Welche Partei würden wohl Ihre Kinder wählen, wenn sie schon dürften? Na klar, die Piratenpartei. Kinder mögen Piraten, die sind aufregend. Es ist Wahlkampf in Berlin. Das ist eindeutig an den Plakaten zu erkennen, aber wo sind die Menschen, die zu den Parteien gehören?
Und welche Partei ist für mich die Richtige? Bei der letzten Wahl war ich noch jung, unabhängig, kinderlos und brauchte das Geld – nur für mich. Jetzt bin ich nicht nur fünf Jahre älter (gefühlt: doppelt so alt), sondern auch gebunden, habe zwei Kinder und das Geld verbraucht die Familie. Also beschließe ich bei der diesjährigen (Aus-)Wahl meine Schwerpunkte neu zu setzen. Was machen die Parteien für die Kinder am Prenzlauer Berg? Bestimmt kein neues Thema für die, aber für mich. Wie es sich für einen ordentlichen Akademiker am Prenzlberg gehört, verschaffe ich mir dafür erst mal einen Überblick. Und zwar am 13. August – 50. Jahrestag des Mauerbaus. Geplantes Ziel: der Mauerpark.
Die NPD versucht diesen Tag mit einer Kundgebung auf der Bösebrücke am ehemaligen Grenzübergang Bornholmer Straße für sich zu nutzen. Offensichtlich haben sie vergessen, dass die Nationalsozialisten zur Teilung Deutschlands beigetragen haben. Eine Gegendemonstration auf beiden Seiten der Brücke – im Wedding und am Prenzlberg – ist ebenfalls geplant. Gekommen sind schließlich ca. 50 Neonazis, 600 Gegendemonstranten und nochmal ebenso viele Polizisten, die beide Gruppen getrennt halten. Es gelingt. Grüne und rote Luftballons dominieren das Demonstrationsbild. Von der NPD ist kaum etwas zu sehen.
In der Hoffnung auf etwas informativere politische Gespräche fahre ich zum Mauerpark. Hier sind am Wochenende immer viele Menschen, das Wetter ist gut (endlich mal kein Regen und größtenteils Sonnenschein) und ein geschichtsträchtiger Tag: Das dürften sich die Parteien doch eigentlich nicht entgehen lassen – aber weit gefehlt! Ein Schirm ist aufgespannt, ein grüner. Bündnis 90/Die Grünen haben an der Bernauer /Ecke Schwedter Straße, ihren großen Auftritt mit Renate Künast. Alle anderen Parteien belassen es an diesem Tag bei Kranzniederlegungen an Mauer- oder Opfer-Gedenkstätten. Auch gut. So kann ich einige Parteikämpfer für SPD und CDU ausmachen, aber leider nicht aus dem Prenzlberger Bezirk.
Um es also vorweg zu nehmen: Mein Parteien-Informationstag ist recht dünn ausgefallen. Trotz allem, hier eine kleine Zusammenfassung. Ich spreche mit Alessa Berkenkamp von Bündnis 90/Die Grünen (Wedding), Dr. Christian Hanke von der SPD und Bezirksbürgermeister in Mitte sowie mit dessen Stellvertreter Carsten Spallek (CDU).
Alle drei sind sich einig darin, dass trotz knapper Landeshaushaltskassen bei der Bildung nicht gespart werden darf und Kita-Plätze ausgebaut werden sollten. Alle drei weisen auch darauf hin, dass sie keine Experten auf diesem Gebiet sind und in Pankow die Lage natürlich etwas anders liegt. Da müsste ich letztendlich lieber andere in meinem Bezirk fragen. Da der Wahlkampf erst in den nächsten Tagen in die heiße Phase geht, hier die kleinen Unterschiede und Schwerpunkte, die meine Gesprächspartner setzen.
Berkenkamp betont am stärksten die Investitionen in die Bildung. Zum Beispiel sollen Spielplätze erhalten bzw. gebaut, Gebäude saniert und modernisiert sowie die Betreuung von Kita-Plätzen ausgebaut werden. Großer Unterschied zur SPD: Kinder bzw. deren Eltern sollen nicht mehr nur bis zum Ende des dritten Lebensjahres für die Kita zahlen, sondern auch danach. Natürlich nur die, die auch zahlen können. Dafür könne man die ärmeren Eltern noch mehr entlasten. Zur Zeit hat Rot-rot die Kitabetreuung ab dem dritten Geburtstag kostenfrei gestellt, um allen Kindern den Zugang zur Kita zu ermöglichen.
Chancengleichheit vor allem im sprachlichen Bereich ist das zentrale Thema von Christian Hanke von der SPD. Besonders die ärmeren Familien mit Migrationshintergrund sollen ihre Kinder in die Kita geben können. Er möchte auch mehr in Ganztagsschulen investieren. In der Zusammenfassung des Pankower SPD-Wahlprogramms klingt das dann so: „Die Pankower SPD steht für ganzheitliche und kostenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule.“ Weiterhin will die Partei eine Schulreform umsetzen und Gemeinschaftsschulen in unserem Bezirk schaffen.
Das Wahlprogramm der Pankower CDU hingegen wirbt mit dem Slogan „Vielfalt im Schulwesen – gegen die Einheitsschule!“. Dem schließt sich auch Carsten Spallek in Mitte an. Ebenso wie die Grünen stellt er die Kita-Befreiung von Rot-rot ab dem vierten Lebensjahr in Frage. Auch das Kindergeld möchte er nicht erhöhen, sondern lieber das Geld in andere Projekte wie zum Beispiel eine Schulspeisung stecken.
Nach all den Politikphrasen habe ich allerdings nicht das Gefühl, wirklich mehr zu wissen. Vielleicht bringt die letzte Woche vor der Wahl noch neue Erkenntnisse – vielleicht fällt der Wahlkampf auch ins Wasser. Es regnet einfach zu viel diesen Sommer.
Die Piraten-Partei will auch in Bildung investieren. „Die Ausstattung mit digitalen Arbeitsmitteln und ein Internetzugang für alle Lernenden ist eine Voraussetzung für den Zugang zur Informations- und Wissensgesellschaft und einer aktiven Teilhabe an dieser“, heißt es im Wahlprogramm. Woher das Geld dafür kommen soll, geben sie genaussowenig an wie die anderen Parteien. Ben sitzt während all der Gespräche am Tag des Mauerbaus hinten im Fahrradsitz. Ganz leise, dass hatte er versprochen. Zugehört hat er sicherlich nicht. Für Ben ist das schaukelnde Fahrrad in diesem Moment bestimmt ein Piratenschiff und er Käptn Holzfuß. Klar zum Entern…
[…] Wahlkampf in Berlin: Phrasendreschen im Schilderwald … ruhrbarone […]
„Nach all den Politikphrasen habe ich allerdings nicht das Gefühl, wirklich mehr zu wissen.“ – Komisch. Ich nach dem vorangegangenen Bericht schon. Okay, im Grunde so ähnlich wie in NRW. Ach so, Tatjana Willms wusste dies bereits VOR dem Talk mit den drei wahlkämpfenden Phrasendreschern. Ja gut, verstehe ich. Aber wo liegt das Problem?
Ich habe da so eine Ahnung. Vielleicht gefällt Tatjana die Sprache nicht, der Habitus. Dieses Formelhafte. Dieses Bornierte – alles fixiert auf die Prozentpünktchen am Wahlabend. Dieses selbstgerechte Vortragen, diese Zufriedenheit, etwas zu wissen, obgleich man „kein Experte“ ist. Kurz: Vielleicht gefallen Tatjana Politiker nicht. Keine Schande. Aber ein Problem. Nicht nur für Tatjana.
Es heißt „Klarmachen zum Ändern“, nicht „Klar zum Entern“ 😉
Schöner Text, danke!!
.. und ich dachte immer den Eltern am Prenzlauer Berg würde es reichen, dass ihre Kinder am Prenzlauer Berg groß werden. 😉