Eben erst geht die Documenta an BDS zugrunde, weil sie abermals einen BDS-Akteur in ihre Findungskommission berufen hat. Jetzt zieht die Stadt Bochum nach: Der diesjährige Peter-Weiss-Preis soll an Sharon Dodua Otoo gehen, die britische Autorin, natürlich berlin-based, hat bei Artists for Palestine UK unterschrieben, dem britischen Ableger des antisemitischen BDS. Dessen Brüllwürfel: Roger Waters.
„Wir unterstützen den palästinensischen Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit“, heißt es bei Artists for Palestine und heißt es auch nach dem 7. Oktober. Die barbarischen Massaker, die Hamas unter Israelis verübt hat, werden tags darauf auf der Facebook-Seite von Artists for Palestine so kommentiert:
“Fight for freedom ‘by all means necessary’!” Kämpft für Freiheit mit allen Mitteln, die notwendig sind!
Und: “Dear all : put a Palestinian flag on your window to show support to Palestinian resistance!” Alle sollen den “palästinensischen Widerstand” sichtbar unterstützen.
Und, immer noch 8. Oktober: Das Foto eines Gleitschimfliegers mit palästinensischer Flagge. Dann die Zeichnung von Gleitschirmfliegern, die einen Stacheldrahtzaun aufbrechen, dann Gleitschirme, die wie fröhliche Luftballons aussehen, die ein kleines Mädchen in Händen hält, dann ein Kinderflugzeug, in dem ein etwa 3jähriger Junge sitzt usw.
9. Oktober: Gleitschirmflieger, als Hamas-Käpfer gemalt, zertreten einen israelischen Soldaten; Handala, das Massaker-Maskottchen, schaut interessiert zu usf.
So geht es Tag für Tag zu bei Artists for Palestine.
Sharon Dodua Otoo, auch sie hat sich öffentlich „verpflichtet“, „weder berufliche Einladungen nach Israel noch finanzielle Unterstützung von Institutionen anzunehmen, die mit der israelischen Regierung verbunden sind, bis Israel das Völkerrecht und die universellen Grundsätze der Menschenrechte einhält.“
Also akzeptieren Otoo und die Artisten zumindest die Existenz des jüdischen Staates? Facebook-Post der Artists for Palestine vom 18. Oktober, eine Fotomontage: eine Hand, die Israels Flagge von oben – Galiläa – nach unten – Negev – abzieht, als sei sie ein Aufkleber, während sich darunter – in Galiläa, dem israelischen Kernland – die palästinensische Flagge zeigt.
Sich selber stellt Sharon Dodua Otoo als „Schriftstellerin und politische Aktivitin“ vor, 2016 wurde sie mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet, ihre Bücher erscheinen bei Fischer, ihr erster Roman „Adas Raum“ wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Engagiert ist sie eigentlich gegen Rassismus, zusammen mit den Ruhrfestspielen hat sie im letzten Jahr „Resonanzen – Schwarzes Literaturfestival“ konzipiert und kuratiert, politisch aktiv ist sie, heißt es auf ihrer Website, ua in der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V. und auch bei Phoenix e.V. , dem von dem Duisburger Pfarrer Austen Peter Brandt in den frühen 90ern gegründeten Verein, der versucht, Rassismus mit „positiven Strategien“ einzuhegen. BDS braucht es dafür nicht, Judenhass noch weniger: Welchen Fimmel hat Otoo mit Israel?
Und warum hat sie ihre Unterschrift nicht längst zurückgezogen – spätestens als der Schriftstellerin Kamila Shamsie 2019 der Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund aberkannt worden ist, war bekannt, dass antisemitisches Engagement nicht überall so wohlfeil zu haben ist wie erhofft. Der Nelly-Sachs-Preis ist mit 15 000 Euro dotiert.
Der Peter-Weiss-Preis ebenso. Und wie bei Shamsie braucht es auch bei Otoo keine zwei Minuten, um ausfindig zu machen, dass sie sich BDS „verpflichtet“ hat und den jüdischen Staat boykottiert. Keine Zeit für diese zwei Minuten? Die Frage geht an die 8köpfige Jury des Peter-Weiss-Preises: Maryam Aras, Fatma Aydemir, Sieglinde Geisel, Meheddiz Gürle (als kurzfristiger Ersatz für Prof. Dr. Ralph Köhnen) sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen im Rat der Stadt Bochum Sonja Gräf (SPD), Daniel Gorin (Die Grünen), Barbara Jeßel (Die Grünen) und Monika Pieper (CDU). Vorsitz: Kulturdezernent Dietmar Dieckmann.
Ebenfalls 2019 hat der Rat der Stadt Bochum einen fraktionsübergreifenden Beschluss gefasst, Titel: „Nein zu Antisemitismus“. Darin sichert der Rat den jüdischen Bürgern Bochum zu, „dass sie sich in Bochum jederzeit sicher und willkommen fühlen“ und „verurteilt jegliche Form von antisemitischem und antiisraelischem Denken und Handeln, insbesondere auch das Wirken der Boycott-, Divestment- und Sanctions-Bewegung (BDS-Kampagne)“. Städtische Verwaltung und stadtnahe Gesellschaften sind aufgefordert, „alles im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten zu unternehmen, um der BDS-Bewegung ebenso wie allen Gruppierungen, die eine grundsätzlich antiisraelische und damit antisemitische Haltung haben, keine Einrichtungen und Räumlichkeiten für ihre Veranstaltungen und sonstigen Zwecke bereitzustellen“.
Und sie mit keinen Preisen zu behängen. Die Verleihung des Peter-Weiss-Preises ist für den 10. März 2024 im Schauspielhau Bochum geplant. Zeit genug, um einen neuen Preisträger zu finden.
Oder, das wäre ja mal was Neues, Sharon Dodua Otoo dazu zu bewegen, über ihre „Verpflichtung“, die sie dem antisemitischen BDS gegenüber empfindet, einmal gründlich nachzudenken.
Für Antisemiten und Terrorsympathisanten aus dem globalen Süden bleibt Deutschland ein Schlaraffenland, in dem sie sich vor Auszeichnungen, Preisen, dem Vorsitz in irgendwelchen „Findungskommissionen“ und hinterhergeworfenen Professuren kaum mehr retten können. Die Verantwortlichen in Bochum machen da keine Ausnahme und reihen sich damit gleichzeitig ein in die schlechteste aller deutschen Traditionen.
Nach dem 7.10. sind solche Entscheidungen das pure Hohngelächter auf die Opfer dieses Massakers. Doch in Bochum hat man den irritierenden Zwischenfall längst vergessen und widmet sich lieber wieder dem gegenseitigen Schulterklopfen – mächtig stolz auf das bewiesene kolonialismuskritische Engagement.
[…] Peter-Weiss-Preis der Stadt Bochum geht an? Na? BDS! […]