schurians runde welten: Schattenbolzen und Dampfablassen

 

 

„Die in diesem Gesetz aufgeführten Rauchverbote gelten in Gebäuden und sonstigen vollständig umschlossenen Räumen.“ klick!

Irgendwann war ich es leid, im Stadion ein Bier nach dem anderen zu trinken, wie man es leid ist, Bücher ungelesen der Bibliothek zurückzugeben, weil die Leihfrist abgelaufen ist. Seither habe ich mehr vom Spiel. Was ich nicht lassen kann, ist das Rauchen im Stadion – aus gesundheitlichen Gründen.

Es macht gerade eine Untersuchung zu den kardiologischen Gesundheitsgefahren des Fußballguckens die Runde. Und die angelsächsischen Forscher haben Recht. Zuschauen birgt enorme Risiken. Ohne seinen Platz verlassen zu können, muss man ohnmächtig die gruseligsten Dinge mitansehen. Das Herz beginnt zu rasen, der Blutdruck steigt, eine Stresssituation. Man schwitzt, brüllt und ahmt die Bewegungen der Spieler im Strafraum nach, zuckend wie eine träumende Katze. Doch ohne Geschrei, Schattenbolzen und ohne Zigaretten würde einem das Spiel noch mehr ans Herz gehen. Ohne Dampfablassen und Übersprungshandlungen wäre es hochriskant.

Ob es diese umgekehrte Gesundheitsapostelei ist? Deutschland hat jedenfalls weiter ein Herz für Stadionraucher. Zwar wird im Sommer sogar in Kneipen Schluss gemacht mit dem Paffen, doch für Stadien gilt das nicht. Mit einem kleinen Kniff hat das die Landespolitik auch in NRW geschafft. Und einige unangenehme Fragen ignoriert:

Warum soll Fußball und Rauchen gehen, obwohl da auch jede Menge Jugendliche, sogar Kinder zugegen sind? Weshalb sind angezündete Zigaretten in Konzerthallen oder Eisstadien Tabu, nicht aber in Fußballarenen mit Schiebedach? Und schließlich: Warum müssen Nichtraucher in den Kurven nicht genauso vor Tabakqualm geschützt werden wie in Eckkneipen, zumal mehr Nichtraucher zum Fußball gehen als in verrauchte Bierschwemmen?

Dennoch hat die Politik mit einer „Lex Schalke“ am Fußballqualm nicht rütteln wollen – selbst in der Arena mit dem Schiebedach nicht. Nur für die Gelsenkirchener ist im Gesetz von „vollständig umschlossene Räume“ oder auch von „dauerhaft geschlossenen Räume bei öffentlich zugänglichem Sportbetrieb“ die Rede. In den Erläuterungen des Gesetzgebers findet sich die plumpe Formulierung der „überdachten aber nicht vollständig geschlossenen Sportstadien“. Und auch diese wissenschaftlich nur mittelmäßig haltbare Erklärung: „In der Außenluft können sich die Schadstoffe des Tabakrauchs besser verteilen, so dass die Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen erheblich vermindert sind“.

Irgendwie putzig. In Wirklichkeit haben sie nur Angst vor lauter Herzklabaster auf der Tribüne.

Unsichtbares Ruhrgebiet


Ruhrgebiet in den Medien: Bundesliga dominiert Foto: Privat

In die Medien kommt das Ruhrgebiet vor allem über Ereignisse, nicht über Personen. Und Ereignisse produziert vor allem der Fußball: Wirft man einen Blick in Google-News, scheint das Ruhrgebiet eine Gegend zu sein, die mal um zwei, mal drei oder vier Stadien herum liegt. Und dann gibt es noch Opel, Nokia und die Zechen. Die großen Jobkrisen sind spektakulär, viel spektakulärer als die vielen kleinen Erfolge, als die mittelständischen Unternehmen, die im Revier Jobs schaffen. Und so prägen auch die Krisen das Bild vom Ruhrgebiet. Nur ganz selten blitzen sternschnuppengleich Erfolge auf: Die ThyssenKrupp-Heimkehr war eine solche Meldung.

Das Bild des Ruhrgebiets ist also das einer strukturschwachen Region, in der junge Männer in kurzen Hosen gerne gegen Bälle treten.

Was dem Ruhrgebiet vor allem fehlt, ist ein Gesicht. Frankfurt hat Petra Roth, Berlin Klaus Wowereit und München Christian Uhde. Ihre Städte haben Gesichter, sind mit Personen verbunden, die sich immer wieder auch zu Themen jenseits ihrer Städte zu Wort melden, die in Talkshows eingeladen werden, die sich und ihre Region repräsentieren. Sie können auch die Geschichten der kleinen Erfolge erzählen, sind Imageträger.
Und in diesem Bereich der medialen Vermittlung, der durch den Hang der Medien zu Personalisierung von Nachrichten in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat, kann das Ruhrgebiet nicht mithalten. Gut, mit Beitz, Müller und Grossmann gibt es wieder drei veritable Ruhrbarone, aber kann es sich eine Region erlauben, von ein paar Managern repräsentiert zu werden? Was, wenn statt diesen dreien, die in der Tat eine starke mediale Präsenz haben, eines Tages graue Mäuse an ihre Stelle treten?
Die Ruhrbarone, sie reichen nicht aus – das Ruhrgebiet braucht einen Kopf, demokratisch legitimiert, mit einer Adresse, an die sich Journalisten und Unternehmer wenden. Einen solchen Kopf gibt es nicht – die Oberbürgermeister, jeder von ihnen medial schon auf Landesebene unterhalb jeder Wahrnehmungsschwelle, wollen nicht, dass jemand ihre vergleichsweise kleinen Lichter überstrahlt.

Somit ist das Ruhrgebiet, was die mediale Präsenz betrifft, schlecht aufgestellt.

Ein weiteres Problem ist, dass das Ruhrgebiet keine Talente anzieht und die, die aus ihm hervorgehen, exportiert. Berlin auf die Berliner reduziert ist vor allem eine Ansammlung langweiliger bis muffliger Transfer-Empfänger – aber die Stadt zieht interessante, kreative Menschen an und das nicht nur aus Deutschland: David Bowie und Iggy Pop lebten dort in den 70ern. Heute schwärmen Bratt Pitt und Angelina Jolie von der einstigen Mauerstadt. Und das Ruhrgebiet: Ob Herbert Grönemeyer, Ingo Naujoks, Claude-Oliver Rudolph, Philip Boa oder FM Einheit – wir exportieren sogar noch unsere Talente.
Der Fluch des Ruhrgebietes ist sein Mangel an Zentralität. Selbst so etwas Banales wie den Sitz eines Regierungspräsidiums gibt es in dieser Region nicht. Eine Region ohne zentrale Funktionen, im besten Falle solche, die kulturell, wirtschaftlich oder politisch über die Region hinaus Bedeutung besitzen, produziert keine Nachrichten, ist nicht Sitz von Medien mit überregionaler Strahlkraft und nicht in der Lage, ihr Bild in der Öffentlichkeit selbst zu bestimmen. Sie ist Objekt der Berichterstattung – und damit nicht Zentrum, schon gar nicht Metropole, sondern Provinz.

Auch wenn das Ruhrgebiet wirtschaftlich stark ist, der Sitz zahlreicher Konzerne und gar im Energiebereich durchaus eine bundesweit dominierende Rolle einnimmt – das ewige Gejammer um Unterstützung, das permanente Einfordern von Solidarität, das Betteln um Subventionen und Fördergelder – es schwächt das Bild des Ruhrgebiets. Die Region ist auch so stark auf Hilfe von außen angewiesen, weil sie die möglichen Synergieeffekte nicht nutzt. Wenn ich ein Steuerzahler in München wäre – meine Begeisterung, mit meinen Steuergeldern ein paar Dutzend vor sich hin wurschtelnde Nahverkehrsunternehmen, 56 Stadt- und Kreisverwaltungen und viele, viele andere überflüssige Parallel-Organisationen durchfüttern zu sollen, würde sich in engen Grenzen halten.

Die Alimentierung des Reviers verhindert nicht nur die Entwicklung effizienter Strukturen, sie raubt der Region ihren Stolz, und das spürt man auch medial.

Natürlich gibt es Ausnahmen. In Bereichen, in denen die Zentralität traditionell nicht allzu stark ausgebildet ist, in denen das Ruhrgebiet wettbewerbsfähig ist, ist das Ruhrgebiet gut vertreten: Wissenschaft und Fußball sind die beiden Themenfelder, in denen das Revier auch international wahrgenommen wird. Vor allem die Berichte über Schalke 04 und Borussia Dortmund gehen um die Welt.
Hier ist das Ruhrgebiet mit seinen im Augenblick vier Bundesligisten sehr gut dabei. Der fußballerische Erfolg führt aber auch zu einer Verzerrung in der Wahrnehmung: Weil die anderen Bereiche, weil Politik, Kultur, aber auch Nachtleben, Einkaufen oder andere Freizeitbereiche nicht vorkommen.
Jeder hat eine Ahnung von München oder Berlin, die so wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat wie die medial transportierten Bilder über das Ruhrgebiet. Die Images dieser Städte sind aber attraktiver, weil sie scheinbar umfassender sind, weil sie nicht auf so wenige Aspekte wie Fußball und Großindustrie reduziert werden – die Berichterstattung über den Wissenschaftsbereich spielt für die große Masse der Medienkonsumenten keine allzu wichtige Rolle.
Hinzu kommt, dass es seit Ende der 90er Jahre keine aktive Öffentlichkeitsarbeit des Ruhrgebietes gibt. War die Kampagne „Ein starkes Stück Deutschland“ noch ein Vorbild für zahlreiche spätere Stadt- und Regionalkampagnen, hat man diese Arbeit seit längerem aufgegeben. Stattdessen setzt der Regionalverband Ruhr, der Zusammenschluss der Städte des Ruhrgebiets, auf eine mediale Repräsentanz der Region durch Großereignisse wie die Kulturhauptstadt 2010. Ein riskantes Konzept, hat man doch auf die Qualität solcher Ereignisse und ihre Öffentlichkeitswirksamkeit nur einen beschränkten Einfluss. Dass dieses Konzept eher eine Verlegenheitslösung als eine Strategie ist, wird daran deutlich, dass es für die Zeit nach der Kulturhauptstadt überhaupt keine Pläne für vergleichbare Großereignisse gibt.

Das Problem des Ruhrgebiets bei seiner medialen Repräsentation ist das Problem des Ruhrgebiets in seinem Alltag: Es fehlt der Region an Bedeutung. Die muss sie einfordern, und das kann sie nur zusammen: Mit 5,5 Millionen Menschen kann man Ansprüche stellen, nicht ewig auf weitere Unterstützung – das ist würdelos – sondern auf seinen Teil vom Kuchen: Ein Regierungspräsidium, mehr Geld für die Hochschulen, Ansiedlung von Landes- und Bundesbehörden, von europäischen Institutionen. Warum ist das Landesarbeitsamt in Münster? Warum Westlotto? Warum werden nicht mehr Großforschungsanlagen im Ruhrgebiet errichtet? Warum haben wir nicht mehr Fraunhofer-Institute? Mehr Max-Plank-Institute? Wieso werden unsere Autobahnen so schleppend ausgebaut? Unsere Bahnhöfe? Wir stellen knapp sieben Prozent der Bundesbevölkerung – und haben mindestens in diesem Maße einen Anspruch auf zentrale Institutionen mit Außenwirkung. Da diese in erster Linie ohnehin nur in Großstädten angesiedelt sind, haben wir ein Recht auf einen noch deutlich größeren Teil. Diesen Anteil können wir zu Recht einfordern und sollten es mit Selbstbewusstsein tun.

Institutionen mit zentralen Funktionen und mit Strahlkraft würden die mediale Repräsentanz des Ruhrgebiets ändern, ja, die Bedeutung der Medien aus der Region für die Bundesrepublik stärken – und dann würde sich das Bild der Ruhrgebiets in den Medien verändern.

Rocken mit Rudi & Ralph

 

Jägermeister bläst zur Rock:Liga 2008, mit Gruppenspielen ausgetragen unter anderem in Bochum und Essen.

In der Zeche Bochum treten heute, Mittwoch, 13. Februar, 20.00 Uhr in der Gruppe B Therapy? (Belfast), Dúné (Skive, DK) und Portugal. The Man (Wasilla/Alaska) gegeneinander an, wobei der Auftritt des Indie-Rock-Trios aus Alaska (eigene Stilbeschreibung: Soul / Progressive / Grime) noch am spannendsten ausfallen dürfte.

Therapy? kann man ja schon als leicht verbraucht zählen; deren beste Phase war Mitte der 90er und danach klingen sie immer noch. Jedenfalls passen sie prima in das seit Jahren gepflegte Veranstaltungskonzept der Zeche Bochum, die sich offensichtlich zum Ziel gesetzt hat, abgehalfterten Prog- und Classic-Rock-Rentnern wie Manfred Mann, Wishbone Ash oder gar gleich einem ganzen CLASSIC ROCK PACKAGE auf verbliebene Lebenszeit Asyl zu bieten. Von der anderen grausamen Ausrichtung (Olaf ‚Lasso‘ Henning) sprechen wir lieber nicht.

Gruppe D findet sich erst in ca 6 Wochen, am 24. März (Ostermontag), um 20.00 Uhr in der Zeche Carl in Essen-Altenessen ein. Mit Mediengruppe Telekommander (Berlin), The Electric Soft Parade (Brighton/UK) und Zoot Woman (London) wird es wesentlich elektrolastiger ausfallen, am wenigsten aber noch bei The Electric Soft Parade: deren Ableger Brakes dürfte ein paar Leuten noch von ihrem damaligen Auftritt im Bahnhof Langendreer als Vorprogramm der Editors in bester Erinnerung sein, beispielsweise die liebevolle zehnsekündige Hommage an Dick Cheney.
Meine persönlicher Favorit der Gruppe D: Zoot Woman. Ist mehr Pop als Rock, dafür aber richtig gut. Eine Woche später, am 31. März, kann man sie nochmals in voller Länge im bis dahin frisch renovierten Prime Club in Köln erleben.

Tickets kosten ca 14 EUR an der Abendkasse.

Zu den Regeln: jede Band darf sich 45 Minuten auf der Bühne austoben. Anhand der Applauslautstärke wird abgestimmt; klingt irgendwie nach Poetry-Slam. Aus jeder Gruppe kommt nur der Erste ins Finale. Das findet in Berlin statt, soll hier also nicht weiter interessieren.

Einen klebrigen Beigeschmack hat die Jägermeister-Veranstaltung dann doch: da wären die nachgesagten – selbstverständlich dementierten – engen Verbindungen zwischen Curt Mast – ein Sohn des Firmengründers Wilhelm Mast – und dem Reichsjägermeister Göring, desweiteren der Miss Arschgeweih contest – mittlerweile arg abgeglitten im Trend und deshalb in Sachen Promotion ersetzt durch die Jägerettes, angeworben als „junge dynamische und selbstbewusste Männer und Frauen im Alter von 20-25 Jahren“, ausserdem die ausgesprochen schicken Merchandising-Artikel wie Hirschfellimitat-Bikini und Arschgeweih-String-Tanga, und nicht zu vergessen dieses süssbraune eklige Kräutergebräu, besonders verheerend in Kombination mit Orangensaft.

Auf der Unternehmens-Webseite finden sich dann noch jede Menge Zahlen, Fakten, Fakten, Fakten und Daten wie
„Jägermeister tritt für den verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol ein. Jägermeister meint es ernst“.
Wie ernst sie es meinen, das demonstriert bereits eindrucksvoll die Zugangsbeschränkung auf der Infotainment-Homepage: diese verlangt die Eingabe des Heimatlandes sowie des Geburtsdatums. Und tatsächlich: ist man noch keine 18, kommt man partout nicht rein und wird stattdessen begrüsst mit den warmen Worten „Vielen Dank, dass du so ehrlich bist und zugibst, nicht zu unserer Zielgruppe zu gehören!“ Zur Zielgruppe reichen auch die Jäger nicht mehr aus, was bereits in den 60er Jahren erkannt wurde.

In der Unternehmensrubrik Alkohol und Verantwortung findet sich die Marketing-Maßnahme „keine Darsteller unter 25 Jahren in der gesamten Kommunikation“. Ich empfehle dann mal der Marketing-Abteilung, diese Botschaft mit den Jägerettes abzustimmen.
Die Kurzchronik gibt sich wie erwartet kurz; die meisten Akten seien schliesslich im Krieg verbrannt, heißt es. Abschliessend die neue Kommunikationsstrategie:
„In 2002 wurde das gesamte Kommunikationskonzept noch mal leicht nachjustiert: Der neue Claim ACHTUNG WILD! steht für Kantigkeit, Wildheit und Selbstbewusstsein.“
Das macht mich ganz schwindelig. Ob das auch so in der Rock:Liga praktiziert wird? Bin dann mal gespannt auf die nächste Justierung.

Nokia: Endgültiges Aus


Foto: Görges

Keine Überraschung: Das Nokia-Management hat sich nicht auf die Vorschläge des Betreibrates zur Rettung des Standortes Bochum eingelassen. Nun wollen beide Seiten nach Lösungen für die Mitarbeiter suchen. Die gemeinsame Stellungnahme von Nokia und dem Betriebsrat der Nokia GmbH zu den heutigen Gesprächen in Helsinki klingt schon beinahe versöhnlich. Zur Zukunft der Nokianer hat Christoph Schurian indes einen eher sekptischen Arbeitsmarktexperten interviewt.

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Über die Ohnmacht des Ruhrparlamentes


Die Verwaltungsspitze des RVR (v.l.n.r): Dieter Funke, Bereichsleiter Wirtschaftsführung,
Heinz-Dieter Klink, Regionaldirektor, Ulrich Carow, Bereichsleiter Umwelt, und
Dr. Thomas Rommelspacher, Bereichsleiter Planung. Foto: RVR/Kazani

Alle Macht dem Parlament. Das sollte auch fürs Ruhrgebiet gelten, denke ich, gerade wenn es um das Geld geht. Doch hier macht mir das Ruhrparlament Sorgen. Haaaachh

Heute habe ich die vollständige Liste der neuen Förderanträge des Ruhrgebietes angesehen. Da wird auf duzenden Seiten unter Federführung der Tochter des Regionalverbandes Ruhr (RVR), also der Metropole Ruhr GmbH, alles das zusammengetragen, was nach Ansicht des Reviers Anspruch auf Europäische Förderungmillionen hat.

Was sollte man erwarten? Irgendwas wie Tokyo in Flammen oder so, ein Konzept, eine Idee von einem Aufbruch, der eigentlich schon bevorsteht und nur noch ein paar Flocken braucht, damit die Funken fliegen! Ja, so was sollte man erwarten.

Doch das gibt es leider gar nicht. Stattdessen, die übliche Tristesse: Zum Beispiel wird in Bottrop ein Innenstadtumbau geplant, um die City attraktiver zu machen – damit die Bottroper Kaufkraft bei dem aktuell anschwellenden Leerstand trotzdem in der Kommune bleibt. Ach so. Dieser völlig realitätsfremde Antrag berücksichtigt nicht, dass dieser phantasielose Innenstadtumbau, lange im Gang ist, völlig unmodern bleibt und dafür auch noch an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei geht.

Falls mir diese Behauptungen keiner abnimmt, was ich mir denken kann, hier nur ein Hinweis: In der Realität wird in Essen mit dem neuen Arcandor-Shopping-Center gerade eines der größten Kaufrauschhäuser der Welt gebaut. Bottrop liegt direkt daneben. Kann nun ein von Brüssel bezahltes Bürgerbüro in Bottrop den Abfluss der Kaufkraft aufhalten? Nein, kann es nicht.

Brüssel sollte also lieber ein Projekt bezahlen, mit dem alle Revierstädte sich auf ein übergreifendes Einzelhandelskonzept einigen, damit alle Kommunen davon was haben. Im Fall von Bottrop könnte das heißen: warum nicht aus der Stadt eine Kneipenlandschaft machen, ein Westbermudadreieck, oder so? Etwas, das abends und nachmittags Leute in diese verschnarchte Schlafstadt von Essen holt?

Was auch immer. Der Leerstand im Einzelhandel kann nur Städteübergreifend in einen Raum für zukünftiges Wachstum umgewandelt werden.

Womit wir endlich beim Thema sind.

Die Arena, in der die Ideen für die wichtigsten Förderprojekte des Ruhrgebietes im Wettstreit miteinander bestehen müssten, sollte das Ruhrparlament sein.

Denn das ist der Kern jeder Demokratie. Über Geld wird im Parlament gestritten.

Auch im Ruhrparlament ist das eigentlich so. Doch hier wird über Fahrradwege parliert, während über den dicksten Brocken, die rund 1,6 Milliarden Euro Fördergeld aus Brüssel und Düsseldorf, kein Wort verloren wird.

Stattdessen stellt die Wirtschaftsförderung eine zusammenhangslose Liste von Einzelprojekten aus jeder Kommunen zusammen, und versucht erst künstlich über Bezeichnungen und Tabelletitel eine Art von Zusammenhang zu kreieren. Eine Addition von Nullen bleibt aber eine Ideenlose Null fürs Große und Ganze.

Warum die Liste nicht ins Parlament geholt wird, um hier darüber zu diskutieren?

Ganz einfach, weil die Oberbürgermeister und Landräte das nicht wollten. In ihrer Kirchturmdenke soll der RVR nicht zu der Arena der Zukunft werden.

Das ist Schade. Die Parteien im Ruhrparlament hätten sich gegen diese Abwertung wehren sollen. Dass sie es nicht taten, spricht für die Macht der Bürgermeister und Lokalos und gegen die Tatkraft der Parteien im RVR.

Nachtrag: Den kleinen Parteien ist da eigentlich kein Vorwurf zu machen. In erster Linie wäre es der Job von RVR-Direktor Heinz-Dieter Klink (SPD) gewesen, seinen Untergebenen Hanns-Ludwig Brauser (SPD) von der Wirtschaftsförderung anzuweisen, den Beschluss über die Förderanträge ins Ruhrparlament zu geben. Und als Klink dies nicht tat, hätten die Fraktionschefs von CDU und SPD dies fordern müssen, auch gegen den Willen ihrer jeweiligen Oberbürgermeister und Landräte.

6000 demonstrierten für Nokia-Belegschaft

Foto: Ruhrbarone/Görges

Zwischen 5000 und 6000 Menschen demonstrierten am gestrigen Sonntag in Bochum-Riemke für den Erhalt des Nokia-Standortes. Höhepunkt des Familienprotesttages war ein Ring of Fire, eine Menschenkette rund um das Werk, bei der tausende von Fackeln ein weithin sichtbares Zeichen des Protestes zeigen sollten. Alles war von der Gewerkschaft hervorragend organisiert – im Abstand von wenigen Metern waren mit Wasser gefüllte blaue Mülltonnen aufgestellt, in denen man die Fackeln entsorgen konnte.

Ansonsten waren es eher Randaspekte. die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen. Zum Beispiel welche Grüppchen sich an den Protest des Betroffenen ranhängten, ihn instrumentalisieren, um ihr eigenes, politisches Süppchen zu kochen.  Da war zum einen die DKP. Mittlerweile sind deren Mitglieder so sehr in die Jahre gekommen, dass der Kampf gegen wackelnde künstliche Hüftgelenke den gegen den Klassenfeind abgelöst haben dürfte. Selbstbewusst forderte auch die DKP die Verstaatlichung Nokias. Zur DKP ist mir auch wieder eine kleine Anekdote eingefallen: Vor zehn Jahren interviewte ich den damaligen Verfassungsschutzchef von NRW und fragte ihn, ob denn die älteren Damen und Herren der DKP immer noch überwacht werden. Eine Gefahr würde von ihnen ja kaum noch ausgehen. Der Mann gab mir, was die Gefahr betraf, recht, zeiget jedoch soziale Verantwortung: „Nicht nur die DKP besteht aus vornehmlich älteren Menschen, auch unsere Quellen in der DKP sind schon etwas betagt. Man kann doch jetzt nach zum Teil 30 Jahren nicht hingehen und denen sagen „Danke, das war es, wir brauchen Euch nicht mehr“. Also lassen wir die DKP immer noch von unseren alten freien Mitarbeitern beobachten.“ Ach, war es nicht nett in NRW unter Johannes Rau?
Zu den klassischen Protesttrittbrettfahrern gehört auch die MLPD. Zielsicher haben die Schwaben einst das Ruhrgebiet als den Ort lokalisiert, an dem in Deutschland die Revolution ausbrechen wird – und sich in Gelsenkirchen Horst nieder gelassen. Dort haben sie ein kleines K-Gruppen Imperium aufgebaut. Auch ihre Forderung – 30 Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich – wurde nur von wenigen Nokia-Mitarbeitern als ernsthafter Lösungsansatz ihrer Probleme gesehen. Im Fahnenschwenken sind die Jünger zwei Massenmörder – Stalin und Mao – jedoch recht eifrig.
Mehr als ein „hat sich bemüht“ kann man indes der KPD/ML nicht ausstellen. Ein kleines Häuflein stand in der Nähe des Nokia-Haupteingangs und intonierte mit brüchig gewordenen Stimmen den „Roten Wedding“ von Ernst Busch und ergaben sich in Revolutionsromantik.
Selbstbewusster traten da die Mitglieder der Linkspartei auf. Neidisch bemerkte manch Sozialdemokrat die große Menge der angereisten Lafontaine- und Gysi-Anhänger: Jung gebliebene 50plusser mit großem Selbstbewusstsein. Noch vor ein paar Jahren waren viele von Ihnen noch selbst Mitglieder kleinster marxistischer Religionsgemeinschaften – nun sonnen sie sich im späten Erfolg. Manch einer mag der autoritären Linken diesen Erfolg gönnen, mir erscheint er wie ein Nachhall der 50er Jahre. Wieso thematisiert niemand die hohen Lohnnebenkosten, die hohen Steuern und Abgaben, die in Deutschland der größte Job-Killer sind. Viele der Politiker, die sich tränenreich für Nokia engagieren haben in den vergangenen Jahren alles getan, dem Standort die Wettbewerbsfähigkeit zu rauben. Statt Traditionsparolen wäre das ein echter Ansatz der Kritik und der Diskussion.

Rücktritt wegen Esoterik-Kritik?


Ob da Schüßler-Salze im Spiel waren? Foto: Flickr/laenulfean

 Ein Ratsmitglied in Gladbeck soll zurücktreten, weil er gegen staatlich finanzierte Werbeveranstaltungen für Esoterik ist.    

Liebe Leser unseres kleinen Blogs: Könnt Ihr Euch vorstellen, dass es Menschen gibt, die der festen Überzeugung sind, sie werden von einem Bier betrunken, dass so stark verdünnt ist, dass man keinen Alkohol mehr feststellen kann? Klar, die nennt man Tablettenabhängige und packt sie in ein Krankenhaus zur Entgiftung. Und was ist mit Leuten, die Stein und Bein darauf schwören, dass sie mit Stoffen heilen können, die so stark verdünnt sind, dass sie unterhalb jeder Nachweisgrenze liegen? Die heißen in Deutschland Heilpraktiker und die Mittel, die man nicht mehr feststellen kann – also eher die Nichtmittel – nennen sich homöopathische Medizin. In ein Krankenhaus weist man sie aber nicht ein.
Dass diese Heilmittel in einem naturwissenschaftlichen Sinn nicht existieren und ihre Wirkung nicht nachgewiesen werden kann, heißt im Übrigen nicht, dass sie nichts kosten – frei nach dem Motto „Schlechtes muss nicht billig sein“
Nun ist es schön, dass in einem freien Land jeder so viel Unfug treiben kann wie er will: Wer mag, kann sich mit heilenden Steinen bewerfen lassen, Eigenurin gleich literweise in sich hineinkippen oder auch von Schamanen helfen lassen, die mit Vornamen Gerd-Lothar heißen und in Bayern wohnen.
Was man offensichtlich in diesem Land nicht mehr tun darf, ist, darauf aufmerksam zu machen, dass Homöopathie reiner Unfug ist, dass Stoffe, die es nicht gibt, nicht wirken können und dass „Informationsveranstaltungen“ zu diesem Thema bitte schön nicht mit Steuergeldern finanziert werden sollen. Wir bauen ja auch keine Flughäfen für yogische Flieger.
Genau das tat Franz Wegener, ein Grünen Ratsherr in meiner Heimatstadt Gladbeck und ein alter Freund von mir. Einen Brief an die örtliche WAZ begann er mit der Überschrift „Kein Geld und Raum für Hokuspokus”. Was war geschehen? Im Januar fand in einem Kindergarten in Zweckel eine Veranstaltung zum Thema Schüßler-Salze statt. Referentin war die Heilpraktikerin Susanne Bolz. Die ist hochqualifiziert. Wikipedia zur Heilpraktikerprüfung: „Der schriftliche Teil ist ein Multiple-Choice-Test; er besteht in der Regel aus 60 Prüfungsfragen, von denen 45 richtig beantwortet werden müssen.“ OK, das sind fast doppelt so viele wie beim Modepführerschein.
Über Schüßler-Salze, das Thema der Veranstaltung, schreibt Wikipedia: „Schüßler-Salze sind alternativmedizinische Präparate von Mineralsalzen in homöopathischer Dosierung (Potenzierung). Die Therapie mit ihnen basiert auf der Annahme, Krankheiten entstünden allgemein durch Störungen des Mineralhaushalts der Körperzellen und könnten durch homöopathische Gaben von Mineralien geheilt werden. Diese Annahmen sind wissenschaftlich nicht anerkannt, eine Wirksamkeit der Schüßler-Salze ist nicht nachgewiesen.“ Eines von ihnen, das Magnesiumphosphat, kennt man auch als Lebensmittelzusatz unter dem schönen Namen E 343. Es wird gerne in Cola gepanscht und steht im Verdacht, Kinder rappelig zu machen (aber natürlich nicht, wenn man es so stark verdünnt, dass nichts davon mehr festzustellen ist.) Als studierter Historiker verpasste es Wegener auch nicht, auf den Zusammenhang von Nationalsozialismus und Esoterik hinzuweisen. Himmler war bekanntlich ein Anhänger der Homöopathie und ließ die SS noch während des zweiten Weltkriegs nach Thule, dem angeblichen nordischen Atlantis buddeln. Gefunden haben die Jünger Himmlers, der Hühnerzüchter und Massenmörder in einer Person war, natürlich nichts.
Wegener ging es darum, Kinder künftig davor zu schützen in die Hände von Heilern zu fallen, wenn es ernst wird. Gegen eine Informationsveranstaltung zum Thema Homöopathie hätte er sicher nichts einzuwenden gehabt, aber vielleicht eher unter dem Motto: „Wenn Eure Kinder krank sind bringt sie zu einem Arzt – Millionen Menschen hätten gerne diese Möglichkeit. Nutzt sie!“
Nun könnte man meinen die Kindergärtnerinnen, die zu der Esoterikveranstaltung eingeladen haben, würden im Augenblick mit einer Papiertüte über dem Kopf durch die Gladbecker Fußgängerzone laufen. Weit gefehlt. Der Elternrat des Kindergartens ist über Wegeners Äußerungen „schwer empört“ und in einem Kommentar im Lokalteil – der leider nicht online ist – bemerkt der WAZ-Autor „Es sind schon Ratspolitiker aus geringeren Gründen zurückgetreten.“ Ja, ich 1996 – weil ich nach Bochum gezogen bin. Heute weiß ich einmal mehr warum.

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Skarneval 08 / The Dog & Pony Show

Skarneval 2008      The Dog and Pony Show

Zwei völlig subjektive Konzertempfehlungen für dieses Wochenende:

Ska-Fans sollten sich heute – Freitag, 8. Februar – um 20.00 Uhr im FZW in Dortmund-West sehen lassen:
dort findet der SKARNEVAL 2008 statt, mit RUDE & VISSER a.k.a. MR REVIEW (NL) und THE BIG (UK), erstere drücken gut auf’s Tempo, letztere mischen Two Tone Ska, Rocksteady & Reggae. Das Aufwärmprogramm übernimmt DEFERRED SUCESS – ein Mann und seine Gitarre, irgendwo zwischen den Levellers und Billy Bragg.
Einlass: 19.00 Uhr. Abendkasse: 13€

Direkt anschliessend kann man direkt übergehen zur GOING UNDERGROUND Party in der Eve Bar Bochum, heute ab 23.00 Uhr, siehe den Blog-Eintrag vom Mittwoch, 6. Februar.

Morgen, Samstag 9. Februar beginnt ab 20.00 Uhr in der MATRIX in Bochum-Langendreer THE DOG & PONY SHOW mit gleich vier spacigen Indie-Rock-Bands plus noch unbekanntem Opening Act, wobei insbesondere MOTHER TONGUE (L.A.) und THE ANIMAL FIVE (Malmö) hervorzuheben wären was die Live-Qualitäten angeht. Ausserdem dabei: THE STRANGE DEATH OF LIBERAL ENGLAND (UK) und LOUIS LAMENT (Köln).
Verschafft euch einfach selbst einen Höreindruck auf dieser Seite.
Einlass: 19.00 Uhr. Abendkasse: ca 18€

Netzer der Woche: Marcel „Lachflash“ Koller

Screenshot reviersport.de

Begründung: Marcel Koller ist der Wochen-Netzer, weil
sich der Bochumer Trainer über den allerersten Bochumer Sieg im Weserstadion nach 37 Jahren
so ungemein mitreißend freuen kann, die Apres-Ski-gestählte Stimmungskanone aus der Schweiz, Hut ab!

Ja, man freut sich richtig mit, wenn Koller (in fröhlichem anthrazit-schwarz) sagt (dazu verschränkte Arme): "Nee, (kopschüttelnd) die Freude (fragend) ist da (Sorgenfalten) und das sieht man auch (Blick schweift …) – in den(… zum Fenster) Trainingseinheiten (Augen verdüstern sich), den Spielen, (nochmal leichtes Kopfschütteln) das hat eigentlich (Betonung, Pause) sehr viel Spaß gemacht (Augen zugekniffen).

PS: Der erste der Bochumer Versuche auf Bremer Boden einen Sieg zu erringen, endete 2:0 für Werder und fand 1971 statt. Genauer: Am Todestag von Nikita Chruschtschow – übrigens ein 11.9. (sic!)