Parteiprogramme: Fetisch Staat

Annalena Baerbock Foto: Stephan Röhl/Heinrich-Böll-Stiftung Foto: CC BY-SA 2.0

Die Grünen setzen, wie auch die SPD, in ihrem Wahlprogramm auf einen stärkeren und aktiveren Staat. Die Linkspartei, die ihre beste Zeit hatte, als sie noch SED hieß und ein ganzes Land unterdrückte, wird da sicher noch weiter gehen als die demokratische Linke.

Der Staat war, von den Anarchisten abgesehen, immer schon ein Fetisch für viele Linken und daran hat sich bis heute nichts geändert. Man schätzt ihn als Instrument, die eigenen Ideen umzusetzen und die Menschen in die gewünschte Richtung zu lenken, denn wie sie richtig zu leben haben, so das Bürgerbild, ist ihnen ja leider nicht klar.

Dabei hat sich in Europa und Deutschland während der Pandemie keine Institution ihre Unfähig erwiesen wie die Staaten und ihre wichtigtuerische Imitation in Brüssel. Europäische Unternehmen wie Biontech und AstraZeneca haben in Rekordzeit hervorragende Impfstoffe entwickelt, es waren die Staaten und die EU, die sich in Bürokratie und Inkompetenz verhedderten und schafften, dass die EU-Staaten eine der am schlechtesten laufenden Impfkampagnen der entwickelten Welt an den Start brachten, die es sogar schaffte hinter Schwellenländer wie Chile, Marokko und der Türkei zurückzufallen.

Je mehr der Staat bei der Lösung eines Problems in die Details eingreift, wenn er sich in den Bereich der Mikrosteuerung begibt und mehr macht, als Handlungsrahmen zu setzen, scheitert er. Zu diesem, nicht wirklich überraschenden, Schluss muss man kommen, wenn man die vergangenen gut zwölf Monate Revue passieren lässt.

Egal um welches politisches Ziel es sich handelt, der Staat muss sich ändern: Er muss sich auf Kernziele konzentrieren und dort nach Exzellenz streben. Er muss den Bürgern vertrauen und ihnen die Freiräume geben, die ihnen zustehen. Nicht nur, um so zu leben, wie sie es wollen, sondern weil nur aus ihrem Kreis die Lösungen gefunden werden: Sei es in der Pandemie, der Technologie, der Ökologie oder der Wirtschaft. Wir brauchen mehr Offenheit, weniger Regeln und mehr Wachstum, denn weniger Wachstum können sich nur die Reichen erlauben und von denen gibt es nicht so viele. Eine Regierung, an der Grüne und SPD beteiligt wären, mit den Linken würden die Grünen dank ihrer Westbindung im Bund sicher nicht zusammengehen, würde die vorhandenen staatlichen Strukturen aufblähen. Und der Staat würde sich selbst und das Land noch stärker lähmen, als er es heute schon tut.

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Walter Stach
Walter Stach
3 Jahre zuvor

GRÜN/ROT/ROT?
Das Programm der Grünen spricht jedenfalls nicht "von vornherein" gegen ein Zusammenwirken von GRÜN/ROT/ROT in einer Koalition nach der Bundestagswahl im Herbst 2021. Eine Koalition ohne CDU/CSU und FDP. Ich neige -als Sozi- dazu, sie zu bevorzugen gegenüber……..

Ist das Programm der Grünen zugleich zu verstehen als eine durchaus denkbar Basis für eine Koalition der Grünen mit CDU/(CSU (und FDP)? Ich denke, das Programm schließt eine solche Koalition jedenfalls nicht von vornherein kategorisch aus.

Und wenn der bevorstehende Wahlkampf und darauf deutet u.a. der o.a. Kommentar von Stefan Laurin hin, ein Kampf "zwischen den Lagern" werden sollte -CDU/CSU/FDP (und AFD??) hier und Grün/ROT/ROT dort, könnte dieser "Kampf" dazu beitragen, den Mief der Ära Merkel endlich los zu werden, egal wie er letztendlich ausgeht.

Ansonsten….
Hoffentlich gibt es einen interessanten, einen lebendigen, einen von Kontroversen bestimmten Wahlkampf. Dazu beitragen wird, daß die Grünen im Bund mehr denn je und entschlossener denn je (mit-) regieren wollen. Egal mit wem und mit welchen politischen Zielen? Ich hoffe, daß das nicht nicht der Fall sein wird..

Derzeit sind m.E. alle Mutmaßungen über den Ausgang der Bundestagswahl m.E. fehl am Platze.
Wünsche stehen dem nicht entgegen; auch nicht Meinungsbeiträge, die dazu dienen sollen, daß sich diese Wünsche erfüllen.

Mawa
Mawa
3 Jahre zuvor

Ich sehe das auch so wie im Artikel beschrieben. Der Staat muss sich auf die Kernaufgaben reduzieren und seinen Bürgern ein Leben in Freiheit lassen. Subsidarität und Eigenverantwortung müssen garantiert werden. Niemand kann es besser, als der betroffene Bürger bzw die betroffene Gemeinde vor Ort. Links/Grün steht für missionarische Selbstüberschätzung.

paule t.
paule t.
3 Jahre zuvor

Jaja, das haben die Privatunternehmen alles allein gemacht … Außer die Grundlagenforschung, die Ausbildung der Wissenschaftler, das Gesundheitssystem, das die Impfstoffe dann sicher abnimmt, etc.pp.

Je ausdifferenzierter, vielfältiger und arbeitsteiliger eine Gesellschaft wird, desto mehr Gemeinschaftsaufgaben gibt es in ihr auch.

frzh
frzh
3 Jahre zuvor

Schuld am Impfchaos ist ZU WENIG Staat, Herr Laurin! https://mobile.twitter.com/OliverPicek/status/1373214693419069441

Ruhr Reisen
Ruhr Reisen
3 Jahre zuvor

So ein Schwachsinn.
Der ganze Neoliberalismus ist doch dafür verantwortlich, dass der Staat versagt, weil man auf PPP und sonstigen Mist umstellte, die Bahn privatisierte, das Gesundheitssystem aushöhlte, die Stellen im Staat abbaute, den Markt nicht kontrolliert, weil er sich eben nicht selbst reguliert. EIN Beispiel:: Allein der Wohnungsmarkt explodiert in der Krise, Amazon und Co…usw…usw…
Das Ergebnis sieht man jetzt. Ohne regulirenden, modernen Staat funktioniert es nicht.

thomas weigle
thomas weigle
3 Jahre zuvor

Jaja, die Freiheit. Also, die Bankenkrise bspw. hat die (finanzielle) Freiheit vieler Bürger erheblich eingeschränkt. Ein schönes Beispiel für entschieden zu wenig Staat. Dieselgate,Wirecard u.a.m. sind keine Blaupausen für die Freiheit der Bürger, sondern die Beispiele für die Freiheit einiger weniger vielen anderen zu schaden.
Weniger Staat schadet zu oft zu vielen.

Lehmbruck
Lehmbruck
3 Jahre zuvor

Das Impfchaos haben wir, weil privatwirtschaftliche Unternehmen nach Gutdünken Staaten gegenüber der EU priorisieren. Das Testchaos haben wir, weil Discounter dem Staat, der für deren systematischen Einsatz zuständig ist, die Selbsttests für den privaten Gebrauch wegkaufen.

Unser Problem ist nicht zu viel Staat, sondern sind konservative Politiker, die den preußischen Obrigkeitsstaat darauf trimmen, dass er viel und darunter auch viel Überflüssiges nach starren Regeln von den Bürgern verlangt und wenig von sich selbst. Kaum jemand verkörpert diese Haltung so sehr wie Merkel, die den disziplinierten Lockdown nach einem Jahr immer noch für das einzig wahre Mittel der Pandemiebekämpfung hält, während sie es bis heute noch nicht für nötig befand, eine einzige ihrer Ministerpfeifen zu entlassen oder sich zum Korruptionsskandal im eigenen Läden zu räuspern.

Angelika, die usw.
Angelika, die usw.
3 Jahre zuvor

Der Staat "…muss sich auf Kernziele konzentrieren und dort nach Exzellenz streben…"

Ich hab viel Phantasie, aber kann es mir nicht vorstellen (also diese Exzellenz).

Wer freiwillig (da war keine Zeit der Kriege, der Seuchen, der Erdbeben, der….) die Infrastruktur vergammeln lässt, der ist blöd.

Berthold Grabe
Berthold Grabe
3 Jahre zuvor

Grundsätzlich ist die Forderung nach mehr Staat in manchen Bereichen sehr sinnvoll. In anderen wäre weniger Staat geboten.
Leider aber gehören die sinnvollen Bereiche nicht zu denen die irgendwelche Parteien fordern.
Im gesamten Spektrum geht es nur um Klientelinteressen, aber nicht das Gesamtinteresse des Staates.
Und beide Seiten liefern damit jeweils der anderen Seite das Alibi, warum weniger oder mehr Staat, je nach dem, nicht gewünscht oder sinnvoll sein kann unter Ausklammerung der Argumente und Bereiche wo tatsächlich an einer Stelle mehr oder an anderer Stelle weniger Staat absolut sinnvoll wäre.
Beide Seiten des Spektrums bereichern sich am Gemeinwesen, die einen über staatliche Gängelung, die anderen in dem sie das Fehlen einer solchen schamlos ausnutzen, weil sie das Recht des Stärkeren für legitim halten.
Und beide seiten haben ihre Kernklientel mit diesen Verwerfungen korrumpiert.

Andreas F.
3 Jahre zuvor

Kritik an der EU und an den europäischen Staaten/Bürokratien ist sicher berechtigt. Aber: Nur weil andere Staaten/Bürokratien es jetzt besser als "wir" hinbekommen, ist das doch kein Generalargument gegen einen aktiven Staat.

Wenn ich an Digitalisierung (schon Helmut Schmidt wollte damals, als er noch Bundeskanzler war, dass die "Bundespost" nur noch Glasfaser verlegt, er wurde leider von Helmut Kohl abgelöst, bevor er es umsetzen konnte) denke, so haben wir den heutigen Flickenteppich nicht, weil wir zu viel Staat haben, sondern weil der Staat sich zu sehr herausgezogen hat und die Thematik komplett gewinnorientierten Unternehmen überlassen hat.

Auch die Privatisierung der Bahn und der sich daran anschließende Fokus auf Gewinnmaximierung war nicht wirklich unserem schienengebundenem Personen- und Güterverkehr förderlich.

Zitat: "Er (der Staat, Anm.) muss sich auf Kernziele konzentrieren und dort nach Exzellenz streben."

Der Staat hat sich bereits aus vielen Bereichen seiner Kernziele, der Daseinsvorsorge herausgezogen und öffentliche Einrichtungen sind immer weiter verkümmert unter dem Diktat der Kosteneinsparungen (z.B. auch Schulen, Gesundheitsämter,…).

Wenn der Staat sich auf seine Kernziele konzentrieren soll und dort nach Exzellenz streben soll, ist das also im Prinzip auch nichts anderes, als der Ruf nach einem aktiveren Staat, der sich wieder stärker einmischt.

Walter Stach
Walter Stach
3 Jahre zuvor

"Was des Staates zu sein hat, was des Privaten ist".

Ein "uralter", ein "weltweiter" Streit ;seit jeher auch in Deutschland.
Also insofern : "Alter Wein in neuen Schläuchen".

Denkbar, daß dieser Slogan den Wahlkampf zur Bundesstagswahl im Herbst (mit-) prägen wird?
Für mich wünschenswert.
Dann sollte das jedoch mehr werden als ein "Schlagabtausch " über Grundsätzliches aus den diversen Wahlprogrammen, sondern ein Streit über möglichst viele konkrete Probleme und über deren unterschiedlichen Lösungsvorschläge – z.B. Steuererhöhungen -für welche Steuern, in welcher Höhe? Investitionsprogramm in Mrd.Höhe -für die digitale Infrastruktur, für den gesamten Bildungsbereich, für den Verkehr auf der Schiene und dem Wasser, für den gesamten Gesundheitsbereich? Wegfall der Festschreibung der sog. Verschuldensgrenze in der Verfassung? Und/oder……..

Insofern sind diese zugegeben "groben Gedanken" inhaltlicher Art meinerseits eine durchaus naheliegende Ergänzung zu meinen Anmerkungen zu -1-.

Ob es nach langer, langer Zeit aus diesen Gründen und in diesem Sinne im Sommer/im Herbst 2021 'mal wieder zu dem kommt, was ich von einem Wahlkampf -unter Demokraten und nach den Spielregeln einer Demokratie- erwarte?
Und danach darf "man" dann gespannt sein, wie die Entscheidung der Wähler ausfällt und wer darauf gestützt anschließend mit wem koalieren wird -nicht nur, aber auch gemäß der politischen Willensbildung und ihrer Ausformung im Konkreten zur Thematik/Problematik "Mehr Staat" oder "Mehr Privat".