Gummipalmenrennen am Frankfurter Kreuz

Immer wieder gibt es Geschäftsideen, die schon auf den ersten Blick bestechen. Heute bin ich wieder auf eine gestossen.

Gumpalm2008: Auch am Internetauftritt wurde nicht gespart! Foto: Ruhrbarone

Die Sunrise GmbH aus Frankfurt/Main verfügt nicht nur über einen ausgesprochen schönen Namen, sondern steht einem Firmenimperium vor, dass auch in der pulsierenden Main-Metropole wohl einzigartig ist. Zu dem Konzern gehört ein Unternehmen, dass sich um  "die weltweite Vermarktung der in Eigenregie entwickelten Echtblatt-Dekopalmen" sorgt, ein Handel für Büromöbel und  der Vertrieb von formschönen, runden Weltkugeln . Nun steigt Sunrise in den Motorsport ein, wie mir das Unternehmen vertrauensvoll in einer Presseerklärung mitteilte:

GUMPALM 2008 – Das Autobahnkreuzrennen (Reichenrallye) für Millionäre am 8.8.8
 
Das spektakulärste Autorennen des Jahres findet am 8.8.8 in Frankfurt auf dem Autobahnkreuz statt. Die Firma Sunrise GmbH, bekannt durch die weltweite Vermarktung der in Eigenregie entwickelten Echtblatt-Dekopalmen, veranstaltet das GUMPALM 2008 Straßenrennen. Der Name spricht für sich, denn es soll auf dem Frankfurter Kreuz viel Gummi gelassen werden. Die Startgebühr beträgt 10.000,- Euro. Mitmachen dürfen gut betuchte Fahrer von Sportwagenboliden ab 420 PS. Es werden exotische Wagen aller Marken erwartet wie z.B. Ferrari, Pagani Zonda, Lamborghini, Mercedes SLR, Audi R8, De Tomaso, Maserati, Jaguar, Aston Martin, Porsche Carrera GT Im Gesamtwert von 30 Millionen Euro. Dem Gewinner winkt ein Preisgeld von 1 Million Euro! Wer mit zu den 150 Piloten gehören möchte meldet sich unter gumpalm.com an. Die Rennstrecke (das Frankfurter Kreuz) ist 2.54 Kilometer lang. Der Veranstalter hat schon auf der offiziellen Homepage die ersten Trainingsvideos eingestellt. Das Rennen geht über 120 Kurven. Pikant: Das Rennen wird während des normalen Straßenverkehrs gefahren, was aber aufgrund der 2-spurigen Beschaffenheit des neuen und für Autorennen geeigneten Autobahnkreuzes kein Problem darstellt. Es sind weitere Kreuzrennen geplant. Man darf auf ein aufregendes Spektakel gespannt sein, dass die Welt noch nicht gesehen hat!

Als Teilnehmer zugesagt hat wohl schon Prinz Marcus von Anhalt. Der Bordell- und Clubbesitzer hat sich von Frédéric von Anhalt adoptieren lassen. Nun sieht die Internetseite zum Gummipalmenrennen allerdings eher so aus, als ob sich am 8. August am Frankfurter Kreuz vor dem nächsten TÜV zitternde Fiestas, Kadetts und Golfs versammeln werden, aber man kann es ja mal versuchen. Mit der Idee, den Reichen das Geld aus der Tasche zu ziehen ist allerdings erst kürzlich das Magazin Rich gescheitert – aber ein Gummipalmenrennen ist ja eine ganz andere Liga. Vielleicht ist das aber auch alles eine lustige Titanic-Aktion und wir können in der kommenden Ausgabe lesen, welche Prominenten sich für das Rennen angemeldet haben: Franjo Pooth ("Ich brauch das jetzt zur Entspannung"), Barbara Herzsprung ("Ich komme mit einem geliehenen Wagen")  oder Willi Herren ("Geht auch ohne Fleppe, ne?") wollen sicher auch dieses Mal dazugehören, wenn es wieder darum geht, sich durch den kakaohaltigen Fett ziehen zu lassen.

Wer braucht noch die SPD?

Die SPD sackt in den Umfragen in lange nicht gekannte Tiefen. Der Verfall der ältesten Partei Deutschlands ist erschreckend. Die Krise ist indes nicht neu, sie eskaliert nur – und die Frage drängt sich auf: Wer braucht noch die SPD – und für was?

20% bekommt die SPD aktuell in den Umfragen – die Führung der Partei scheint intensiv an dem Projekt 18 zu arbeiten – und in vielen Bundesländern (Ostzone, Bayern etc.) wäre auch das schon ein Erfolg. Wenn eine Partei, die in Deutschland seit weit über hundert Jahren ein Symbol für den demokratischen Wandel war, so abschmiert, stellt sich die Existenzfrage. Wer braucht noch die SPD? Woaraus besteht ihr einzigartiges Profil? Weite Teile der sozialdemokratischen Programmatik findet sich auch in den Programmen von CDU und CSU wieder. Für Bürgerrechte setzen sich FDP und Grüne ein. Umwelt machen alle und wer Sozialromantik mag, wird von der Linkspartei bedient. Die Gruppen, die am meisten von der SPD profitiert haben, die in den vergangenen Jahrzehnten den sozialen Aufstieg geschafft haben, wählen sie nicht mehr. Undankbarkeit – vielleicht nicht schön, aber Realität. Das Prekariat – oder die, die sich dafür halten, votieren auch nicht mehr für die Genossen. Das Bürgertum eh nicht. Die Partei ist überaltert. Ihr Umfeld aus AWO und Gewerkschaften schwächelt. Wie wird es weiter mit der SPD gehen – und geht es weiter oder hat sich die SPD so überlebt  wie die Zentrumspartei?  Ist  die  Fusion mit der  Linken unter einem Vorsitzenden Lafontaine die Rettung? Oder macht bald der Letzte das Licht aus? Eine Einladung zur Diskussion…

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CVC kauft 25,1 Prozent Evonik

Das Rennen der Finanzinvestoren um die erste Beteiligung an Evonik ist zu Ende. Gewonnen hat der britische Finanzinvestor CVC.

Bild: Evonik

Für 25,1 % des Essener Mischkonzerns Evonik zahlt CVC 2,4 Milliarden Euro. Das meldet die Welt. (Vier Stunden vor der FTD) CVC habe sich damit, so die Welt, gegen die Finanzinvestoren KKR, Bain und Blackstone durchgesetzt. Der Börsengang von Evonik, in den vergangenen Monaten von Experten als unwahrscheinlich geschildert, ist damit aber angeblich noch nicht vom Tisch: Die RAG-Stiftung will wohl weiterhin zwischen 2010 und 2012 Teile von Evonik an die Börse bringen. 25% von Evonik will die Stiftung auch künftig halten. Mit den Einnahmen aus dem Evonik-Verkauf soll das Ende des Steinkohlebergbaus in Deutschland sowie die Ewigkeitskosten finanziert werden. Reichen werden diese Einnahmen aber auf keinen Fall, denn ein gutes Viertel des Ruhrgebiets ist nur kein großer See, weil Pumpen und Abwasserkanäle das Revier vorm absaufen bewahren. Diese Pumpen müssen ewig laufen – und das ist nicht symbolisch gemeint und daher eine finanzielle Aufgabe, die man durch den Verkauf von Evonik-Anteilen kaum hinbekommen wird. Aber einer zahlt ja immer und bei allem was mit Bergbau zu tun hat, und das wird auch künftig der Steuerzahler sein. Mit dieser Tradition wird sicher nicht gebrochen.

Macnotes kommt ins Revier

Macnotes gehört zu den beliebtesten Blogs in Deutschland rund um das Thema Apple.

Nun zieht das Blog ins Revier. Neuer Sitz von Macnotes wird Bochum sein. Fliks hat Macnotes übernommen. Fliks gehört Randolf Jorberg, der im Februar gulli.com verkauft hat. Die Kommentare bei Macnotes über die Übernahme sind eher negativ. Ich persönlich habe Macnotes nur sehr selten besucht und bin Stammgast bei Macnews und Mac-Essentials.

Alternativen zur Milch

Oh Gott, Milch wird knapp. Kurz vor dem Ende von Germanys Next Top Model wissen die Mädels nicht mehr, was sie in die Badewanne kippen sollen – aber auch für die Ernährung ist Milch ganz schön wichtig. Zeit sich über das Thema Milchersatz Gedanken zu machen.

Foto: Behn.de

Die Milchbauern streiken und seit heute wird die Milch knapp – zumindest bei den Discountern. Man kann solche Versorgungsengpässe durch Verzicht umgehen – oder aber sich auf die Suche nach Ersatzstoffen machen.

– Küstennebel: Sieht aus wie Milch und wurde von Eltern für die Ruhigstellung von Kindern benutzt, bevor es den Kinderkanal und SuperRTL gab. Mit schlappen 21,8 Prozent Alkohol ist für den Nachwuchs auch noch immer der Hauptschulabschluss drin – allerdings ohne Qualifikation.

– Eselsmilch: Eigentlich ein ägyptischer Badezusatz, aber auch beliebt bei Kindern mit einer Kuhmilchallergie. Die größten Produktionsstätten liegen in Italien –  Boykotte durch verlorene EM-Spiele könnten den Preis sinken lassen.

– Sojamilch: Was dem Auto gut tut, schadet auch dem Kaffee nicht: Soja taugt als Spritersatz und hat auch das Potential, renitente Bauern klein zu kriegen.

 

Konferenz will das Ende Israels

Zum 19. Todestag von Khomeini trafen sich Geistesgrößen aus der gesamten islamischen Welt um über ihr Lieblingsthema zu disputieren: Das Ende Israels und überhaupt des ganzen Westens. 

Das Ende von Khomeini war ja tragisch: Als er starb, schaffte er es noch nicht einmal als Hauptmeldung auf die BILD-Titelseite:  Der Zusammenbruch des wirklich nahen Ostens war einfach interessanter. Ob diese mediale Peinlichkeit den Teilnehmern einer Konferenz zum 19. Todestag Khomeinis bewußt war, ist eher unwahrscheinlich. Sie hatten auch andere Probleme: Die Vernichtung Israels, das nahe Ende des Westens und die Reislamisierung Europas waren ihre Lieblingsthemen. Alles sehr gut im Transatlantic-Forum nach zu lesen, einem Blog, der von dem Bochumer Michael Kreutz herausgegeben wird.

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Duisburger Akzente – Wer beschäftigt hier wen?

Am 1. Juni gingen die 31. Duisburger Akzente zu Ende. Und es ist ein Kulturfestival das mit dem Rücken zur Wand steht, denn: Geld für Kultur auszugeben ist unpopulär, vor allem bei der Duisburger FDP, wie man hört. „Was uns beschäftigt“ heißt dann auch noch das diesjährige Motto, unter dem sich die Künstler schon einmal präventiv mit den (anderen) Arbeitslosen solidarisieren dürfen.

Festakt zur Eröffnung Mitte Mai, ein Freitag Abend. Die Presse sammelt sich um Alfred Biolek – sie kennt ihn wohl aus dem Fernsehen, und das merkt man den Artikeln am nächsten Tag auch an. Dabei könnte man die Hauptakteure des Kernstückes des Abends, „Ich sehe was, was du nicht siehst.“, auch kennen: Tim Isfort (musikalische Leitung), Eva Verena Müller (gekürt als „beste Schauspielerin NRWs“), Irm Hermann (bekannt aus Funk und Fernsehen), Uli Masuth (Kabarettist), Eva Kurowski(Sängerin), Trilok Gurtu (weltbekannter Percussionist), etc. Eigentlicher Star aber ist die Bühne, denn sie teilt das Publikum in A und B, also in eine Zweiklassengesellschaft auf. Mal kurz buchstabiert: A sieht nicht was B sieht, und umgekehrt. B hört aber was A macht, und umgekehrt. Das Stück spricht zu beiden Gruppen. Das kann (und soll) zu Irritationen führen, so am Eröffnungstag, als Zuschauerraum A tatsächlich die geladenen Gäste beherbergt und B diejenigen die für Kultur gerne auch mal selbst bezahlen. Viele aus A verstehen nicht, dass es B tatsächlich gibt, wie Tim Isfort bestätigt: „Es gab Fragen, ob das nicht etwas kühn gewesen wäre mit den Lautsprechern aus denen der Applaus kommt.“ Von B sind diesbezügliche Irrtümer übrigens nicht bekannt und auch vom zweiten Tag mit freier Platzwahl nicht. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Kulturschickeria der Region (A!) sich mit Kultur gar nicht auskennt?

Zum Stück: Verschiedene Künstlergruppen haben ihre Ideen eingebracht bei „Ich sehe was,…“, und so ist eher ein „StückWerk“, eine „Collage“ (Isfort) entstanden, worin verschiedene Facetten der heutigen Arbeitswelt (und des Diskurses darüber) dargestellt werden – nein, nicht „beleuchtet werden“, beleuchtet wird die Bühne und teils auch das Publikum sehr fachgerecht, wie auch Klang und sonstige Bühnentechnik gut funktionieren – was keine einfache Angelegenheit ist bei einer zweiseitigen und mehrgeschossigen Bühne in der Kraftzentrale des Landschaftsparks. Ebenso komplex die Proben mit den Darstellern. „Es gab nur zwei Proben mit dem vollständigen Ensemble“, so Isfort, und erklärt zum Procedere vor der Geburt des Stückes: „Die Promis sind ein ergänzender Baustein, zum lobenswerten neuen Konzept des Festivalbüros, eine Mixtur aus lokalen / regionalen Kreativkräften und eben Publikum ziehenden Namen zu kombinieren. Natürlich ist das ein schmaler Grat: zwischen inhaltlich / politisch passend und hilfreich für die Besucherzahlen.“ Da muss dann anscheinend auch mal improvisiert werden (oder Biolek eingebaut) – und dabei die Kunst nicht vergessen.

 

Fest steht: Es ist kalt und unkomfortabel in diesen Hallen und die Grundvoraussetzungen für Kunst (jenseits von Selbstzweck) werden nach wie vor verschlechtert. Da kann sich auch ein ambitioniertes und vielschichtiges Stück wie „Ich sehe was…“ im Grunde nur bemühen potentiell alle Bevölkerungsschichten anzusprechen und trotzdem Inhalte zu vermitteln: Eine Kindertheatergruppe! Dann Paul Virilio! Dann Stangenakrobatik! Ein jazziger Chanson! Goethe und Aristoteles! HipHop! Mary Shelley! Hüsch! Eine Taxifahrer-Liebesgeschichte! Filme (von Frank Bergmann) auf der Leinwand! Exotische Instrumente! Ezra Pound! Komisch, gar keine Tiere, aber manchmal sieht man Tim Isfort wie einen Zirkusdirektor in all dem Getümmel und ärgert sich prompt, wenn die billigen Plätze mal wieder nur der Stangenakrobatik Szenenapplaus gewähren oder die teuren Plätze nur der mit dem schönsten Kleid. Aber eigentlich geht es hier doch nun mal um Unterhaltung, oder? Ja?

„Wir hatten auch überlegt, einmal Hartz IV Empfänger einzuladen“, so Isfort. „Vielleicht können wir das, wenn das Stück woanders neu aufgenommen wird. Es gibt sogar eine Idee, wie das in normal gebauten Stadttheatern funktionieren kann.“ Man wünscht ihm Glück für sein Füllhorn voller Ideen und Perspektiven, das die AusEinanderSetzung verdient die es thematisiert, dramatisiert und auch noch im Untertitel trägt.

 

Weg aus den leer stehenden Industriehallen ins behagliche Zentrum Duisburger Kultur, den Dellplatz, speziell das HundertMeister. Hier spielt das Musiktheaterstück „Die Wand“ von Anja Schöne und Thorsten Töpp nach Marlen Haushofer. Wieder mit Eva Müller in der tragenden Rolle, Tim Isfort diesmal nur am Kontrabass, Frank Bergmann am Saxophon. Die Stuhlreihen stehen hier etwas enger und es ist eher stickig, dafür ist die Vorstellung ausverkauft und es gibt weniger deplatzierte Lacher. Den besten bringt Eva Müller direkt selbst mitten im Stück und beherrscht Text und Publikum weitgehend einwandfrei, die Dramaturgie stimmt aber auch ebenso gut. Die Musiker – zu nennen noch Mirjam Hardenberg (Violoncello und Gesang) und Petra Kessler (Flöten) – stehen rechts, links und hinter dem Publikum und illustrieren, konterkarieren und unterbrechen gegebenenfalls den Monolog der Protagonistin. Das Bühnenbild besteht auf das Kargste aus einem Tisch, einer Leselampe, einer Flasche und dem Textheft, mit dem und ohne das das Ensemble dem Publikum die Geschichte eines Menschen nahe bringt, die je nach Interpretationsmöglichkeiten als Kriminalgeschichte, Fieberwahn, Annäherung an das Menschsein oder Provinzdrama gelesen werden kann. Vielleicht auch als das einer Emanzipation von stupider Arbeit durch Kultur. Und dagegen kann doch eigentlich keine bürgerliche Partei etwas haben…
Die (31.) Duisburger Akzente endeten am 1. Juni.

Fotos von Markus van Offern

 

Freiheit für T-Informanten

Nehmen wir mal an, die Geschichte stimmt so, wie sie auf den Fluren der Telekom erzählt wird: Der frühere Vorstandschef Kai-Uwe Ricke und der frühere Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel haben demnach Leute der Konzernsicherheit beauftragt, Informationslecks in den eigenen Reihen zu suchen und auszuschalten. Bewiesen ist nichts und die beiden Ex-Verantwortlichen bestreiten die Vorwürfe heftig. Die Bonner Staatsanwaltschaft hat Zumwinkel und Ricke dennoch im Visier.

Wer auch immer zur Verantwortung gezogen wird, unbestritten ist, bei der Telekom wurden in den Jahren 2005 und 2006 sensible Telefondaten illegal auswertet, um vertrauliche Gesprächen zwischen Aufsichtsräten und Journalisten aufzudecken. Das ist kein Bagatelldelikt – auf das Vergehen stehen bis zu fünf Jahre Gefängnis. Zudem offenbart das Vorgehen ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie.

Warum also das Ganze? Seit dem Börsengang Mitte der 90er steht der frühere Staatskonzern immer wieder im Schlaglicht der Öffentlichkeit. Mal sickern geheime Planzahlen durch, mal wird über den Umfang des nächsten Stellenabbau-Programms spekuliert. Streitigkeiten innerhalb der Führungsriege werden sorgsam von der Presse aufbereitet. Kein Vorstand liest so etwas gerne, auch Ex-Chef Ricke nicht. Wurde sein Vorgänger Ron Sommer noch als Sonnenkönig und Weltenbürger mit Hang zur Arroganz dargestellt, so muss er sich wie ein mürrischer Gutsverweser beschrieben sehen. Ricke sei ein Zögerer und Zauderer, stand da in den Zeitungen. Und auch wurde berichtet, er sei einer, der den Laden nicht im Griff habe. Ricke, Zumwinkel und auch andere Manager haben sich über die Indiskretionen immer wieder geärgert, heißt es im Konzern.

Diese Indiskretionen waren aber wichtig und vor allem richtig. Denn unter Ricke drohte die Telekom ins Abseits zu schlittern; die Kunden liefen in Massen davon, bei der Auslandsexpansion hinkte der Riese hinterher. Die spanische Telefonica zog mit dem Kauf von O2 an der Telekom vorbei; Vodafone sammelte zugleich Beteiligungen in Schwellenländer. Beide punkteten an der Börse. Was tat die Ricke-Mannschaft? Sie sparte und musste ihre Prognose revidieren. Zu dem Zeitpunkte senkten viele Finanzanalysten und Branchenbeobachter den Daumen; die T-Aktie klebte am Boden und mit ihr die Hoffnung vieler Investoren. Denn auch wenn die Telekom dies mittlerweile bestreitet: Das Telekom-Papier ist eine Volksaktie mit rund drei Millionen Anteilseignern. Damit dürfen bei der Telekom-Hauptversammlung theoretisch mehr Menschen abstimmen als bei einer Wahl in Irland oder Slowenien.

Die Aktionäre haben ein Recht auf Information, was ihnen aus meiner Sicht unter der Ägide von Ricke verwehrt wurde. Wie jedes börsennotierte Unternehmen ist die Deutsche Telekom AG den Aktionären und der Öffentlichkeit zur Offenheit verpflichtet. Für den Bonner Kommunikationskonzern gilt dies besonders, da alle Bundesbürger indirekt über den Staat an der Gesellschaft beteiligt sind.

Die Informanten, die Interna an die Presse weitergaben, erfüllt daher eine wichtige Aufgabe. Sie machten das Unternehmen transparent; die auf Lücke ausgerichtete Informationspolitik der Telekom konnte damit zumindest zum Teil ausgeglichen werden. Unverständlich ist daher, dass nun Jagd auf die Informanten gemacht werden soll. Laut „Süddeutscher Zeitung“ ermittelt die Staatsanwaltschaft Bonn gegen den Betriebsratschef Wilhelm Wegner, der den Spekulationen zufolge geplaudert haben soll. Außer vage Gerüchte gibt es dafür keine Belege. Und daher muss wie auch bei Ricke und Zumwinkel die Unschuldsvermutung gelten. Im Blick sollte man haben, dass es sich bei der Weitergabe von Interna aus dem Aufsichtsrat eher um ein Bagatelldelikt handelt – beim Ausspionieren von Telefondaten nicht.

Dass Ricke keine Plaudertaschen mag, ist verständlich. Seine Amtszeit fand im November 2006 ein vorzeitiges Ende. Zum Abgang trugen wohl auch die vielen kritischen Medienberichte bei, die dank der Informanten viel Wahres über die Telekom zutage förderten.