FAZ: Meine Stadt

Foto: Ruhrbarone

Da habe ich ja am Sonntag einen Text für die FAZ-Aktion "Meine Stadt" geschrieben und mich hier beklagt, dass die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung bei ihrem Kreativranking das Ruhrgebiet übersehen hatte. Jetzt ist er online – mit ein paar Macken aus der  Übertragung vom PDF, ohne Fotos (Die ich nachladen kann, aber im PDF integriert hatte) und unter der Rubrik Bochum. Tja, ich habe in einer Mail darum gebeten, den Text in die noch nicht vorhandene Rubrik Ruhrgebiet einzuordnen. Es beibt schwierig…vielleicht wird es ja leichter, wenn es ein paar Texte, Bilder etc. mehr für die noch nicht vorhandene Rubrik Ruhrgebiet gibt…haut rein!

Zwischenruf: Sehnsucht der Provinz

Grafik: ruhrgebiet-regionalkunde.de

Das Ruhrgebiet, all die Diskussionen um innere Verfassung und Fremdbestimmtheit, um das eine Zentrum, den guten Slogan, den Oberbürgermeister der Oberbürgermeister, den müden Regionalverband, die fiesen Möchtegern-Westfalen und Liebäugel-Rheinländer an den Ränden – es erinnert an das Gefiepe einer Warteschleife.  Eine endlose Wiederholung. Mir gibt das nichts, außer leicht sentimentale Erinnerung an die Jahrtausendwende, an Kollegen und t/waz-Kampagnen, als Hunderte zu Abendveranstaltungen kamen, um ein wüstenstaubiges Thema wie den Ruhrbezirk beziehungsweise dessen Fehlen zu diskutieren. Als wir uns beim Bier ernsthaft Gedanken machten über die Sinnhaftigkeit von Flächennutzungsplänen beziehungsweise Gebietsentwicklungsplänen beziehungsweise Leitverkehrswegeplanung beziehungsweise interkommunale Zusammenarbeit beziehungsweise Fusion der Katasterämter – soll ich weitermachen?

Als Phänomen mag ich den seltsamen Planungsfetischismus von damals, denke ich gerne an die fast studentische Diskutierfreude zurück und das Lebensgefühl des Unterdrückten, aber eigentlich ist das sterbenslangweilig. Denn längst haben Projekte wie die B1–Akademie oder Ruhr 2030 und der stadtregionale Kontrakt und jetzt gerade shrinking cities gezeigt, wie sehr die Ruhrfetischisten in alten Fassungen denken. Nicht dialektisch. Das Gebiet ist längst viel mehr als eine Stadt und zugleich viel weniger, ein Getüm, das wächst, mäandert, sich hier austobt und aufschwingt und nebendran elend verkümmert – ganz ohne Zutun von Politik und Planung.

Im Ernst: Mir graut vor der Ruhr-Zentrale, einer Bezirksregierung im Ruhrgebiet, mit Norbert Lammert als Spiritus Rektor. Die einen mögen die Drei- und Zweigliederung ihr Ruhrdistan nennen. Alle paar Jahre wird diese Sau durch die Dörfer getrieben; ein Spiel mit nichts als der Sehnsucht des Provinzlers! Mir ist ziemlich egal, wo der Beamte sitzt, mit dem meine Frau Beihilfefragen zu klären hat. Es gibt Telefon, Elektropost, Autos. Die dürfen ihre Akten ruhig weiter dort lagern, ihre Regionalratssitzungen ruhig weiter dort veranstalten – im verschnarchten Arnsberg, im piefigen Münster, im abgerockten Düsseldorf.

Ruhr hoch n und die Megastrategie der Werbefüchse von Grey

Grafik: Ruhrbarone

In tiefer Bewunderung verbeuge ich mich vor den Zauberern von Grey, denn sie haben mit ihrer Formel Ruhr n  innerhalb von ein paar Stunden etwas bewiesen: Dass den Menschen das Ruhrgebiet alles ist, nur nicht egal. Die Blogs schäumen über vor bissigen Kommentaren (hier, hier, hier, hier auch und natürlich dort) und in den Foren von DerWesten ist die Hölle los. Die meisten Menschen haben das Gefühl, dass ihr Ruhrgebiet schlecht wegkommt, verarscht wird von Düsseldorfer Werbern und sich zum Gespött in der Welt macht. Und das wollen sie nicht. Darüber regen sie sich auf. OK, ihr Werbefüchse von Grey, der erste Teil der Kampagne hat gut geklappt. Den falschen Slogan durchsickern lassen, Aufmerksamkeit erregen, die Stimmung anheizen – perfekt! Und jetzt freuen wir uns alle auf Donnerstag, wenn ihr den richtigen Slogan vorstellt. Und ein geniales Logo. Dazu, klar, eine Kampagnenidee, die alles weghaut. Go, Dopheide, Go!!!   

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Hovenjürgen machts

Hovenjürgen. Foto: landtag.nrw.de

Der Halterner CDU-Landtagsabgeordnete Josef Hovenjürgen wird für die CDU im Kreis Recklinghausen für das Amt des Landrats kandidieren. Hovenjürgen vertritt dem Ruhrgebiet gegenüber eine – milde gesprochen – sehr kritische Position und sieht die Zukunft des Kreises in Westfalen.

Profi übernimmt Initiativkreis – RAG-EVONIK-Müller abgelöst

 

  Wulf Bernotat, Copyright E.on

Der Vorstandschef des Energiekonzerns E.ON, Wulf Bernotat, übernimmt im August die Rolle des Moderator im Initiativkreis Ruhrgebiet. Dies entschied am Samstag die Vollversammlung des Kreises, wie ein Sprecher in Essen mitteilte. Bis dahin wird der Ex-Wirtschaftsminister, Ex-Rag-Chef und amtierender Vorsitzender des Mischmasch-Konzerns Evonik, Werner Müller, weiter als Moderator amtieren.

Der Initiativkreis Ruhrgebiet ist ein Zusammenschluss großer Unternehmen im Ex-Kohlenpott, die sich um die Verbesserung der Lebensbedingungen verdient machen wollen. Intern war in den vergangenen Monaten öfter Kritik an Müller laut geworden, da der Ex-Politiker den Initiativ-Kreis zu oft als Werbeplattform für seine Firma missbraucht haben soll. Ich enthalte mich hier einer Bewertung und gebe nur wieder was im Initiativkreis erzählt wurde. Es hieß, Müller wolle an die Börse, deswegen haue er eben auf die Pauke. Die anderen Firmen hätten das nicht nötig, die seien schon lange am Parkett.

Gut, jetzt tritt Müller aus der ersten Reihe ab. Mit Bernotat hat der Initiativkreis Ruhrgebiet einen sehr fähigen Mann als Moderator gewonnen, der mehr Wert auf Sein, denn auf Schein legt.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung übersieht das Ruhrgebiet

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Foto: Ruhrbarone

Berlin, Frankfurt, Düsseldorf, Leipzig, Köln, Hamburg, Stuttgart, Mannheim, München und Nürnberg hat Roland Berger im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung  untersucht.  Fragestellung: Welche Stadt ist für die Kreative Klasse in Deutschland die attraktivste? Roland Berger bezog sich dabei nicht auf den etwas biederen Ansatz Nordrhein-Westfalens, den Fokus vor allem auf die Kulturwirtschaft zu richten, sondern auf die Ideen von Richard Florida. Florida rechnet neben kulturell Kreativen auch die wirtschaftlich Kreativen (vor allem Unternehmensgründer) und die technologisch Kreativen (Ingenieure, Programmierer etc.) zur kreativen Klasse. Untersucht wurden Kriterien wie urbane Attraktivität, Toleranz und die Dichte Hochqualifizierter in einer Stadt. Sieger waren München, Hamburg und Stuttgart. Am miesesten schnitt Leipzig ab – keine große Überraschung: Wer will sich schon von den von regelmäßiger Erwerbsarbeit entwöhnten Kahlköpfen durch die Straßen jagen lassen?

Nicht in die Auswahl der überprüften Städte kam das Ruhrgebiet – weder einzelne Städte noch die Region als Ganzes hatte man auf dem Schirm, und auch im Internet, wo man seine Stadt nachträglich beschreiben kann, taucht nur Dortmund auf – mit einem Foto. Für mich ein schöner Beleg dafür, dass wir bundesweit nicht wahrgenommen werden – was zum Teil an dem im Ruhrgebiet ausgeprägten Hang zur Mittelmäßigkeit liegt – lieber vier Konzerthäuser statt einem richtig guten – aber auch daran, dass wir nicht auf hier entwickelte Projekte setzen, sondern auf Importe wie die Loveparade. Warum wurde auf der ITB mit der Loveparade geworben, aber nicht auch mit Bochum Total, dem größten Festival in Deutschland? Übrigens eine Bitte an die Leser der Ruhbarone – wenn auch nicht ohne Risiko: Bitte setzt doch Texte, Fotos etc. auf die FAZ Seite. Wenn es die Politik schon nicht schafft, dem Ruhrgebiet Wahrnehmung zu verschaffen (und es auch bei den angeblich so starken Städten nicht klappt) müssen wir  das eben selber tun. Ich habe einen Text zum Ruhrgebiet geschickt. Es wäre schön, wenn er nicht der einzige wäre, denn die Frankfurter bekommen. Hier der Link: http://ranking.faz.net/staedte/upload.php

Der Preis ist heiß

Foto: Flickr/ doergn

 

Heute Abend ist es wieder soweit: zum vierten Mal werden in der Bochumer Jahrhunderthalle die Steiger Awards verliehen. Steiger Awards? Was ist das? Ein Orden für verdiente Bergleute? Nein, der „Preis, entstanden aus Privatinitiative und dem Wunsch der kulturellen, sozialen und gesellschaftlichen Förderung der Rhein-Ruhr-Region, wird alljährlich an Persönlichkeiten verliehen, die sich besonders in den Bereichen Toleranz, Charity, Musik, Film, Medien, Sport, Umwelt und das Zusammenwachsen der europäischen Staatengemeinschaften verdient gemacht haben.“ Also ein Preis für ALLES, Mufuprix, Multifunktionspreis. Es fehlt lediglich die Kategorie Kochen, in heutigen Tagen ein gehöriger Lapsus, da jeder kocht, dies am liebsten vor der Kamera und die Fernsehnation hingerissen zuschaut.

Der potthässliche Staubfänger, der von Design her an schwiegermütterliche Weihnachtsgeschenke angelehnt ist, wird in einer Gala-Veranstaltung verliehen. Gala-Veranstaltung bedeutet, dass es eine Moderatorin gibt, Andrea Ballschuh, welche 1991 das Gymnasium Alexander von Humboldt mit dem Abitur abgeschlossen hat und seitdem eine steile Karriere hingelegt hat: „Mein Zittau hat 3 Ecken“, „Ein Tag rund um den Verzicht“ und „quickie – das schnelle Quiz“ stellen die Highlights ihres (MDR)-Fernsehschaffens dar. Damit Fräulein Ballschuh sich nicht einen Wolf moderiert oder die Gala-Veranstaltung nicht zum Quickie verkommt, engagierte Chef Sascha Hellen unter anderem das Ensemble des Musicals Mamma Mia als Show-Einlage. Abba ist gut, Musical ist gut, nur schade, dass es im Ruhrgebiet kein Fernsehballett gibt, das hätte sich bestimmt auch prima bei dieser Veranstaltung gemacht.

Für nur € 175,00 inklusive der sehr kruden Mischung bestehend aus einem Drei-Gänge-Menü (man muss ja was im Magen haben, wenn man 13 Preisträger samt Laudatoren durchstehen soll), Begrüßungscocktail (Club Las Piranjas?), Galabuch (Abi-Zeitung vom Gymnasium Alexander von Humboldt? Starschnitte der Preisträger, die man sich mit güldenem Edding unterschreiben lassen kann) und aller Gebühren (Gebühren? Vergnügungssteuer? Zwangsspende für die „Charity“?). Immerhin haben alle Preisträger ihr persönliches Kommen zugesagt, da gibt man doch gerne mal € 175,00 inkl. aller Gebühren aus, um Persönlichkeiten wie: Edmund Stoiber (Kategorie Europa), Hape Kerkeling (Kategorie Entertainment) Jens Lehmann und Egidius Braun (Kategorie Sport) und Udo Jürgens (Kategorie Musik) zu sehen. Der Untergang des Abendlandes manifestiert sich in den Kategorien Charity und Nachwuchs: Claudia Cardinale sowie Jimi Blue und Wilson Gonzalez Ochsenknecht. Zweimal Idole ihrer Zeit, hier Hauptdarstellerin von Spiel mir das Lied von Tod, dort die hauptamtlichen Söhne von Uwe Ochsenknecht und Darsteller der wilden Kerle. Jimi Blue sagte in einem Interview mit dem SZ-Magazin, dass er mit der Schule aufgehört habe: „ich habe zwar noch einen Privatlehrer, wegen der Bildung, aber sonst ist Schule einfach nichts für mich.“ Na dann. Wenn Jimi Blue nur ein Fitzelchen Bildung aus den Gesprächen mit den Preisträgern oder Laudatoren mitnimmt, hat sich der Abend ja wenigstens für einen gelohnt.

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Update: Ruhr hoch n – Team-Work-Capital

Grey-Homepage. Bild: Ruhrbarone

Gestern startete auf blog.50hz.de eine Diskussion über die verschiedenen Slogans der Städte zur Kulturhauptstadt. In einem der Kommentare stand dann ein Slogan, den ich erst für eine Verballhornung der anderen Sprüchlein hielt. Wer würde sich  schon "Ruhr hoch n Team-Work-Capital" als Slogan für das Ruhrgebiet einfallen lassen? Die Werbeagentur Grey. Im Auftrag des Initiativkreises Ruhrgebiet.

Nachdem der erste Schock vorbei ist: So schlimm finde ich den Slogan nicht. (Obwohl der erste Schock  schwer war). Hauptstadt der Teamarbeit – das spielt auf die wesentliche Stärke der Region an: Die Menschen und ihre Offenheit. Capital klingt schön arrogant. Das mag ich.

Update: Auf Djure Meinens blog.50hz.de gibt es eine Zusammenfassung der Reaktionen auf den Slogan. Offiziell wird er Slogan bei einer Pressekonferenz vorgestellt, die für die übernächste Woche geplant ist.

PFT – Das Problem des Umweltministers – Fortsetzung 3

Umweltminister Uhlenberg. Foto: umwelt.nrw.de

Das Gift, um das es hier geht, heißt PFT. Perflourierte Tenside. Man braucht es für Wasser abweisende Beschichtungen, etwa für Goretex-Jacken. PFT reichert sich im Menschen an, vor allem im Blut. Vermutlich ist der Stoff krebserregend.

In Nordrhein-Westfalen fließt das Gift täglich in den Fluss Ruhr. Seit Jahren. Ununterbrochen. Niemand weiß, wie lange schon. In der einen Woche sind es 11 Kilo. In der nächsten nur 2,5 Kilo. Das Gift ist da. Das beweisen Daten, die mir vorliegen.

390 Nanogramm. Zum Vergleich: im Trinkwasser gelten mehr als 300 Nanogramm je Liter als gesundheitlich bedenklich. Die Kinder leiden schon lange an einer schweren Krankheit, heißt es in einer Untersuchung. Deswegen hätten sie viel klares Wasser trinken müssen. Und wegen des vielen Wasser wären ihre PFT-Werte heute so miserabel. Woher sollten die Eltern auch wissen, dass aus dem Hahn Gift fließt? Was mit den Kindern jetzt passiert, ist ungewiss. Genauso ungewiss wie das Schicksal der anderen Menschen, deren PFT-Werte im Blut deutlich erhöht sind. Etliche werden medizinisch beobachtet, wie Mäuse in einem Feldversuch. Hunderttausende wissen wahrscheinlich nicht einmal, dass sie Gift im Blut haben.?260 Nanogramm PFT je Liter Blut gemessen. Ein anderes Kind hatte einen PFT-Wert von 226?Mehr als vier Millionen Menschen trinken Wasser aus dem Uferfiltrat der Ruhr. Die Ruhr ist damit einer der wichtigsten Trinkwasserflüsse der Republik. Im Blut eines Kindes in der Stadt Arnsberg an der Ruhr wurde eine Konzentration von 396

Als der PFT-Skandal vor fast zwei Jahren bekannt wurde, reagierten die Behörden zunächst schnell. Im „Kaufland“ im Arnsberger Stadtteil Bruchhausen haben sie portioniertes Trinkwasser an die Bevölkerung verteilt. Dann bauten die Wasserwerke an der Ruhr Aktivkohlefilter in ihre Anlagen ein. Die Giftkonzentrationen im Trinkwasser sanken auf ein unbedenkliches Maß. Die Lage beruhigte sich. Es wurde still.

Und in dieser Stille an der Ruhr wurden die Aktivkohlefilter in vielen Wasserwerken wieder abgestellt. Der Betrieb der provisorischen Anlagen war offenbar zu teuer. Was dann passierte, war absehbar. Die PFT-Werte im Trinkwasser stiegen an. Das Gift kehrte zurück in die Wassergläser. Als ich das für die „Welt am Sonntag“ enthüllte, ordnete der zuständige NRW-Umweltminister Eckehard Uhlenberg (CDU) an, die Filter sofort wieder einzuschalten. Kurze Zeit später veröffentlichten die Wasserwerke einen Beschluss, ihre Anlagen für 140 Millionen Euro PFT-fest nachzurüsten. Die Lage schien sich wieder zu beruhigen.

Doch eine Frage blieb weiter unbeantwortet. Wo kommt das Gift überhaupt her? Schnell machte Umweltminister Uhlenberg eine kriminelle Firma verantwortlich. Staatsanwaltliche Ermittlungen enthüllten, dass Geschäftmacher als Biodünger getarnte Klärschlämme an Bauern verteilt hatten. Die Schlämme waren PFT-verseucht. Das Umweltministerium fand ein Feld im Sauerland-Ort Brilon Scharfenberg, das besonders verschmutzt war. Für eine Million Euro wurde der Acker mit einer Drainage versehen. In Pressemeldungen aus dem Hause Uhlenberg heißt es seither, die wichtigste Quelle der PFT-Verschmutzung sei damit verstopft. Der Minister selbst sagte vor dem Düsseldorfer Landtag weiter: „Es gibt heute kein spezifisches PFT-Problem in der Ruhr.“

Doch das stimmt nicht. Aus Unterlagen, die mir vorliegen, geht hervor, dass aus dem Acker in Brilon vor der Sanierung durchschnittlich rund 22 Gramm PFT am Tag in die Ruhr geflossen sind. Nach der Sanierung waren es sieben Gramm. Mit dieser geringen Menge können nicht die hohen PFT-Frachten in der Ruhr erklärt werden, die auch ein Jahr nach der Sanierung des Ackers festgestellt werden. In der Ruhr liegt der Wert durchschnittlich bei 600 Gramm am Tag. Es scheint, als erfülle die Fläche in Scharfenberg fast nur die Rolle eines Sündenbocks. Das Umweltministerium erklärte dazu, das Gift sei aus dem Acker weiter in die Möhnetalsperre an einem Zufluss der Ruhr gesickert, und von hier aus weiter in den Fluss. Dabei habe sich die Talsperre wie ein gigantischer Puffer mit dem Gift aufgeladen, das nun nach und nach wieder abgegeben werde.

Doch diese Theorie hat einen Schwachpunkt. Messungen beweisen, dass aus der Talsperre rund 200 Gramm PFT am Tag in die Ruhr fließen. Das aber kann nicht mit einem täglichen Zufluss von 22 oder sieben Gramm erklärt werden. Offensichtlich muss es noch andere PFT-Quellen geben.

Die Wahrheit ist schwer zu finden. Sie liegt versteckt und bewacht in Behördenschränken. Erst nach einer Auskunftsklage vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg bekam ich Messdaten aus den Klärwerken an der Ruhr. Aus diesem Material kann rekonstruiert werden, dass ausgerechnet die kommunalen Klärwerke im Schnitt 210 Gramm PFT täglich in den Fluss pumpen, aus dem Millionen Menschen ihr Trinkwasser beziehen. Das entspricht etwa 30 Prozent der PFT-Verseuchung. Wenn man dazu die Möhnetalsperre mit ihren unbekannten PFT-Quellen nimmt, kann man gut 70 Prozent der täglichen PFT-Last identifizieren. Für weitere Verschmutzungen müssen verseuchte Äcker und Böden entlang der Ruhr die Ursache sein.

Wie aus vorliegenden Unterlagen hervorgeht, konnte die PFT-Last in der Ruhr seit Dezember 2006 nicht nennenswert reduziert werden. Als ich das für die "Welt am Sonntag" und die Ruhrbarone enthüllte, griff mich Minister Uhlenberg vor wenigen Wochen scharf an. Er behauptete, anders als berichtet, seien die PFT-Emissionen aus den Klärwerken an der Ruhr um fast 30 Prozent reduziert worden. Um diesen Erfolg vorweisen zu können, rechnete der Minister PFT-Daten aus Klärwerken zusammen, bei denen sich in den letzten Monaten die Lage gebessert hatte. Dabei lies der CDU-Mann allerdings Daten aus den Klärwerken unter den Tisch fallen, in denen sich die Lage verschlechtert hatte. Auch bestritt er, dass die gemessenen PFT-Werte im Ruhrwasser gefährlich sind.

Der Landeskorrespondent des WDR, Stefan Lauscher, berichtete über die Widersprüche in der Sendung "Westblick". „Die Sache mit den unterschiedlichen Zahlen (…) hat Uhlenberg im Landtag übrigens nicht aufgeklärt. Sein Pressesprecher sagte mir: Eine ganz komplizierte Geschichte, verstehen nur die Fachleute, deswegen haben wir es nicht getan. Ich glaube, es wäre besser gewesen, er wäre darauf eingegangen.“

Auch Toxikologen beurteilen die Lage ganz anders als der Minister: „Man kann die Werte im Wasser nicht schön rechnen. Das Rohwasser muss verbessert werden, “ sagt Hermann Kruse von der Universität Kiel. Das Ziel müsse es sein, „die Quellen der Verunreinigungen zu verstopfen“. Der Giftforscher Hermann Dieter vom Umweltbundesamt beurteilt die Lage ähnlich. Rein aufs Trinkwasser bezogen, würden zwar die PFT in der Ruhr tatsächlich „kein Problem“ mehr darstellen, sagt Dieter. Doch bei den Frachten in der Ruhr gehe es um etwas völlig anderes. „Wenn man sich vergegenwärtigt, dass diese Stoffe jahrzehntelang in der Umwelt bleiben, sich anreichern und kommenden Generationen gefährlich werden können, ist die jetzige Emission in die Ruhr jenseits aller Panikmache sehr relevant.“

Der Wissenschaftler gilt als einer der renommiertesten PFT-Fachleute in Deutschland. Dieter zieht Parallelen zu früheren Skandalen mit Dioxin, DDT oder Pestiziden. „Es wurden nicht ausreichend Lehren aus der Vergangenheit gezogen. Jetzt ist uns wieder ein Stoff durch die Lappen gegangen." Der Wissenschaftler meint, es wäre wichtiger gewesen, die wirklichen Ursachen für die PFT-Verschmutzung zu finden, „doch ging diese sachlich begründbare Forderung im politischen Hin und Her der letzten Wochen und Monate offenbar verloren.“ Es sei eben einfacher, die Folgen einer kriminellen Handlung zu heilen, als ein System zu verändern, aus dem alle Nutzen ziehen.

Dabei gibt es eine Lösung: Um das Wasser der Ruhr zu reinigen, müssten die Klärwerke an der Ruhr gezwungen werden, ihre Anlagen zu verbessern. Die Kläranlagen gehören alle dem Ruhrverband, der selbst wieder von etlichen Kommunen in NRW und von wichtigen Industriebetrieben beherrscht wird. In seinen Gremien sitzen Lokalpolitiker aus CDU und SPD. Der Ruhrverband hat Schulden in Höhe von rund einer Milliarde Euro. Die notwendigen Investitionen in die Anlagen schätzen Experten auf bis zu 500 Millionen Euro. Dieses Geld könnte wahrscheinlich nur aufgebracht werden, wenn die Gebühren angehoben werden.

Das PFT fließt weiter aus den Kläranlagen in die Ruhr. Auch morgen. Wir wissen nicht wie viele Kilo. Wir wissen nur: das Gift ist da und es bleibt.