Seit einem Jahr versammeln sich in Duisburg jeden Montag Rechte. Zum 44. Mal marschiert Pegida NRW heute vor den Hauptbahnhof. Über das Jahr wurde aus dem Montagsspaziergang besorgter Bürger ein Szenetreff von Nazis und von Hools. Und die Zivilgesellschaft nahm dies stoisch hin.
Duisburg vor einem Jahr, schweinekalt wie heute Abend.
Die Eisenhüttenstadt scheint einig wie in besten Zeiten, 4000 Menschen versammeln sich vor dem Stadttheater. Federführend zusammengetrommelt vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DBG). Der junge Oberbürgermeister Sören Link (SPD) redet Tacheles: „Hier und heute zeigen wir der Pegida, welcher Geist durch unsere Stadt weht. Wir lassen unsere Stadt nicht spalten in Christen und Muslime. Lassen Sie uns heute und in Zukunft daran arbeiten, dass Duisburg eine Stadt des friedlichen Miteinanders vieler Kulturen bleibt. Zeigen wir miteinander unsere Stadt von ihrer besten Seite.“
Als Zeichen des Protestes gegen die Rechten am Hauptbahnhof erloschen die Lichter zentraler Gebäude: Im Rathaus, am Stadttheater, auf dem Stadtwerketurm, an der Salvatorkirche, im Landschaftspark Nord. Auch der Duisburger Handel zeigte Flagge, die Goldene Treppe im Einkaufszentrum Forum und das Gebäude der Sparkasse am Kuhlenwall hüllten sich in Dunkelheit.
Doch das wars dann schon, diese grosse Manifestation der Zivilgesellschaft am 19. Januar 2015 war die einzige ihrer Art. Schon eine Woche später gewann Pegida immer wieder Montags abends die Hoheit über Duisburgs Innenstadt. Und niemals wieder ging ein Fähnlein des DGB dagegen an.
Eine Woche später. 300 Teilnehmer, nach Polizeiangaben, vermochte Pegida am 26. Januar 2015 nahe des Hauptbahnhofes zu versammeln. Wobei die meisten Demonstranten aus dem Umland kamen. Polizeipräsidentin Elke Bartels zeigte sich erstaunt über den Pegida-Zustrom aus anderen Städten: „Mit der Teilnahme der Nazi-Kameradschaft Aachener Land und zahlreicher Rechter aus Dortmund ist die Duisburger Pegida-Demonstration heute stark rechtsradikal dominiert gewesen“.
Eine Einschätzung, die auch das antiimperialistische Duisburger Netzwerk gegen Rechts teilte.
Für das Netzwerk, Veranstalter der zweiten Gegendemo vor dem Hauptbahnhof im Angesicht Pegidas, sprach Rechtsanwalt Jürgen Aust vor cirka 900 Teilnehmern.
„Die Rechten glauben, dass sie in Duisburg anschlussfähig sind, schliesslich sitzen sie in verschiedenen Fraktionen mit acht Leuten im Stadtrat“, sagte Aust.
Diese Gegendemo wurde zeitweise von Sektierern der schon jahrelang nebenan stattfindenden Montagsdemo dominiert. Fahnen und Transparente einschlägiger Organisationen, etwa der maoistischen MPLD, waren gehäuft zu sehen.
Dagegen so gut wie nichts aus Gewerkschaftskreisen.
Der DGB liess es sich angelegen sein, zu diesem zweiten Anti-Pegida-Montagabend nicht mehr zu mobilisieren.
Was durchaus nicht auf den Beifall vereinzelter anwesender Gewerkschaftsfunktionäre traf.
Ein Verdi-Sekretär: „Ich hätte mir Gewerkschaftsbeteiligung gewünscht, wie letzte Woche.“
Ein IGBCE-Sekretär: „Es war ein Fehler, heute nicht zu mobilisieren.“
Am Rande der Demo erklärte der niederrheinische DGB-Vorsitzende Rainer Bischoff, auch Duisburger SPD-Landtagsabgeordneter:
„Hätten wir für heute aufgerufen, wären auf jeden Fall weniger als die 4000 der letzten Woche gekommen.“
Der Umstand, dass Duisburgs Deutscher Gewerkschaftsbund Manschetten hat, berechtigte Besorgnis seine Mobilisierungsschwäche öffentlich einzuräumen, führte in der Folge in Duisburg zu einem Schweigekartell der Zivilgesellschaft.
In etablierter Kommunalpolitik und lokalen Holzmedien war man sich schweigend darin einig, den braunen Montagsspuk von Auswärtsfahrern nicht aufzuwerten. Während in der Landeshauptstadt Düsseldorf antifaschistische Initiativen gemeinsam mit dem lokalen Establishment die Pegidamärsche zur Aufgabe zwangen, schuf man sich in Duisburg durch Unterlassung und Verzettelung ein ständiges Naziproblem.
Dazu kommt verschärfend, dass Duisburgs etablierte Spieler ihrem Affen Zucker gaben, der dünne Firnis der Zivilisation wurde von ihnen eingerissen.
Die Flüchtlingslage in seiner Stadt enttarnte den Oberbürgermeister Duisburgs Sören Link (SPD) bis zur Ehrlichkeit, mit einem rassistisch angehauchtem Statement wässerte er Pegidas Mühlen: „Ich hätte gerne das Doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte“, bekannte der Diplom-Verwaltungswirt auf grosser Bühne in Berlin, auf einer Flüchtlingskonferenz seiner Partei im September letzten Jahres.
Auch der aus Duisburg stammende Chef der rechtsaffinen Polizei-Standesorganisation DPolG Rainer Wendt pflegt Fremdenangst gegen Geflüchtete zu schüren. Gern weist er etwa auf angebliche potentiell kriminelle Clanstrukturen in Flüchtlingsunterkünften hin.
Drei Gegendemos finden heute Abend rund um den Hauptbahnhof gegen Pegida in Duisburg statt.
Nur zwei Ratsparteien, Grüne und Linke, rufen mit dazu auf.
Die Antifa trifft sich um 18 Uhr am Ostausgang des Hauptbahnhofes.
Mit "Pegidahauptstadt Duisburg" wertet man Pegida hier auf, lässt ihnen eine Aufmerksamkeit zuteil werden, die sie nicht verdient haben, weil sie null politische Basis haben und verzweifelt ein paar versprengte Nazis ankarren müssen. Dresden ist Pegidahauptstadt; aber Leipzig ist auch Pegidahauptstadt, da dort zwar die Gegendemonstranten in der Mehrheit sind, aber es eben auch massive gewalttätige Ausschreitungen gibt. D.h., eine militante Antifa ist leider nicht die Patentlösung gegen den Rechtsnationalismus, sondern trägt auch zur Anstachelung und Eskalation bei. Und bei allem Respekt vor dem Engagement von Jürgen Aust habe ich wiederum das Problem, dass ich keine Lust habe, mir jeden Montag seine politischen Reden anzuhören, von denen man liest oder im Vorbeigehen etwas mitbekommt, die nichts mehr mit dem eigentlichen Thema der Anti-Pegida-Demo zu tun haben…solange es da keine thematische Eingrenzung gibt, wird das Bürgertum abgeschreckt, jedenfalls mir geht es so. Und ich habe allmählich die Schnauze voll, welche personellen Ressourcen der Polizei hier verbraten werden, die dann Silvester am Kölner Hauptbahnhof gefehlt haben.