenen Tagen habe ich mit einem  Professor der Ruhr-Uni über Nokia gesprochen, der mit seiner Meinung leider nicht zitiert werden möchte. Der meinte, dass Nokia  sich im Fall Bochum nicht großzügig zeigen wird. Nokia sei ein kühl rechnendes Unternehmen, das nicht viel mehr machen wird, als es muß.

Update2: Am 30. Juni ist Schluß – dann macht Nokia dicht. Der Betriebsrat will, das Nokia erst Ende 2008 den Standort zu macht und dass die Mitarbeiter dann für ein Jahr in eine Beschäftigungsgesellschaft wechseln. Sonderfälle (Behinderte etc.) ein halbes Jahr länger. Sie werden dann später arbeitslos. Nokia hat dem noch nicht zugestimmt. Die Kosten einer solchen Gesellschaft werden zwischen öffentlicher Hand (Bundesanstalt für Arbeit, EU etc.) und Unternehmen aufgeteilt. Es gibt über die Arbeit solcher Gesellschaften keine Untersuchungen. Ein Mitarbeiter einer solchen Gesellschaft hat mir aber einmal gesagt, dass der Schnitt der vermittelten Arbeitnehmer bei 40% liegt. Bei Opel waren es allerdings nur 25 %. Beschäftigungsgesellschaften sind ein floriernder Markt, auf dem vor allem gewerkschaftsnahe Unternehmen agieren. Da trifft es sich gut, dass der Rechtsanwalt des Nokia-Betriebsrates, Horst Welkoborsky,Geschäftführer eines solchen Unternehmens ist: Der BAQ, die auch schon für die Opel-Mitarbeiter tätig war und ihren Sitz im Bochumer IG-Metall Gewerkschaftshaus Jahrhunderthaus hat. Herr Welkoborsky war auch Anwalt des Opel-Betriebsrates. Ach, das Ruhrgebiet ist ein Dorf. Jeder kennt jeden.


SPD im RVR stellt sich nicht hinter den Verband


Hat gut Lachen: Martina Schmück-Glock (SPD). Foto: Ruhrbarone

Nachdem bekannt geworden ist, dass in der Ruhrgebiets-SPD Pläne kursieren, den Regionalverband aufzulösen und durch einen neuen Städtebund zu ersetzen, der von den Oberbürgermeistern und Landräten dominiert sein und auch kein eigenes Parlament mehr haben soll, haben sich die Fraktionen von Grünen, FDP und CDU gegen die Pläne zur Abschaffung des RVR gestellt. Heute hat nun die SPD-Fraktion im RVR getagt. Die Genossen konnten das Thema nicht ignorieren – also haben sie eine windelweiche Erklärung abgegeben, in der an keiner Stelle davon die Rede ist, dass SPD-regierte Städte aus dem Verband nicht austreten sollen. Im Gegenteil: Wenn die SPD im letzten Absatz von der Stärkung des Verbandes als kommunalem Verband spricht, bedeutet das: Der RVR soll nicht für das Ruhrgebiet planen dürfen. Das wird er aber ab 2009 laut Gesetz können.

In der Fraktion sind auch zahlreiche Oberbürgermeister – man kann davon ausgehen, dass die eine  Stellungnahme gegen Austritte ihrer Städte aus dem Verband nicht mitgetragen hätten. Anscheinend hält sich die RVR-Fraktion der SPD für so unwichtig, dass sie sich selbst noch nicht einmal für ihr eigenes Überleben engagiert. Dass eine RVR-Fraktion zudem dagegen ist, dass das Ruhrgebiet ein gemeinsamer Planungsraum wird, steigert die Absurdität noch einmal. Die Fraktionsvorsitzende Martina Schmück-Glock. In der Fraktion bestimmt allerdings nicht Schmück-Glock, sondern die Oberbürgermeister der SPD. Sprich: Dortmunds OB Gerhard Langemeyer.

 

Erklärung der Mitglieder der Sozialdemokratischen Fraktion im Regionalverband Ruhr am 21.02.2008
 
In ihrer heutigen Fraktionssitzung hat sich die SPD-Fraktion im Regionalverband Ruhr (RVR) mit der in den Medien verbreiteten Diskussion über die Zukunft des Regionalverbandes beschäftigt. Sie erklärt dazu folgendes:
 
 
Mit dem Ergebnis der Kommunalwahl 2004 hat die SPD gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner Bündnis 90 / Die Grünen in der Verbandsversammlung des RVR Verantwortung für die Entwicklung der Metropole Ruhr für die Dauer der Wahlperiode übernommen und die Gestaltung der Zukunft der Metropole Ruhr begonnen.
 
Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen einen deutlichen Mehrwert für die Region durch die Tätigkeit des RVR erkennen. Neben den bisher erfolgreich wahrgenommenen Aufgaben zeigt sich dies beispielhaft bei der erfolgreichen Bewerbung um die Kulturhauptstadt 2010, der  Installierung der regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaft metropoleruhr GmbH, der langfristigen Sicherung der Route der Industriekultur, der Beauftragung der Masterpläne „Luftreinhaltung“, „Sport“ und „Kultur“, den Aktivitäten im Emscher Landschaftspark oder denen der Ruhrtalinitiative, den erfolgreichen gemeinsamen Messeauftritten der Mitgliedsstädte und -kreise wie z. B. bei der Expo real und MIPIM, sowie bei der im Jahr 2009 geplanten ITB in Berlin.
 
Trotz des erkennbaren Mehrwerts für die Region und die beteiligten Kommunen ermöglicht das RVR-Gesetz jedem einzelnen Mitglied, über einen Verbleib im Verband selbst zu entscheiden.
 
Die Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen verstehen den Verband als eine rein kommunal/regional tätige Einrichtung zur Bündelung und Vernetzung der kommunalen und regionalen Kräfte im Aufgabenbereich des RVR und bekennen sich zu dessen Tätigkeit. Sie unterstützen weitere interkommunale, teilregionale und regionale Kooperationen, die über das Tätigkeitsfeld des RVR hinausgehen.
Sie setzen sich dafür ein, das Planungsrecht im Ruhrgebiet nicht wie von der schwarz-gelben Landesregierung beschlossen in einem Planungsdenken von vor 30 Jahren zu gestalten, sondern ein modernes Planungsinstrumentarium zu schaffen, das Planung entstaatlicht und kommunalisiert. Beispielhaft für kommunal initiierte Prozesse kann der Masterplan Ruhr sein.
 
Die Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen wenden sich mit Nachdruck gegen eine Vermischung mit staatlichen Aufgaben. Sie lehnen die Übertragung der Regionalplanung auf den Verband ab 2009 ab. Gleiches gilt für die von der Landesregierung angestrebten Umwandlung des Regionalverbandes zu einer staatlichen Behörde ab dem Jahr 2012.
 
Die SPD-Fraktion im RVR begrüßt daher den Beschluss des SPD-Landesvorstandes vom 14.12.2007, der sich klar für eine Stärkung des RVR als kommunalen Verband ausspricht.

 

Welt sieht Kreis auch weiterhin im RVR

Jochen Welt. Foto: Ruhrbarone

Jochen Welt, der Landrat des Kreises Recklinghausen, sieht den Kreis Recklinghausen nicht vor dem Austritt aus dem Regionalverband Ruhr. „Dafür gäbe es im Kreistag keine Zwei-Drittel-Mehrheit.“
Den Plänen anderer Oberbürgermeister und Landräte, alternativ zum RVR einen neuen Verband zu schaffen, steht Welt jedoch positiv gegenüber: „Den RVR-Vorstand mit den Oberbürgermeistern und Landräten des Ruhrgebiets abzuschaffen, war ein Fehler der Landesregierung. Dass wir uns jetzt neue Formen der Zusammenarbeit suchen, war doch klar und ist auch legitim.“ Ob das langfristig Auswirkungen auf die Zukunft des RVRs haben wird, könne heute niemand seriös vorhersagen. Welt sprach sich auch dagegen aus, dem RVR die Regionalplanung zu übertragen. „Ich bin gegen eine Vermischung staatlicher und kommunaler Aufgaben. Ich sehe bei mir im Kreis ja, dass das zu Schwierigkeiten führt.“
Welt bevorzugt für das Ruhrgebiet ein Modell, bei dem es eine zuständige staatliche Ebene für das Ruhrgebiet gibt und parallel dazu eine eigene Organisation der Städte – wenn auch anfangs ohne Parlament. „Wir müssen erst die stärkere Zusammenarbeit der Städte organisieren und dann auch für eine parlamentarische Kontrolle sorgen.“

Zöpel: „Städteverbund ist galoppierender, provinzieller Schwachsinn!“

Christoph Zöpel. Foto: Ruhrbarone

Christoph Zöpel (SPD), ehemaliger Landesminister und Staatsminister im Auswärtigen Amt, ist von der Idee seiner Parteifreunde, den RVR aufzulösen und stattdessen einen losen Städteverbund zu gründen, wenig angetan: "Diese Idee ist galoppierender, provinizieller Schwachsinn!" Nirgendwo auf der Welt gäbe es ein Beispiel für eine erfolgreiche Kooperation ohne rechtlich verbindliche Grundlage und ohne ein gewähltes Parlament. "Da wird das Ruhrgebiet keine Ausnahme sein", so Zöpel. Das Ruhrgebiet brauche einen rechtlichen Rahmen und ein direkt gewähltes Parlament. "Ideal wären zwei Kammern: Eine, in der die Städte vertreten sind und eine zweite, die von den Bürgern gewählt wird." Dies seien die einzigen Garanten dafür, dass die Interessen aller auch vertreten werden. Zöpel sprach sich auch für die Schaffung eines Ruhrbezirks aus, wie ihn die Landesregierung plant – allerdings mit stärkeren demokratischen Elementen.
 

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CDU: Keine Alternative zum RVR – Skepsis bei der Bochumer SPD

 
Roland Mitschke (CDU)

Auch die Union reagiert geschockt auf die Pläne führender Sozialdemokraten und Oberbürgermeister, den RVR durch einen neuen Verband zu ersetzen, der kein Parlament mehr hat und von den angeblich so starken Oberbürgermeistern und Landräten des Reviers dominiert wird. Der Regionalverband Ruhr – so Roland Mitschke, Fraktionsvorsitzender im Ruhrparlament – arbeitet auf vom Landtag verabschiedeter gesetzlicher Grundlage mit gesetzlichen Pflichtaufgaben. Der RVR steht somit nicht in der Verfügung von Oberbürgermeistern und Landräten. Die kreisfreien Städte und die Kreise, so Mitschke weiter, hätten allerdings die Möglichkeit, in den Räten und Kreistagen in diesem Jahr Beschlüsse zum Austritt aus dem RVR, jedoch mit 2/3 Mehrheit, herbeizuführen. Mitschke hält das, mit Ausnnahme des Kreises Wesel, für aussichtslos. Die CDU kritisiert allerdings die RVR-Führung. Regionaldirektor Klink und seine drei Bereichsleiter liessen jegliche Führung und Initiative vermissen. Weder die Politik noch die Wirtschaft akzeptierten die RVR-Spitze als ernsthaften Gesprächspartner. Klink hatte, so die CDU, – nach eigener Aussage – nicht einmal eine Einladung zum Zukunftskongress des Initiativkreises erhalten.

Auch in der SPD haben die Austrittspläne einiger Genossen nicht nur Freunde. Der Vorsitzende der Bochumer SPD, Bernd Faulenbach, sieht zwar in der Abschaffung des von den Oberbürgermeistern und Landräten dominierten Vorstandes eine Schwächung des Regionalverbandes, ein Grund zum Austritt aus dem RVR ist das für ihn nicht. Vor wenigen Wochen auf die damals schon kursierende Gerüchte angesprochen, erklärte Faulenbach: "Die Bochumer SPD wird so etwas nicht unterstützen."

Auch die FDP stellt sich gegen die Pläne der SPD. Thomas Nückel, bei den Ruhrbaronen so etwas wie der fünfte Beatle und ein wenig schreibfaul, ist Fraktionsvorsitzender der FDP im RVR. Thomas Nückel in einer Erklärung: „Der nun vorgeschlagene Städtebund ist ein Konstrukt, das für „Kirchturmdenken und Behäbigkeit der OBs“ steht – und das ohne parlamentarische Kontrolle." Nückel unterstellt Langemeyer Gier auf die Unternehmen des RVR – die allerdings zumeist knapp an der Pleite vorbei agieren und hochsubventioniert sind. Wer bei Sinnen ist, wird sie nicht haben wollen. Thomas Nückel trotzdem: "Es besteht die große Gefahr, dass Langemeyer sich über diesen Umweg die Unternehmen des RVR (z.B. AGR) einverleiben will, um einerseits seinen langgehegten Traum vom einem Dortmunder Kommunalkonzern zu verwirklichen und so anderserseits auch seine großen Probleme vor Ort zu lösen – auf Kosten der Bürger der Metropole Ruhr."

Rot-Grün streitet um den RVR

Die Grünen sind sauer auf die SPD. Foto: Flickr/Helga_262

Unsere kleine Meldung über das drohende Ende des RVR hat rasch für Aufmerksamkeit gesorgt. Mittlerweile hat nicht nur die WAZ das Thema aufgegriffen, auch die Politik beschäftigt sich mit den Plänen der Sozialdemokraten, die einzige Ruhrgebietsorganisation zu zerschlagen, und durch einen Oberbürgermeisterverein zu ersetzen. Zugegeben, unter seinem jetzigen Chef Heinz-Dieter Klink ist der RVR wahrlich keine treibende Kraft im Revier, aber eines, hoffentlich nicht allzu fernen Tages, wird Klink zu Hause dem Müßiggang frönen und jemand auf seinem Sessel sitzen, für den Arbeit, Engagement und Herzblut keine Fremdworte sind und der sich seiner Verantwortung für über fünf Millionen Menschen im Ruhrgebiet bewusst ist. Als erstes sind die Grünen aufgewacht. Zwar haben sie als Koalitionspartner der SPD den kleinen Mann aus Gelsenkirchen zum RVR-Direktor gewählt, zum Erfüllungsgehilfen der Sozialdemokraten bei der Zerschlagung des Reviers wollen sie sich jedoch nicht machen. Auf Ablehnung stößt auch der Versuch, das Ruhrparlament zu schleifen. Die Grünen reagieren mit Unverständnis: Sabine von der Beck, Fraktionsvorsitzende der Grünen im RVR, weist darauf hin, dass der Regionalverband auf wichtigen Feldern wie etwa in der regionalen Wirtschaftsförderung, der Kulturhauptstadt RUHR.2010 und der gemeinsame Regionalplanung ab 2010 die richtigen Schritte hin zu einer zukunftsfähigen Metropole gerade erst nachhaltig eingeleitet hat: „Ich kann nicht glauben, dass die SPD-Parteibasis es nun einigen wenigen Oberbürgermeistern einiger weniger großer Städte durchgehen lässt, diese zentralen Errungenschaften auf dem Altar ihrer lokalen Sonderinteressen zu opfern.“
Auch Martin Tönnes, Fraktionsvorsitzender der Grünen im RVR, ist von den SPD-Plänen nicht begeistert: "Wir fordern mehr und nicht weniger regionale Demokratie! Anstatt die mittelbaren demokratischen Institutionen des Regionalverbands zu beseitigen, setzen wir uns für deren Stärkung ein. Wir wollen eine Direktwahl des Ruhrgebietsparlaments und des Regionaldirektors als oberstem Repräsentanten der Metropole Ruhr."

Hinter den Kulissen diskutieren einige Grüne schon, ob nicht der Zeitpunkt gekommen ist, die Koalition mit der SPD im RVR aufzukündigen. Schon einmal, 2005 bei der Wahl von Hanns-Ludwig Brauser zum Chef der Wirtschafsförderung, waren die Grünen zum Absprung bereit. Die CDU verpasste jedoch die Chance auf eine Schwarz-Grün-Gelbe Koalition im Revier und setzte auf die Zusammenarbeit mit der SPD. Die kam aber nicht zu Stande.