Für den erfolgsverwöhnten FC Bayern München zu arbeiten, hat, trotz einer hohen Titelwahrscheinlichkeit, für das eigene Ego offenbar auch gewisse Nachteile. Das muss in diesen Tagen Ex-BVB-Trainer Thomas Tuchel feststellen. Nach der 0:1-Niederlage im Achtelfinal-Hinspiel der UEFA Champions League bei Lazio Rom am Mittwoch, sah sich der Coach unmittelbar nach spielende mit Fragen konfrontiert, die seine Eignung für den Job beim Bundesliga-Rekordmeister offen infrage stellten.
Tuchel reagierte, wie zuletzt häufiger, dünnhäutig und genervt. Mit Kritik umzugehen war allerdings auch noch nie die Stärke des Fußballehrers. Wenige Tage nach der 0:3-Pleite im Spitzenspiel bei Bayer 04 Leverkusen am Wochenende ist die Stimmung rund um das Starensemble von der Isar jetzt allerdings deutlich schlechter als es logisch nachvollziehbar wäre.
Klar, im DFB-Pokal sind die Bayern (einmal mehr) vorzeitig gescheitert und auch im Meisterschaftskampf ist die Ausgangslage nach der überraschend klaren Niederlage in Leverkusen mit fünf Punkten Rückstand für die Münchener wesentlich herausfordernder, als es viele Beobachter im Vorfeld der Saison 2023/24 erwartet hatten.
Andererseits ist den Bayern ein weiterkommen in der Champions League, trotz der knappen Niederlage in Rom, noch zuzutrauen, um nicht zu sagen, es erscheint sogar noch immer recht wahrscheinlich. Ein 2:0 in München würde der Tuchel-Truppe ja schon reichen. Und auch im Meisterrennen darf man die Bayern keinesfalls unterschätzen. Erst recht nicht vor dem Hintergrund, dass die Mannschaft in der Liga nach 21 Spieltagen, nicht nur noch durchaus ausreichend Gelegenheiten haben wird die fünf Zähler Rückstand auf Bayer 04 aufzuholen, sondern aktuell auch sieben Punkte mehr auf dem Konto hat, als im vergangenen Jahr zum gleichen Zeitpunkt. Jedenfalls besteht aktuell wahrlich noch kein Grund eine Trainerdebatte vom Zaun zu brechen.
Tuchel hat mit den Bayern nicht nur im Vorjahr am Ende noch den fast schon abgehakten Meistertitel nach Bayern geholt, er hat die Mannschaft in seinem ersten Jahr im Klub auch signifikant stärker gemacht, was die Punkteausbeute im Ligaalltag betrifft. Das scheint aktuell bei der Betrachtung irgendwie vergessen zu werden. Die gezeigten Leistungen mögen derzeit nicht besonders glanzvoll sein, und zwei Pleiten hintereinander ist man in München natürlich ebenfalls nicht gewohnt, es besteht aber wahrlich kein Anlass gleich in den Krisenmodus zu schalten, wenn man einmal die nackten Zahlen betrachtet.
Für die Tatsache, dass den Bayern mit Leverkusen in dieser Spielzeit ein Konkurrent erwachsen ist, der im Februar 2024 wie der wahrscheinliche neue Deutsche Meister aussieht, kann Tuchel nichts. Er hat sein Team im Vergleich zu den Darbietungen unter seinem Vorgänger Julian Nagelsmann sichtlich stabilisiert, auch wenn es in diesem Mai tatsächlich erstmals eine titellose Saison des erfolgsverwöhnten Branchenprimus geben könnte.
Die Bayern haben sich, ganz im Gegensatz zum BVB unter Edin Terzic im Vergleich zur Vorsaison klar gesteigert. Die Schwarzgelben hatten zum Vorjahreszeitpunkt drei Punkte mehr auf dem Konto als jetzt (43 statt 40). Waren Dortmund und München vor einem Jahr nach dem 21. Spieltag noch punktgleich, liegen die Bayern aktuell zehn (!!!) Zähler vor den Dortmunder Borussen. Thomas Tuchels Bilanz ist also nüchtern betrachtet gar nicht so schlecht. Erst recht nicht, wenn die Bayern nach dem Rückspiel gegen Lazio doch noch ins Viertelfinale der Champions League einziehen sollten.
Die derzeit vorherrschende Unruhe an der Isar erscheint daher aus der Distanz betrachtet doch arg übertrieben. Gerüchte und Diskussionen rund um eine mögliche Rückkehr von Hansi Flick zum FC Bayern, wie sie tatsächlich an einigen Stellen geführt werden, erscheinen einem aus objektiver Sicht da doch recht panisch und geradezu kopflos. Dass das einen sachlichen Analysten wie Thomas Tuchel extrem nervt, ist irgendwie logisch….
[…] Das ist schlicht nicht nachvollziehbar, wenn der auserkorene Hauptkonkurrent im eigenen Lande doch der FC Bayern ist, dessen Titelambitionen der BVB doch nacheifern wollte, zumindest eben dann zur Stelle sein wollte, wenn die Münchener einmal schwächeln. Das waren die Dortmunder jedoch weder im Vorjahr, als die Westfalen im Endspurt das Duell der Stolperkönige gegen die Bayern noch auf dramatische Art und Weise verloren, noch sind sie es jetzt, wo die Münchener in diesen Tagen doch in erster Linie mit sich selbst und ihrer Trainerdebatte beschäftigt sind. […]
[…] den neuen Trainer schien im Klub von Anfang an nicht uneingeschränkt vorhanden zu sein. Gerade aber in den Tagen seit dem Hinspiel in Rom, scheint die Position von Tuchel von Tag zu Tag noch weiter geschwächt zu werden. Ich finde, er […]