Uhlenberg. Foto: nrw.de
Es ist nicht leicht gegen die Macht zu bestehen. Wir wollen der Macht vertrauen, wollen glauben, dass wir in guten Händen sind.
Es ist nicht leicht zu bestehen, besonders dann nicht, wenn sich die Macht in Person eines Ministers in den Landtag stellt und Reporter diffamiert.
Wem glauben die Menschen? Der Macht? Oder dem Mahner?
Für die meisten ist es leichter der Macht zu vertrauen. Das ist der sichere Weg. Gerade für Journalisten. Ich schreibe auf, was die Macht sagt. Fertig, kein Ärger mit Niemanden.
Den Mahner zu verstehen, bedeutet dagegen, sich auf einen beschwerlichen Weg hinab zur Wahrheit zu begeben. Man muss lesen, Daten begreifen, Zusammenhänge schaffen. Der Weg führt tief in die Details, in Archive, in Messlisten, in Jahresberichte. Es ist ein mühsamer Weg. Und er führt zu einem schweren Ziel.
Denn am Ende des Weges steht man gegen die Macht. Es gibt keinen Kompromiss. Die Macht leugnet die Wahrheit.
Ich will hier im PFT-Skandal nur ein Detail aufgreifen. Man könnte meinen, es ist langweilig. Aber der Reihe nach.
NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg sagt, es seien keine Daten für das Klärwerk Brilon Scharfenberg aus seiner Veröffentlichung zu den PFT-Emissionen aus den Ruhrklärwerken gelöscht worden.
Stimmt das?
Wir müssen uns auf den Weg durch die Details machen.
In seiner Tabelle komkas.pdf gibt der Minister folgende Daten an.
Hier sehen wir, dass für die Kläranlage Brilon Scharfenberg Konzentrationen verzeichnet sind. Doch da, wo die täglichen Frachten verzeichnet sein sollten, stehen nur Sternchen.
Warum?
Der Rechtsanwalt des Ministers sagt, es gebe für dieses kleine Klärwerk keine Jahresabflussmengen, mit deren Hilfe man aus den Konzentrationen eine PFT-Fracht hätte berechnen können. Die Kläranlage Brilon Scharfenberg sei schlicht zu klein.
Stimmt das?
Ich habe nach mühsamer Recherche folgende Tabelle des Ruhrverbandes gefunden:
Aus der Tabelle gehen zunächst drei Dinge hervor:
1. Es ist offensichtlich die gleiche Messung, die auch in der Tabelle des Ministers verwendet worden ist. Wie man sieht, stimmen die Konzentrationen auf die dritte Stelle hinter dem Komma überein. (Zur Erklärung, der Ruhrverband stellt auf Nannogramm ab, der Minister stellt die Konzentration in Mikrogramm dar. Dadurch verschiebt sich aber nur das Komma um drei Stellen. Die Zahlen bleiben gleich.)
2. Es ist offensichtlich, dass der Ruhrverband bei seiner Messung eine Ablussmenge bestimmen konnte. Und zwar 1.200 Kubikmeter am Tag. Diese Abflussmenge liegt den so genannten Jahresabflussmengen zugrunde.
3. Der Ruhrverband war in der Lage eine PFT-Fracht für die Kläranlage Brilon Schrafenberg zu berechnen. Und zwar kommt der Ruhrverband auf 5,7 Gramm.
Wir haben jetzt gelernt, dass es Abflussmengen für die Kläranlage Brilon Scharfenberg gibt. Nun ist die Frage, ob diese Abflüsse auch im Ministerium bekannt sind.
Wieder müssen wir im Archiv suchen. Und wir werden fündig.
Der Minister selbst hat eine Publikation herausgegeben. Und die heißt: „Entwicklung und Stand der Abwasserbeseitigung in Nordrhein-Westfalen – 13. Auflage – Langfassung“.
Hier steht auf Seite 223 die Tabelle „12.30 – Ruhreinzugsgebiet – Kläranlagen“.
In der 8. Zeile dieser Tabelle findet man das Klärwerk Brilon-Scharfenberg.
Hier ist ein Abflusswert von 748 Liter je Einwohner (l/EW-d) am Tag angegeben.
Gleichzeitig werden für Brilon-Scharfenberg 1800 Einwohner aufgeführt.
Daraus ergibt sich ein Tagesabflusswert von 1.346,4 Kubikmeter am Tag.
Die Publikation des Ministers ist von ihm persönlich unterschrieben im Januar 2008 erschienen und bezieht sich auf Daten zum Stichtag 31. Dezember 2006.
Es gibt weitere Berichte, ältere Berichte des Ministeriums, die ebenfalls Abflussmengen für Brilon Scharfenberg angeben.
Wir haben jetzt gelernt, dass es Abflusswerte für die Kläranlage gibt.
Damit wissen wir, dass der Rechtsanwalt des Ministers Mumpitz erzählt.
Wurden jetzt aber Daten gelöscht? Ich kann keine andere Erklärung für die Sternchen in der Tabelle komkas.pdf finden.
Aber warum wurden Daten entfernt?
Zur Erinnerung, das verseuchte Feld in Brilon Scharfenberg führt der Minister als einer der Hauptgründe für die PFT-Misere in der Ruhr an.
Die letzte bekannte Messung der Kläranlage Brilon Scharfenberg stammt aus der Zeit vor der Sanierung des genannten Feldes, wie aus den oben angeführten Daten des Ruhrverbandes hervorgeht. Demnach stammt die Messung vom Dezember 2006. Gab es danach keine Messungen mehr?
Oder ist bei der Sanierung des Feldes irgendwas schief gegangen? Floss vielleicht sogar PFT-verseuchtes Wasser aus dem Südhang des Feldes in die Kläranlage? Und ruinierte deren Werte? Wurde vielleicht die Kläranlage zwischendurch abgeschaltet? Wir wissen es nicht.
Aber wir werden es erfahren. Denn die Suche geht weiter.
Und solange stehe ich halt weiter gegen den Minister, denn der Weg zur Wahrheit hat mich hierhin geführt.