Zöpel: „Städteverbund ist galoppierender, provinzieller Schwachsinn!“

Christoph Zöpel. Foto: Ruhrbarone

Christoph Zöpel (SPD), ehemaliger Landesminister und Staatsminister im Auswärtigen Amt, ist von der Idee seiner Parteifreunde, den RVR aufzulösen und stattdessen einen losen Städteverbund zu gründen, wenig angetan: "Diese Idee ist galoppierender, provinizieller Schwachsinn!" Nirgendwo auf der Welt gäbe es ein Beispiel für eine erfolgreiche Kooperation ohne rechtlich verbindliche Grundlage und ohne ein gewähltes Parlament. "Da wird das Ruhrgebiet keine Ausnahme sein", so Zöpel. Das Ruhrgebiet brauche einen rechtlichen Rahmen und ein direkt gewähltes Parlament. "Ideal wären zwei Kammern: Eine, in der die Städte vertreten sind und eine zweite, die von den Bürgern gewählt wird." Dies seien die einzigen Garanten dafür, dass die Interessen aller auch vertreten werden. Zöpel sprach sich auch für die Schaffung eines Ruhrbezirks aus, wie ihn die Landesregierung plant – allerdings mit stärkeren demokratischen Elementen.
 

CDU: Keine Alternative zum RVR – Skepsis bei der Bochumer SPD

 
Roland Mitschke (CDU)

Auch die Union reagiert geschockt auf die Pläne führender Sozialdemokraten und Oberbürgermeister, den RVR durch einen neuen Verband zu ersetzen, der kein Parlament mehr hat und von den angeblich so starken Oberbürgermeistern und Landräten des Reviers dominiert wird. Der Regionalverband Ruhr – so Roland Mitschke, Fraktionsvorsitzender im Ruhrparlament – arbeitet auf vom Landtag verabschiedeter gesetzlicher Grundlage mit gesetzlichen Pflichtaufgaben. Der RVR steht somit nicht in der Verfügung von Oberbürgermeistern und Landräten. Die kreisfreien Städte und die Kreise, so Mitschke weiter, hätten allerdings die Möglichkeit, in den Räten und Kreistagen in diesem Jahr Beschlüsse zum Austritt aus dem RVR, jedoch mit 2/3 Mehrheit, herbeizuführen. Mitschke hält das, mit Ausnnahme des Kreises Wesel, für aussichtslos. Die CDU kritisiert allerdings die RVR-Führung. Regionaldirektor Klink und seine drei Bereichsleiter liessen jegliche Führung und Initiative vermissen. Weder die Politik noch die Wirtschaft akzeptierten die RVR-Spitze als ernsthaften Gesprächspartner. Klink hatte, so die CDU, – nach eigener Aussage – nicht einmal eine Einladung zum Zukunftskongress des Initiativkreises erhalten.

Auch in der SPD haben die Austrittspläne einiger Genossen nicht nur Freunde. Der Vorsitzende der Bochumer SPD, Bernd Faulenbach, sieht zwar in der Abschaffung des von den Oberbürgermeistern und Landräten dominierten Vorstandes eine Schwächung des Regionalverbandes, ein Grund zum Austritt aus dem RVR ist das für ihn nicht. Vor wenigen Wochen auf die damals schon kursierende Gerüchte angesprochen, erklärte Faulenbach: "Die Bochumer SPD wird so etwas nicht unterstützen."

Auch die FDP stellt sich gegen die Pläne der SPD. Thomas Nückel, bei den Ruhrbaronen so etwas wie der fünfte Beatle und ein wenig schreibfaul, ist Fraktionsvorsitzender der FDP im RVR. Thomas Nückel in einer Erklärung: „Der nun vorgeschlagene Städtebund ist ein Konstrukt, das für „Kirchturmdenken und Behäbigkeit der OBs“ steht – und das ohne parlamentarische Kontrolle." Nückel unterstellt Langemeyer Gier auf die Unternehmen des RVR – die allerdings zumeist knapp an der Pleite vorbei agieren und hochsubventioniert sind. Wer bei Sinnen ist, wird sie nicht haben wollen. Thomas Nückel trotzdem: "Es besteht die große Gefahr, dass Langemeyer sich über diesen Umweg die Unternehmen des RVR (z.B. AGR) einverleiben will, um einerseits seinen langgehegten Traum vom einem Dortmunder Kommunalkonzern zu verwirklichen und so anderserseits auch seine großen Probleme vor Ort zu lösen – auf Kosten der Bürger der Metropole Ruhr."

Rot-Grün streitet um den RVR

Die Grünen sind sauer auf die SPD. Foto: Flickr/Helga_262

Unsere kleine Meldung über das drohende Ende des RVR hat rasch für Aufmerksamkeit gesorgt. Mittlerweile hat nicht nur die WAZ das Thema aufgegriffen, auch die Politik beschäftigt sich mit den Plänen der Sozialdemokraten, die einzige Ruhrgebietsorganisation zu zerschlagen, und durch einen Oberbürgermeisterverein zu ersetzen. Zugegeben, unter seinem jetzigen Chef Heinz-Dieter Klink ist der RVR wahrlich keine treibende Kraft im Revier, aber eines, hoffentlich nicht allzu fernen Tages, wird Klink zu Hause dem Müßiggang frönen und jemand auf seinem Sessel sitzen, für den Arbeit, Engagement und Herzblut keine Fremdworte sind und der sich seiner Verantwortung für über fünf Millionen Menschen im Ruhrgebiet bewusst ist. Als erstes sind die Grünen aufgewacht. Zwar haben sie als Koalitionspartner der SPD den kleinen Mann aus Gelsenkirchen zum RVR-Direktor gewählt, zum Erfüllungsgehilfen der Sozialdemokraten bei der Zerschlagung des Reviers wollen sie sich jedoch nicht machen. Auf Ablehnung stößt auch der Versuch, das Ruhrparlament zu schleifen. Die Grünen reagieren mit Unverständnis: Sabine von der Beck, Fraktionsvorsitzende der Grünen im RVR, weist darauf hin, dass der Regionalverband auf wichtigen Feldern wie etwa in der regionalen Wirtschaftsförderung, der Kulturhauptstadt RUHR.2010 und der gemeinsame Regionalplanung ab 2010 die richtigen Schritte hin zu einer zukunftsfähigen Metropole gerade erst nachhaltig eingeleitet hat: „Ich kann nicht glauben, dass die SPD-Parteibasis es nun einigen wenigen Oberbürgermeistern einiger weniger großer Städte durchgehen lässt, diese zentralen Errungenschaften auf dem Altar ihrer lokalen Sonderinteressen zu opfern.“
Auch Martin Tönnes, Fraktionsvorsitzender der Grünen im RVR, ist von den SPD-Plänen nicht begeistert: "Wir fordern mehr und nicht weniger regionale Demokratie! Anstatt die mittelbaren demokratischen Institutionen des Regionalverbands zu beseitigen, setzen wir uns für deren Stärkung ein. Wir wollen eine Direktwahl des Ruhrgebietsparlaments und des Regionaldirektors als oberstem Repräsentanten der Metropole Ruhr."

Hinter den Kulissen diskutieren einige Grüne schon, ob nicht der Zeitpunkt gekommen ist, die Koalition mit der SPD im RVR aufzukündigen. Schon einmal, 2005 bei der Wahl von Hanns-Ludwig Brauser zum Chef der Wirtschafsförderung, waren die Grünen zum Absprung bereit. Die CDU verpasste jedoch die Chance auf eine Schwarz-Grün-Gelbe Koalition im Revier und setzte auf die Zusammenarbeit mit der SPD. Die kam aber nicht zu Stande.

 

RVR Ende naht

In Essen wird bald eine Immobilie frei: RVR-Gebäude. Foto: RVR

Das Aus für den Regionalverband Ruhr (RVR) kommt jetzt in grossen Schritten: Die Ruhrgebiets-SPD wird in wenigen Wochen ein Konzept für einen RVR-Nachfolger vorstellen. Die Genossen verübeln es der Landesregierung, dass sie den RVR-Vorstand, bestehend aus den Oberbürgermeistern und Landräten, aufgelöst hat und durch einen normalen Hauptausschuss ersetzt hat, wie ihn jeder Rat hat. Detail am Rande: Im "Ruhrparlament" hat die SPD keine Mehrheit, im alten Vorstand dagegen eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Ersetzt werden soll der RVR durch einen neuen, von den Städten dominierten, Verband ohne eigenes Parlament. Das Konzept soll auf einem SPD-Parteitag im Frühjahr vorgestellt und beschlossen werden. Bis zum Herbst könnten die Städte dann ihre Austrittsoption nutzen. Der neue Verband soll künftig Aufgaben wie Wirtschaftsförderung, Kultur und Tourismus organisieren, an welchen die Städte gemeinsam arbeiten wollen. Der Verband soll eine feste vertragliche Grundlage und auch eine solide Finanzierung bekommen. "Wenn wir uns auf weitere Aufgaben einigen, können wir auch die gemeinsam angehen", so erklärte es mir ein Ruhrgebietssozialdemokrat. Auch Kontakte zu CDU-Oberbürgermeistern bestehen bereits. Die wollen diesen Kurs – zum Teil zumindest – mitgehen. "Was keiner will", so mein Gesprächspartner, "ist, dass der RVR die Regionalplanung bekommt. Das traut denen niemand zu und das wird auch nicht passieren."
Würde eine kritische Masse an Städten und Kreisen aus dem RVR austreten und einen neuen Verband gründen, würde dieser eine Sogwirkung auf die verbliebenen Städte entwickeln, auch auszutreten, denn ein Rumpf-RVR würde endgültig jeden Sinn verlieren.

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Drall nach QQ – Max Goldt liest im Ruhrfestspielhaus

Katz und Goldt

Katz und Goldt: the duo who does what duos should do.

Der Mann hat während seiner Auftritte auch mal Musik gemacht, allerdings gibt es mittlerweile höchstens noch eine knappe a-capella-Einlage als Zugabe, anders als bei seinem ehemals befreundeten Autor- und Musikerkollegen Wiglaf Droste ("Ist das Hirn zu kurz gekommen, wird sehr gern Moral genommen."), dessen Gesangsanteile – früher begleitet vom Essener Spardosenterzett – schon mal den halben Abend in Anspruch nehmen können, was ja ganz okay ist, aber auch nicht sein muss; dann doch lieber nur Texten lauschen.

Zum Beispiel denen von Herrn Goldt am morgigen Mittwoch, 20. Februar um 20.00 Uhr im Ruhrfestspielhaus Recklinghausen. Karten gibt’s für ca 14 EUR.
Wer stattdessen lieber zuhause bleiben möchte, kann dies gerne tun und sich wahlweise eine seiner unzähligen Hörbücher reinziehen.

Sicher werden wieder vorwiegend frische Texte gelesen. Vielleicht auch mal Kostproben aus seinem aktuellen Werk "QQ" oder dem letzten "Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens":

Die Verbesserung von Jessicas Mutter mit Hilfe eines Mülleimers:

"Liefe jemand zum Zwecke statistischer Erhebungen durch eine Fußgängerzone, würde er zu dem Resultat gelangen, daß um die zehn Prozent aller erwachsenen Frauen (aber höchstens ein Prozent der Männer) eine Puppe, Tigerente oder, meistens, einen Teddybären an ihrer Tasche befestigt haben. Es ist dies ein Phänomen des frühen 21. Jahrhunderts; noch vor wenigen Jahren hätte man in jemandem, der sich mit einem solchen, von der Schnickschnackindustrie <<Bag Charme>> genannten Zierat ausstattet, einen Angehörigen einer therapeutischen Wohngemeinschaft gesehen, einen, der es schwer hat, sich im Leben zurechtzufinden, und professioneller Betreuung bedarf. – Leider sagt den Bärchenfrauen niemand, wie der Hase läuft. Sie haben keinerlei milieuüberschreitende gesellschaftliche Kontakte und empfinden vielleicht jeden, der sich kein Spielzeug ans Stadtgepäck heftet, als abgehoben und herzlos. Kinder sollten in dieser Frage auf ihre Mütter einwirken, denn <<Erziehung darf keine Einbahnstraße sein>>. "

"MODERATOR: Warum legen eigentlich heute so viele Frauen Wert darauf, möglichst gemein zu sein? Jede noch so biedere Seriendarstellerin sagt im Fernsehen, dass sie am liebsten ‚bitterböse‘ sei, und selbst meine gute Mutter liest nur noch Bücher, in denen Frauen ihre Gatten im Schornstein einmauern.

PETRA HIPPROTH (Krimiautorin): Ach, das sind halt ins Ritualhafte abgedriftete Überbleibsel eines einstmals berechtigten Widerstands gegen das Postulat des Sanften. Alter Käse, streng genommen. Das wird sich schon wieder beruhigen. Ich bewege mich schon seit längerem davon weg, ich verspüre mehr so einen Drall in Richtung QQ.

MODERATOR: QQ? Sie verwenden heute ziemlich exotische Ausdrücke.
PETRA HIPPROTH: Kennen Sie nicht QQ? Das steht für ‚quiet quality‘ – stille Güte. Ein neues Schlagwort aus den USA für alles, was nicht schreit und spritzt. Da ich mir allerdings einmal eine schöne Wohnung im Augustinum leisten möchte, also in einem dieser Altersheime für gut situierte Leute mit ein bisschen Hirn, habe ich mir ausgerechnet, dass ich noch fünf Jahre schreien und spritzen muss, und dann kann’s losgehen mit QQ."

Legion der Unsichtbaren

Fotos: Städte Köln, Frankfurt, Düsseldorf, Berlin und RVR

Das Ruhrgebiet braucht keinen starken Repräsentanten, es hat viele starke Oberbürgermeister – den Satz habe ich mehr als einmal gehört. Doch die Repräsentanten der Revierstädte werden nicht wahrgenommen – niemand kennt sie, auch wenn Städte wie Essen oder Dortmund größer sind als Düsseldorf – ihre OBs, Wolfgang Reiniger und Gerhard Langemeyer, sind trotzdem Teil der Legion der Unsichtbaren. Ich habe fünf Tage lang die Namen der lokalen Spitzenpolitiker des Reviers in Google-News eingegeben, und sie mit ihre Kollegen aus Berlin, Frankfurt, Düsseldorf und Köln verglichen. Sondereffekte wie Nokia habe ich rausgenommen und einen Durchschnitt gebildet. Das Ergebnis, über das man natürlich diskutieren kann, zeigt: Das Ruhrgebiet braucht nicht nur ein Parlament, dass sich in regionale Aufgaben wie Nahverkehr, Wirtschaftsförderung und Kultur einmischt, sondern auch einen Repräsentanten, der dem Revier ein Gesicht und eine Stimme verleiht – natürlich von allen Bürgern gewählt. Damit auch eines klar ist: Ich will nicht sagen, dass die OBs einen schlechten Job machen, weil sie nicht bekannt sind. Sie haben in dieser Stadtlandschaft einfach  kaum eine Chance sich zu profilieren – schon weil die Nachbarn darauf aupassen.   Die Zahlen:

                     

Bottrop Peter Noetzel: 1
Bochum Ottilie Scholz  6
Dortmund Gerhard Langemeyer 7
Hagen Peter Demnitz    2
Hamm Thomas Hunsteger-Petermann 0
Mülheim Dagmar Mühlenfeld 3
Duisburg  Adolf Sauerland  30
Oberhausen Klaus Wehling 1
Gelsenkirchen Frank Baranowski 8
Herne Horst Schiereck 4
Kreis RE   Jochen Welt 24
Kreis EN  Arnim Brux 3
Kreis WES Ansgar Müller 14
Kreis UN Michael Makiolla 2
RVR Heinz Dieter Klink 0
Köln Fritz Schramma 180
Frankfurt Petra Roth 158
Düsseldorf Joachim Erwin 68
Berlin Klaus Wowereit 492
     

Traurig aber wahr: Die Bürgermeister und Landräte des Reviers repräsentieren noch nicht einmal die Bürger ihrer Städte jenseits der eigenen Stadtgrenzen. Vom Ruhrgebiet ganz zu schweigen.

Dokumentation: Ruhrgebietsumfrage 2001

2001 hat die WAZ die letzte große Umfrage zum Ruhrgebiet bestellt. Da geht es auch darum, wie sich Dortmunder und Duisburger fühlen: Immer noch mehr als Ruhrgebietler denn als Westfalen oder Rheinländer – das taten schon 2001 vor allem die Alten. In erster Linie sind alle  natürlich Deutsche etc.. Und viele sehen die Kirchturmpoltik als ein Problem an. Mein alter Kumpel Peter Kruck und sein Institut BIFAK  haben sie damals gemacht – und Peter hat sie den Ruhrbaronen zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Hier isse.

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Zum Winkel im Pott


Klaus Zumwinkel. Foto: Deutsche Post
Jetzt ist der Postchef in Bochum in den Winkel gedrückt worden, bis er gequietscht hat. Aber warum gerade in Bochum? Mitten im Revier?

Weil hier die guten Staatsanwälte sitzen, sagen viele.

Kann sein, aber die gibt es auch in Köln und anderswo.

Weil der BND über die Wuppertaler Steuerfahnder einen Informanten weitergeleitet hat, sagen die gewöhnlich top informierten Quellen.

Kann sein, aber die hätten das auch an Köln weiter geben können, wo der Klaus Zumwinkel wohnt.

Weil es andere Beschuldigte gibt, die ihren Sitz in Bochum haben und Zumwinkel nur ein, wenn auch prominenter, Nebentäter ist, sagt mir einer von den Bochumer Ermittlern.

Kann auch sein. Aber wer soll das sein? Wer soll so viel Einfluss haben hier in Bochum? Wer sind die Nebentäter, verdammt.

Da ist die Rede  von  der Batliner-CD, die seit Jahren in Bochum liegt. Da ist die Rede von 600 Beschuldigten.

 

Wir müssen in die Tiefe gehen. Da eintauchen und bohren. Vielleicht kommen wir an Infos. Vielleicht erfahren wir, wer die anderen sind.

Wir müssen sehen, was los ist, warum in Bochum der Hammer kreist. Schaut nach, fragt nach, kriegt es raus.

Und Zumwinkel? Wenn der tatsächlich 1 Mio Steuern hinterzogen hat. Dann gehört der in den Bau. Wie alle anderen auch.

schurians runde welten: Schattenbolzen und Dampfablassen

 

 

„Die in diesem Gesetz aufgeführten Rauchverbote gelten in Gebäuden und sonstigen vollständig umschlossenen Räumen.“ klick!

Irgendwann war ich es leid, im Stadion ein Bier nach dem anderen zu trinken, wie man es leid ist, Bücher ungelesen der Bibliothek zurückzugeben, weil die Leihfrist abgelaufen ist. Seither habe ich mehr vom Spiel. Was ich nicht lassen kann, ist das Rauchen im Stadion – aus gesundheitlichen Gründen.

Es macht gerade eine Untersuchung zu den kardiologischen Gesundheitsgefahren des Fußballguckens die Runde. Und die angelsächsischen Forscher haben Recht. Zuschauen birgt enorme Risiken. Ohne seinen Platz verlassen zu können, muss man ohnmächtig die gruseligsten Dinge mitansehen. Das Herz beginnt zu rasen, der Blutdruck steigt, eine Stresssituation. Man schwitzt, brüllt und ahmt die Bewegungen der Spieler im Strafraum nach, zuckend wie eine träumende Katze. Doch ohne Geschrei, Schattenbolzen und ohne Zigaretten würde einem das Spiel noch mehr ans Herz gehen. Ohne Dampfablassen und Übersprungshandlungen wäre es hochriskant.

Ob es diese umgekehrte Gesundheitsapostelei ist? Deutschland hat jedenfalls weiter ein Herz für Stadionraucher. Zwar wird im Sommer sogar in Kneipen Schluss gemacht mit dem Paffen, doch für Stadien gilt das nicht. Mit einem kleinen Kniff hat das die Landespolitik auch in NRW geschafft. Und einige unangenehme Fragen ignoriert:

Warum soll Fußball und Rauchen gehen, obwohl da auch jede Menge Jugendliche, sogar Kinder zugegen sind? Weshalb sind angezündete Zigaretten in Konzerthallen oder Eisstadien Tabu, nicht aber in Fußballarenen mit Schiebedach? Und schließlich: Warum müssen Nichtraucher in den Kurven nicht genauso vor Tabakqualm geschützt werden wie in Eckkneipen, zumal mehr Nichtraucher zum Fußball gehen als in verrauchte Bierschwemmen?

Dennoch hat die Politik mit einer „Lex Schalke“ am Fußballqualm nicht rütteln wollen – selbst in der Arena mit dem Schiebedach nicht. Nur für die Gelsenkirchener ist im Gesetz von „vollständig umschlossene Räume“ oder auch von „dauerhaft geschlossenen Räume bei öffentlich zugänglichem Sportbetrieb“ die Rede. In den Erläuterungen des Gesetzgebers findet sich die plumpe Formulierung der „überdachten aber nicht vollständig geschlossenen Sportstadien“. Und auch diese wissenschaftlich nur mittelmäßig haltbare Erklärung: „In der Außenluft können sich die Schadstoffe des Tabakrauchs besser verteilen, so dass die Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen erheblich vermindert sind“.

Irgendwie putzig. In Wirklichkeit haben sie nur Angst vor lauter Herzklabaster auf der Tribüne.