Hinterhof, Unterhaus, Wuppertal

Foto: Archiv

"Die eher schlechteren Bedingungen im Stadion am Zoo, wo halt kein Bundesliga-Rasen liegt, hätten eher für uns gesprochen." (Georg Kreß, Fußballmanager, Wuppertaler SV)

Wuppertal ist ein Stausee aus Straßen, Stahl und Steinen. Ein Häuserfjord, aus dem Baumberge wachsen. Tausendfach geflickte Autobahnen, Flutlicht. Sonst Finsternis und über die Wupper gehen. Nur Ortsunkundige denken an Tod und Gottweißwas. Die anderen wissen, man macht sich nur die Hosenbeine nass in dem Bachbett.

Wuppertal ist interessant. Ich kenne es kaum, dabei liegt es nur dreißig Kilometer weg. Beim Durchfahren ist es wie die Emscherzone, ein Subventionsloch, trist, versoffen, dreckig. Ungeschminkt. 

Einmal holte ich eine Badewanne von dort. Ich wusste es vorher: Sie rauchen Van Nelle, sie färben sich die Haare mit Henna, trinken Schwelmer Altbier, hören Bots, kochen wie Horst Lichter – wenn es gut geht – und stellen Karusselfiguren in ihre Wohnungen. Beziehungsweise Lagerräume.

Sie sind nett im Hinterhof zwischen Dortmund und Düsseldorf, im Bergischen Land. Sie sagen du, sagen dufte, sagen Menno. Verscherbeln ihr Zeug auf Ebay, der Bucht, dem Tal. Kriegen nichts dafür, kommen trotzdem, hundemüde: Sie waren hier schließlich mal Kaufleute, Unternehmer. Bewohner eines Landstriches, der industriell was hermachte, als Oberhausen noch leise vor sich hin kokelte.

Niemand nimmt Anteil am Tal der Trauer. Längst so kaputt wie das Nordruhrgebiet, wie Gelsenkirchen. Schlimmer noch: Der Wuppertaler SV hat sich am Dienstag die Schalke-Arena zu Gelsenkirchen angemietet für das Pokalspiel gegen Bayern München. So weg vom Schuss ist Wuppertal, so verzweifelt.

Im Stadion am Zoo, der ehemaligen Radrennbahn, wo die Böschung rutscht, und das Kasino zerschmissene Fensterscheiben hat, hätten sie eine Chance gehabt, auf Regionalligamatsch gegen Toni Klose. Stattdessen spielen sie auf dem Luxus-Schieberasen, verkaufen den Heimvorteil an die Revier-Bazis, weil es gegen die Bayern geht. Müssen Kasse machen, die armen Schlucker aus dem Unterhaus. Ich mag, was Mike Rietpietsch sagt, der rechte Läufer beim WSV: "Den Pokal werte ich als Bonbon, das lutschen wir, dann geht es weiter." Der Drops ist gelutscht.

Nokia: Vor Weihnachten wusste der Chef Bescheid

Auf der heute im Ruhr-Congress Bochum stattgefundenen Nokia-Betriebsversammlung erklärte Nokia-Deutschland Geschäftführer Klaus Goll, dass er bereits vor Weihnachten von der Unternehmensführung in Finnland über die  Schließung des Standortes Bochum informiert worden war. Was vor Weihnachten bedeutet – ein eher dehnbarer Begriff der  kurz (wirklich sehr kurz) nach dem Urknall bis zum 23.12.2007 23.59.59 Uhr, erklärte Goll nicht. Dafür gab es Buhrufe aus der Belegschaft, zahlreiche persönliche Erklärungen von Mitarbeitern und eine Erklärung von Betriebsratschefin Achenbach, dass alle weiter arbeiten soll, bis das Aus des Standortes auch  von Nokia-Deutschland offiziell beschlossen wird.

Krieg um Nokia – Das Dreckschleudern beginnt

Wenn es um Millionen geht, um ein Handy-Werk in Bochum und einen Finnischen Konzern, muss man damit rechnen, dass es schmutzig wird. Die Wahrheit wird dabei leicht verdeckt.

Heute widersprach der Nokia Betriebsrat Jens König Behauptungen des finnischen Konzerns in der Bild-Zeitung, das der Betriebsrat von den Schließungsplänen vorab gewusst habe. „Natürlich haben wir immer über die Optimierung des Standortes Bochum gesprochen und natürlich standen wir unter Kostendruck. Von einer Schließung des Standortes war aber nie die Rede“, sagte König. So habe Nokia noch im März 2007 in einer internen Mitarbeiterinformation im Intranet mit dem Titel „Questions and Answers: New mobile device factory in Romania“ keinerlei Schließungsabsichten erkennen lassen.

Auf die Frage: „Does the Cluj County factory take production away from other Nokia factories?“ (Wird das Werk in Cluj Produktion von andren Fabriken übernehmen?) antwortete Nokia: „Although demand and factory loading are very much seasonally driven in mobile device business, our existing factories have been operating at a very high capacity due to the global market growth in mobile devices. The reason for the new production facility is to increase our capacity to cater for the demand in markets in Europe and Middle East and Africa.“ (Obwohl die Nachfrage und die Auslastungen der Fabriken wegen des weltweit stark saisonabhängig Mobilfunkmarktes schwankt, produzieren unsere bestehenden Fabriken auf einem sehr hohen Kapazitätsniveau. Der Grund für die neue Produktionsstätte ist die Erhöhung unserer Kapazitäten, um die Nachfrage in den Märkten in Europa und im Nahen und Mittleren Osten und Afrika zu befriedigen.)

Der Kampf wird weitergehen, denke ich. Und es wird immer härter werden.

 

RTG – Firma ohne Geld

Es gibt ein Problem im Regionalverband Ruhr. Und das Problem heißt Ruhrtourismus GmbH (RTG). Wir haben schon mal drüber berichtet. Nun, diese Firma unter öffentlicher Kontrolle frisst seit Jahren Steuergelder. Dabei ist immer noch offen, was eigentlich die RTG machen soll. Die Strategie ist unklar wie ein Fernsehtestbild. Wird sie eine zentrale Station für die Tourismusförderung im Ruhrgebiet? Wenn ja muss sie dick und fett ausgestattet werden und Millionenschwere Werbekampagnen organisieren. Oder wird sie eine schnelle Dienstleisterin für die kommunalen Touri-Chefs von Essen und Dortmund? Falls es das sein soll, dann muss sie mit wenig Geld effektiv arbeiten.

Im Augenblick ist sie weder das eine noch das andere.

Doch genau das soll anders werden. Aus Dokumenten des Regionalverband Ruhr, die dem Autoren vorliegen, geht hervor, dass die neue Geschäftsführung der RTG an einer umfassenden Restrukturierung der Firma bastelt. Die Besucherholer wollen sich im Vorfeld der Kulturhauptstadt kampagnenfähig aufstellen. Tja, guter Plan, aber im Detail, da hapert es gewaltig.

Fangen wir vorne an. Zunächst betreut die RTG vor allem zwei wesentliche Projekte. Einmal die Ruhrtopcard und dann die Extraschicht. Beides Zuschussgeschäfte, die so mittelmäßig sind. Die Ruhrtopkarte haben gerade einmal 42.000 Menschen von 5 Millionen gekauft – trotz dicker Werbung im der WAZ. (Von Erfolg zu sprechen, weil es im Vorjahr noch weniger waren, ist Quatsch. ) Die Extraschicht hat wahrscheinlich jeder schon mal besucht und ein eigenes Bild.

Dazu kommen einige Fahrradwege, die betreut werden, eine Sportbootveranstaltung, die man schon vergessen hat, wenn man die Einladung liest, und das Projekt „Erlebnisraumdesign“.

Hey, das „Erlebnisraumdesign“ ist nach RTG-Aussage das „wichtigste und größte Projekt im Jahr 2008“ Ich wiederhole: „Erlebnisraumdesign“. Schon mal davon gehört?

In diesem Zusammenhang wird der Nebenaspekt ganz interessant, dass die RTG tatsächlich erst seit ein paar Tagen einen hauptamtlichen Chef hat. Vorher war für die Geldgeschichten und die Planungen der Touristiker tatsächlich nur ein Ex-Kulturamtsmann im Nebenjob verantwortlich. Nichts gegen seine Arbeit, aber Nebenjob ist Nebenjob. Und „Erlebnisraumdesign“ als Touriprojekt spricht eigentlich schon für sich über die Wertstellung der Touristiker im Regionalverband, ach was im ganzen Ruhrgebiet.

Aber OK, ich will mich ja nicht polemisch aufregen, vor allem, weil die RTG unter ihrem alten Chef aus den schmalen Möglichkeiten und dem engen Korsett, die der RVR ihr eingeräumt hat, eigentlich was ganz ordentliches gemacht hat. Dass das Ergebnis nachher "Erlebnisraumdesign" heißt, ist halt Pech.

Kommen wir zum Kern der Geschichte: Die RTG macht seit Jahren Miese. Sie war schon ein paar Mal vor der Pleite. Nur dem Willen und der Kraft des alten RTG-Geschäftsführers ist es zu verdanken, dass es die Firma überhaupt noch gibt.

Auch aktuell klappen die Planungen mal wieder nicht. So müssen für das Projekt „Erlebnisraumdesign“ zusätzlich 200.000 Euro eingeplant werden. Der RVR will in 2008 einen Zuschuss von 1,5 Millionen Euro in die RTG pumpen.

Und auch hier wieder miese Aussichten. Die RTG Geschäftsführung muss nämlich bei ihrer aktuellen Kohleplanung einen Vorschuss in Höhe von 350.000 Euro berücksichtigen, den die RTG im vergangenen Jahr eingestrichen hat. Diese Moneten müssen jetzt „zusätzlich erwirtschaftet werden“, wie es in einem RVR-Papier heißt. Man kann es auch anders ausdrücken. Der RTG fehlen jetzt schon hunderttausende Euros, um ihre ohnehin bescheidene Arbeit zu machen, weil das Geld im letzte Jahr verfressen wurde. Die baldige Schieflage ist abzusehen. Der Finanzplan der RTG soll am 6. Februar vorgestellt werden.

Vor diesem Hintergrund laufen nun im vertraulichen Kreis Gespräche mit den Gesellschaftern der RTG. Diese sollen nämlich ihre Anteile für einen Euro an den RVR verkaufen. Der Verband denkt nämlich, wenn er die Musik bezahlt, soll ihm auch die Kapelle gehören. Doch hier rächt sich nun endgültig der Geburtsfehler der Ruhrtouristik.

An der Firma sollten nämlich damals, der früher im NRW herrschenden Wowi-Clement Irsinnslogik folgend, private Gesellschafter beteiligt werden. Die haben jetzt auch Anteile an der RTG und wollen diese auch behalten. Denn: Sie haben dafür Geld bezahlt. Sie haben investiert. Und dem RVR nun für einen Euro eine Beteiligung zu verkaufen? Diese Art von Geschenken macht nur die öffentliche Hand.

Nur zwei Beispiele: Die Centro Management GmbH lässt ausrichten: „Netter Versuch.“ Für einen Euro gebe man die Anteile nicht ab. Und die Geschäftsführerin der Tour de Ruhr, Monika Dombrowsky, bestellt: „Das Thema läuft auf kleiner Flamme.“ Und dann sagt sie einen klaren Satz, den ich an dieser Stelle wiedergeben möchte: „Die Frage ist nicht gestellt und beantwortet, was eigentlich die Aufgabe dieser Gesellschaft ist.“

Für ein paar Projekte brauche ich keine Tourstikfirma. Das ist Unsinn.

Es wäre sinnvoller, wenn sich die RTG um die Grundentwicklung des Tourismus im Pott kümmern würde. Sie müsste Trends erkennen und kommunizieren. Und für die Qualität im Ruhrfremdenverkehr sorgen.

Diese schwammige Aussage klar gemacht: Wenn die RTG sehen würde, dass Haldensurfen eine Trendsportart werden könnte, müsste sie für entsprechende Werbung sorgen, Angebote dazu anregen und überregionale Werbung für die erste deutsche Haldensurfer-WM organisieren.

Ach ja, Mist, ich vergaß: „Erlebnisraumdesign“. Das schöne Geld ist ja schon verballert.

—–

P.S.

Noch ein paar Sätze zu den Papieren, die ich immer mal erwähne: Ich würde die Dokumente gerne hier hin stellen, wie auch sonst immer, aber dooferweise sind die in Printfassung. Und ich habe keinen tragbaren Scanner. Da ich aber für die Ruhrbarone nur schreibe, wenn ich unterwegs bin und mal ein paar Minuten Zeit habe, kann ich das nicht. Ich versuche das nachzuholen, wenn ich wieder im Büro bin. Solange müsst ihr mir einfach glauben.

Werbung

Dokumentation: Nokia im März 2007 zum neuen Werk in Rumänien

Nokia online: Nette Nokiawelt

Wieso bloß waren die Arbeitnehmer, die Stadt Bochum und die Landesregierung so blöd zu glauben, das Nokia, trotz des Werkneubaus in Rumänien, am Standort Bochum festhalten würde? Nun ja, vielleicht weil sie dem Ethikgewäsch der Finnen geglaubt haben. Denn im März 2007 sah die Welt in einem nokiainternen Papier zum Standort Rumänien noch ganz anders aus. Wir dokumentieren:

Questions and Answers: New mobile device factory in Romania

Why Romania?
There are several criteria supporting an investment decision in the Cluj Napoca area, such as good availability of labour, good inbound and outbound logistics connections and long industrial tradition in the area. The new plant will operate according to the EU and Romanian legislation.

Why didn’t you expand in Finland/Germany/Hungary?

Our existing plants have been expanded already before and they have achieved their optimal sizes.

Will your Finnish subcontractors now move to Romania?

An industrial park will be established in Cluj, enabling a number of key partners to locate their operations in the area.

How many jobs will be created in Cluj County?
If we proceed with the plans, the factory will ramp-up gradually; we expect to recruit approximately 500 people this year.

You say that this facility would be an addition to your current production. How much do you estimate to increase your capacity?
We don’t disclose production capacity per factory. However, the mobile device business is a growing industry. For instance; we announced in conjunction with our quarterly results announcement that we expect the global mobile device market to grow by up to 10 % in volume in 2007.
Our current production sites are as follows:
· In APAC, we continue to develop production activities in China (Beijing and Dongguan) Chennai, India, and Masan, South Korea.
· In Europe, we have recently expanded the Komarom factory in Hungary, and our Salo factory in Finland and our Bochum factory in Germany operate at a high capacity
· In Americas, we have recently expanded the Reynosa factory in Mexico and continue at full speed in Manaus, Brazil.

Are you planning to move manufacturing out of Finland?

No, the reason for the new production facility is to meet the growing consumer demand in markets in Europe and Middle East and Africa.

Does the Cluj County factory take production away from other Nokia factories?
Although demand and factory loading are very much seasonally driven in mobile device business, our existing factories have been operating at a very high capacity due to the global market growth in mobile devices. The reason for the new production facility is to increase our capacity to cater for the demand in markets in Europe and Middle East and Africa.

Will this factory focus on low-end phones?

The factory will focus on providing products for Europe and Middle East and Africa.

To which markets do the factories ship the phones manufactured?
The Mexican and Brazilian plants primarily supply the North and South American markets, the European plants principally supply the European market and non-European countries that have adopted the GSM standard. The Asian plants primarily supply the Asian markets.

Which of your suppliers will start their manufacturing in Romania?
They will announce their plans in due course. We believe that this new factory can offer interesting opportunities for some of our suppliers, too.

Which of your suppliers will encourage to set up shop in Romania?
At this stage, the plans and decisions are not finalized yet. We cannot disclose this kind of information as the negotiations are ongoing.

Was your decision to invest in any way affected but the fact that you already have Intellisync R&D activities in Romania?

Intellisync R&D didn’t have impact to the selection of the manufacturing location.   

Nach der Lektüre des Textes sein ein weiteres Mal der Blick in einen exzellenten Artikel des Manager-Magazins empfohlen. Das Magazin beurteilt die  Standortentscheidung  Nokias kritisch.

…und übrigens auch von dieser Stelle einen herzlichen Glückwunsch an Nokia zum Rekordgewinn.

PFT – Das Problem des Umweltministers – Fortsetzung 2

Die Berichterstattung der Ruhrbarone.de über den PFT-Skandal in der Ruhr (hier und hier) ist in den Focus des NRW-Umweltministers Eckhard Uhlenberg (CDU) geraten. In seiner Rede zum Sachstand der PFT-Probleme an der Ruhr griff Uhlenberg im NRW-Landtag die Ruhrbarone direkt an: Die beiden Geschichten von mir seien von einer für einen Journalisten "unübliche Voreingenommenheit" und von "fehlender persönliche Distanz zum Gegenstand der Berichterstattung" geprägt. Gut: Irgendwie geht es bei einem Blog ja auch darum, das persönliche mitzuberichten. Aber egal, über so etwas rege ich mich nicht auf. Wer austeilt, muss auch einstecken.

Spannend ist aber, dass der Minister in den Fluren des Landtags streuen läßt, er bereite eine Klage vor. Ich weiß nicht genau, wen er verklagen will. Wahrscheinlich auch mich, wenn er die Ruhrbarone explizit in seiner Rede erwähnt. Wie dem auch sei, ich möchte an dieser Stelle schon sagen, dass ich mich darauf freue, meine Beweise einem Richter zeigen zu können.

Vor allem drei Punkte hat Uhlenberg angegriffen:

Zunächst habe er die Daten zu Brilon Scharfenberg in der Tabelle Komkas.pdf nicht unterdrückt.

Tja, wie jeder in der Tabelle komkas.pdf sehen kann, hat er das aber getan. Da stehen anstelle von Daten Sternchen. Die Daten selbst gibt es. Die habe ich vom Ruhrverband und stelle sie hier ein, sobald ich zu Hause bin. Da steht jedenfalls, aus der entsprechenden Kläranlage fließen so rund 6 Gramm Gift am Tag in die Ruhr.

Dann meint Uhlenberg, er habe keine Daten in seinen Tabellen auf Null gesetzt, obwohl dort Daten stehen müssten.

Wie in der Tabelle komkas.pdf ersichtlich ist, hat er die Null-Nummer bei der Reduzierung der Meßdaten für das Klärwerk Werdohl durchgezogen. Da steht bei der Reduktion eine 0 und keine 69 Gramm, wie dort eigentlich stehen müssten.

Und dann behauptet der Minister, ich hätte berichtet, Uhlenberg habe gesagt, insgesamt würden weniger als 500 Gramm PFT am Tag in die Ruhr eingeleitet. Tja, ich finde, das geht aber aus dem folgenden Uhlenberg-Zitat hervor:

All diese Maßnahmen der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen zeigen bereits Wirkung. Wir sind das erste Bundesland, das innerhalb eines Jahres eine deutliche Reduzierung des PFT-Eintrags aus allen relevanten Einleitungen um 35 Prozent erreichen konnte. Insgesamt handelt es sich um Einträge von weniger als 500 Gramm pro Tag, die in die Gewässer eingeleitet werden. Im Interesse der Bürger und der Umwelt wird die Landesregierung ihre Anstrengungen auch im nächsten Jahr fortsetzen.“

Jetzt sagte Uhlenberg, dass heute nur 147 Gramm in die Ruhr fließen würden. Dabei beruft er sich offenbar auf seine Reduzierungen in den Klärwerken, die nur zustande gekommen sind, weil er die Grammzahlen aus den Klärwerken, in denen sich die Lage verschlechtert hat, nicht mitberechnet hat.

Ich rede aber von den Gesamtzahlen in der Ruhr. Und tatsächlich geht aus Unterlagen des Ruhrverbandes hervor, dass im Dezember über 600 Gramm durch die Ruhr geflossen sind. Das kann man hier nachlesen, sobald ich einen Scanner gefunden habe und auf die Seite hier ein Bild hinstellen kann. Weil diese Tabelle habe ich leider nur auf Papier. Und ich bin gerade im Land unterwegs.

Da anscheinend auch der Minister oder seine Mitarbeiter die Ruhrbarone.de verfolgen, an dieser Stelle einen Gruß. Ich freue mich auf den Rechtsstreit.

Ansonsten aber hoffe ich auf Deeskalation. 🙂

 

Nokia nicht unfehlbar?

Die Nokia-Spitze begründet das Aus für den Standort Bochum mit wirtschaftlichen Notwendigekeiten. In einer Reaktion des Betriebsrates auf das Interview von Nokia-Chef Kallasvuo in der FAZ machen die Nokia-Mitarbeiter indes Versäumnisse des Vorstandes für das Nokia aus verantwortlich. Nokia-Betriebsrat: Kallasvuo will von eigenen Versäumnissen ablenken. Gisela Achenbach, Betriebsratsvorsitzende bei Nokia Bochum:  „Kallasvuo will von den Versäumnissen der Unternehmensleitung ablenken." Der Grund für die Schließung des Standortes seien nicht die angeblich zu hohen Kosten, sondern Versäumnisse in der Strategie des Managements. „Nokia hat meiner Ansicht nach Überkapazitäten geschaffen, aber es gleichzeitig versäumt, genügend neue unterschiedliche attraktive Produkte zu entwickeln", so Achenbach. Obwohl bei Nokia in Bochum noch vor der Einführung des iPods Konzepte für Musikhandys entwickelt worden seien und die Ingenieure ab Mitte 2001 das 3300 – ein Handy mit MP3Player und Musik auf Speicherkarten – entwickelt hatten, hätte das Management die konsequente Markteinführung einer neuen Produktpalette gestoppt. „Damals", so Achenbach „war die Botschaft des Senior Vice President Entertainment: „Music is not our Business", wohl weil man sich nur noch auf Spielehandys konzentrieren wollte. Das Geschäft mit portablen Musikplayern, die damals schon hätten in Mobiltelefone integriert werden können, machte schließlich Apple. Erst jetzt fängt auch Nokia an, Musik über das Internet zu vertreiben, ein Vorschlag der Bochumer Ingenieure, der 2002 niemanden in Finnland interessiert hat.

Gisela Achenbach: „Hätte Nokia auf seinen Standort Bochum mit hervorragend qualifizierten Mitarbeitern in der Produktion und einem Entwicklungszentrum mit mehr als 400 Ingenieuren gehört, würde keiner vom iPod reden. Dann hiesse es vielleicht NPod oder NPhone und diese Produktlinie würde garantiert in Bochum entwickelt und produziert"

Nokia hätte in der folgenden Zeit auf den Bereich Games gesetzt – aber unterlassen, eine attraktive Softwarebasis für die entsprechenden Geräte sicher zu stellen. „Die Bochumer Multimediaabteilung hat frühzeitig vor der Entwicklung gewarnt." Der Erfolg des Spielehandies N-Gage lag dann auch weit hinter den Erwartungen zurück. Auch, dass Nokia als Weltmarktführer mehr als ein Jahr nach Einführung des iPhones noch keine Antwort auf Apple gefunden hat sei peinlich. Achenbach: „Technisch und konzeptionell könnten wir Apple innerhalb weniger Monate überholen – wenn man uns lassen würde."

Stattdessen würde sich Nokia auf den Verkauf von Billighandies für Schwellenländer und Internetdienstleistungen konzentrieren. „Preisgünstige Modelle für die Märkte in den Schwellenländern sind zwar wichtig, aber ebenso wenig ein tragfähiges Zukunftsmodell wie das Geschäft mit Internetdienstleistungen." Dort hätten Amazon, Google und Ebay ihre Claims abgesteckt – für Nokia sei dort kaum noch Platz.

„Nokia sollte sich auf das konzentrieren, was es kann: Spitzenhandys entwickeln und bauen. Das hat der Standort Bochum seit fast 20 Jahren auch getan. Der Vorstand sollte endlich eine zukunftsträchtige Vision für das Unternehmen entwickeln, anstatt die Mitarbeiter für das eigene Unvermögen leiden zu lassen."

Der ruhiggestellte Oskar

Kurz zu den Fakten der Nokia-Demo in Bochum Riemke: 15.000 Demonstranten nach Polizeiangaben, die Forderung war klar, Nokia muß erhalten bleiben, eine weitgehend überraschungsfreie Nummer. IG-Metall Protestroutine eben, mit Soli-Transparenten anderer Gewerkschaften. Redner waren, neben Bochums Oberbürgermeisterin, IG-Metall Chef Huber, Nokia-Betriebsrätin Achenbach und vor allem einige Nokia-Mitarbeiter, mit zum Teil wirklich berührenden Reden. Interessant war, wer nicht reden durfte: Der angereiste Politikertross, der sich so sehr einen Platz in der Fernsehübertragung gewünscht hätte: Arbeitsminister Laumann, SPD-Hoffnungsträgerin Hannelore Kraft und vor allem der "Arbeiterführer" Oskar Lafontaine. Sie mußten zurückstehen gegenüber den Nokia-Mitarbeitern. Zwar hatte sich die Bochumer Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Sevim DaÄŸdelen in Gesprächen mit dem Betriebsrat alle Mühe gegeben, "Oskar" auf der Kundgebung zu platzieren, aber sie konnte sich nicht durchsetzen. Auch die spontanen Volkswillen simulierenden Parteimitglieder mit ihren Oskar-Rufen blieben ungehört – und so stand Lafontaine auf der Bühne, mußte Gunther Garbiel anhören und Johnny Cash-Nummer von Musikern des Schauspielhauses – was einem wieder einmal klar machte, dass es Musiker gibt, die unersetzlich sind.

Werbung

Ein Freund

Am Sonntag-Morgen, um 8 Uhr und 5 Minuten hat ein Passant Marcus Bensmann im Schnee gefunden. Er lag da, bewusstlos. Sein Gesicht zerschlagen, sein Kiefer gebrochen, seine Hände erfroren. Marcus Bensmann lag im Schnee der kasachischen Hauptstadt Astana. Das Thermometer zeigte minus 20 Grad. Es heißt, Marcus Bensmann sei aus einem fahrenden Wagen hierhin geworfen worden, in das Eis der Steppe.

Wir wissen nicht, ob es ein politischer Anschlag war oder ob Marcus Opfer einer kriminellen Entführung geworden ist. Wir wissen, sie haben ihm ins Gesicht getreten, bis seine Augen brachen. Wir wissen, sie haben ihn in das Eis geschmissen. Wir wissen, es war ein Mordversuch. Marcus Bensmann ist 38 Jahre alt.

Marcus Bensmann ist ein Freund. Und ein Journalist. Er schreibt seit Jahren über Zentralasien, für die neue Zürcher Zeitung, für die ARD, die dpa und die taz. Dabei ist er einer der wenigen, die nicht über die schönen Berge fabulieren oder die Seidenstraße. Marcus schreibt über Kinderarbeit in den Baumwollfeldern. Er schreibt über den Fall Musafar Avazow in Usbekistan. Über den Mann, der im Gefangenenlager Yaslik gekocht wurde. Marcus hat die Beweise besorgt, Fotos der entstellten Leiche. Marcus hat gezeigt, wie Rücken, Bauch, Beine und Arme des vierfachen Vaters eine einzige Brandblase bildeten.

Und Marcus hat über das Öl Zentralasiens geschrieben und über das Gas. Wer es kauft, wer es haben will und wer das Schmiergeld kriegt. Die Berichte von Marcus Bensmann waren teuer. Sie haben Despoten in ihren Geschäften gestört.

Vor allem der Diktator von Usbekistan stand immer wieder im Zentrum der Berichterstattung. Marcus Bensmann war einer der wenigen Journalisten im usbekischen Städtchen Andischan am Tag des Massakers, als hunderte Menschen abgeschlachtet wurden. Er überlebte den Kugelhagel. Er sah die Leichen. Er rannte mit den Überlebenden. Und Marcus berichtete und berichtet weiter darüber. Er lässt die Toten nicht vergessen. Er schreibt an gegen die Verharmloser, gegen die Abwiegler, gegen die Vertuscher. Die auch in Deutschland im Außenministerium sitzen. Und dort für die Rehabilitierung der usbekischen Schlächter antichambrieren.

Marcus hat darüber geschrieben, nicht weil es ihm Spaß machte. Sondern weil es wichtig für uns alle ist. Deutschland hat Interessen in der Region. Deutschland macht Politik in der Region. Deutsche Soldaten stehen in Usbekistan. Die Deutsche Regerung zahlt Geld an das Regime in Usbekistan. Der Westen will Zugang zu den Gaslagerstätten in Usbekistan. Und: Politiker Europas hofieren die Greuelherrscher der Region.

Marcus Bensmann wollte aufklären, bei welchen Geschäften sich die deutsche Außenpolitik unter ihrem Minister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mitschuldig macht. Marcus deckte auf, dass sich Steinmeier in der EU dafür eingesetzt hat, die Sanktionen gegen Usbekistan zu lockern. Während er gleichzeitig als Friedensapostel im Nahen Osten auftritt. Mit seinen Berichten lüftet Marcus das Tuch des Schweigens, das über diese dunkle Seite der deutschen Außenpolitik geworfen wird. Er hat die Beweise gesammelt.

Zuletzt hat Marcus Bensmann einen Bericht für das ARD-Magazin Monitor über den Zynismus dieser Politik gemacht. Der Anlass hier war schrecklich. Der usbekische Exiljournalist, Alisher Saipov, war vor seinem Haus in Kirgistan vermutlich vom usbekischen Geheimdienst erschossen worden. Zwei Schüsse in die Beine, einer in den Kopf. Saipov war ein enger Kollege von Marcus Bensmann. Der Mord am Reporter war kein Anlass für den deutschen Außenminister seine freundliche Haltung gegen den Diktator Usbekistans zu überdenken.

Das Auswärtige Amt nimmt Marcus Bensmann diese Arbeit übel. Immer wieder kamen Zwischentönen aus dem Amt, die seine Arbeit diskreditieren sollten, die ihn beleidigten. Im diktatorischen Zentralasien konnten diese Signale nur so gedeutet werden, dass die Deutsche Regierung kein Interesse am Wohl des Journalisten Marcus Bensmann habe.

Marcus war auch jetzt in Zentralssien, um die Wahrheit zu berichten. Über das, was jenseits der Propaganda geschieht. Marcus Bensmann ist während seiner Arbeit zerschlagen worden.

Als Marcus im Krankenhaus lag, schaute ein Botschaftsangesteller nur kurz vorbei. Und verschwand wieder. Dem Autoren gegenüber machte der Diplomat nachher telefonisch deutlich, dass ihn der Journalist nicht interessiere. Erst auf Druck der Medien wurde diese Haltung später von der Deutschen Botschaft in Kasachstan geändert. Schnell hieß es, der Überfall könne nur einen kriminellen Hintergrund haben. Marcus sei betrunken gewesen. Stimmt das? Ist das Wahrheit oder der Beginn einer Vertuschung? Macht das überhaupt einen Unterschied?

Fakt ist: Marcus war Samstagabend in einer Kneipe in der kasachischen Hauptstadt, um dort einen Drehort zu recherchieren. Als er die Kneipe verließ, verschwand er und wurde einige Stunden später aus einem fahrenden Wagen geworfen. Wir wissen nicht, ob ihm den Tag über Geheimdienstbeamte gefolgt sind, um eine günstige Gelegenheit abzuwarten, einen staatlich gelenkten Anschlag wie eine „normale“ Verschleppung aussehen zu lassen. Wir werden es vielleicht nie erfahren. Schon im vorliegenden Polizeibericht gibt es Widersprüche zur Realität. So heißt es bei der kasachischen Polizei Marcus Bensmann habe um 2:32 Ortszeit Astana die Kneipe verlassen. Fakt ist, die Frau von Marcus Bensmann hat in Gegenwart des Autoren kurz vor 3:00 Ortszeit Astana mit Marcus Bensmann telefoniert. Da war er noch in der Kneipe und machte einen normalen Eindruck.

Wir wissen nur eines sicher: Marcus ist das Opfer eines Verbrechen geworden. Marcus Bensmann hat den Mordversuch überlebt. Er ist zurück in Deutschland. Die ARD und der WDR haben ihn rausgeholt. Dafür gebührt ihnen Dank.

Nokia Demo – CDU Lammert kommt nicht

Heute ist die Nokia Demo. Die Beschäftigten kämpfen um ihre Arbeit, um ihr Werk, um ihre Stadt, um ihre Zukunft.

Alle kommen. Alle. Nur Norbert Lammert nicht.

"Das sieht schlecht aus", heißt es aus dem Umfeld von Norbert Lammert, dem CDU-Bundestagsabgeordneten aus Bochum. Und das ist richtig, es sieht schlecht aus. Offizieller Grund: "unaufschiebbare Verpflichtungen in Berlin" Schlechter kann es eigentlich gar nicht aussehen, wenn die Menschen im eigenen Wahlkreis zur Solidarität aufrufen. Eine Steilvorlage für den politischen Gegner.

Aber: Norbert Lammert hat tatsächlich "unaufschiebbare Verpflichtungen". Denn Lammert ist nicht nur Bochums Delegierter im Parlament. Er ist auch Chef vom Ganzen. Als Bundestagspräsident muss er heute um 12:30 den irischen Parlamentspräsidenten John O’Donoghue empfangen. Was soll er dem sagen? "Sorry, Mann, ich muss nach Bochum, unaufschiebbare Verpflichtungen im Wahlkreis. Kommt doch morgen. Oder heute Abend, oder gar nicht?"

Der Termin mit O’Donoghue stand früher fest als die Werksschließung durch Nokias Konzernchef Olli-Pekka Kallasvuo. (Warum haben die eigentlich alle so seltsame Namen?)

Tatsächlich war aus Lammerts Umfeld zu erfahren, dass der CDU-Mann versucht hat, seinen irischen Kollegen zu überreden, doch einfach mit nach Bochum zu kommen. Man kann ja beim Demonstrieren plaudern. Wollte O’Donoghue aber nicht. Tja, so muss Lammert also in Berlin bleiben.

Seine Botschaft an die Nokianer lautet:

Der Belegschaft und dem Betriebsrat von Nokia in Bochum, die sich für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze sowohl in der Produktion als auch in der Forschung und Entwicklung einsetzen, sowie den Zulieferfirmen und den betroffenen Leiharbeitnehmern sage ich auch auf diesem Wege noch einmal meine Hilfe zu.

Das Unternehmen steht nicht nur gegenüber den eigenen Aktionären in der Verantwortung, sondern auch gegenüber dem Land und der Region, die durch das Zahlen von gewaltigen Subventionen und durch die Bereitstellung öffentlich finanzierter Infrastrukturmaßnahmen die gute Entwicklung von NOKIA mit ermöglicht haben.

Das Ruhrgebiet hat hinreichende Erfahrungen mit einem tief greifenden Strukturwandel und dem Verlust von hunderttausenden Arbeitsplätzen in nicht mehr wettbewerbsfähigen Produktionszweigen. Umso weniger können und dürfen wir hinnehmen, dass mit hohem Einsatz öffentlicher Mittel angesiedelte High-Tech-Unternehmen ohne zwingenden Grund allein zur Maximierung von Gewinnerwartungen wie ein Wanderzirkus durch Europa ziehen. Auch das Europa-Parlament und die EU-Kommission sind inzwischen mit dem Vorgang befasst.

Gerne beteilige ich mich an allen Bemühungen, die getroffene Entscheidung der Konzernführung zu korrigieren und unterstütze die entsprechenden Anstrengungen von Stadt, Land und Bund.

Das sagte Lammert. OK. Mit anderen Worten: Wenn der Ire seinen Kaffee leergetrunken hat, geht es weiter. Lammert schubst in den Kulissen.