Peter Ibe (CDU Duisburg): „Wir werden jetzt von beiden Seiten beschimpft: Von links und von rechts.“

April 2022: Thomas Mahlberg, Peter Ibe und der damalige CDU-Generalsekretär Mario Czaja in Duisburg (Foto: Peter Ansmann)
April 2022: Thomas Mahlberg, Peter Ibe und der damalige CDU-Generalsekretär Mario Czaja in Duisburg (Foto: Peter Ansmann)

Es ist Wahlkampf in Deutschland und dieser ist, seitdem ein Antrag der CDU durch die (eher woke) FDP, die rechtsradikale AfD und die Putintruppe BSW unterstützt wurde, jetzt doch noch spannend geworden. Ein Gespenst geht um in Deutschland, das Gespenst einer Machtergreifung durch die AfD, mit Hilfe der Unionsparteien, zumindest wenn man sich aktuell Demonstrationen in Deutschland ansieht oder zuviel in den sozialen Medien liest.

Rechts von der CDU/CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben.“ Dieses Mantra des langjährigen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef-Strauß ist aktuell obsolet. Andere „erfolgreiche“ rechte Parteien gab es schon vor der AfD: Die NPD hatte ihren Höhenflug in den 60er Jahren, der damalige Bundesverteidigungsminister Gerhard Schröder (CDU) kassierte in der Bundesversammlung bei der Wahl des Bundespräsidenten auch die Stimmen der NPD. Geholfen hat dies nicht: Gustav Heinemann (SPD) wurde Bundespräsident. Nach dem verpassten Einzug der NPD in den Bundestag bei der Bundestagswahl 1969 wurde die rechtsextreme Gruppe, die damals ein wesentlich biederes Image hatte als die NPD der 2000er Jahre bzw. deren Nachfolgepartei „Die Heimat“, marginalisiert.

Ebenso ging es den sogenannten „Republikanern“, Fleisch vom Fleisch der CSU: Gegründet von CSU-Mitgliedern, die wegen des Milliardenkredites an die DDR – eingefädelt durch Franz-Josef Strauß – enttäuscht waren. Erfolge hatten die REP nur kurz: Bei einer Wahl in West-Berlin im Jahre 1989 schockierte der Einzug der Rechtsextremisten die damalige Bundesrepublik. Es folgte auch der Einzug ins EU-Parlament. Diese Erfolge konnten nicht wiederholt werden, nur im Ländle hielt sich die rechtsradikale Partei relativ lange im Landtag: Von 1992 bis 2001 gab es eine Fraktion der „Republikaner“ im Landtag von Baden-Württemberg. Das „weichere“ Image zahlte sich für die Kleinstpartei nicht aus: Gegenüber rechtsextremen Partei wie der NPD und DVU verlor die Partei an Bedeutung. Die Hoffnung auf einen Durchmarsch bei den ersten Wahlen in den neuen Ländern erfüllte sich nicht.

Annäherungsversuche an diese rechte Partei und rechtsradikale Gruppierungen gab es durch vereinzelte CDU-Mitglieder: Heinrich Lummer, dem – wegen antisemitischer Aussagen – 1998 die Einreise nach Israel verweigert wurde, ist hier zu nennen. Noch 2001 setzte er sich gegen die Entlassung von Götz Kubitschek aus der Bundeswehr ein.

Den rechtskonservativen Rand bediente in der CDU die „Stahlhelm-Fraktion“, deren bekanntester Vertreter wohl Alfred Dregger, langjähriger Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagstagsfraktion, war.

Die Stahlhelmfraktion sucht man in der CDU heute vergeblich: Als Reaktion auf die Politik Angela Merkels traten viele Rechtskonservative aus der Union aus: Alexander Gauland z.B. engagierte sich ab 2013 bei der gerade entstandenen AfD.

Diese ist inzwischen fester Bestandteil des Parteiensystems: Euro-feindlich, antiwestlich, russlandnah, teilweise völkisch-nationalistisch, in Teilen rechtsextremistisch.

Ein Hauptfeind der AfD ist die CDU: Maximilian Krah, der Spitzenkandidat der AfD bei der letzten Wahl zum EU-Parlament, möchte diese Partei zerstören: „Die politische Rechte kommt nur dann zum Erfolg, wenn die Christdemokraten verschwinden.“

Dem Mord an den Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke (CDU) ging eine Kampagne der AfD im Netz voraus. Der Mörder war im Wahlkampf für die AfD aktiv. Nicht die beste Grundlage für eine – wie auch immer angelegte – Zusammenarbeit auf Bundesebene.

Das aktuell trotzdem gegen die CDU demonstriert wird, als würde eine Koalition aus AfD und CDU in den Startlöchern stehen, ist bei dieser Faktenlage mehr als nur merkwürdig. Der Umstand, dass vor allem die CDU in den Kommunen von Demonstrationen betroffen ist, ist noch merkwürdiger: Friedrich Merz hat sich bei der Abstimmung im Bundestag verzockt, das kann kritisiert werden. Vor Ort aktive Christdemokraten zu bedrohen und anzugreifen ist allerdings der vollkommen falsche Weg. Auch Ricarda Lang, die gänzlich unverdächtig sein dürfte irgendwelche Sympathien für die fünfte Kolonne des Kremls zu hegen, kritisierte die Häme gegen Friedrich Merz.

Von Pöbeleien gegen sozialdemokratische Kommunalpolitiker – die auch wenig dafür können, dass Rolf Mützenich die Ukraine und den Westen gefährdet – liest man wenig, auch wenn mal zusammen mit der AfD gegen Taurus-Lieferungen an die Ukraine gestimmt wird.

Gut für das politische Klima und die Zusammenarbeit der demokratischen Parteien – SPD, CDU, CSU, FDP, Bündnis90/Grüne – kann das nicht sein. Gezielt auf die AfD-Stimmen abgesehen hatte es Friedrich Merz bei seiner Initiative im Bundestag nicht: Der Antrag der CDU/CSU war so formuliert, dass eigentlich weder AfD noch BSW zustimmen konnten. Die Unterstützung für den Antrag hatte nur einen Zweck: Die Diskussion um den angeblichen Fall der Brandmauer zu entfachen, die wir gerade sehen. Dafür opfert man dann auch mal gerne die eigenen Positionen zu Russland und seinem Angriffskrieg in der Ukraine.

Ruhiger Wahlkampf

Mit Peter Ibe (CDU), Ratsherr in Duisburg und für den Wahlkampf der CDU vor Ort mitverantwortlich, habe ich mich vor wenigen Tagen über die aktuelle Stimmung und die Auswirkungen der Bundestagsabstimmung auf den aktuellen Bundestagswahlkampf in der Duisburger Provinz unterhalten. Gestern, einen Tag nach unserem Gespräch, gab es „Aktionen“ (Schmierereien) vor den Parteibüros der SPD, CDU, Grünen und FDP in Duisburg. Diese waren deshalb noch nicht Thema unseres Gespräches.

Björn Pollmer: "Auch ich spreche mich klar gegen die AfD aus," (Screenshot Facebook)
Björn Pollmer: „Auch ich spreche mich klar gegen die AfD aus“, (Screenshot Facebook)

Als wir uns treffen, wirkt Peter Ibe nahezu tiefenentspannt. Das war bei den letzten Wahlkämpfen nicht immer so. Ich habe mich am Tag zuvor auf der Facebook-Seite der Duisburger CDU umgeschaut: Weniger Pöbeleien als bei der letzten Europawahl. Es gibt einige hässliche Kommentare, weil der Bundestagskandidat der CDU „linke Musik“ hört und die Band sich wohl gegen die AfD positioniert hat. Dies macht Björn Pollmer, der schon vor einigen Jahren wenig freundliche Nachrichten aus dem AfD-Umfeld bekam, ebenfalls. Auf den ersten Blick ist es aber, zumindest auf Facebook, freundlicher als bei den letzten Wahlkämpfen. „Kritik, die man nicht vertragen kann, wird als Rechts abgestempelt“, „Hi CDU, habt Ihr die Antifa auf Eurer Seite. Ihr wisst schon, die Linksextremisten.“ – während der Corona-Zeit waren die Kommentarspalten voll mit solchen Kommentaren. Wie viele davon aus St. Petersburg abgesetzt wurden, weiß man nicht. Die Quantität ist heute wesentlich geringer.

Kommentare auf der Facebook-Seite der CDU Duisburg (Foto und Bearbeitung: Ruhrbarone)
Kommentare auf der Facebook-Seite der CDU Duisburg (Foto und Bearbeitung: Ruhrbarone)

Ruhrbarone: Wie läuft der Wahlkampf?

Peter Ibe: Es war organisatorisch natürlich ein wenig schwierig, von Null auf Hundert zu starten: Aber die Infostände laufen, die Wahlplakate hängen, Facebook und die anderen sozialen Medien werden sehr schön von uns bedient. Wir mussten kurzfristig noch Videos herstellen von unseren beiden Kandidaten, die jetzt auch laufen. Also insgesamt bin ich zufrieden.

Ruhrbarone: Jetzt gab es vor zwei Wochen eine Abstimmung im Bundestag, einen Antrag von der CDU, der so formuliert war, dass AfD und BSW eigentlich nicht zustimmen konnten. Jetzt haben sie trotzdem zugestimmt und die CDU hat jetzt ein Problem. Merkt man das gerade?

Peter Ibe: Ich weiß nicht, ob man das als Problem bezeichnen kann. Zumindest hat es für sehr viel Aufregung gesorgt. Wir hatten jetzt ja unsere ersten Infostände in der Stadt und da kann man sagen, wir haben Zuspruch. Also 60% der Leute, manche sagen auch 2/3, stimmen uns an unseren Infoständen zu dem, was wir da gemacht haben, zu. Viele sagen auch „Sagt nein! Ihr könnt nicht so mit der AfD zusammengehen.“ Die zwei Meinungen gibt es. Es gibt nur noch Schwarz und Weiß.

„Wenn es eine Koalition mit der AfD geben würde, würde sie ziemlich zum Austritt motivieren.“

Ruhrbarone: Die Positionen der AfD und der CDU unterscheiden sich ja in entscheidenden Punkten: Russland, NATO, Ukraine, etc. Die CDU ist der selbsterklärte Hauptfeind der AfD. Diese Demos gegen eine „Zusammenarbeit zwischen AfD und CDU“ sind bei dieser „Feindschaft“ irgendwie überflüssig, oder?

Peter Ibe: Aus meiner Sicht auf jeden Fall. Also ich sag mal, ich kann jetzt nur für mich sprechen. Auf kommunaler Ebene hat es nie eine Zusammenarbeit gegeben. Ich glaube, wir sprechen nicht mal richtig mit denen zusammen. Mit allen anderen Fraktionen spricht man ja schon mal, tauscht sich aus. Das gibt es mit denen gar nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da eine Zusammenarbeit gibt. Ehrlicherweise kann ich die Kritik gar nicht nachvollziehen, weil inhaltlich gibt es nicht einen Punkt, bei dem wir Schnittmengen mit der AfD haben. Die wollen die Atomkraftwerke wieder einschalten, die wollen alle Windkrafträder abreißen  Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Leute drauf kommen können, dass wir mit der AfD zusammenarbeiten können.

Ruhrbarone: Jetzt hatten wir vor fast drei Jahren ein Gespräch über das Thema Hass im Netz. Und da ging es ja um den Schriftverkehr, der damals bei der CDU aufgeschlagen ist, mit blauen Herzen und so. Wie sieht das aktuell aus?

Peter Ibe: Also ich sag mal, es hat sich ein bisschen was geändert. Wir werden jetzt von beiden Seiten beschimpft: Von links und von rechts. Das hat sich geändert. Als wir uns das letzte Mal über Hass im Netz unterhalten haben, da waren es hauptsächlich AfD-Leute, die gegen uns gehetzt haben. Jetzt sind es beide Seiten, aber insgesamt ist es durchaus weniger geworden. Ich glaube dadurch, dass der ganze Sache mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde durch Robert Habeck, der auch Strafanzeigen gestellt hat, dass sich das dadurch ein bisschen beruhigt hat.

Das ist nicht mehr ganz so wild wie vielleicht noch vor drei, vier Jahren. Das ist jedenfalls meine Wahrnehmung.

Peter Ibe (Foto: Peter Ansmann)
Peter Ibe (Foto: Peter Ansmann)

Ruhrbarone: Der jetzige Wahlkampf allgemein auf der Straße ist auch ruhiger, oder?

Peter Ibe: Ja, das ist sehr unterschiedlich. Den grünen Oberbürgermeisterkandidaten Sebastian Ritter habe ich am Samstagabend auf einer Veranstaltung getroffen. Er war erschüttert, weil es am Infostand einen gewalttätigen Zwischenfall gab. Wir hatten das aber auch noch im letzten Jahr bei Europawahlkampf, dass sich Leute unmöglich an unseren Infoständen benommen haben. Unsere Plakate werden aktuell teilweise zerstört. Insgesamt ist es aber ruhiger als vor drei, vier Jahren.

Ruhrbarone: Nimmt dieses Freund-Feind-Denken, nehmen diese extremen Positionen, zu?

Peter Ibe: Das Schwarz-Weiß-Denken nimmt auf jeden Fall zu. Also das ist jedenfalls meine Wahrnehmung. Den Mittelweg finden, suchen nach Kompromissen, das ist, glaube ich, gerade nicht gewollt. Das haben die Amerikaner uns vorgemacht und das findet hier auch statt. Und zwar von allen Seiten. Da nehme ich uns gar nicht aus.

Ruhrbarone:  Wie kommt man da wieder raus aus dieser Spirale?

Peter Ibe: Das ist eine gute Frage. Ich glaube, da müssen sich alle wieder zurücknehmen. Politik wird ja auch dadurch gemacht, dass sich Leute untereinander in die Augen gucken. In Duisburg haben wir z.B. auf Ratsebene eine schwarz-rote Koalition, die viel zusammen macht. Nach so einem Bundestagswahlkampf muss man sich wieder in die Augen schauen können.

Ruhrbarone: Letzte Frage: Nochmals zur bevorstehenden Machtergreifung von AfD und CDU. Mandatsträger und Aktive der CDU Duisburg wurden aus dem AfD-Umfeld beleidigt und bedroht. Wenn es im Bund eine Koalition zwischen AfD und CDU geben würde, was passiert dann auf lokaler Ebene in der CDU? Gäbe es Austritte?

Peter Ibe: Wenn es eine Koalition mit der AfD geben würde, würde sie ziemlich zum Austritt motivieren.

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