Wegweisend als Leuchtturm: Reiner Michalke, künstlerischer Leiter des Moers Festival
Keiner schreibt mehr über Jazz
Moerser Jazzfestival: Auf dem Kulturpolitischen Forum herrschte weitgehend Einigkeit zwischen den Experten. Das Thema: Keiner redet über Jazz – liegt es an den Medien? Auf dem Podium: Ralf Dombrowski (Spiegel Online), Stefan Hentz (Die Zeit), Wolf Kampmann (Jazz thing), Wolfgang Rauscher (Jazzzeit) und Martin Woltersdorf (Kölner Stadtanzeiger). Die Ruhrbarone dokumentieren die Ergebnisse der Debatte:
- Es gibt unglaublich viele gute Jazzmusiker. Es gibt auch immer jüngere Jazzmusiker auf hohem Niveau, aber ein überaltertes Jazzpublikum. Der Jazz hat im Verborgenen eine spannende Szene entwickelt, die auf zu wenig Resonanz trifft. Das Problem dabei: Die gesellschaftliche Relevanz ist spätestens seit der Jahrtausendwende verloren gegangen. Es blüht aber ein Nachwuchs, der mit dem Begriff Jazz nicht mehr adäquat abgedeckt ist. Viele Musikrichtungen, die selbst kein Jazz sind, bedienen sich bei Mutter Jazz.
- Der Jazz erneuert sich so von den musikalischen Rändern her. Vom Hiphop oder den Ethnomusiken kommen neue Impulse in den Jazz. Die Vermittlung der Tradition des Jazz alleine hilft da nicht weiter. Wichtig sind gleichermaßen die Weiterentwicklung des Jazz als auch die Vermittlung seiner Geschichte. Hier sind die Medien gefragt.
- Die drei bis vier professionellen deutschsprachigen Jazzmagazine, wie zum Beispiel "jazzthetik" führen den Diskurs und kämpfen für die Sache. In der Tagespresse wird der Jazz zunehmend marginalisiert. Jazz ist einfach zu schwierig, nicht populär genug. Der Platz in dem Feuilletons ist zurückgegangen. Immer öfter betreuen dort Klassik- oder Pop-Redakteure die Jazz-Berichterstattung mit. Kurz: Dem Jazz sind die Hörer weggelaufen, den Zeitungen die Leser. Beides bedingt sich.
- Es gibt keine gesellschaftliche Diskursfreudigkeit bezüglich des Jazz. Der Jazz ist einfach nicht mehr provokant, er führt nicht mehr zu Diskussionen wie zum Beispiel in den Sechziger Jahren, als Freejazz und Black Power in einem Atemzug genannt werden.
- Musik, auch Jazz, ist zunehmend austauschbar geworden. In der Flut der Musik ragt das Besondere nicht mehr sehr hervor. Und: Improvisation ist nicht mehr ein Monopol des Jazz. Wie weit geht der Jazzbegriff zur Zeit? Ralf Dombrowski redet nicht mehr nur von "Jazz", sondern von "freier improvisierter Musik" oder "ethnischer Musik". Es entstehen Spannungen in der Begegnung verschiedener Musiken und Musiker, die aufeinander treffen. Es wird einen neuen Jazzbegriff geben müssen.
- Liefert der Jazz überhaupt noch zeitrelevante Themen? Im letzten Jahrhundert war er so wichtig wie Architektur oder Bildende Kunst. Heute versinkt er innerhalb der kulturellen Wahrnehmung in der Bedeutungslosigkeit. Bis in die 90er Jahre war Jazz ein Lebensgefühl, inzwischen hat die Atomisierung der Musikstile sowie die Demokratisierung der Musikproduktion zu einer abnehmenden Signifikanz – Musik, auch Jazz, ist zunehmend austauschbar geworden. In der Flut der Musik
ragt das Besondere nicht mehr sehr hervor. Und: Improvisation ist nicht mehr ein Monopol des Jazz. - Wie weit geht der Jazzbegriff zur Zeit? Ralf Dombrowski redet nicht mehr nur von "Jazz", sondern von "freier improvisierter Musik" oder "ethnischer Musik". Es entstehen Spannungen in der Begegnung verschiedener Musiken und Musiker, die aufeinander treffen. Es wird einen neuen Jazzbegriff geben müssen.
Der Link zum Thema: www.radio-jazz-research.de
Moers 2008 war auch nicht anders: Die Szene lebt
Ein Gast-Kommentar von Stefan Pieper
Ist der Jazz wirklich ein therapiebedürftiger Patient? An diesem sonnigen Ort beim Moers-Festival betreibt ein gewisser Prozentsatz der Festivalbesucher tatsächlich Diskurse – ständig aufs Neue angeregt durch die hier so manigfaltig offerierten Momente von ästhetischer Faszination in den vielen Konzerten und Live-Projekten. Der Jazz als solcher ist dabei zur Minderheiten-Sache geworden – vor allem in seiner historisch strengen Genre-Definition. Entspricht also der vibrierende Kosmos der Moerser Zeltstadt der heutigen kulturellen und gesellschaftichen Realität?
Wo sind die gesellschaftliche Relevanz, der Umsturzgedanke und das visionäre Potenzial geblieben – etwa wenn es norwegische Freejazz-Ensembles oder der legendäre Cecil Taylor freejazzig krachen lassen? Was in den Gründerjahrzehnten verstört, wird heute in unzähligen Nischen und zahllosen ausdifferenzierten Verästelungen gehegt und von einer spezialisierten Minderheit hoch geschätzt. Die Massenmedien stellen die Abschottung gegenüber der Masse zuverlässig sicher.
Musiksendungen, in denen einzelne Autoren bestimmte Künstler präsentierten, werden ins Nachtprogramm abgeschoben und in ihrer Zeitdauer gekürzt.Wenn die Anzeigenredaktion einer Tageszeitung eine halbseitige Anzeige beansprucht, fliegt als erstes das halbe Feuilleton raus. Und dort zuerst alles, was irgendwo zwischen den Stühlen von quotenträchtigerer Pop-Kultur und etabliertem bürgerlichem Kulturbetrieb eingezwängt liegt…
….aber der ist inzwischen wunderbar vielfältig aus den engen Genre-Gleisen ausgebrochen. Die Szene lebt! Musiker, Bands und Projekte befruchten einander, bringen ihren immer größer werdenden Output ans geneigte Hörer-Ohr, ohne noch den Mechanismen der Unterhaltungsindustrie unterworfen zu sein. Hier muss eine engagierte Medienarbeit ansetzen. Bernt Noglik, einer der berufensten Jazz-Autoren im Lande, moderiert dieses Podiumsgespräch.
Er plädiert dafür, dass sich die unterschiedlichen Medienformen zusammenschließen, um sich auf öffentliche rechtliche Kulturaufträge zu besinnen und um den interessierten Musikfans auf ihren Reisen durch den immer weiter wachsenden Dschungel an zeitgenössischen musikalischen Ideenwelten zur Seite zu stehen. Der Rundfunk als Bildungsinstanz: Das klingt – aus Sicht heutiger Sicht der medialen Wirklichkeit – so antiquiert wie etwas utopisch. Aber die Initiativen rund ums Moerser Festival zeigen Wege auf, das Besondere nicht nur ins Rampenlicht zu rücken sondern darüber hinaus auch öffentlich zu machen.
Stefan Pieper ist freier Journalist. Er schreibt
für die Recklinghäuser Zeitung und für die Jazzzeitung
Me and the Heat in Moers 2008
Ich bin ein Antitranspirant
Vom Marketing noch unbenannt
Mein Vorschlagsname ist: No Sweat
Doch hier findet das keiner nett
Der Status quo des Jazz ? ante oder post mortem?
Stellungnahme des bildenden Künstlers Julian (7) zum Kulturpolitischen Forum
auf dem Jazzfestival zu Moers
Moers 2008: Der Weg zum Publikumsliebling
Die Ttukunak-Schwestern, gezeichnet von Ruhrbaron Ralf Wasselowski
Auf der großen Bühne mit und ohne John Zorn, im "Concert in the Dark", zur Untermalung
der Pressekonferenz, als Aufrufjingle zwischen den Darbietungen: Die Schwestern Sara
und Maika Gomez waren auf dem Festval Moers omnipräsent.
Und avancierten durch ihre perkussive Musik und ihre herzliche Art zum Publikumsliebling.
Zu Recht umarmten die beiden spanischen Schwestern einander nach jedem Auftritt.
PFT – Das ungelöste Problem des Ministers Folge X hoch N
Es muss einen tiefen Zusammenhang zwischen dem Ruhrverband und NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) im PFT-Skandal geben. Aus irgendwelchen Gründen nimmt der Minister den Verband in Schutz, oder besser gesagt dessen Klärwerke.
Die enge Beziehung geht weit. So lassen sich der Minister und der Ruhrverband vom gleichen Rechtsanwalt vertreten. Und zwar von Gernot Lehr aus Bonn. Vor Gericht, sei es vor dem Landgericht in Hamburg oder Berlin in Verfahren gegen mich, agiert Lehr mal mit Zeugen aus dem Umweltministerium, mal mit Zeugen aus dem Ruhrverband. Dabei verwischen die Grenzen. Verband und Ministerium verteidigen die Klärwerke an der Ruhr mit ähnlichen Worten. Aber darf das sein, dass ein Mann des Ruhrverbandes dem Vertreter des Ministers Worte in einem Verfahren gegen eine Zeitung einflüstert. Das ist so geschehen. In Berlin. Ich war dabei.
Geht es eigentlich nicht um etwas ganz anderes? Nämlich darum, die Ruhr sauber zu halten, und zu vehindern, dass der krebserregende Stoff PFT immer weiter die Nahrungskette hochwandert?
Denn das passiert gerade in Nordrhein-Westfalen. Aus internen Unterlagen aus dem Ministerium geht hervor, dass mittlerweile das Gift PFT in Fischen, Tieren und Getreide zu finden ist. Noch immer hat NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) die fortschreitende PFT-Verseuchung entlang der Ruhr nicht effektiv eingedämmt. Und das Ausmaß des Skandals wird offenbar weiter unter den Tisch gekehrt.
Spätestens seit dem 25. April hat das NRW-Umweltministerium Kenntnis über die PFT-Verseuchung von Rindfleisch. Dies belegen interne Informationen. Doch eine Warnung oder auch nur eine Information der Öffentlichkeit blieb bis jetzt aus.
Die Spur beginnt im niedersächsischen Celle. Der Leiter des dortigen Veterinäramtes bestätigte mir, dass bei einer Reihenuntersuchung im Muskelfleisch, in den Nieren und in der Leber einer Kuh PFT in erheblicher Menge nachgewiesen wurde. "Das geht weit über die normale Hintergrundbelastung hinaus", sagt er. Weitere Angaben wollte der Veterinär nicht machen. "Wir haben eine Nachrichtensperre." Er könne allerdings bestätigen, dass ein Zusammenhang mit dem PFT-Fall in NRW bestehe.
Die nächsten Hinweise gibt die Staatsanwaltschaft in Bielefeld. Hier wird wegen der Verseuchung etlicher Felder mit PFT-verseuchten Klärschlämmen gegen die Verantwortlichen der Firma GW Umwelt ermittelt. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, giftigen Schlamm mit sauberem Boden vermischt und dann als Bodenverbesserer verklappt zu haben. Der Sprecher der Bielefelder Staatsanwälte bestätigte, dass die verseuchte Kuh aus Celle mit Mais aus dem Sauerland gefüttert worden sei. Dieser Mais stamme von Äckern, auf denen auch PFT-belasteter Klärschlamm verklappt worden sei.
Wo liegen diese Gift-Äcker? Eine Antwort zu bekommen, ist schwierig. Am Donnerstag hatte Umweltminister Uhlenberg zu einem Hintergrundgespräch eingeladen. Spät kam die Rede auf die verseuchten Felder im Sauerland. Werden die Daten zu den PFT-Äckern offen gelegt? Uhlenberg und seine Sprecher erklärten, bislang habe man nur jene Felder veröffentlicht, bei denen nach Ansicht des Ministeriums Maßnahmen eingeleitet werden mussten. Das waren zwei von über 600 Äckern.
Zwar gebe es weitere Äcker, die beobachtet würden, bestätigt das Ministerium. Aber diese seien noch streng vertraulich. Nach Ansicht des Ministers seien hier keine Sanierungs-Maßnahmen nötig. Deswegen wolle man erst in Gesprächen mit den Eigentümern klären, ob die Menschen wissen dürften, wo diese Gift-Äcker liegen. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Bielefeld sagte dazu: "Der betroffene Futtermais stammt nicht von einem bisher veröffentlichten Acker."
Zwar gelangt das Gift PFT inzwischen nicht mehr in gefährlichen Mengen über das Trinkwasser in die Körper der Menschen. Dafür aber etwa beim Verzehr von Fischen: Im Rahmeder Bach, weit Weg von der Möhne, im System des Ruhrzuflusses Lenne, wurden in einer Bachforelle 803 000 Nanogramm PFT je Kilogramm Gewicht gemessen. Im Trinkwasser gelten 100 Nanogramm als noch tolerabel. In der Lenne unterhakb der Mündung des Rahmeder Baches wurden keine Fische untersucht. deshakb weiß niemand, wie stark die Tiere hier verseucht sind, wo die Emissionen aus gleich zwei besonders stark PFT-belasteten Ruhrverbandsklärwerken zusammen fließen.
es ist das ewig gleiche Spiel. Das Ministerium blockiert Informationen. Die Bezirksregierung Arnsberg muss etwa aktuelle PFT-Daten aus den Kläranlagen des Ruhrverbandes auf Drängen des Ministeriums zurückhalten. Das berichten interne Quellen aus dem Haus. Es ist unklar, wie sich im ersten Halbjahr 2008 die Lage entwickelt hat. Die Suche nach der wahren Ursache ist deswegen schwierig. Noch immer vertritt Minister Uhlenberg die These, die Fläche in Brilon-Scharfenberg sei die Hauptursache für die Versuchung der Ruhr. Dabei gibt selbst Ralf Klopp, der Laborchef des Ruhrverbandes, in einer Eidesstattlichen Versicherung zu, über das vergangene Jahr hinaus "lässt sich der auf Einträge aus den Kläranlagen entfallende Anteil an PFT in der Ruhr auf etwa 50 Prozent errechnen." Damit ist klar: Eine Hauptursache liegt in den Abflüssen aus den Klärwerken des Ruhrverbandes, der Anteil des Brilon-Ackers ist weit geringer.
Die Spur der Verseuchung führt aus den Klärwerken weiter. Aus den vorliegenden Überwachungsdaten der Behörden lässt sich ein System der Verunreinigung der Äcker rekonstruieren. Jahrelang wurde Klärschlamm aus kommunalen Kläranlagen auf Äcker im Sauerland verklappt. Große Mengen lieferte der Ruhrverband aus Anlagen, die immer noch unter PFT leiden. Mehrere tausend Tonnen Schlamm verschwanden dabei nachweislich über die GW Umwelt. Nach Angaben des Ruhrverbandes übernahm diese Firma die letzte Fracht im Jahr 2004.
Vor allem der Kreis Soest entwickelte sich zum Klärschlammklo von NRW. Von 1996 bis 2006 wurden hier mehr als 100 000 Tonnen Klärschlamm verklappt. Es ist unklar, wie viel Tonnen davon der Ruhrverband angeliefert hat. Umweltminister Eckhard Uhlenberg war jahrelang in Soest Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion. Es liegt nahe, dass er die größten Klärschlammbauern kennt.
Unterdessen hat sich Uhlenberg entschlossen, im Sommer das Programm "Reine Ruhr" anzupacken. Damit sollen die Ursachen der Verseuchungen bekämpft werden. Uhlenberg will dabei unter anderem mit staatlichen Mitteln die Abwasserreinigung von Unternehmen im Ruhreinzugsgebiet finanzieren. Auch der Ruhrverband soll für die Nachrüstung seiner Kläranlagen Geld bekommen.
Das ist dringend nötig. Nach meiner Kenntnis kündigt sich bereits der nächste Stoff im Trinkwasser an, der die Grenzwerte der Trinkwasserkommission überschreitet: der Komplexbildner EDTA. Eine Firma in Hagen leitet den Stoff ein. Das Problem ist seit langem bekannt. Die Firma auch.
Moers 2008: Drei Fragen an Lomo-Lothar
Mein alter Kumpel Lomo-Lothar hat, bevor er lomografierte, Polaroid-Fotos geschossen. Das oben etwa.
Moers 2008: Wie isset?
Don’t think.
Welche militärischen Leistungen im Laufe der Weltgeschichte
bewunderst Du besonders?
Die Entwicklung der Lomo LCA durch Professor Radionov für den
russischen Geheimdienst KGB im Jahre 1938.
Dein aktueller Gemütszustand?
Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser schönen Maienzeit.
Moers 2008: Der Mariacron-Freak
Langemeyer: „Der RVR spielt in diesen Fragen keine Rolle“
Herr Langemeyer, Ihre Durchsetzungskraft ist legendär. Sie haben die Spitzen des Regionalverbandes Ruhr (RVR) und der Wirtschaftsförderung des Ruhrgebiets gegen den Willen weiter Teile der Verbandsversammlung im RVR durchgesetzt. Wie nutzen Sie Ihre Macht? Was sind ihre künftigen Ziele für das Ruhrgebiet?
Ich bleibe bei meiner Linie: Wir können nur stark werden, wenn sich jeder darum kümmert, selbst stark zu werden. Und dabei sollten wir uns weiter intensiv austauschen. Daher ist das Konzept Städtebund voll erfolgreich. Der nächste Gesprächstermin dieser Runde ist am 21. August in Duisburg.
Ist Essens Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger von der CDU auch dabei? Er hatte den Städtebund als Zusammenschluss der Ruhrgebiets-Oberbürgermeister massiv kritisiert.
Ob Herr Reiniger kommt oder nicht, ist mir egal. Ich bin zutiefst davon überzeugt: das gemeinsame Gespräch der Oberbürgermeister ist der richtige Ansatz. Herr Reiniger hat gemeinsam mit mir einen Vertrag unterschrieben, der die Geschäftsgrundlage für den Städtebund liefert. Insofern ist Essen formal nach wie vor dabei – übrigens auch was die konkreten Arbeitsbeziehungen betrifft, beispielsweise wenn sich die Planungsdezernenten treffen. Dass er sich in der OB-Runde nicht sehen lässt, ist sein Problem und nicht meins.
Soll der Städtebund nicht auch ein Ersatz für den RVR sein?
Er ist ein Ersatz für den RVR-Vorstand, der ja vom Gesetzgeber nicht mehr gewollt war und gesetzlich mit der Mehrheit von CDU und FDP abgeschafft wurde. Er ist aber vor allem ein Instrument, um in den vielen Gremien, in denen wir als Städte vertreten sind, Allianzen zu bilden.
Soll der Städtebund stärker institutionalisiert werden? Im Moment treffen sich die Oberbürgermeister unregelmäßig und ab und zu kommen die Dezernenten in lockeren Runden zusammen.
Nein, so wie es ist, ist es ausreichend.
Also stehen RVR und Städtebund nicht gegeneinander?
Nein, der Städtebund ist eine vernünftige Plattform auf der wir Oberbürgermeister übergreifende Themen diskutieren können. Wir sind alle im Städtetag oder im Landkreistag, wir sind bei der Emschergenossenschaft, beim Lippeverband, beim Verkehrsverbund Rhein Ruhr, bei den Landschaftsverbänden und eben auch im RVR – es gibt viele Themen, die sich nicht aufsplitten lassen. Wir als Oberbürgermeister brauchen eine Gesamtschau.
Im Städtebund werden die Entscheidungen für das Ruhrgebiet getroffen?
Nein, dort gibt es einen Informationsaustausch über die Inhalte und das Gespräch darüber, wie wir uns als Oberbürgermeister verhalten. Die Zusammenarbeit dort ist sehr stark von der Sache geprägt und hat wenig mit Parteipolitik zutun.
Also wird doch in der OB-Runde entschieden.
Entschieden wird dort, wo die Verantwortung sitzt. Ein Beispiel: Das Land hat uns als Kommunen die Versorgungsverwaltung aufgedrückt. Die entsprechende Landesbehörde mit Sitz in Dortmund war für die Städte Hagen, Bochum und Dortmund zuständig. Da setze ich mich mit meinem Kollegen aus Hagen und meiner Kollegin aus Bochum zusammen und wir stellen uns die Frage: macht es Sinn, diese Aufgaben auf drei Städte zu verteilen oder sollen wir sie an einem Ort lassen? Wir betreiben sie jetzt gemeinsam am Standort Dortmund. Die staatliche Umweltbehörde hatte ihren Standort in Hagen – und da betreiben wir sie zusammen weiter. Darüber schließe wir dann öffentlich-rechtliche Verträge ab – und jetzt kommen wir zum Thema Entscheidung: Entschieden wird in den Räten der Städte.
Der RVR spielt also keine Rolle?
Der RVR spielt in diesen Fragen keine Rolle.
In der Frage des Planungsrechtes wird sich das bald ändern.
Aber nicht zum besseren.
Zumindest wird die Planungsabteilung so ausgestattet, dass sie arbeitsfähig ist.
Dass dem Regionalverband staatliche Planungsaufgaben übertragen werden, halte ich für den falschen Weg. Der Weg, den ich für richtig halte, ist der, den die Planungsdezernenten gehen: Durch einen gemeinsamen Diskussionsprozess, Themen gemeinsam nach vorne zu bringen. Das ist ein ganz anderes Planungsverständnis.
Ein Gutachten der Landesregierung hat der Zusammenarbeit der Dezernenten ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Danach konnten sich die Dezernenten nur über unstrittigen Themen einigen und haben in ihrer Arbeit die Probleme einfach ausgeklammert.
Ich möchte nicht über die Vorurteile des Gutachters philosophieren, aber er war schon vor dem Beginn der Zusammenarbeit der Planer gegen dieses neue Modell. Wenn das Land so einen Gutachter bestellt, weiß man welches Gutachten man bekommt.
Die Gutachter waren allerdings Dortmunder – unter ihnen Professor Hans Blotevogel aus der Fakultät der Raumplaner. Er ist der Nestor der Stadtplaner im Ruhrgebiet.
Ich mache lange genug Kommunalpolitik, um zu wissen, was Planung ist, wie sie gemacht wird und was Planung leisten kann. Wir haben mit der Zusammenarbeit im westfälischen Teil des Ruhrgebiets gute Erfahrungen gemacht – und ich bin mit der staatlichen Planung der Regierungsbehörde in Arnsberg voll zufrieden. Ich habe keinen Anlass, mir Veränderungen zu wünschen.
Als die neue U-Bahn zwischen Essen und Gelsenkirchen gebaut wurde, gab es monatelang Schienersatzverkehr, weil der Regierungsbezirk Münster noch prüfte, als Düsseldorf die Strecke schon genehmigt hatte. Die Dreiteilung des Ruhrgebiets hat schon viele solcher Absurditäten hervorgebracht.
In Dortmund haben wir solche Probleme nicht. Aber es gilt trotzdem: Die Lösung kann nie obrigkeitsstaatliche Planung sein, sondern muss Kooperation heißen. Zu einem vernünftigen Ergebnis kommt man nur durch Dialog, ein anderes Planungsverständnis wird heute nicht mehr akzeptiert. Zum Beispiel hatten wir lange Zeit Meinungsverschiedenheiten mit dem Kreis Unna bei der Führung einer Entlastungsstraße. Wir haben dieses Problem jetzt im Dialog mit Unna gelöst und gemeinsam beim Regierungspräsidenten durchgesetzt. Die Straße wird gebaut.
Als Symbol für ein antiquiertes Planungsverständnis wird immer wieder Thomas Rommelspacher genannt, der Planungsdezernent des RVR.
Ich gestehe, dass ich bei meinem Engagement im Regionalverband Enttäuschungen erlebt habe. Es gab Chancen beim RVR, die nicht wahrgenommen wurden, wie der Einstieg in die Masterplanung. Wenn man das falsch macht, wie Herr Rommelspacher, und die anderen Dezernenten vor den Kopf stößt, gibt es kein Ergebnis. Nur wenn man die anderen Dezernenten zu Partnern macht, kommt man weiter. Es ist in den letzten Jahren auf dem Feld der gemeinsamen Planung nicht so viel passiert, wie es denkbar gewesen wäre.
Was hat sie beim RVR enttäuscht?
Die Parteipolitisierung im RVR ist eine falsche Entwicklung.
Doch nicht aus Sicht ihrer Partei: Die SPD hat gemeinsam mit den Grünen die Mehrheit im Ruhrparlament, dem Rat des RVR. Und Planungsdezernent Rommelspacher ist ein Grüner, der von dieser Koalition gewählt wurde.
Nein, das ist erst mal eine Frage des gesetzlichen Rahmens: Durch den Wegfall des Vorstandes und die „Stärkung“ der Regionalversammlung ist genau das passiert, was auch gewollt war: Das sich alle Beteiligten wie Koalition und Opposition verhalten und nicht mehr über die Parteigrenzen hinweg an den Sachfragen arbeiten.
Wenn Sie für eine offene Zusammenarbeit der Fraktionen gewesen wären, hätten sie ja keinen Koalitionsvertrag mit den Grünen machen müssen.
Habe ich auch nicht. Diese Koalition wurde zwischen den beiden Parteien auf Landesebene ausgehandelt.
In welchen Punkten sehen Sie denn Probleme durch die Politisierung? Bei der Sanierung der kriselnden Abfallgesellschaft Ruhr (AGR) haben SPD, CDU und Grüne zusammengearbeitet, um eine Pleite abzuwehren. Und bei der Frage der Wirtschaftsförderung ging der Streit zwischen den Parteien doch nicht um die Wirtschaftsförderung selbst, sondern um den Geschäftführer Hanns-Ludwig Brauser.
Ich will ihnen ein Beispiel geben: der CDU-OB Thomas Hunsteger-Petermann aus Hamm und ich haben mit dem Land erfolgreich über die Zukunft der Route der Industriekultur verhandelt und das Ergebnis erfolgreich durch die Verbandsversammlung gebracht. Von solchen Erfolgen hätte ich mir mehr gewünscht.
Aber wann ist denn etwas an den politischen Auseinandersetzungen im Ruhrparlament gescheitert? Uns fällt da nichts ein.
Ich will das nicht weiter vertiefen. Ich sage nur: Die Dinge im Regionalverband dauern zu lange. Wenn ich höre wie sich Roland Mitschke äußert, der Fraktionsvorsitzende der CDU im RVR, dann habe ich keine Lust mehr, zu den Sitzungen der Verbandsversammlung zu gehen.
Der Direktor des RVR, Heinz-Dieter Klink, den Sie ja auf das Schild gehoben haben, ist doch auch eher ein Teil des Problems und nicht der Lösung. Von ihm gehen kaum Anstöße aus.
Er hat nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten. Das ist keine Frage von Einzelpersonen, sondern von Strukturen.
Die SPD könnte ihm doch mehr Möglichkeiten an die Hand geben. Schließlich haben Sie mit den Grünen die Mehrheit.
Ich bin nicht der Meinung, dass eine Person an der Spitze einer solchen Verwaltungsbehörde viele Entscheidungskompetenzen braucht. Die Frage, an der sich die Zukunft des Ruhrgebiets bricht, ist die Frage, ob Städte und Kreise miteinander arbeiten wollen oder nicht. Der gesamte Etat des RVR ist kleiner als der Dortmunder Kulturetat. Mit diesen geringen Mitteln können sie nur wenig bewegen. Die Städte und Kreise haben das Geld und die Möglichkeiten, Projekte im Ruhrgebiet anzugehen und auch umzusetzen. Der RVR hat diese Chancen nicht.
Ihrer Ansicht nach braucht man also keinen RVR mit eigenem Parlament, sondern eine Agentur, die den Städten zuarbeitet?
Darüber zu diskutieren, macht keinen Sinn mehr – der Gesetzgeber im NRW-Landtag hat diese Struktur nun einmal vorgegeben. Nun müssen die Städte und Kreise im Ruhrgebiet entscheiden, ob sie austreten, um so ihre Ablehnung gegen diese Struktur zu demonstrieren.
Dortmund tritt aber nicht aus dem RVR aus.
Es gibt dafür keine Mehrheit im Rat.
Aber die Städte müssen, unabhängig vom RVR, die Zusammenarbeit dominieren?
Ich habe gelernt, dass wir gemeinsam stärker sind. Wir müssen unsere gemeinsamen Interessen definieren und uns gegenseitig respektieren. Wir dürfen uns nicht gegenseitig Vorschriften machen. Je mehr positive Erfahrungen wir bei der Zusammenarbeit machen, umso selbstverständlicher wird die Kooperation. Die Zusammenarbeit im Bereich Planung läuft zwischen den Städten wesentlich besser als vor zehn Jahren. Die Kulturhauptstadt ist ein Erfolg, überhaupt klappt im Kulturbereich die Zusammenarbeit sehr gut.
In der Kultur klappt die Zusammenarbeit? Bochum wird ein eigenes Konzerthaus bauen und damit in Konkurrenz zu den Konzerthäusern in Essen und Dortmund treten.
Wenn die Bochumer Bürger ein Konzerthaus wollen, sollen sie eines bauen. Es ist ihr Recht und sie haben ein gutes Orchester. Sie haben ein eigenes Haus verdient. In den 80er Jahren wurde in Dortmund darüber diskutiert, das Schauspielhaus aufzugeben, mit dem Argument, es gäbe doch ein tolles Theater in Bochum. Das wurde nicht getan und heute ist jeder froh, dass wir unser Schauspielhaus noch haben. Jedes Konzerthaus im Revier wird sein eigenes Publikum finden müssen. In Dortmund ist uns das gelungen. Aber ich habe doch den Bochumern nicht zu sagen, dass sie keine Philharmonie bauen sollen. Das sind die Entscheidungen, die jede Stadt selbst zu treffen hat.
Jedes Konzerthaus wird mit Steuergeldern gepäppelt. Wenn es drei gibt, müssen die Bürger dreimal die Musik bezahlen. Ist das wirklich nötig?
Wenn die Dortmunder, Bochumer und Essener Bürger, diese Entscheidung für sich treffen und das im Rat so beschließen, ist das auch in Ordnung.