Die gelbe Gefahl und Mall

Chinesische Investoren mit Marls Bürgermeisterin Uta Heinrich. Foto: Ruhrbarone

Die Chinesen kommen nach Marl – vielleicht, aber das reicht schon. Nein, nicht die Volksbefreiungsarmee plant die Besetzung Marls, sondern chinesische Geschäftsleute. Die wollen eventuell – die Chancen stehen wohl ganz gut, wie bei solchen Deals üblich, kann man das erst ganz am Ende sagen – dass chinesische Unternehmen aus den Städten Wenzhou und Hangzhou in Marl ein Groß- und Einzelhandelszentrum bauen. Es ist so etwas wie eine permanente Messe. Chinesische Unternehmen stellen ihre Waren aus und versuchen, neue Geschäftskontakte zu knüpfen. Wohnen wollen die chinesischen Geschäftsleute in 200 Häusern, die eigens für sie gebaut werden sollen.

So ein ähnliches Projekt gab es auch einmal in Duisburg. Es hieß Gate to Asia und scheiterte am überraschenden Tod eines Investors. Duisburg wäre aus gutem Grund froh gewesen, wenn es Wirklichkeit geworden wäre. Nun also Marl. Auch hier ist die Politik für den Bau, aber wir wären nicht in Deutschland, wenn sich nicht schon eine Bürgerinitiative gegen das Projekt gegründet hätte. Sie fürchten den Untergang des Marler Teils des Abendlandes und sind unter der Internetadresse www.buerger-gegen-chinatown.de zu besichtigen. Die Chinesen, so argumentieren sie, würden hier keine Steuern zahlen, denn sie würden ja nichts produzieren (Ich verstehe das auch nicht, ich gebe es nur wieder!!!), den Bauauftrag bekämen chinesische Unternehmen, deutsche Firmen wären nur Zulieferer und Jobs gäbe es auch nur für Chinesen.

Das eigentliche Problem aber scheint zu sein, dass Chinesen Chinesen sind. Anders. Und das ganze Herumgelaber ist nichts anderes, als schlecht kaschierte Fremdenfeindlichkeit. Die richtet sich ausnahmsweise nicht gegen arbeitslose Türken, sondern gegen reiche Investoren aus China. Das macht sie nicht weniger widerwärtig. Nur die Konsequenzen eines solchen Verhaltens sind in Zeiten der Globalisierung andere: Statt einem Schulterklopfen von den anderen – sagen wir, Menschen mit einer nicht nobelpreisträchtigen Auffassungsgabe – kann man sich ja schon einmal in Google-Maps den Weg zur Bundesagentur für Arbeit raussuchen. Irgendwas Nettes für einen Euro in der Stunde gibt es sicherlich auch für die Chinatowngegner.

2010: City of Cities

flickr/ariturk

Plötzlich war sie da, die Frage: Wer ist gerade die zweite europäische Kulturhauptstadt ?
Neben Liverpool. Weiß das jemand? Kennt das jemand?

Machen wir einen Sprung ins Jahr 2010: Drei Städte sind dann Europäische Kulturhauptstadt, und ich habe schon Angst um die anderen zwei. Denn worum geht es bei der Kulturhauptstadt? Um Besucher, neue Musentempel, herausragende Veranstaltungen, glückliche Menschen. Aber vor allem – und vor allem im Ruhrgebiet – geht es um den guten Ruf.

Bilbao, Glasgow, Weimar haben sich seinerzeit so rausgeputzt, dass sogar ich noch von ihnen weiß. Und warum? Weil darüber berichtet wurde, viel, überall. Was wird also 2010 sein? Wohin geht die Reise der Reisejournalisten, Korrespondenten, Weltfeuilletonisten, Fernsehmannschaften, Berichterstatter? Nach Pecs? Nach Essen? Nach Istanbul?

Bislang dachte ich, egal wie die Vorbereitungen auf 2010 laufen, wie die freie Szene auch meckert. Wenn es losgeht, dann geht es los, weil die Überreste des Fordismus, der kontrollierte Zerfall und das bisschen Phoenix für die Welt da draußen genug ungesehene Bilder liefern. Aber können Förderturm, Gebläsehalle, Dampfmaschine wirklich gegen Istanbul anstinken und Weltfragen: Wo beginnt und endet Europa? Wie groß ist Istanbul, das zweite Rom, wie jung, modern, kopftuchlos, kultiviert ein islamisches Land? Sagen wir es so: Zeche Fritz trifft auf die Hagia Sophia.

Ruhr 2010 wird also doch kein Selbstläufer! Und hoffentlich nicht nur White Trash, ein Volksfest auf der A40. Ich sehe schon diese Szene vor mir, eingefangen vom BBC-Worldservice, ein einsamer, alternder Jogger wackelt durch Industrienebel, denn über Ruhr 2010 wird erst im Herbst berichtet, weil es leider doch nicht abgeht.

Alles über Verschwörungstheorien

Harmlose Verschörungstheorie: Bielefeld. Foto:  Flickr/mjo

Es gibt Menschen, denen die üblichen Gründe zur Erklärung des ganzen täglichen Unfugs in den Nachrichten – Geldgier, Angeberei, Machtgeilheit und Dummheit – nicht ausreichen aus. Irgendwie, so meinein sie , muss doch alles mit allem zusammen hängen, darf es keine Zufälle geben und bedarf es auch eines großen Planes im Hintergrund.  Vielleicht sollten diese, unsere Mitmenschen am 18. März um 20.00 Uhr (Ein ganz besonderer Tag in der Geschichte der Menschheit – Zufall?) nach Essen in das Unperfekthaus gehen, ohnehin einer der ganz besonderen Orte im Ruhrgebiet. Dort setzt sich der Skeptiker, Schriftsteller und Student Patrick Pricken mit neuen und alten Veschwörungstheorien auseinander. Aus der Ankündigung:

"Im Rahmen des Themenabends führt Patrick Pricken in die Welt der
Paranoia. Dabei geht er sowohl auf die Ursprünge von
Verschwörungstheorien ein als auch darauf, wie man einem solchen
Gedankengebilde auf den Grund gehen kann. Anhand vieler Beispiele
erläutert er typische Argumentationen und Muster und zeigt, dass die
Welt vielleicht doch nicht so schlimm ist, wie man oft fürchtet.
Spannung, Spaß und Schokolade sind garantiert."

Die Rhein-Ruhr-Skeptiker sind die Veranstalter und in einer Zeit, in der Esoterik, Astrologie und Zahlenmystik boomen sind die ein echter Lichtblick.

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Ruhr hoch n: Ich finde es gut

So: Das ist das Logo und der Claim. Ich finde es gut. Teamwork-Capital – Hauptstadt der Teamarbeit – passt zum Ruhrgebiet. Es sieht gut aus, das Logo kann jeder verwenden – es ist vollkommen frei – und die Kampagne soll vor allem im Ausland laufen. Es orientiert sich an dem Logo der Kulturhauptstadt, wirkt meiner Ansicht nach aber frischer.

Grey-Chef Dopheide erklärte bei der Präsentation in Essen, dass weltweit alle Ballungsräume wachsen – mit einer Ausnahme: das Ruhrgebiet schrumpft. Es hat seiner Ansicht nach nur eine Chance: Es muß gemeinsam auftreten. Was soll mit der Kampagne des Initiativkreises, der seinen Namen von Initiativkreis Ruhrgebiet in Initiativkreis Ruhr geändert hat, erreicht werden? Die Kampagne soll weltweit Unternehmen und Fach- und Führungskräfte für das Ruhrgebiet interessieren. Container mit Informationsmaterial über das Ruhrgebiet werden dafür in Wirtschaftszentren wie New York, Moskau oder Shanghai transporiert. Die Kampagne wurde von Grey international an sieben Standorten weltweit getestet – das Ergebnis sei positiv gewesen. Dass das Ruhrgebiet die Hauptstadt der Teamarbeit sei, hätten die Menschen verstanden. Teamwork sei für Unternehmen ein extrem positiv besetzter Begriff, so der Grey-Chef. Dass Teile der Kampagne schon am Samstag veröffentlicht wurden, ist für Dopheide eine Katastrophe: "Derjenige, der dafür verantwortlich ist, hat sich als schlechter Teamplayer geoutet."

Das kritisierte n habe, erklärte Dopheide, keine spezifische Bedeutung, es heiße Potenz und soll Kraft ausstrahlen, kann aber mit unterschiedlichsten Inhalten gefüllt werden und soll verschiedene Lesarten ermöglichen. Vor allem soll es aber zeigen: Im Ruhrgebiet passiert etwas, hier hat sich etwas verändert. Dopheide  beurteilte auch den Begriff Metropole Ruhr: "Es gibt auch die Metropole Fürth. Der Begriff ist verbrannt!"

 

PFT – Das Problem des Umweltministers – Fortsetzung 4

Uhlenberg. Foto: nrw.de

Es ist nicht leicht gegen die Macht zu bestehen. Wir wollen der Macht vertrauen, wollen glauben, dass wir in guten Händen sind.

Es ist nicht leicht zu bestehen, besonders dann nicht, wenn sich die Macht in Person eines Ministers in den Landtag stellt und Reporter diffamiert.

Wem glauben die Menschen? Der Macht? Oder dem Mahner?

Für die meisten ist es leichter der Macht zu vertrauen. Das ist der sichere Weg. Gerade für Journalisten. Ich schreibe auf, was die Macht sagt. Fertig, kein Ärger mit Niemanden.

Den Mahner zu verstehen, bedeutet dagegen, sich auf einen beschwerlichen Weg hinab zur Wahrheit zu begeben. Man muss lesen, Daten begreifen, Zusammenhänge schaffen. Der Weg führt tief in die Details, in Archive, in Messlisten, in Jahresberichte. Es ist ein mühsamer Weg. Und er führt zu einem schweren Ziel.

Denn am Ende des Weges steht man gegen die Macht. Es gibt keinen Kompromiss. Die Macht leugnet die Wahrheit.

Ich will hier im PFT-Skandal nur ein Detail aufgreifen. Man könnte meinen, es ist langweilig. Aber der Reihe nach.

NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg sagt, es seien keine Daten für das Klärwerk Brilon Scharfenberg aus seiner Veröffentlichung zu den PFT-Emissionen aus den Ruhrklärwerken gelöscht worden.

Stimmt das?

Wir müssen uns auf den Weg durch die Details machen.

In seiner Tabelle komkas.pdf gibt der Minister folgende Daten an.


Hier sehen wir, dass für die Kläranlage Brilon Scharfenberg Konzentrationen verzeichnet sind. Doch da, wo die täglichen Frachten verzeichnet sein sollten, stehen nur Sternchen.

Warum?

Der Rechtsanwalt des Ministers sagt, es gebe für dieses kleine Klärwerk keine Jahresabflussmengen, mit deren Hilfe man aus den Konzentrationen eine PFT-Fracht hätte berechnen können. Die Kläranlage Brilon Scharfenberg sei schlicht zu klein.

Stimmt das?

Ich habe nach mühsamer Recherche folgende Tabelle des Ruhrverbandes gefunden:


Aus der Tabelle gehen zunächst drei Dinge hervor:

1. Es ist offensichtlich die gleiche Messung, die auch in der Tabelle des Ministers verwendet worden ist. Wie man sieht, stimmen die Konzentrationen auf die dritte Stelle hinter dem Komma überein. (Zur Erklärung, der Ruhrverband stellt auf Nannogramm ab, der Minister stellt die Konzentration in Mikrogramm dar. Dadurch verschiebt sich aber nur das Komma um drei Stellen. Die Zahlen bleiben gleich.)

2. Es ist offensichtlich, dass der Ruhrverband bei seiner Messung eine Ablussmenge bestimmen konnte. Und zwar 1.200 Kubikmeter am Tag. Diese Abflussmenge liegt den so genannten Jahresabflussmengen zugrunde.

3. Der Ruhrverband war in der Lage eine PFT-Fracht für die Kläranlage Brilon Schrafenberg zu berechnen. Und zwar kommt der Ruhrverband auf 5,7 Gramm.

Wir haben jetzt gelernt, dass es Abflussmengen für die Kläranlage Brilon Scharfenberg gibt. Nun ist die Frage, ob diese Abflüsse auch im Ministerium bekannt sind.

Wieder müssen wir im Archiv suchen. Und wir werden fündig.

Der Minister selbst hat eine Publikation herausgegeben. Und die heißt: „Entwicklung und Stand der Abwasserbeseitigung in Nordrhein-Westfalen – 13. Auflage – Langfassung“.

Hier steht auf Seite 223 die Tabelle „12.30 – Ruhreinzugsgebiet – Kläranlagen“.

In der 8. Zeile dieser Tabelle findet man das Klärwerk Brilon-Scharfenberg.

Hier ist ein Abflusswert von 748 Liter je Einwohner (l/EW-d) am Tag angegeben.

Gleichzeitig werden für Brilon-Scharfenberg 1800 Einwohner aufgeführt.

Daraus ergibt sich ein Tagesabflusswert von 1.346,4 Kubikmeter am Tag.

Die Publikation des Ministers ist von ihm persönlich unterschrieben im Januar 2008 erschienen und bezieht sich auf Daten zum Stichtag 31. Dezember 2006.

Es gibt weitere Berichte, ältere Berichte des Ministeriums, die ebenfalls Abflussmengen für Brilon Scharfenberg angeben.

Wir haben jetzt gelernt, dass es Abflusswerte für die Kläranlage gibt.

Damit wissen wir, dass der Rechtsanwalt des Ministers Mumpitz erzählt.

Wurden jetzt aber Daten gelöscht? Ich kann keine andere Erklärung für die Sternchen in der Tabelle komkas.pdf finden.

Aber warum wurden Daten entfernt?

Zur Erinnerung, das verseuchte Feld in Brilon Scharfenberg führt der Minister als einer der Hauptgründe für die PFT-Misere in der Ruhr an.

Die letzte bekannte Messung der Kläranlage Brilon Scharfenberg stammt aus der Zeit vor der Sanierung des genannten Feldes, wie aus den oben angeführten Daten des Ruhrverbandes hervorgeht. Demnach stammt die Messung vom Dezember 2006. Gab es danach keine Messungen mehr?

Oder ist bei der Sanierung des Feldes irgendwas schief gegangen? Floss vielleicht sogar PFT-verseuchtes Wasser aus dem Südhang des Feldes in die Kläranlage? Und ruinierte deren Werte? Wurde vielleicht die Kläranlage zwischendurch abgeschaltet? Wir wissen es nicht.

Aber wir werden es erfahren. Denn die Suche geht weiter.

Und solange stehe ich halt weiter gegen den Minister, denn der Weg zur Wahrheit hat mich hierhin geführt.

Westdeutscher Allgemeiner Rundfunk

Auch das tollste Tier ist bald im Internet. Foto: Flickr/merkwuerdig

Der WDR und die WAZ-Mediengruppe stellten in Düsseldorf offiziell ihre bereits angekündigte Kooperation im Onlinebereich vor. Künftig sind Berichte aus der Lokalzeit zeitversetzt auch auf DerWesten zu sehen und so werden "Das Backduell" und  "Das tollste Tier im Revier" bald auch  Jung und Alt im Internet begeistern. Ob auch fiktionale Produkte des WDR wie die Erfolgsserie Die Anrheiner oder Ratgebersendungen wie Domian künftig online zu sehen sein werden, geht aus der Erklärung leider nicht hervor.

Teure Erblast Industriekultur

Zollverein. Foto: Ruhrbarone

Die Industriekultur des Ruhrgebietes ist zu einer Art regionalem Heiligtum geworden. Keine Frage, wo gibt es auf der ganzen Welt davon soviel und so vielfältiges zu besichtigen wie hier. Die Bewahrung der letzte großen und zugleich großartigen Funktionsästhetik der nun schon Jahrtausende alten Technikgeschichte ist ein internationales Markenzeichen der Ruhrstadt geworden. Da grenzt die Frage nach den Kosten im Verhältnis zum Nutzen schon an Ketzerei. Erst recht, wenn es sich um „Kathedralen“ (der Industriekultur) handelt.

Dass die so benannten baulichen Zeitzeugen als sie noch ihren praktischen Dienst erwiesen im Volksmund aus gutem Grund „Knochenmühlen“ hießen, kommt da leicht in Vergessenheit. Dass sie von ihren Erbauern, ganz im Gegensatz zu den richtigen Kathedralen, keineswegs für die „Ewigkeit“ gedacht wurden, erst recht. Das Weltkulturerbe Zeche Zollverein z.B. war gerade mal für ein halbes Jahrhundert Haltbarkeit konstruiert und musste deswegen für gut 100 Millionen Euro überhaupt erst einmal denkmalfähig gemacht werden. Wenn der Kölner Dom lachen könnte, man hätte es bis Essen hören kennen.

Die Jahrhunderthalle in Bochum hätte von sich aus länger gehalten, was allerdings schon bei reinem Leerstand ca. 5-10 Millionen Euro pro Jahr gekostet hätte. So hat man sie zu etwas umgebaut, zu dem sie genauso wenig geeignet war wie die Zeche Zollverein zum Jahrtausenddenkmal: zu einem Konzerthaus. Entsprechend hat die Sache natürlich auch aufs Konto geschlagen. Bedenkt man, dass die dortigen künstlerischen und sonstigen Veranstaltungen, unverdächtig harmlos im Fachdeutsch als „Bespielung“ bezeichnet, in der Mehrzahl ebenfalls staatlich subventioniert werden, dann verwandeln sich diese architektonisch sehr wohl gelungenen Projekte rein finanziell über kurz oder lang in ein Fass ohne Boden.

Machen wir uns nichts vor, würden an allen Gebäuden des Ruhrgebietes, mit denen in den letzten Jahrzehnten ähnliches geschehen ist, gut sichtbar die Summen angeschlagen die sie alles in allem die Allgemeinheit gekostet haben und – sagen wir mal die nächsten 20 Jahren – noch kosten werden, würde die Begeisterung für die Industriekultur selbst bei denen einen herben Dämpfer erleiden, die zu ihren regelmäßigen Nutzern gehören.

Das alles spricht nicht grundsätzlich gegen die Bewahrung der eigenen Technikgeschichte und soll es auch nicht. In Anbetracht leerer öffentlicher Kassen, der überdurchschnittliche hohen Arbeitslosigkeit und der zunehmend prekären sozialen Lage eines immer größer werdenden Teils derer, die um diese baukulturellen Highlights herum ihr Leben fristen, muss jedoch die Frage erlaubt sein, ob das ganze nicht etwas kostengünstiger und zahlenmäßig kleiner zu haben gewesen wäre. Ob es nicht zumindest für die Zukunft dringend notwendig ist, standort- und effektbezogen Prioritäten zu setzen und nach Umnutzungen zu suchen, die Geld einspielen statt weitere Subventionen zu erfordern. Ob die bestehenden Objekte nicht erst einmal baulich und sozial besser in ihr Umfeld eingebunden werden müssen, bevor man neue angeht. Ob nicht auch über Abriss nachgedacht werden muss, wenn trotz redlichen Bemühens keine ökonomisch tragfähige Nutzung gefunden werden kann.

Warum ist das Loftwohnen in Städten und Regionen mit weit weniger baulichem Potential zum Renner geworden und nicht im Ruhrgebiet? Warum haben wir flächendeckend mit öffentlichen Geldern nagelneue Technologieparks gebaut, deren Mieten subventioniert werden müssen, um sie nur annähernd mit Nutzern zu füllen, statt dafür geeignete Gebäude ausschließlich aus unseren industriell nicht mehr gebrauchten Bestand zu nutzen. Warum muss  j e d e  Stadt im Ruhrgebiet auch noch  „Kultur in alten Mauern“ haben, wenn  schon die in den modernen zu wenige Besucher hat?

Am meisten Geld pro eingesetztem Investment wird im Ruhrgebiet zur Zeit weder mit dem vielgepriesenen kreativkulturellen Sektor noch mit dem ewigen Allheilmittel Dienstleistung  noch mit Tourismus sondern mit den Klassikern Stahl, Chemie und Maschinenbau sowie den darauf  bezogenen ingeniösen  und ökologischen Innovationsleistungen verdient. Der Bergbau ist zwar für das Ruhrgebiet passe – und das ist gut so – aber in anderen Teilen der Welt firmiert er nicht unter Industriekultur, sondern unter technologischer Zukunft. Es wird höchste Zeit im Ruhrgebiet mehr als bisher über letztere zu Reden. Technologische Zukunft braucht nämlich auch angemessene, ja spektakuläre bauliche Zeichen. Wichtiger aber noch ist: Ohne technologische Zukunft  lässt sich das durchaus sinnvolle Bewahren der technologischen Vergangenheit auf Dauer nicht finanzieren.

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FAZ: Meine Stadt

Foto: Ruhrbarone

Da habe ich ja am Sonntag einen Text für die FAZ-Aktion "Meine Stadt" geschrieben und mich hier beklagt, dass die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung bei ihrem Kreativranking das Ruhrgebiet übersehen hatte. Jetzt ist er online – mit ein paar Macken aus der  Übertragung vom PDF, ohne Fotos (Die ich nachladen kann, aber im PDF integriert hatte) und unter der Rubrik Bochum. Tja, ich habe in einer Mail darum gebeten, den Text in die noch nicht vorhandene Rubrik Ruhrgebiet einzuordnen. Es beibt schwierig…vielleicht wird es ja leichter, wenn es ein paar Texte, Bilder etc. mehr für die noch nicht vorhandene Rubrik Ruhrgebiet gibt…haut rein!

Zwischenruf: Sehnsucht der Provinz

Grafik: ruhrgebiet-regionalkunde.de

Das Ruhrgebiet, all die Diskussionen um innere Verfassung und Fremdbestimmtheit, um das eine Zentrum, den guten Slogan, den Oberbürgermeister der Oberbürgermeister, den müden Regionalverband, die fiesen Möchtegern-Westfalen und Liebäugel-Rheinländer an den Ränden – es erinnert an das Gefiepe einer Warteschleife.  Eine endlose Wiederholung. Mir gibt das nichts, außer leicht sentimentale Erinnerung an die Jahrtausendwende, an Kollegen und t/waz-Kampagnen, als Hunderte zu Abendveranstaltungen kamen, um ein wüstenstaubiges Thema wie den Ruhrbezirk beziehungsweise dessen Fehlen zu diskutieren. Als wir uns beim Bier ernsthaft Gedanken machten über die Sinnhaftigkeit von Flächennutzungsplänen beziehungsweise Gebietsentwicklungsplänen beziehungsweise Leitverkehrswegeplanung beziehungsweise interkommunale Zusammenarbeit beziehungsweise Fusion der Katasterämter – soll ich weitermachen?

Als Phänomen mag ich den seltsamen Planungsfetischismus von damals, denke ich gerne an die fast studentische Diskutierfreude zurück und das Lebensgefühl des Unterdrückten, aber eigentlich ist das sterbenslangweilig. Denn längst haben Projekte wie die B1–Akademie oder Ruhr 2030 und der stadtregionale Kontrakt und jetzt gerade shrinking cities gezeigt, wie sehr die Ruhrfetischisten in alten Fassungen denken. Nicht dialektisch. Das Gebiet ist längst viel mehr als eine Stadt und zugleich viel weniger, ein Getüm, das wächst, mäandert, sich hier austobt und aufschwingt und nebendran elend verkümmert – ganz ohne Zutun von Politik und Planung.

Im Ernst: Mir graut vor der Ruhr-Zentrale, einer Bezirksregierung im Ruhrgebiet, mit Norbert Lammert als Spiritus Rektor. Die einen mögen die Drei- und Zweigliederung ihr Ruhrdistan nennen. Alle paar Jahre wird diese Sau durch die Dörfer getrieben; ein Spiel mit nichts als der Sehnsucht des Provinzlers! Mir ist ziemlich egal, wo der Beamte sitzt, mit dem meine Frau Beihilfefragen zu klären hat. Es gibt Telefon, Elektropost, Autos. Die dürfen ihre Akten ruhig weiter dort lagern, ihre Regionalratssitzungen ruhig weiter dort veranstalten – im verschnarchten Arnsberg, im piefigen Münster, im abgerockten Düsseldorf.