Joschka Fischer, der Exminister nölt?

Nun, nölen darf man ja immer und auch zu jeder Zeit. Auch wenn die Grünen, so ist es heute in der SZ  nachzulesen, darüber weniger glücklich sind.

Foto: auf Flickr von patapat

Warum aber wird dieses Nölen mit der Autorität eines angesehenen Ex-Außenministers gehört? Hier gilt folgendes zu bedenken: Joseph Fischer war ein guter Stratege, ein im Vergleich zu Ypsilanti geschickter Parteipolitiker, aber Teufel in der Hölle, Fischer war nie mehr als ein schlichtes Nichts als Außenpolitiker.

Was denn bitte ist von Herrn Fischers „Grand Design“ wirklich nach seiner Dienstzeit als Außenminister übrige geblieben?

Hier gleich die Antwort: Nichts.

Weder im Kosovo, im Nahost, noch im fernen Asien oder in Afrika hat Fischer als deutscher Außenminister irgendetwas gemacht oder getan, was bis heute Bestand hat.

Fischer als Außenminister ist eine schlichte Luftnummer, so einfach ist das. Dazu gerne auch ein kleines Beispiel. Nach dem 11. September 2001 reiste Fischer nach Zentralasien. Die Region war ja irgendwie wichtig, so nördlich von Afghanistan. In Tadschikistan angekommen, versprach der deutsche Minister, beseelt von der Idee des „Großen Spiels“, das Buch hatte er auf dem Flug gelesen, doch ein zweite Brücke über der Pjansch von Tadschikistan nach Afghanistan zu bauen. Das Versprechen versickerte ohne Worte. Fischer wurde danach in Zentralasien nicht mehr gesehen. Zum Schluss haben die Amerikaner den Überweg über den Grenzfluss nach Afghanistan gebaut. Fischer spielte dabei keine Rolle mehr.

Fischer war als Außenpolitiker eine Oberniete. Aber hier fängt auch wieder das Problem an. Die deutsche Öffentlichkeit schwelgt sich in einer gefühlten guten Außenpolitik. Jeder, der diesen Posten inne hat, kann sich darin sonnen, und keiner fragt nach, was denn wirklich im Namen der deutschen Außenpolitik getan wird. Bei der deutschen Außenpolitik hört die Kontrollfunktion der deutschen Öffentlichkeit leider auf. Das ist Pech. Davon profitiert auch der heutige Außenminister Frank Walter Steinmeier. Als ehemalige Aktentasche von Schröder trägt er heute brav den Despoten dieser Welt das Brieftäschchen hinterher. Gleichwohl lieben ihn die Menschen als Außenpolitiker so wie die Niete Fischer. Warum nur ?

Klopp und der Esoteriker

BVB-Chefcoach Jürgen Klopp ist heute mit seinem Sportcoupé von der Straße gerutscht. Der Unfall ging zum Glück glimpflich aus. Wie Klopps Geschichte mit einem seltsamen Wundertrainer ausgeht, wissen wir noch nicht. Aber der Reihe nach.

Shot aus lifekinetik.de

Vergangene Woche melden u.a. die Ruhrnachrichten (klick) eine Neuigkeit beim Trainingsprogramm von Borussia Dortmund. Jürgen Klopp habe seinen Spielern den Gesundheitscoach Horst Lutz verschrieben. Lutz, der Fußballtrainer in Island gewesen sein soll und Jugendbetreuer bei 1860 München, lehre „Life Kinetik„. Es gehe um Gehirn-Entfaltung, melden die Ruhr-Nachrichten. Klopp finde es nicht nur spannend, sondern „superspannend“ zu beobachten, wie die Verbindung zwischen „motorischen Fertigkeiten und kognitiven Fähigkeiten“ zustande komme. Lutz würde auch mit dem Skifahrer Felix Neureuther und dem Schalker Heiko Westermann zusammen arbeiten. Seit vergangenen Mittwoch machen die BVB-Profis also Koordinationsübungen, um ihren Horizont zu erweitern. Wäre nichts gegen einzuwenden, außer das hier.

Zum Ausgangspunkt ihres Tuns machen die Anhänger der „Life Kinetik“ eine Aussage, die auch schon andere Heilsbringer unters Volk streuten:

„Jeder Mensch nutzt seine 100 Milliarden Gehirnzellen anders, aber keiner schöpft die riesigen Möglichkeiten auch nur annähernd aus.“ (klack)

Lutz will diese ungebrauchten Gehirnzellen aktivieren und vernetzen, indem er Menschen das Jonglieren beibringt, indem er Unabhängigkeitsübungen entwickelt, etwa ein Tuch herumzuwirbeln und gleichzeitig einen Ball zu fangen. Auch so weit ist das harmloser Unfug, mit dem vermutlich niemand gescheiter wird, wohl aber etwas besser Klavier oder Gitarre spielen kann. Lutz hat auch ein Buch geschrieben, Gehirntraining durch Bewegung. Und man weiß ja längst, dass Bewegungsspiele bei alten Menschen und Alzheimerpatienten positive Wirkungen haben. Dass jetzt auch Profisportler den Seniorensport entdecken – auch das ist nicht der Rede wert.

shot aus lifekinetik.de

Was bei Lutz (und Klopp?) so seltsam ist, ist die intensive Vernetzung mit der esoterischen Szene, die dann vielleicht nicht mehr so harmlos ist, sondern Spinner ernährt und anlockt. So ist Horst Lutz Mitglied der „Schule des Lebens„, dem Lebenswerk eines gewissen Josef Bauer, der sein eigenes Leben nach einer Schwersterkrankung (MS) umkrempelte und vom Manager der Spider Murphy Gang, Nicki oder Patrick Lindner zu einem Oberesoteriker im Isartal wurde. Oder wie es auf der Homepage heißt:

„Durch den Kontakt und die intensive Zusammenarbeit mit bekannten Autoren, Ärzten, Heilern und Lehrern, wie Dr. Emoto (…) entstand für Josef Bauer eine neue Sichtweise für sein eigenes Leben.“

Dr. Masaru Emoto ist tatsächlich ein Star der Esoterikszene. Der Japaner, der seine Karriere in der Schweiz begann, glaubt daran, dass nicht nur Menschen, Tiere, Pflanzen, sondern auch das Wasser Gefühle habe. Dass es auf Harmonie reagiert. Wenn es friere und dazu klassische Musik läuft, würden sich wunderschöne Eiskristalle bilden. Dröhnten düstere Weisen, gelängen nur einfache Strukturen. Weil alles in der Welt auf Vibrationen reagiere, würde auch gekochter Reis Zuneigung und Hass spüren. (Wer viiiiel Zeit hat, kann dieses Experiment nachmachen: klick).

shot aus youtube.com

Josef Bauer, der so etwas wie der Arbeitgeber ist des neuen BVB-Gehirntrainers, beruft sich also auf den erleuchteten japanischen Politologen und seine Wasserspiele. Der Wasserseele ist auch die „Schule des Lebens“ verpflichtet – Handlungsort von Bauer und Horst Lutz. Unter dem Label Organetik werden dort „organe“ Produkte vertrieben. Wasseraufbereitungsgeräte namens StörfeldOrgano oder BenkerOrgano, die von dem Westborghausener Tüftler Rudolf Herde entworfen wurden. Der Tischler war ein Apologet der Radiästhesie.

Man könnte sich nun unendlich in dieser wahnwitzigen Szene der Parawissenschaftler, Schwingungsforscher umtun. Aber mir sind die Verstrahlten oder Unverstrahlten eigentlich nicht so wichtig. Ich glaub halt nicht dran, dass es Wassergeister gibt, die elegante Moleküle zimmern. Ich glaube nicht dran, dass wir durch Geschicklichkeitsübungen die unendlichen Schläferzellen in unserem Hirn aufwecken. Die Frage ist aber, glaubt BVB-Trainer Klopp daran? Oder hat er Lutz ohne Esoterik eingekauft?!

In Mainz hat Kloppo seine Mannschaft noch mit vergleichsweise schlichten Motivationsübungen heiß gemacht. Der spätere ZDF-Fußballerklärbär klebte die Buchstaben J und A auf die Kabinentüren vor dem Bundesligaaufstieg. Als der geschafft war, setzten die geimpften Bundesligisten die Buchstaben einfach zusammen und schrien sich ihr „JA“ von der Seele.

PS: Apropos ZDF. „Life Kinetik“, diese zumindest stark esoterisch beeinflusste Bewegungslehre der Herren Bauer und Lutz, ist längst offizieller Aktionspartner der BILD-ZDF-Barmer-Kampagne „Deutschland bewegt sich“ (kennen wir aus dem Aktuellen Sportstudio) und wurde vom einstigen bayrischen Kultusminister und jetzigen Staatsminister Siegfried Schneider im Rahmen der Schulkampagne „Voll in Form: täglich bewegen – gesund essen – leichter lernen“ gelobt. Immerhin ist Jürgen Klopp also nicht allein.

Hausdurchsuchungen bei Blogger Burks

Der Blogger Burks, aka Burkhard Schröder ist seit Jahren aktiv in der poltischen Aufklärung. Er berichtet regelmäßig über Versuche des Staates in die Privatsphäre der Menschen in diesem Land einzudringen.

Heute morgen ist die Macht des Staates nach eigenen Angaben in seine Wohnung eingedrungen. Er wurde Subjekt eines Machtvollzugs, weil er angeblich Anleitungen zum Bombenbau verbreitet haben soll.

Burks ist Buchautor. Er schreibt über Online-Durchsuchungen, Heroin-Opfer und Hacker. Burks streitet für den ausgiebigen Gebrauch von Verschlüsselungssoftware wie PGP. Burks ist ein Linker. Bestimmt. Aber ein Bombenbauer. Kann ich mir nicht vorstellen. Auch kein Verbreiter von Bombenbauanleitungen. Dass man wegen eines Links behelligt werden kann, kann ich mir nicht vorstellen.

Was wollen die Polizisten von Burks? Er selbst berichtet. Hoffentlich kontinuierlich.

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Was soll ich bloß machen?

Es gibt im Augenblick eine Frage, die mich beschäftigt. Wird mein nächstes Handy ein Blackberry Bold oder ein iPhone?

Fotos: Apple/RIM

Es gibt Entscheidungen, die man mit seinen Freunden kurz beim Bier bequatscht, bevor man sich entscheidet. Banale Fragen wie die, welche Partei man künftig wählt, welches Auto man fahren sollte oder ob als nächstes Bier ein Weizen oder ein Pils bestellt wird. Und es gibt Fragen, die einen über Woche, ja Monate, beschäftigen. 
Im Augenblick nutze ich ein Nokia N81. Mal davon abgesehen, dass ich im Januar geschworen habe, mir nie wieder ein Nokia zu kaufen ist das N81 wirklich Schrott. Das letzte technische Gerät mit so mieser Qualität in meinem Besitz war ein D-Kadett.

Beim D-Kadett begann ein Tag schlecht, wenn das Auto ansprang, weil man dann davon ausgehen konnte, eine Stunde später auf der Autobahn liegen zu bleiben. Mein N81 beginnt sich in seine Einzelteile aufzulösen, Kunstoffteile bröseln ab, das ganze Ding wirkt ramschig und wird es nicht mehr lange machen. Also muß ein neues Telefon her. Bis vor kurzem war für mich alles klar: Ein iPhone soll es werden. Seit 1992 rolle ich, mit einer kurzen, schändlichen Unterbrechung, meinen Gebetsteppich in Richtung Cuppertino aus. Ich war, abgesehen vom Powerbook 5300c, immer zufrieden. Doch nun sehe ich überall diese Bolds.

Die Hälfte meiner Freunde arbeiten mittlerweile bei RIM, die Dinger wirken robust und E-Plus, mein von mir gekündigter Provider, offeriert mir einen trottelsicheren Vertrag: Wenn ich das Bold, wie mit meinem Razr geschehen, in die Waschmaschine stecke, bekomme ich ein Neues. Wer mich kennt weiß, dass ein solcher Vertrag für mich wie gemacht ist. Das Bold hat Tasten, was beim bloggen hilfreich ist, und wenn ich mal nicht weiter weiß, kann ich gleich mehrere Freunde fragen wie etwas funktioniert – oder warum es nicht geht.

Beim iPhone werde ich diese Frage nie stellen müssen, muss man bei Apple ja nie. Und es ist schicker, es gibt eine WordPress-Applikation, die Mail-Funktion des Blackberrys brauche ich eh nicht – nur wie robust ist das iPhone im Alltag? Ist es hinüber, wenn es mir einmal auf den Boden fällt? Kann ich mich draufsetzen? Wie sieht es nach einem Jahr aus? Über Hilfe bei meiner Entscheidung würde ich mich sehr freuen.

2 für 7 – Tipps für Draußen

Diesmal gleich drei Themen, aber nur zwei Tipps. Erstens: Warum muss es eigentlich Titelseiten geben, wenn es gar keine Titelstory gibt? Zweitens: Umso mehr man über was liest, desto weniger ist man letztlich doch dabei, oder? Drittes Thema: Namen und Orte. Und weiter im Text:

Die einstigen "Kunstquadrate" haben sich in sanfter Anschmiegung an den abkupferfreudigen Aushilfsmetropolengeschmack potentieller Gönner dann doch in "contemporary art ruhr" umbenannt. Wenn das alle so machen würden, dann könnte man das hier ja gleich "Neu Ruhrstadt" nennen – oops das klingt ja echt nach NYC. Hm. Jedenfalls ist ein Name oft ein Indiz, aber ja nicht zwangsläufig mit den Inhalten zu verwechseln. Und die sind bei "c.a.r." (hihi) im letzten Jahr schon über "ganz nett" hinaus gewesen. Die Macher wechseln in der Regel schön die Hallen auf Zollverein und professionalisieren sich weiter, wobei die Ausstellungsstücke auch mitziehen. Immer wieder schade dass Zollverein halt Zollverein ist. Aber das kann ja noch werden, in Jahrhunderten findet man den ganzen Komplex  bestimmt viel besser. Und die Kunstquadrate sind auf jeden Fall ein selbst gemachtes Highlight im aktualitätsbezogenen Standardprogramm dieses Weltkulturerbes – und das ist ja was.

Auch leicht auf Titelseiten kommt hin und wieder noch Max Goldt, der nun ausgerechnet im Fritz-Henßler-Haus gastiert. Das hat bestimmt auch eine lokalpatriotische Komponente (der Name!), aber das muss hier ja nicht auch noch hin. Was macht Max Goldt? Er liest. Und man sieht schon wieder vor dem geistigen Auge die, die zu laut, gar nicht oder schüchtern lachen, die genießenden und die palavernden Gäste vor sich, die diesem (haha) Urahn der 80er-geprägten Popliteratur Deutschlands immer wieder gerne ihre Aufwartung machen. Durchaus zurecht, denn schreiben kann der Goldt an der Grenze von Boulevard und Intimität ja wie kaum ein zweiter hierzulande – und wer will darf sich auch was denken dabei, muss aber beileibe nicht. Schade, dass Katz nicht dabei ist.

Im Überblick:
Max Goldt am 11. November in Dortmund und "contemporary art ruhr" vom 14. bis 16. November in Essen.

Und waz kommt als Nächstes?

Morgen kommen die WAZ-Betriebsräte in der Essener Lichtburg zusammen. Dabei werden dann auch die Pläne zur Zusammenlegung der Mantelteile diskutiert. Wird es bald einen gedruckten „Westen“ geben?

Über all das hat Jens vom Pottblog einen umfassenden Artikel geschrieben, den man lesen sollte, um auf den aktuellen Informationsstand zu kommen. Ich möchte in diesem Eintrag einfach mal ein wenig spekulieren, ein paar der Dinge in den letzten Wochen herausgekommen sind mit der Vergangenheit der WAZ in Verbindung setzen und dabei auch einen Blick auf das Internetportal Der Westen werfen – und zwar vor allem auf den Namen und die möglichen Konsequenzen dieses Konzepts auf die Printobjekte der WAZ-Mediengruppe im Ruhrgebiet.

Das heutige Nebeneinander von WAZ, NRZ und Westfälischer Rundschau ist vor allem dem Druck des Kartellamtes bei der Übernahme von NRZ und WR (auch WP, aber die ist bei den aktuellen Plänen außen vor) geschuldet: Alle drei Titel sollten redaktionell unabhängig geführt werden und nur wirtschaftlich kooperieren. So gab es (und wurde über 30 Jahre) trotz einer Beinahe-Monopolstellung eines Verlages für die Leser die Auswahl zwischen verschiedenen redaktionellen Konzepten. Hätte die WAZ WR und NRZ nicht übernommen, das darf nicht vergessen werden, würde es diese Titel wohl schon lange nicht mehr geben. Dieses Konzept war erfolgreich, solange die Regionalzeitungen am Markt erfolgreich waren.

Diese Zeit ist aber vorbei: Bundesweit schrumpfen die Auflagen von Regionalzeitungen. Die Gründe dafür sind vielfältig und nur zu einem geringen Teil von den Verlegern zu verantworten:
–    Demographischer Wandel: Treue Leser sterben in größerer Zahl als neue auch nur theoretisch hinzukommen könnten.
–    Geänderte Mediennutzung: Junge Menschen lesen weniger Papiermedien.
–    Pluralisierung der Lebenswelten: Parteien, Verbände und Vereine sind in der Dauerkrise – sie waren aber die wichtigsten Objekte lokaler Berichterstattung. Die Pluralisierung der Lebensverhältnisse führte zur Bildung von zahlreichen Kleinstmilieus, die kaum noch in einer Zeitung abzubilden sind. Es kommt zur Entfremdung zwischen Zeitung und Leser.
–    Geld: Fernsehen und Internet sind (scheinbar) kostenlos. Das man für Informationen Geld zahlen muss, erscheint immer weniger Menschen nachvollziehbar.
Als jemand der mit Printmedien aufgewachsen ist, bei Printmedien arbeitet und sehr gerne liest ist das eine Entwicklung, die ich bedauere – aber das ändert nichts daran, dass es sie gibt.

Fest steht: Mit der strukturellen Krise der Regionalzeitungen steht auch das WAZ-Modell auf dem Prüfstand. Die Auflösung der verschiedenen Mantelredaktionen soll Kosten sparen – gut wäre es, wenn zumindest ein Teil der eingesparten Kosten in die Lokalredaktionen fließen würde, denn sie sind die eigentliche Stärke der WAZ-Titel.

Durch die Zusammenlegung der Mantelredaktionen wird es unweigerlich dazu kommen, dass sich die Titel noch stärker als bislang durch ihre Lokalteile definieren. Der Mantelteil wird generell weniger wichtig – und damit auch der Name dieses Mantelteils. Die WAZ hat das in den 50er und 60er Jahren alles schon einmal erlebt. Damals wurden Lokalzeitungen wie die Herner Zeitung gekauft, die Lokalredaktionen blieben erhalten, oft auch der Name innerhalb des Lokalteils, nur der Mantel wurde ausgetauscht. Die Leser hat das kaum gestört. Warum soll die WAZ das in den kommenden Jahren nicht noch einmal tun und damit die Integration von WR, WAZ und NRZ abschließen? Einen Namen für eine solche „Super-WAZ“ hat der Verlag schon und er hat es teilweise auch schon auf die Titel der Zeitungen geschafft: Der Westen. Ich habe mich immer gefragt, warum die WAZ-Mediengruppe bei dem Aufbau ihres neuen Internetangebots einen neuen Namen gewählt hat. Technisch wäre es kein Problem gewesen, die Leser mit Portalseiten „ihrer“ Zeitung zu empfangen und dann auf das gemeinsame Angebot weiter zu leiten.

Die Namen der WAZ-Gruppe stellen ungeheure Werte das: Mit WAZ, NRZ und WR sind Millionen Menschen im Ruhrgebiet groß geworden. Für viele war es ihre erste Tageszeitung. Mit diesen Zeitungen verbinden viele zum Teil ihre eigene Geschichte: Als Kind die Peanuts gelesen, beim Abi stand der eigene Name drin, im lokalen Sportteil konnte man über ehemalige Schulfreunde lesen und irgendwann tauchten bekannte Namen in den Todesanzeigen auf. Man vertraut diesen Zeitungen – diese großen Namen ohne technische Not durch „Der Westen“ zu ersetzen macht meiner Meinung – und mehr als meine Meinung ist es nicht, ich habe keinen Beleg dafür –  nur Sinn, wenn man mit diesem Namen auch ein Printobjekt starten will. Sei es als Obermantel aller Titel – vielleicht am Anfang nur etwas größer als heute, aber mit wachsender Tendenz. Ich glaube, es wird ein evolutionärer Prozess. Der Schritt, die Namen Printobjekte hinter den des Onlineprojektes zu setzen wäre ein Bruch mit allen Traditionen und revolutionär. In Deutschland hat das bislang kein größerer Verlag gemacht. Es wäre eine neu Kursbestimmung für die nächsten Jahrzehnte. Ob es der richtige Kurs ist? Das kann heute niemand sagen. Aber es wäre ein mutiger Schritt.

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Kein Kohlegejammer

2018 ist Schicht im Schacht – dann schließt  die letzte Zeche im Ruhrgebiet. Heute stellten die Städte ihre Forderungen gegenüber der Landesregierung auf. Sie setzen auf Bildung und nicht mehr auf Bergbau.

Klaus Wehling, Hanns-Ludwig Brauser und Thomas Kubendorff

"Die letzte Lore heißt Hanne" überschrieb die CDU-Fraktion vor ein paar Jahren eine Pressemitteilung zum Thema Bergbau und tatsächlich: Wenn es um die anstehenden Zechenschließungen geht,  wird  nur pflichtgemäß  einen Perspektive für den Bergbau gefordert. Nur noch ein paar SPD-Wahlkampfstrategen und die IGBCE scheinen auf das Thema Steinkohle zu setzen. Schlapp klingen die Beschwörungen über die Fortführungen eines nicht mehr subventionierten Bergbaus, gegen den ohnehin niemand etwas hätte. Auf der Pressekonferenz, auf der die Städte und Kreise und Ruhrgebiets und der Kreis Steinfurt unter Federführung der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr heute ihre Forderungen gegenüber dem Land bekannt gaben, die sie in einem Brief an Ministerpräsident Rüttgers formuliert haben, wurde klar: Auch in den Köpfen hat endlich die Zeit nach der Kohleära begonnen.
 
Das  Ende des Bergbaus wird noch einmal viele Arbeitsplätze kosten – 47.000 alleine. Dabei werden Bergleute und Jobs bei Zulieferern etc. zusammengezählt. Die wenigsten von ihnen, nur gut 20.000 sind Kumpel oder in der Zechenveraltung beschäftigt. Wegfallen werden auch landesweit 2.000 Ausbildungsplätze. Was wollen die Städte tun um den Job-Crash aufzufangen? Vor allem Kooperieren. Vor allem bei der Vermarktung der Gewerbeflächen wollen sie zusammenarbeiten. Und sie fordern Geld: Für die Aufbereitung von Flächen und vor allem für Bildung: Die Ganztagbetreuung soll in allen Schulformen ausgebaut werden, die Berufskollegs des Bergbaus sollen erhalten und inhaltlich neu ausgerichtet werden und auch weitere FHs sowie Internationale Schulen sollen im Revier angesiedelt werden. Zu diesen Forderungen kommt noch Projekte aus dem Konzept Ruhr, die  vor allem aus den Bereiche Städtebau und Flächenaufbereitung kommen. 

Was mir fehlt sind große Infrastrukturprojekte im Bereich Straßen- und Autobahnbau und Nahverkehr sowie die der Wunsch nach Forschungseinrichtungen wie  Fraunhoferinstituten etc. Auch hätte man fordern können, endlich sowohl vom Bund und vom Land nicht mehr vergessen zu werden, wenn es um die Ansiedlung großer Institutionen geht: Warum ist ausgerechnet das Landesarbeitsamt in Münster? Solche Beispiele gibt es viele und wenn die Bettelei um Kohlesubventionen endlich ein Ende hat können wir auch unseren Teil des Kuchens fordern.

 

Ein Besuch bei den Metallern. Streik they can

Überall in NRW laufen die Warnstreiks  im Metall-Gewerbe. Ich war unterwegs, um zu sehen, wie die Lage ist.

Foto: Lynnchen bei Flickr

Die Tour geht in Wuppertal los. Hier scheint die Sonne dem Redner ins Gesicht. Oliver Burkhard ist da. Er steht auf der Ladefläche eines LKW. Um die Schulter trägt er einen roten Schal. 36 Jahre alt ist Burkhard jetzt und Chef der IG-Metall in NRW. „Cash we can“, ruft er in die Menge vor ihm und „Strike we can.“ Hunderte Arbeiter reißen ihre Hände nach oben. Sie tragen rote Handschuhe. Auf denen steht ihre Forderung: „8 Prozent“.

Die IG Metall macht in diesem Jahr ernst. Sie stellt eine der höchsten Lohnforderungen der letzten Jahre. Trotz drohender Rezession und Finanzkrise will die Gewerkschaft mehr Geld in die Taschen der Arbeiter spülen. Bislang bieten die Arbeitgeber bescheidene 2,1 Prozent. Zu wenig, findet Burkhard. Zu wenig, finden auch die über tausend Arbeiter, die in Wuppertal vor einem Werk der Schaeffler-Gruppe demonstrieren. Burkhard greift wieder an. Sollte bis Dienstag kein „vernünftiges“ Angebot der Arbeitgeber vorliegen, „sind der Worte genug gewechselt.“ Burkhard hat seine Rolle gefunden. Er ist der Aufputscher, der Heizmacher. Der Kämpfer. Und damit ist er ein Aufsteiger in der IG-Metall. Er leitet eine der wichtigsten von insgesamt sieben Bezirksstellen. Aus Nordrhein-Westfalen kommt gut ein Viertel aller IG-Metall-Mitglieder. Und er wird den Streikt leiten, wenn es so weit kommt. Wie ich erfahren habe, werden in Wuppertal derzeit Urabstimmungen für den 13. November vorbereitet. und in NRW soll der Schwerpunkt der Kämpfe liegen.

Die Arbeitgeber lassen sich von dem Aufmarsch der Gewerkschaft nicht beeindrucken. Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser sagte vor wenigen Tagen: „Wir werden alles tun, um einen großen Arbeitskampf zu verhindern. Aber wenn er uns aufgezwungen würde, würden wir uns dem nicht entziehen.“

In Wuppertal steht Andreas P.  ein wenig Abseits der großen Reden neben einem geparkten Laster. Andreas P. arbeitet für den amerikanischen Autozulieferer Johnson Controls in dessen Wuppertaler Niederlassung. Der 35-Jährige baut die Innenausstattung für Opel beispielsweise. Seit ein paar Wochen wird es eng, sagt Andreas P.. Deswegen will er auch nicht seinen Namen in der Zeitung lesen. Wer weiß schon warum einer gekündigt wird. „Bei uns ist die Produktion um 40 bis 50 Prozent runter“, sagt Andreas P.. Die Leiharbeiter seien von einem auf den anderen Tag rausgeschmissen worden. 70 Mann. Mit Familien. „Jetzt machen sich vor allem die Älteren Sorgen. Früher hatten wir 20 LKW am Tag auf dem Hof. Heute sind es zwei oder drei –in der Woche.“ So eine Art Kurzarbeit gebe es auch schon. Ein paar Tage die Woche steht alles still. „Jetzt erzählen sich alle, aus Amerika soll Geld geschickt werden für einen Sozialplan.“ Den Tarifstreit der Gewerkschaft kann Andreas P. nicht so richtig nachvollziehen. „Bei uns kommt sowieso nicht viel an. Nach der Abrechnung bleibt nicht mal genug, um einmal ordentlich essen zu gehen mit der Frau.“

Aber geht es nicht darum, die Kaufkraft zu stärken? Andreas P. zuckt mit den Schultern. „Das ist ja das schwierige bei den Verhandlungen. Wir brauchen Geld in der Tasche, wir sollen die Binnenwirtschaft ankurbeln. Aber die Firmen müssen auch leben. Am Ende geht es denen so schlecht, dass die aufgeben müssen.“ Und der Streik? Andreas P. denkt nicht lange nach. Klar würde er mitmachen. Wie seine Kollegen auch. „Unter den jüngeren Kollegen ist die Angst nicht groß. Irgendwie muss es ja weitergehen.“

In Wuppertal steht jetzt der Kurt von der örtlichen Gewerkschaft am Mikrofon und brüllt heiser: „Um Conti zu kaufen, war das Geld bei Schaeffler da, aber um uns mehr Lohn zu geben, ist kein Geld da? Das kann doch nicht sein.“ Die Sonne scheint immer noch in das Gesicht der Gewerkschafter. Aber wenn man sich umdreht, sieht man ein duzend Platanen am Rand der Kundgebung. Die Blätter sind schon gelb. Und sie fallen einfach runter.

Auch in Oberhausen wird heute protestiert. Hier stand früher die Gute Hoffnungs Hütte, eines der wichtigsten Stahlwerke Deutschlands. Davon ist nach vielen Jahren Strukturwandel im Ruhrgebiet nicht viel geblieben. Der größte Teil der Fabrik wurde abgerissen. Hier ist jetzt ein Einkaufszentrum.

Nur ganz am Ende, in einer Ecke des alten Fabrikgeländes drängen sich noch ein paar Hallen, in denen Metall im Industriemaßstab verarbeitet wird. 1500 Mann schaffen hier. Dies sind die Turbinenbauer von MAN Turbo und MAN Rand. Die Arbeiter stehen gerade vor den Toren ihrer Fabrik. Sie sind im Warnstreik für mehr Lohn. Ein Gewerkschafter fordert die Männer auf, zu streiken, wenn es die Unternehmen nicht genug Geld geben sollten. Und die Männer klatschen Beifall. „Natürlich würden wir streiken“, sagt Dennis Krischik, 28. „Wenn die bei zwei Prozent bleiben, jederzeit.“ Die Kollegen rund um Krischik nicken und klatschen.

Ein paar Meter weiter steht Peter Wirtz. Der 38 Jährige hat graue Haare an den Schläfen. Er ist groß und schlank. „3,5 Prozent werden wir schaffen, denke ich. Schade. Vor ein paar Wochen hätten wir auch noch die 4 geschafft. Aber dann kam die Krise.“ Wirtz hat keine Angst davor, dass seine Firma wegen der Lohnforderungen untergehen könnte. Warum auch? Die Auftragsbücher sind noch voll. „Wir haben Arbeit genug. Selbst wenn nichts Neues mehr reinkommt, haben wir über ein Jahr zu tun.“ Auch hier scheint noch die Sonne. Ein Gewerkschafter läuft durch die Reihen der Warnstreikenden und verteilt Schokolade der Marke Fedora. „Mehr Zaster für Laster“ – das steht auf der Packung. „Vielleicht haben die Autobauer Probleme, aber wir doch nicht“, sagt Wirtz. Weniger Arbeit heiße hier nur wieder Rückkehr zum Normalzustand. Weniger Überstunden und mal ein freies Wochenende. Nichts, vor dem man Bange sein müsste.

Später am Abend in einer Küche in Klosterhardt, Oberhausen. Hier in der Gegend wohnen die Arbeiter der Metallfabrik MAN. Ein paar Meter die Straße runter ist ein Bäcker. Thomas Laudert sitzt an einen Holztisch. Der Blick läuft frei über einen Garten. Er trinkt ein Glas Wasser. Thomas Laudert ist Vorarbeiter bei MAN Turbo. Er denkt gerade drüber nach, was ihm drei oder vier oder sechs Prozent mehr Lohn eigentlich bringen. „Da hab ich nichts von“, sagt Laudert. „In dem Moment, in dem wir den Abschluss haben, kosten die Brötchen direkt fünf Cent mehr. Das hängt zusammen. Kriegen wir mehr, wollen hier alle mehr. Das Geld wird einfach weniger wert.“ Laudert ist Mitglied der Gewerkschaft IG Metall. Früher war er Vertrauensmann im Betrieb. Er sagt: „Dieses Jahr müssen wir einfach den Arsch hinhalten. Sonst hat immer der Süden gestreikt, jetzt sind wir dran. Das ist es.“