Der Betriebsrat der Nokia GmbH in Bochum ist erstaunt über die Äusserung von Randolf Rodenstock, dem Vizepräsidenten der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände. Rodenstock hatte die Schließung des Standortes Bochum aus Nokias Sicht als "sachlich richtig" bezeichnet. „Herr Rodenstock tut so, als wäre der Bochumer Standort unwirtschaftlich: das ist ja anerkanntermassen nicht der Fall. Er hätte sich hier nur vor Ort informieren müssen.“, so Silvano Guidone, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Nokia GmbH, „Die Tatsache, dass Bochum einer der Hightechstandorte von Nokia ist, verschweigt er ebenfalls.“
Insgesamt 136 Arbeitsplätze in der Entwicklung von Multimediatelefonen sowie das komplette Bochumer Nokia Research Center mit 38 Mitarbeitern sollen geschlossen werden. Gleichzeitig werden Ingenieure aus diesen Bereichen von Nokia in Ulm gesucht. „Da sollte gerade Herr Rodenstock als Unternehmer verstehen, dass die finnische Entscheidung wirtschaftlich unzureichend durchdacht ist.“ so Guidone, “Nicht jedem ist es vergönnt, in eine Unternehmerfamilie hineingeboren zu werden. Umso mehr sollte sich Herr Rodenstock auf die Tugenden seines Vorfahren und Unternehmensgründers Josef Rodenstock (1846-1932) besinnen: Erfindergeist und Wagemut. Ersteres findet er in der Forschung und Entwicklungsabteilung in Bochum zur genüge. Jetzt ist der Wagemut der finnischen Manager bei der Suche nach innovativen Lösungen gefragt.“
Jugend Kultur Zentren 2010 – Teil 3: Druckluft in Oberhausen (2)
?: Und wie entscheidet man dann über die Vergabe von Räumen und Zeiten und die Inhalte?
!: Entscheidend sind dazu gar nicht mal die Strukturen, sondern die Tatsache, dass jeder Mitarbeiter verinnerlicht, was Anspruch und Konzept des Ladens ist. Junge Leute werden hier ernst genommen und können hier etwas umsetzen. Punkt. Insofern sehen wir uns auch als Dienstleister, als Ermöglicher. Denn so ein Konstrukt lebt natürlich vom Input, sogar von Reibereien und Konflikten zwischen den unterschiedlichen Nutzern. Das Engagement junger Leute ist aber auch nicht mehr so groß wie es vielleicht einmal vor zehn Jahren war. Da wollte man immer eher Druckluft als gesamtes machen, mittlerweile wird eher gezielt Druckluft aufgesucht, um bestimmte Sachen umzusetzen. Die engagierten Leute mit künstlerischem Ansatz haben ja nicht mehr nur ein Haus, auf dass sie sich konzentrieren. Und gesellschaftlich ist der Druck ja auch gestiegen, ältere Jugendliche sind Karriere orientierter. Da würde ich mir schon mehr Beteiligung und Engagement wünschen.
?: Gerade bei der Integration von einigen Jugendlichen fragt man sich ja oft was zuzulassen ist, von Sexismen über von rechts gefährdete bis hin zur Debatte wer was essen oder sonst wie zu sich nehmen darf.
!: Die Ska Disco der Antifa Duisburg war ein Beispiel. Skinhead-Kultur nicht den rechten überlassen. Dann bekommen die Gäste schon mit, dass dies in einem Laden passiert, der sich als antifaschistisch versteht und das auch deutlich macht. Die Aktiven hier kennen sich ja auch in der Szene aus. Und bei niedrig schwelligen Formaten wie der Open Stage oder im Metal-Bereich muss man dann öfter auch aufpassen, was man da eigentlich macht. Das gehört dazu. Im HipHop kamen beim Open Mic irgendwann nur noch Frauen oder Schwulen feindliche Sprüche von der Bühne – um aufzufallen. Daraufhin haben wir ein Konzept erarbeitet, wie das zu vermeiden ist. Das gefiel der Szene dann nicht, also zieht man letztlich die Konsequenz.
?: Im Gegensatz dazu: Erfolgreiche Eigengewächse? Jetzt mal ab von der erfolgreichen Jugendarbeit?
!: Da kann man zum Beispiel die „Textverarbeitung“-Reihe nennen. Eine etwas andere Literaturveranstaltung, mit Musik gekoppelt und eben nicht in einer Buchhandlung, aber auch kein Poetry Slam. So etwas macht inzwischen jedes größere Haus, und wir waren ganz früh dabei und haben das mitentwickelt, bevor es das Genre überhaupt gab. Aber wir lassen halt auch manche Formate dann wieder weg, wenn sie zu groß werden. Um Platz für neues zu schaffen. Denn umso mehr sich ein Thema etabliert, desto weniger kann Druckluft einfach zu einer Abspielstätte werden. Zu nennen ist auch die Beatplantation, die ein bestimmtes Verständnis von Party mit Kunst und Lesungen und Konzerten zusammen bringt. Und natürlich gibt es Proberäume, Werkstätten und Kurse, aus denen viel erwächst. Aber, wie gesagt, im Bereich kultureller Bildung würde ich mir noch mehr wünschen. Dass da Leute kommen und sagen: Ich will Theater spielen, oder etwas ähnliches. Und da sollte Druckluft dann auch jemand dafür bereit haben, um bei der Umsetzung zu helfen. Genau in diesem Bereich zwischen Jugendarbeit und Kulturprogramm. Diese Akzente können wir mit den bisherigen Mitteln leider noch nicht setzen.
?: Nun steht ja auch ein Umbau (Grafik) an, aber die Stadt ist gerade pleite. Wie sieht da die Situation aus, und wie werden sich die Strukturen ändern?
!: Nun, wir sind seit ein paar Jahren in einer ganz schwierigen Situation. Das Gelände drum herum wurde gerodet und hier wird Gewerbe angesiedelt. Wir sind dadurch präsenter, und die Stadt hat ein Interesse an einer Aufwertung dieses Standorts, nicht mehr nur wegen der akzeptierten Inhalte, sondern auch baulicher Art. Also arbeiteten wir mit Jugendamt und Stadtteilbüro ein Konzept aus, das beinhaltet, dass wir unsere Angebotspalette erweitern, zum Beispiel hin auf den Wohnpark Bebelstraße, ehemalige Neue Heimat. Für die Jugendlichen dort gibt es bislang keine Angebote, aber um das zu leisten müssen wir uns inhaltlich, baulich und strukturell etwas anders aufstellen. Die Hauptausrichtung wird also erhalten bleiben, aber von energetischen Fragen bis hin zur Nutzung der verschiedenen Räumlichkeiten wird sich einiges ändern. Es soll verschiedene Anlaufpunkte für verschiedene Gruppen geben, die übrigens auch alle in die Arbeit am Konzept einbezogen wurden – schon um Zielgruppenkonflikte von vornherein zu verhindern.
Der Bewilligungsbescheid hierzu vom Land ist da, aber in Oberhausen gibt es eine Haushaltssperre aufgrund der hohen Verschuldung der Stadt. Der 20%ige Eigenanteil kann daher jetzt nicht aufgebracht werden. Dafür muss es eine Lösung geben. Gerade Städte die unter Haushaltssicherung stehen sind auf die Teilhabe an Förderprogrammen des Landes angewiesen. Die Verbesserung der räumlichen Situation und der Infrastruktur bei Druckluft ist notwendiger denn je. Wir stoßen mittlerweile an unsere Grenzen, den Eigenanteil zur Finanzierung unserer Arbeit selbst zu erwirtschaften. Die Infrastruktur hier muss den aktuellen Ansprüchen genügen, sonst ist genau das mittelfristig nicht mehr möglich. Wir möchten in Kooperation mit der Stadt eine Aufwertung gerade der inhaltlichen Arbeit, und die Grundprinzipien von Druckluft werden bestehen bleiben.
30 Jahre MARABO
Es gibt Jubiläen, die niemals gefeiert werden: 30 Jahre MARABO ist so eines, und in diesem Monat wäre es fällig gewesen. Das erste Heft erschien im Februar 1978 und im Juli 2005 wurde MARABO endgültig eingestellt. Zumindest für Thomas Meiser und mich war MARABO wichtig: Thomas hat fast 20 Jahre für das MARABO geschrieben. Viele Geschichten von Thomas kann man heute noch auf seiner Homepage finden – und es macht noch immer Spaß, sie zu lesen. Für mich war MARABO der Einstieg in den Beruf, und als ich am 22. Dezember 2003, nach fast zehn Jahren, nach einem knapp fünfminütigem Gespräch von dem damaligen Verleger Frank Dittmann ohne Angabe eines Grundes rausgeworfen wurde, brauchte ich Monate, um mich davon zu erholen. Heute bin ich ihm nicht mehr böse – er hat eine Menge Geld mit dem Heft verloren, ich hätte seine Geduld nicht gehabt. Wie bei fast allen, die für das Heft gearbeitet haben, war es für mich mehr als eine Zeitschrift. MARABO war so etwas wie die erste Liebe. Ein Heft, an dem man ständig zweifelte, an dem man litt, für das man kämpfte und das dann doch nicht überleben sollte. Vielleicht ist jetzt eine ganz gute Gelegenheit, einmal zurück zu schauen.
Stadtmagazine gab es 1978 in ganz Deutschland. Sie waren aus der Studentenbewegung heraus entstanden, berichteten über Politik, Popkultur und das, was man Szene nannte. Ihre Kleinanzeigenseiten waren Basare, auf denen neue Partner, Wohngemeinschaftszimmer und alte Autos gehandelt wurden. Wer wissen wollte, was in seiner Stadt passierte, kam um einen Blick in die Szenemagazine nicht herum. Auch im Ruhrgebiet gab es sie zu Dutzenden. Allein in Dortmund hatten sich in den 70er Jahren mehr als 20 gegründet. Häufig erschienen sie nur ein paar Ausgaben lang, manche kamen auch über die Nullnummer nicht hinaus.
Auch MARABO war eines dieser kleinen Heftchen. Die erste Ausgabe war im DIN A 5 Format und natürlich schwarz-weiß. Die Geschichte des Namens war, als ich 1994 dort zu arbeiten anfing, eigentlich allen peinlich, und es dauerte Monate, bis ich sie erfuhr: Der Name setzte sich aus zwei Elementen zusammen: Aus dem Vogel Marabu, der in Afrika für Weisheit steht und auch das erste Heft zierte und dem Nachsatz BO für Bochum. Das war damals modern. Dass Coolibri sich später nach einem deutlich kleineren Vogel benannte, dem auch niemand sonderliche intellektuelle Fähigkeiten nachsagte, erschien allen beim MARABO passend.
Einer der ersten Autoren war Claude Oliver Rudolf, der später als James Bond Bösewicht bekannt werden sollte, und der dem Heft mit ewigem Hass verbunden bleiben sollte: Dass ein Text von ihm gekürzt wurde, konnte er nicht verkraften. Noch Jahre später sollte er einen MARABO-Filmkritiker aus einer Pressekonferenz rauswerfen lassen.
Ziemlich schnell wurde den beiden Gründern, Christian Hennig und Günter Macho klar, dass es wirtschaftlich keinen Sinn machte, ein Heft nur für Bochum herauszugeben. Vor die Wahl gestellt, das Heft wieder einzustellen oder zu wachsen, entschieden sich die beiden für Letzteres: MARABO wurde ruhrgebietsweit veröffentlicht. Bei der Finanzierung bürgten die Eltern mit für Darlehen, fertig gestellt wurden die ersten Hefte auf dem Wohnzimmertisch von Christian. Nach dem zweiten Heft gesellte sich Peter Krauskopf dazu, der als Film- und Restaurantkritiker sowie zwei Mal als Chefredakteur das Heft mitprägen sollte. Am Ende hatte er die traurige Aufgabe, das Licht auszumachen.
Peter Krauskopf
Das Heft wuchs zusammen mit der Szene über die es berichtete: Ende der 70er Jahre gab es immer mehr Clubs und Veranstaltungen im Ruhrgebiet. Immer häufiger verließ ein vor allem studentisches Publikum seine Heimatorte, um die Abende in den damals angesagten Lokalitäten zu verbringen. Über die Konzerte, über die kleinen Theater, über Filme in den Programmkinos berichteten die Tageszeitungen damals noch nicht. MARABO hatte beinahe ein Informationsmonopol, das es sich gerade einmal mit dem Guckloch teilte. Aus dem wurde später der Prinz.
In den 80er Jahren wurde das Heft immer dicker und auch bunter. Im Ruhrgebiet wurden Häuser besetzt, Clubs wie die Zeche in Bochum und das Arratta in Moers öffneten ihre Türen, Punk und New Wave bestimmten die Musikteile. MARABO war dabei. Autoren wie Peter Erik Hillenbach, Flora Jörgens und der leider am Leben gescheiterte Wolfgang Welt machten einen Musikteil, der den Vergleich mit Spex nicht zu scheuen brauchte. Der spätere Stern-Redakteur Werner Schmitz, Thomas Meiser und Kurt Schrage berichteten über die Abgründe des Ruhrgebiets: Mehrseitige Reportagen wurden zu einem Markenzeichen von MARABO. Morde im Gruftiemilieu, Berichte über einen professionellen Bettler, der es in seinem Beruf zu Wohlstand gebracht hatte und immer wieder ausführliche Musik- und Filmgeschichten. Ganz nebenbei erfand Schmitz dann noch in einer Reportage über den Bochumer Multigastronomen Leo Bauer den Begriff Bermudadreieck. Heute heißt eine U-Bahn Station in Bochum so.
Peter Erik Hillenbach
Rückblickend waren die 80er Jahre wohl die besten im recht langen MARABO-Leben: Der Verlag wuchs, Tochtertitel in Frankfurt (Spot) und Düsseldorf (Düsseldorfer Illustrierte) wurden gegründet und später wieder verkauft. Das Journal Frankfurt hat hier eine seiner Wurzeln. Die Düsseldorfer Illustrierten wurde später vom Überblick übernommen.
Unter Dietmar W. Clausing wurde der Kalender des Heftes zu einer Institution. Als Theaterkritiker kümmerte sich Dietmar nicht nur um die Produktionen von Peymann & Co. Er begleitete ganze Generationen von Kleinkünstlern: Ob die Missfits, Hennes Bender oder Uwe Lyko – Dietmar kannte sie alle, und viele von ihnen hat er mit großer Leidenschaft immer wieder ins Heft gebracht und unterstützt. Ich erinnere mich noch daran, wie er in seinem kleinen Zimmer in der Redaktion der Kronenstraße saß und die Nächte durch an seinen Geschichten und dem Kalender arbeitete. 2002 starb Dietmar überraschend an Krebs. Seine Beerdigung war auch ein Abschiedstreffen, obwohl es noch über drei Jahre mit dem Magazin weiter gehen sollte. MARABO war ohne ihn nicht mehr dasselbe.
In den 90er Jahren erschienen dann Hefte mit über 200 Seiten Umfang, die Jamiri Comics wurden zum Kult, MARABO veranstaltete die ersten Technoparties im Revier, aber eigentlich waren die Zeichen des drohenden Untergangs schon damals nicht zu übersehen: Mit dem Coolibri war ein Gratistitel aufgetaucht, der lange als Konkurrent nicht ernst genommen wurde. Immer mehr Lesern war die Qualität des Heftes, die großen Geschichten auf die wir so stolz waren, egal. Sie sparten sich die vier Mark und griffen nach dem Heft, dessen Name sich an dem eines gefiederten Nektarsaugers anlehnte. Es war, wirtschaft gesehen, das erfolgreichere Konzept. Wir konnten nur noch verlieren, aber das wussten wir damals noch nicht.
Der Verkauf ging zurück. Die Anzeigenverkäufe brachen ein. Ab Mitte der 90er Jahre war die Arbeit immer fast immer ein Überlebenskampf mit dem Rücken zur Wand. Wir gingen ins Internet: Ab 1997 war MARABO im Internet als eines der ersten Hefte seiner Art. Wir hatten den Kalender online und berichteten 1997 live im Internet vom Atomtransport nach Ahaus – damals eine Premiere. Wir machten aufwendige Gastronomie-Sondertitel (Ausgehen im Ruhrgebiet) und gaben ab 1996 einen eigenen Gratistitel heraus: Hotline. Es war ein Scheißheft. Genutzt hat es alles nichts. Und nicht nur das MARABO war damals schon in die Jahre gekommen. Wir auch. Von den hippen, jungen Themen waren wir immer weiter entfernt. Scherzhaft nannten einige in der Redaktion das Heft „unsere kleine, feine Familienzeitschrift“. Nur, so was braucht niemand.
2001 war dann erst einmal Schluss. Christian verließ den Verlag, MARABO wurde von Frank Dittmann gekauft, erschien ein paar Monate im Andromeda Verlag und später bei Nordis. Anfang 2001 zogen wir von Bochum nach Essen. Wir waren das Problemkind in einem Verlag geworden, der sich vor allem mit Publikationen über Skandinavienreisen beschäftigte. Es war demütigend. Als wir umzogen, waren wir noch vier Redakteure und drei Grafiker. Das Jahr 2001 hatten über 70 % der Belegschaft nicht überlebt. Der Rest war Qual. Die Kollegen in Essen hatten uns gut aufgenommen – heimisch wurde wir dort trotzdem nie. Wir machten kein cooles Heft mehr, sondern waren eine Belastung. Die Verluste, die wir einfuhren, belasteten den ganzen Verlag. Niemand ließ uns das spüren – aber wir wussten es, und das reichte. Bald darauf war Schluss für mich, ich habe es ja schon beschrieben. Ich konnte monatelang danach an kaum etwas anderes denken. Es war ein Trennungsschmerz wie nach dem Aus einer langen Liebesbeziehung: Es tat weh, es blockierte den Kopf, es war eine Erschütterung der eigenen Identität.
Das Ende bekam ich nur noch aus der Ferne mit: Das Heft blieb im steilen Sinkflug. Als es Dittmann 2005 endgültig einstellte, war es wohl auch für die verbliebenen beiden Kollegen eine Erlösung. Ich bin stolz darauf, dass in diesem letzten Heft noch einen kleiner Artikel von mir zu lesen war. Blöd, nicht? Peter Krauskopf hatte ihn reingeschmuggelt. Christoph Schurian schrieb damals in der taz einen, wie ich auch heute noch finde, sehr schönen Nachruf. Hier ist er:
Zum Geleit
Das Ruhrgebiet steht Pate für ein Januswort, das einerseits soziale Einschnitte verniedlicht, andererseits viel verspricht: Mit Strukturwandel wird seit fünfzig Jahren ein Vorgang umschrieben, der das Montangebiet immer leerer, ärmer und arbeitsloser macht, zugleich aber auch grüner, bunter und lebenswerter. Dass die positiven und negativen Effekte in einem Spannungsverhältnis stehen, sich bisweilen ausschließen, beweist dieser Tage die Medienlandschaft Ruhrgebiet.
Mit der Julinummer stellt das Ruhrgebietsmagazin Marabo sein Erscheinen ein. Wie die taz Ende der 1970er Jahre gegründet, erblühte das Ruhrstadtblatt in den Achtzigern. Hatte im Guckloch, dem späteren Prinz, Konkurrenz, genauso in der WAZ. Ein dauerhaft zu geringer Anzeigenumsatz hat dem Traditionsmagazin nun endgültig den Garaus gemacht. Kein Einzelfall.
Denn auch die taz ruhr erscheint heute das letzte Mal, auch das eine Zäsur einer fast ebenso langen Mediengeschichte, gespeist aus ähnlichen Motiven, wie denen des Szenemagazins: Der großen abwechslungsreichen Stadtlandschaft Ruhrgebiet einen alternativen, unabhängigen, medialen Ausdruck zu geben.
Doch im Gegensatz zum Marabo steht die taz ruhr immerhin vor einer Wandlung: Ab Montag erscheint eine taz nrw fürs ganze Bundesland. Den Strukturwandel wird die taz also weiter beäugen. Auch wenn der in der Ruhrgebiets-Medienlandschaft gerade seine Kinder verspeist.
In Memoriam Dietmar W. Clausing
Zuwachs: Heiligenhaus ist Ruhrgebiet
Während ambitionierte Dorfpolitiker wied der CDU-Landtagsabgeordnete Josef Hovenjürgen aus Orten wir Bergkamen, Haltern oder Dorsten lieber heute als morgen das Ruhrgebiet verlassen möchten, um eine ganz große Nummer in den Weiten der westfälischen Wüste zu werden, gibt es auch einen Gegentrend: Heiligenhaus, gelegen im Kreis Mettmann, sieht sich neuerdings als Teil des Ruhrgebiets und will bei der Kulturhauptstadt mitmachen: „Die Stadt will im Jahr 2010 dabei sein, wenn es heißt: „Ruhrgebiet – Kulturhauptstadt 2010“. Im Vorfeld konnten die Essener Macher davon überzeugt werden, dass es sich bei der Stadt Heiligenhaus durchaus um ein Stück Ruhrgebiet handelt. Konkret bemüht sich ein Team des Stadtmarketing-Arbeitskreises „Kultur und Gesellschaft“ um die Teilnahme an dem Projekt „Twins 2010“.“ berichtet die Rheinische Post. Wenn das Ruhrgebiet erfolgreich ist kann es anscheinend sogar noch wachsen.
Westdeutscher Allgemeiner Rundfunk
WDR-Reporter. Foto: Flickr/Florian Seiffert
NRW-Minsterpräsident Rüttgers zeigt medienpolitisches Profil: Im unermüdlichen Kampf gegen öffentlich finanzierte Monopole und für mehr Meinungsvielfalt im Land kann Rüttgers einen ersten, großen Erfolg vorweisen: Die wohl auf seine Initiative zu Stande gekommene Kooperation von WAZ-Mediengruppe und WDR im Internet scheint kurz vor der Verwirklichung zu stehen. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sagte nicht: „Es ist ein großer Schritt in Richtung unserer Politik nach dem Motto „Privat vor Staat“, wenn die durch die Gebühren aller Bürger finanzierten Inhalte des WDRs exklusiv einer Verlagsgruppe zu Gute kommen. Das ist ein guter Tag für Nordrhein Westfalen und die Medienvielfalt in diesem Land.“
Die WAZ wird künftig die Qualitätsprodukte des WDR (Die Anrheiner, Live-Übertragung des Neusser Schützenzuges, Narrentausch – Der Ernstfall für zwei Karnevalisten, Talk mit Domian: Thema: Ich hatte Sex mit 50 Kilogramm Hackfleisch) zumindest teilweise in ihr im vergangenem Jahr gegründetes Online-Angebot Der Westen integrieren und den Erfolg des WAZ-Online-Portals weiter steigern.
Schartau hat geschlafen
Foto: nrw.de
Harald Schartau, einstmals "Liebling der Partei", hat bei der Kontrolle der von Nokia im Gegenzug zu den gewährten Subventionen zugesichrten Arbeitsplätze offensichtlich geschlafen. Der einstige Wirtschaftsminister Nordrhein-Westfalens, unser Foto zeigt den Sozialdemokraten zusammen mit einer Unternehmerin aus dem Schokoladengeschäft, hat laut Focus mehrfach Hinweise auf ein unkorrektes Verhalten Nokias geflissentlich ignoriert.
Das tut die Staatsanwaltschaft Bochum nicht. Die für ihre Humorlosigkeit bekannte Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität, in Recklinghausen haben die Jungs mal einen Stadtdirektor während einer Pressekonferenz festgenommen, hat Ermittlungen gegen Nokia aufgenommen. Es besteht der Verdacht auf Subventionsbetrug.
Wir und Usbekistan
Der Fall von Marcus Bensmann erschütterte viele unserer Leser. Gestern lief auf Monitor ein Bericht von Marcus Bensmann und Monika Wagner über die Verhältnisse in Usbekistan – und die engen Beziehungen der Bundesrepublik zu der mittelasiatischen Despotie. Am Ende des Beitrages wird auch über den Anschlag auf Marcus Bensmann berichtet.
„Das Ruhrgebiet endlich als Stadt betrachten“
Foto: Flickr/Gavchen
Die Hagener SPD will auf ihrem Parteitag den Austritt aus dem Ruhrgebiet vorbereiten und zusammen mit dem Märkischen Kreis und dem Ennepe-Ruhr-Kreis eine eigene Region bilden, deren Zentrum dann – genau – Hagen wäre. Angeblich seien die Verflechtungen mit diesen beiden Kreise schon heute besonders stark, wie die SPD betont, was natürlich Unfug ist: Große Teile des Ennepe-Ruhr Kreises sind viel enger mit Bochum und Dortmund verbunden als mit Hagen. Sowohl verwaltungstechnisch (Polizeibezirk Herne/Witten/Bochum), als auch wirtschaftlich, wohnen doch viele, die in Dortmund oder Bochum arbeiten in Wetter, Witten oder Hattingen. Hagen kann es drehen und wenden wie es will: Die Stadt wird niemals Zentrum von irgendwas sein, sondern sollte schauen, seine Randlage innerhalb eines 5,5 Millionen Ballungsraums zu nutzen, denn schöne Ecken gibt es in Hagen schon – aber leider nicht viele Kommunalpolitiker, welche die Vorteile zu schätzen wissen. Anstatt sich für Hagen auch im RVR einzusetzen und die Vorteile der Randlage zu nutzen, waren die in den letzten Jahren vor allem damit beschäftigt, das Geld der Steuerzahler bei riskanten Spekulationsgeschäften zu verzocken. Nun fehlen der Stadt schlappe 50 Millionen. Hallo Hagen: Ein Zentrum ist auch immer wirtschaftlich stark – es sei denn es heißt Berlin und ist Hauptstadt.
Doch es gibt auch Zeichen der Hoffnung, Politiker, die sich nicht am allgemeinen Ruhrgebietsbashing beteiligen. Uli Paetzel (SPD) zum Beispiel, der Bürgermeister aus Herten. Der weiß, dass seine Stadt schnell einmal übersehen wird. Aber anstatt jetzt auf ein Groß-Herten zu setzen und den Austritt aus dem RVR zu fordern, will Paetzel, dass das Ruhrgebiet als eine Stadt gesehen wird – und Herten dann davon profitiert, dass es Teil einer starken Region ist. Paetzel scheint sich lieber um seine Stadt zu kümmern, als an der Börse zu zocken – als Steuerzahler finde ich das durchaus sympathisch.
Nokia – Von der Spitze verlassen
Seit wann hat die Nokia-Geschäftsführung in Deutschland von den Schließungsplänen gewusst? Wurde die Belegschaft vor Weihnachten in Unkenntnis über die geplante Werksschließung gelassen, damit die Malocher nicht im Weihnachtsgeschäft anfangen zu streiken?
Es sieht ganz so aus: Nach Informationen aus dem Bochumer Nokiawerk hat sich offensichtlich die Spitze des Hauses seit Monaten auf das bevorstehende Ende des Bochumer Werkes vorbereitet. So hat sich der Geschäftsführer der Nokia-Deutschland-Filiale Klaus Goll bereits im Oktober bei dem Bewerbungs- und Netzwerk Portal „Xing“ angemeldet. Dort hinterließ er seinen Lebenslauf als „Führungskraft“ und „Director Labor Relations“, zudem eine Kontaktadresse. Für Headhunter die Einladung bei der anstehenden Jobsuche. Goll selbst sagte auf einer Betriebsversammlung, er habe "vor Weihnachten" von den Schließungsplänen erfahren.
Auch eine zweite zentrale Person aus dem Nokia-Management veränderte sich im vergangenen Herbst. Das Sekretariat des Unternehmens gab am 15. Oktober bekannt, dass Razvan Olosu seine Position als Sprecher der Nokia-Geschäftsführung Deutschland aufgegeben habe und aus dem Unternehmen ausgeschieden sei. Im Januar nun tritt Olosu als Retter der Nokia-Autozulieferersparte auf. Der ehemalige Handymanager will die Produktion von Freisprechanlagen mit Hilfe der Sparkasse Düsseldorf und der Firma Equity Partners übernehmen und in eigener Verantwortung weiterführen. Wie aus dem Wirtschaftsministerium zu erfahren war, soll Olusu die Übernahme eventuell mit staatlichen Hilfen erleichtert werden.
Nach Einschätzung von Nokia-Insidern war damit offensichtlich die Werksschließung schon im Oktober beschlossene Sache – spätestens. Trotzdem wurde der Vorgang geheim gehalten. Warum?
Die Vermutung liegt nah, dass es vor allem darum ging, das Weihnachtsgeschäft nicht zu gefährden. Nach Nokia-internen Informationen sind von Oktober bis Dezember Sonderschichten gefahren worden, um die große Nachfrage zu befriedigen. In Bochum werden neben den Handys, die am eigenen Standort produziert werden, auch Telefone aus anderen Produktionsanlagen verpackt. Insgesamt verließen das Werk im Ruhrgebiet nahezu 33 Millionen Handy. Die meisten Mobiltelefone werden im Weihnachtsgeschäft abgesetzt.
Unterdessen wurden weitere Einzelheiten über den Verkauf der Autozulieferersparte bekannt. Olosu sagte vor der Belegschaft, es würden alle bestehenen Entwicklungen zu Ende gebracht. Alle Verträge mit den Kunden müssten erfüllt werden. Weiter will der ehemalige Nokia-Manager „neue Ideen“ in den „Car-Consumer-Bereich“ bringe. Sprich, es sollen neue technische Geräte entwickelt werden, die in Autos eingebaut werden können. Die Kunden würden auf die Ausgliederung der Zulieferersparte sehr positiv reagieren. Gleichzeitig setzte das Management der Sparte die Belegschaft unter Druck. „Wenn wir Flurschaden erleiden, wird das nicht funktionieren“, sagte ein Olosu-Vertreter. Damit spielte er auf mögliche Streiks an. Zudem sollen Massenkündigungen und Abfindungen verhindert werden. „Die Kollegen sollen an ihrem Arbeitsplatz bleiben“, heißt es aus dem Betriebsrat. „Das ist Erpressung.“
Ach und noch was. Nokia zahlt in Rumänien keine Immobiliensteuer. Und das 30 Jahre lang. Falls Nokia den Standort vor dieser Frist verlasse, müssten die Finnen die Steuern für Grundstück und Fabrikhallen rückwirkend zahlen. Das erklärte der Direktor der Industrieparkgesellschaft Tetarom, Viorel Gavrea, zu der auch das Nokia-Gelände gehört. Die Immobiliensteuer ist mit der Gewerbesteuer in Deutschland zu vergleichen. Sie wird von den Kommunen erhoben.
In Bochum musste Nokia im Jahr gut 30 Millionen Euro dieser Gewerbesteuern zahlen.
Das tragisch-komische daran: in den ganzen Jahren zuvor, gab es unter den Ruhrkommunen immer einen Gewerbesteuerkrieg. Jeder Kirchturm hat sich bemüht, dem Nachbarn eine Firma abzujagen, indem er die Gewerbesteuer runtersetzte. Das war ist ein grund, warum das Revier immer noch zersplittert ist.
Und jetzt machen die Rumänen den gleichen Trick. haachhh
Die Dicksten im Westen
Übergewicht: Sport ist auch nicht immer eine Lösung. Foto: Flickr/statico
Nordrhein-Westfalen ist ganz weit vorne – wenn es um das Gewicht seiner Bürger geht. Das ist das Ergebnis der Nationalen Verzehrstudie, die gestern veröffentlich wurde. Bei den Frauen liegt NRW auf einem souveränen vierten Platz. Nur die Ossimädels aus Thüringen und Sachsen sind dicker – und natürlich die Saarländerinnen, aber das sind so wenige, dass sie kaum zählen und ausserdem sind das eigentlich Französinnen.
Bei den Männern sieht es ein wenig besser aus: Die Fettesten leben in Schlewsig-Holstein, NRW ist auf Platz fünf – bei den richtig Fetten sind wir aber auf Platz zwei. Ummdas Stigma vollkommen zu machen, arbeitete die Studie auch noch präzise heraus, das Pummel schlecht verdienen und eigentlich auch dumm sind. Ich habe ja nicht geahnt, wie schlecht Helmut Kohl in seiner Zeit als Kanzler bezahlt wurde. Da bekommt das Wort Diäten ja gleich eine ganz andere Bedeutung. Besserung ist nicht in Sicht: Die um sich greifenden Rauchverbote werden wohl zu einer massiven Gewichtssteigerung in der NRW-Population führen. Vielleicht sind aber auch viele schon zu dick, um sich zur Bude zu schleppen, um Fluppen zu kaufen. Oje, und ich hätte heute so gerne mal eine gute Nachricht geschrieben, von denen wir ja bei den Ruhrbaronen viel zu wenige haben!