Polen – Wie wir mehrfach berichtet haben, ist Polen seit der Machtübernahme der „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) auf dem Weg, sich von freiheitlich demokratischer Grundordnung zu entfernen. Das Verfassungsgericht wird politischer Kontrolle unterworfen, die staatlichen Fernsehsender ebenso. Aus Protest gegen diesen „Staatsumbau“ (PiS-Sprech) traten unlängst fünf ranghohe Generäle zurück. Staatspräsident Duda schockt nun mit seinen Aussagen.
Man weiss gar nicht mehr, wo man anfangen soll, wenn man die Ereignisse im PiS-Polen skizzieren will. Die völkisch-nationalistische PiS versucht Polen nach Ungarischem Vorbild umzubauen, und noch darüber hinaus zu gehen. Fremden- und Europahass ist ebenso an der Tagesordnung, wie die Hofierung dogmatisch-erzkatholischer Gruppierungen, und eine Aushöhlung des demokratischen Rechtstaates. Die Gesellschaft ist tief gespalten.
Während ein Teil der Bevölkerung zu PiS hält, gehen Zehn- bis Hunderttausende unter dem Dach des „Komitees zur Verteidigung der Demokratie“ (KOD) auf die Strasse, und sagen ‚Nein‘ zum autokratischen Umbau. Nationalkonservative sprechen wiederum in Bezug auf KOD von Vaterlandsverrätern und würden diesen tapferen Demokratieverteidigern am liebsten das Tragen der polnischen Nationalfarben rot und weiß untersagen.
Polens Staatspräsident ist Andrzej Duda. Er war einst auch in der PiS, soll aber qua Amt eigentlich überparteilich tätig sein. Unter Druck war die PiS-Regierung nun geraten, nachdem die sogennate ‚Venedig-Kommission‘ (Kommission für Demokratie und Recht des Europarates) ebenfalls den geplanten Staatsumbau als ‚bedenklich‘ klassifiert hatte.
Insbesondere in Richtung der Venedig-Kommission erklärte Duda nun:
Es ist höchste Zeit, dass wir sagen, dass hier, in Polen, nur wir selbst das Recht haben zu entscheiden, was für uns gut und was für uns schlecht ist, wer für uns Gast ist und wer Feind ist. Und wir haben das Recht, darüber zu reden und uns dabei nicht von der pseudoeuropäischen Korrektheit leiten zu lassen, die auf Abwege führt.
und weiter:
Und – so glaube ich, ist es höchste Zeit, dass wir sagen, dass hier, in Polen, wir es eben sind, die Menschen erster Kategorie sind. Und dass unsere Interessen vor allem hier realisiert werden müssen. Und dass wir das Recht haben, unsere Interessen auch auf der internationalen Bühne zu realisieren.
Die Rhetorik wird also schärfer. Selbst polnische Medien waren spürbar irritiert über die Bezeichnung „Feind“ sowie die Ausführungen zu „Menschen erster Kategorie“.
Denn was macht man doch gleich mit Menschen zweiter Kategorie?
Anscheinend gehören Polens Verfassungsrichter jetzt schon zu dieser "2. Kategorie Mensch", da die PIS (gesprochen eigentlich ein treffenbder Name) sie und ihre Urteile nicht mehr anerkennt: http://www.sueddeutsche.de/politik/streit-um-das-verfassungsgericht-schwere-staatskrise-in-polen-1.2899626
Fast schon zynisch ist dabei wohl der Umstand, dass Andrzej Duda selbst mit seiner Weigerung, neue Verfassungsrichter einzustellen, dafür sorgt, dass die PIS nun auf ihr neues Gesetz zur Arbeit der Verfassungsgerichts pocht, welches mindestens 13 Richter zur Urteilsfindung vorschreibt – von denen aber heute nur 12 vorhanden waren, die dann dieses Gesetz als nicht verfassungsgemäß abgewiesen haben.
Die Ausschaltung der unabhängigen Justiz ist damit in Polen wohl einen Schritt weiter gekommen.
Ob sich Duda das Denken in Freund-Feind Kategorien und das Herbeisehnen eines Ausnahmezustands bei Carl Schmitt abgeschaut hat? Westlich der Oder-Neiße-Linie dürften da bei einigen Leuten nicht nur die Hände feucht werden.
Die Entwicklung in vielen postsozialistischen Staaten Osteuropas – vor Polen und Ungarn, aber auch Tschechien oder Slowakei – ist jedenfalls bedenklich. Demokratische Rechte werden massiv eingeschränkt, die Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive, Judikative) soll aufgehoben werden, völkisch-nationalistische Rhetorik bestimmt stattdessen die Politik.
Wird mal wieder Zeit, den "Behemoth" von Franz Neumann oder Ernst Fraenkels "Doppelstaat" zu lesen. Beide haben den NS-Staat analysiert: Die Regierung = Partei hatte, verkürzt gesagt, jederzeit die Macht, die Rechtsförmigkeit von Verfahren auszusetzen. Statt des Rechts standen zweckrationale Überlegungen im Mittelpunkt des Handelns. Die Kategorisierung und Abwertung von Menschen gehörte ebenfalls dazu.
Dieser Artikel entspricht nicht der Wahrheit, hier der Originalausschnitt: A że my jesteśmy traktowani jako ludzie drugiej kategorii – czas najwyższy, abyśmy powiedzieli, że tu, w Polsce, to my właśnie jesteśmy ludźmi pierwszej kategorii. My".
Rasche Übersetzung: "Und weil wir, als Menschen der 2-Kategorie behandelt werden – ist die Zeit gekommen um zu sagen, dass hier in Polen wir Menschen der 1-Kategorie sind!
@3:
Der Artikel entspricht der Wahrheit. Voll und ganz.
Und Ihre Lesart widerlegt nicht den Artikel.
Und wer es nochmal im Original hören will:
http://wyborcza.pl/10,82983,19738545,duda-mowi-to-my-jestesmy-ludzmi-pierwszej-kategorii-a-potem.html
@q3ew: Nehmen wir doch mal Ihren Originaltext von hier: http://www.naszdziennik.pl/polska-kraj/153667,przywrocic-elementarne-zasady.html
und werfen ihn einfach durch den Google-Translator. Dann erhalten wir folgendes:
"Und dass wir als Menschen zweiter Klasse behandelt werden – höchste Zeit für uns in Polen, das hier zu sagen, wir sind nur Menschen erste Kategorie. Wir."
Das ist die Wahrheit. Und die scheint selbst den Pis-Anhängern peinlich zu sein, wenn ich Ihren Einwurf korrekt interpretiere.
@Klaus Lohmann:
PiS-Anhängern ist nie etwas peinlich oder gar zu peinlich. Als Duda unlängst ein Reifen seiner Limousine platzte kam aus eben jenen Kreisen die Frage ob es sich um einen "zweites Smolensk" gehandelt habe….
Das polnische Verfassungsgericht hat in den letzten Tagen die neuesten Bechlüsse der polnischen Regierung für verfassungswidrig erklärt, worauf die polnische Regierung die Beschlüsse der Verfassungsgerichtes für ungültig erklärt hat.
http://www.focus.de/politik/ausland/justiz-polnisches-tribunal-justizreform-verstoesst-gegen-verfassung_id_5346323.html