In Schweden hat die Piratenpartei aus dem Stand heraus deutlich über 7 Prozent geholt und ist damit ins Europaparlament eingezogen. In Deutschland hat es dafür nicht gereicht. Trotzdem: Die 0,9 Prozent die sie geholt hatsind ein sehr gutes Ergebnis.
Foto: Nospickel
OK, noch ist Hamburger Stadtteil "Kleiner Grasbrook" nicht überall: Mit 8,6 Prozent erreichte die Piratenpartei in dem Hamburger Stadtteil nicht nur ein fantastisches Ergebnis sondern lag sogar vor der Union. Die Christdemokraten kamen dort nur auf 7,1 Prozent. Trotzdem: Mit 0,9 Prozent und 229.117 Wählern hat die Piratenpartei einen großen Erfolg erzielt. Gut, er wird etwas eingeschränkt durch die niedrige Wahlbeteiligung, von der die Piraten profitiert haben, aber es bleibt ein Erfolg. Die "Generation C64" hat sich erstmals bei Wahlen bemerkbar gemacht. Vielleicht sind die Netizens dabei, sich als Gruppe wahr zu nehmen und ein Gefühl für die eigene Stärke zu entwickeln. Die Begeisterung für die Piraten auf Twitter und in den Blogs war beeindruckend. Damit ist vielleicht ein Prozess in Gang gesetzt worden, der eine neue politische Kraft hervorbringt.
Es gibt keinen Grund für die Wähler der Piraten, enttäuscht zu sein: Auch die Grünen sind in den 70er Jahren, damals noch als Wählerlisten unter den verschiedensten Namen, nicht viel besser gestartet. OK, es war heute viel Protest dabei, aber das war es bei den Grünen auch. Ihr Vorteil war, dass sie durch eine breite soziale Bewegung getragen wurden. Themen wie Umwelt und Atomkraft waren seinerzeit wesentlich präsenter als es die Themen der Netz-Community heute sind. Umso beeindruckender ist das heutige Ergebnis. Was es wirklich gebracht hat? Das wird sich in den nächsten Stunden und Tagen zeigen. Wenn die Medien das Thema Piratenpartei aufgreifen, sich mit den Themen und dem Personal der Partei beschäftigen, die "Generation C64" entdeckt, haben wir alle gute Chancen, unsere Themen einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Und damit auch etwas Unruhe in den Reihen der etablierten Parteien zu säen. Die können, wenn sie ganz hoch auf den Mast steigen, am Horizont ein kleines Schiff mit einer Piratenfahne erkennen.
Schauen wir uns die Zahlen der Piratenpartei etwas genauer an. Sie sind überraschungsfrei: In Uni-Städten haben sie zum Teil gute Ergebnisse geholt, in einzelnen Bezirken auch über drei Prozent. Auf dem Land waren die Ergebnisse eher mau. In NRW, wo es bei Kommunalwahlen keine 5 Prozent-Hürde gibt, hätten die Piraten in Städten wie Aachen, Dortmund oder Bochum gute Chancen, in einzelne Bezirksvertretungen oder vielleicht auch in den Rat einzuziehen. Und nur so wird es gehen: Die Piratenpartei muss, will sie langfristig erfolgreich sein, den jetzigen Schwung nutzen und Orts- und Stadtverbände gründen. Dort werden sich die Piraten sammeln und sich auf die nächsten Wahlen vorbereiten: Erste Mandate wird es in Kommunalwahlen geben. Dafür muss es dann aber auch Kommunalwahlprogramme geben. Klingt langweilig? Unmöglich für die Piraten? Im Gegenteil: Der "Transparente Staat" macht auch als "Transparente Stadt" Sinn. Beim Verkauf von Grundstücken, bei der Planung des Haushaltes, im Vergaberecht oder bei den zum Teil unübersichtlichen Konstrukten städtischer Beteiligungen und ihren Verbindungen zur Politik gibt es genug Aufgaben für alle, die auf Kaperfahrt gehen wollen. Die Piratenpartei wird sich aber darüber hinaus thematisch breiter aufstellen müssen. Kann sie das schaffen? Vielleicht. Warum nicht? Das Ergebnis der Europawahl war ein guter Anfangserfolg. Und ein massiver Vertrauensvorschuss. Die nächsten Erfolge wird sich die Piratenpartei erarbeiten müssen. Und dafür wird sie die Unterstützung der Netizens brauchen. Klar zum ändern!
Die Piratenpartei halte ich für einen Witz.
@Heino Lerche
Heino Lerche halte ich für einen Witz
Wer die Piratenpartei für einen Witz hält, der hält wahrscheinlich auch Bürgerrechte für einen Witz.
Hallo Stefan,
nix gegen die Generation C64, der ich ja auch angehöre. Aber die Piratenpartei hat vor allem bei den nicht so alten Schweden grandiose Erfolge erzielt. In der Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen holte sie nach Prognosen 19 Prozent der Stimmen. Was ja nicht das Schlechteste ist…
„…Es gibt keinen Grund für die Wähler der Piraten, enttäuscht zu sein: Auch die Grünen sind in den 70er Jahren, damals noch als Wählerlisten unter den verschiedensten Namen, nicht viel besser gestartet…“ (s.o.)
Genau so ist es!
„…Schweden entsendet 18 Abgeordnete ins EU-Parlament…“ (siehe link unten) Einer davon ein Pirat, was mich sehr freut!
https://futurezone.orf.at/stories/1604079/
@Willy
100% ACK
problematisch ist nur der Name, um sagen wir mal 10% zu schaffen und die Möglichkeit, die Piraten nur auf „(Musik-)Piraterie“ runterzubrechen.
Themen wie Transparenz, Patente, Zensur und Überwachung sind für die meisten Leute zu abstrakt, oder hat jemand mal versucht, seiner Oma/Tante/Schwiegermutter zu erklären, dass was die von der Leyen will, „böse“ ist?
Gut, wenn das ginge, gingen wahrscheinlich auch 20% 😉
„Piratenpartei entert Europaparlament“, taz 8. Juni 2009
https://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/piratenpartei-entert-das-europaparlament/
Wer ist eigentlich auf diese ziemlich dümliche Bezeichnung „Generation C64“ gekommen? Zuerst hatte ich sie für eine Spiegel-Erfindung gehalten, aber jetzt läuft sie einem sogar hier schon über den Weg…
EU-Wahlanalyse für die Piratenpartei
Die Piraten haben aus dem Stand hier raus ein beachtliches Ergebnis erzielt (0,9% bzw. 229.117 Stimmen). Die Wahlbeteiligung war gering, aber dies ist bei EU-Wahlen die Regel. Vergleichsweise stark ist die Piratenpartei vor allen in Städten, während sie auf den ländlichen Gebieten leicht abfällt. Auffallend ist das die Piraten in der Stadt Karlsruhe über 2% erreicht haben. Dies ist zum einen auf die Strahlkraft der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, sowie auf den hohen Studentenanteil zurückzuführen.
Anders als bislang vielfach behauptet, hat der Name ?Piratenpartei? keine großartigen negativen Einflüsse auf die Stammklientel (18-30 Jahre). Positiv daran wirkt sich insbesondere die kurze und provozierende Bezeichnung aus. Dies hat vermutlich auch zur Mobilisierung der Nichtwähler (Rückgang der ungültigen Wahlzettel und ganz leichte Steigerung der Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2004) beigetragen.
Das Programm könnte man als ein typisches Kleinparteienprogramm bezeichnen. Es ist auf einen für die Partei wesentlichen Punkt der Internetprivatsphäre und allgemeinen Freiheiten (freie Bildung, freie Kommunikation, keine Zensur, freies Wissen, freie Software u.a.) begrenzt. Dabei muss jedoch fairerweise darauf hingewiesen werden, dass sich die Partei noch in der Entwicklungsphase befindet, um sich ein breiteres Programmspektrum zu erarbeiten. Zum einen stellt sich diese Fokussierung als hilfreich dar, um den Wähler nicht mit Inhalten zu überfordern. Andererseits macht es die Partei momentan eindeutig nicht regierungsfähig, was aber auch die meisten der Piratenwähler wissen. Die Wahl ist einerseits als Protestwahl, aber auch als Überzeugungswahl zu verstehen. Dies liegt daran, dass es den etablierten Parteien nicht in ausreichendem Maße gelingt junge Wähler zu überzeugen. Auch wissen sie nicht, wie sie mit dem Internet und Computerspiele umgehen sollen, da sie schlicht aus einer älteren Generation kommen.
Ein Wahlanteil von über 0,5% führt zu einer Wahlkampfkostenerstattung. Man sollte sich jedoch nicht zu viel davon versprechen, da sie nur so hoch ausfällt, wie der Eigenanteil der Partei aus Mitgliedsbeträgen (ca. 1300 Mitglieder) und Spenden.
Ausblick Bundestagswahl
Hier wird mit einer höheren Wahlbeteiligung gerechnet (knapp 80%). Dies bedeutet, dass sich für die Piraten fast eine halbe Million Wähler entscheiden müssen um prozentual das gleiche Ergebnis zu erhalten. Hier könnte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu „Vertrag von Lissabon“ für Auftrieb sorgen. Außerdem steht noch die Entscheidung zur „Vorratsdatenspeicherung“ aus.
Negativ könnte sich auswirken, dass die Verbots- und Zensurdebatte abebbt. Es wird vor der Bundestagswahl mit kaum mehr neuen Gesetzesinitiativen gerechnet. Dies hängt mit der Sommerpause und dem Wahlkampf zusammen. Des Weiteren sollte man bedenken, dass sich die Partei in einigen Bundesländern nicht zur Wahl zugelassen wird.
Fazit: Ich bin mir 100%-ig sicher, dass mindestens ein aktiver oder ehemaliger Verfassungsrichter die Piratenpartei gewählt hat. Es wäre hilfreich für die gesellschaftliche Anerkennung, wenn er sich „outen“ würde. Doch dies halte ich leider für unwahrscheinlich.
Nein, lieber Heino Lerche, die Piratenpartei ist kein Witz. Sie ist ein Gaga-Verein!
https://www.bild.de/BILD/politik/2009/06/06/fakten-zur-europawahl/darum-haben-wir-so-einen-langen-stimmzettel.htm
So liest man es bei Bild.de, und dieser Gaga-Verein weiss schliesslich, worüber er schreibt…
Hey, es gab auch Piratensender…die haben das gesendet, was den öffentlich-rechtlichen zu dekadent war.
Das Thema Piraten ist aktuell, denn…
https://www.welt.de/wirtschaft/article3884842/Verlage-fordern-Leistungsschutz-fuer-die-Presse.html?page=1#article_readcomments
Weniger Demokratie wagen: Unwählbar…
Es wird viel diskutiert über die mangelnde Wahlbeteiligung des deutschen Volkes zur Europawahl. Viele fühlen sich überhaupt nicht im Parteienspektrum repräsentiert (siehe: Netizens, ein Teil der Gesellschaft), andere fühlen sich von ihrer Partei …
Wenn die hier Patente abschaffen is hier aber was los. Das ist doch wirklich lächerlich. So was kann man doch nicht ernst meinen.