Polens Premier: „Wir bereiten keinen Staatsstreich vor.“

Will Polen den Polen geben - Premier Beata Szydlo (PiS)
Will Polen den Polen geben – Premier Beata Szydlo (PiS)

Warschau – Die Lage in Polen ist so ernst wie zuletzt vielleicht beim Kriegszustand 1981. Nur mit verkehrten Vorzeichen. Während vor über 30 Jahren das „kommunistische“ Regime im offenen brutalen Kampf gegen die Gewerkschaft Solidarność verbliebende Bürgerrechte aufhob, und so versuchte dem Streben nach mehr Freiheit und Rechte für die Menschen im Land ein Ende zu setzen, stand Polen bis zum Heiligabend dieses Jahres noch als Demokratie mit einer unabhängigen Justiz dar. Dies änderte sich um 3.48 Uhr. Das Land brodelt seitdem. Nun äußern sich Premier Szydło und Polens Pfaffen – beides macht Sorge.

Der starke Mann hinter der völkisch-nationalistischen „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), Jaroslaw Kaczynski, hatte kurz nach der Wahl angkündigt Polen wieder in einen souveränen Nationalstaat umzubauen„. Einen Überblick über die bisherigen Schritte seitdem findet man hier. Danach wurden die Unabhängigkeit des polnischen Verfassungsgerichtes abgeschafft. Polens Präsident (auch PiS) verbat sich Kritik. Und doch, es zieht die Menschen auf die Strassen. Zu Tausenden demonstrieren sie gegen „Umbau“, der durchaus das Ausmaß eines „Staatsstreiches“ hat.


Eben hierzu erklärte Premier Beata Szydło:

Wir bereiten keinen Staatsstreich vor. Wir wollen nur, dass in Polen die Polen das Sagen haben und dass sie in ihren eigenen Sachen entscheiden dürfen. Die Bürger Polens haben uns dazu das Mandat erteilt. (…) Ich hoffe, dass die Menschen, die derzeit protestieren, mit der Zeit verstehen werden, ‚worum es in diesem Spiel geht‘.

Allerdings versäumte es Szydło mitzuteilen, wer bisher in Polen das Sagen gehabt habe. Ein anderer polnischer Rechtsaußen vermutet als Machthaber „jüdische Bankiers“. Apropos Juden: Jaroslaw Kaczynski selbst lobte unlängst das antisemitisch-katholischreaktionäre „Radio Maryja“ von Pater Rydzyk mit den Worten:

„Jede gegen die Kirche erhobene Hand ist eine Hand die gegen Polen erhoben wird.“

Und die polnische Kirche dankt für die Erhebung zur Staatskirche. In der Weihnachtsmette erklärte Erzbischof Gądecki mit Blick auf die Menschen, die gegen den „Umbau“ Kaczynskis auf die Strasse gehen (darunter Solidarność-Ikone Lech Wałęsa):

Die, die groß von Demokratie tönen, sind in Wirklichkeit am wenigsten demokratisch.

Die nächsten Tage und Wochen werden entscheidend werden für Polen. Bereits jetzt werden wohl schon Spitzenpositionen in Verwaltung, Polizei und Nachrichtendiensten neu besetzt. Es ist nun die höchste Zeit für die Polen aufzustehen und für die Demokratie einzutreten – man kann ihnen dann vielleicht noch Leben und Freiheit nehmen – doch die Ehre bliebe.

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JB
JB
8 Jahre zuvor

Ein ehemaliger "Mitstreiter" Kaczynskis, Roman Giertych, twittert soeben -u.a.- folgendes: "Die Sache ist so: Kaczyński wird von dem Wahn begleitet, Piłsudski werden zu wollen. Er hat die irrsinnige Idee, darin liege seine Lebensmission …; Giertych ist der Ansicht, "… Jarosław Kaczyński versteht die internationalen Prozesse nicht – eine der Ursachen dafür ist, Kaczynski beherrsche keine einzige Fremdsprache – wer keine einzige Fremdsprache spricht, versteht die Welt -außerhalb Polens- nicht". Und hier noch der Hinweis – von mir: die Wahlen in 11(?)/32 hat man wie Kaczynski mit 37% der Stimmen gewonnen … die "Sprüche" und Taten, die in 01/33 ff. folgten, haben ganz ähnlich geklungen und ausgesehen … und es ging ebenfalls "sofort" darum, Kontrollinstanzen zu beseitigen … ist nur zu hoffen, dass sich die 60% Polen, die PiS nicht gewählt haben, nachhaltig zu Wort melden …

Arnold Voss
8 Jahre zuvor

Polen auf dem Weg zum ersten westlich-christlichen Gottestaat des 21. Jahrhunderts. Das wird den Vatikan aber freuen. (Nur im Stillen natürlich)

Helmut Junge
Helmut Junge
8 Jahre zuvor

Die faktische Ausschaltung der Judikative ist keine Vorbereitung eines Staatsstreiches, sondern ist bereits der Staatsstreich, weil die Judikative eine der drei Säulen jeglicher Demokratie ist. Und das gilt für alle Länder, sogar für Polen. Was soll denn sonst als Staatsstreich gelten, wenn nicht dieser Akt?
Allerdings hätte ich das für Polen nicht erwartet.
Und daß von denjenigen, die das organisiert haben, jetzt der Anklagefinger gegen die Kritiker gerichtet wird, statt zu begründen, warum das in diesem Fall doch kein Staatsstreich sein soll, liegt daran, daß es keine Begründung gibt. Der vorwurfsvolle Finger gegen die Kritiker soll nur ablenken.

Gerd
Gerd
8 Jahre zuvor

"Bereits jetzt werden wohl schon Spitzenpositionen in Verwaltung, Polizei und Nachrichtendiensten neu besetzt."

Über die Veränderungen beim Obersten Gericht kann man diskutieren. Aber das ist etwas über das man sich nun wirklich nicht aufregen darf. Oder wurden diese Posten unter den Vorgängerregierungen per Losverfahren vergeben? Vermutlich nicht, wie in anderen Ländern(z.B. Deutschland) wurden die von der jeweiligen Regierung mit Personen besetzt, die der betreffenden Regierung nahe stehen.

D.h. die Konservativen machen jetzt das, was vorher linke und liberale Regierungen auch gemacht haben. Ohne das jemand das Ende der Demokratie an die Wand gemalt hat.

Thorsten Stumm
8 Jahre zuvor

Das alles ist schlimm…aber wenn es ein Land schafft diesen Spuk bei der nächste Wahl wieder zu beenden dann Polen….die haben in den finstersten Zeiten des kalten Krieg gestreikt, dem Kriegsrecht widerstanden, den Zusammenbruch des Kommunismus eingeleitet….die PiS wird eine kurze Episode wenn die Polen das wollen….noch ist Polen nicht verloren….

Andi
Andi
8 Jahre zuvor

@ Helmut Junge (#3):
Nee, Demokratie kann natürlich auch ohne Gewaltenteilung prima funktionieren, denn Demokratie bedeutet ja "nur", dass die Macht beim Volk liegt und von diesem entweder selbst ausgeübt oder üblicherweise regelmäßig delegiert wird. Daran hat die polnische Regierung bislang noch nicht geschraubt. Die Gefahr einer Diktatur ist dann allerdings größer, denn die Gewaltenteilung soll ja allgemein die Machtfülle der Staatsorgane (egal ob demokratisch oder sonstwie legitimiert) begrenzen weshalb man sie natürlich gerne behalten will.

Helmut Junge
Helmut Junge
8 Jahre zuvor

@Andi, Demokratie ohne Gewaltenteilung?
können Sie ein Beispiel nennen, das in unseren Augen keine Diktatur wäre?
M.E. ist es gewollt, daß die Exekutive wechseln kann, wenn das Volk es wünscht. Dazu muß es Rahmenbedingungen geben, die das über faire, freie Wahlen ermöglicht eine Regierung abzuwählen.
Diese Rahmenbedingungen werden durch die Legislative und die Judikative gewährleistet. Die setzen die Regeln. In Polen ist die Judikative durch neue Gesetze unwirksam gemacht worden.
Da die Regierung im Parlament die Mehrheit hat, kann sie dort beschließen, was sie möchte. Niemand kann dagegen angehen.

Andi
Andi
8 Jahre zuvor

@ Helmut Junge (#7):
Demokratie bedeutet Volksherrschaft, nicht mehr und nicht weniger. Ein Staat nach dem Rousseau'schen Denkmodell, wo das gesamte Staatsvolk alle Entscheidungen gemeinschaftlich trifft, käme ohne Gewaltenteilung aus. Die alten Griechen haben auch keine gekannt. Der Grund für die Gewaltenteilung ist schlichtes Misstrauen gegenüber dem Staat als solchem: Wo zuviel Macht vereint ist, wird Willkür gefördert und geht Freiheit verloren. Ob diese Macht nun demokratisch zustandekommt oder irgendeine Form von Erbmonarchie ist kann dafür egal sein. Die Teilung der Macht nimmt Willkür den Spielraum bzw. sorgt dafür, dass der Staat ständig auch mit sich selbst beschäftigt ist und Machtanhäufung länger dauert und dadurch auffälliger ist. In einer Demokratie kann Gewaltenteilung die Mehrheitsdiktatur ausbremsen (die letztendlich zu einer Minderheitendiktatur werden würde), deshalb ist sie dort sehr nützlich.

Kürzer gesagt: Demokratie legitimiert Macht, Gewaltenteilung organisiert sie. Die Kombination von beiden ist eine vergleichsweise neue Errungenschaft modernen Staatsdenkens seit dem 18. Jahrhundert und die bislang beste Möglichkeit, ein Gemeinwesen zum größtmöglichen Nutzen aller zu managen.

(Oh, und technisch gesehen hat in Polen wie in Deutschland die Parlamentsmehrheit eine Regierung, nicht umgekehrt. In der Praxis wirkt es aber in der Tat meist so als ob es andersherum sei. Wichtig ist der Unterschied trotzdem, denn er zeigt auf wo der Hebel für eine Änderung der Machtverhältnisse anzusetzen ist: Bei Wahlen. Das polnische Beispiel sollte daher nicht auf "die böse polnische Regierung" verkürzt werden weil die eigentliche Moral von der Geschichte lautet dass Nichtwählen eine besch…eidene Idee ist, und zwar immer. Elections have consequences.)

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

@#6 Andi: Nein, Polen ist selbstverständlich nicht Teil der Piratenpartei und als Gesellschaft auch nicht Anhänger von Liquid Democracy. Insofern erübrigt sich Ihr Hinweis auf pseudo-demokratische, allerhöchstens inner-institituionell anwendbare Mitbestimmungs-Modelle mit "Chaining"-System.

Olaf Mertens
Olaf Mertens
8 Jahre zuvor

Andi: Dann könnte man also im Prinzip auch sagen – "ein Aufzug kommt sehr gut ohne Seilwinde aus, denn Paternoster bedeutet schließlich nur Vater-unser." 😉

Andi
Andi
8 Jahre zuvor

@ Klaus Lohmann (#9):
Hä? Ich bin mir keines solchen Hinweises bewusst.

@ Helmut Junge (#7):
Ergänzend ist mir noch eingefallen, dass die USA als Demokratie ohne vernünftige Gewaltenteilung nach heutigem Verständnis gegründet wurde, weil die starke und unabhängige Rolle des (oder überhaupt eines) Verfassungsgerichts als Prüfinstanz erst 1803 vom Supreme Court selbst etabliert wurde, aus der Verfassung ergibt sie sich nämlich nicht.

Oh, und im Fall von Großbritannien kann man auch ganz aktuell von einer Demokratie, aber nicht von einer Gewaltenteilung sprechen, allein schon weil es keinen allgemeinen Verfassungstext gibt. Großbritannien hat überhaupt erst seit 2009, also seit sechs Jahren einen Obersten Gerichtshof, zu dessen Aufgaben auch ein paar der Funktionen eines Verfassungsgerichtes gehören (Klärung von Kompetenzstreitigkeiten innerhalb der Exekutive), der aber etwa mit dem BVerfG nicht vergleichbar ist allein schon weil bei den Briten nur das Parlament Gesetze wieder kassieren kann. (Stichwort Parlamentssouveränität.)

Gerd
Gerd
8 Jahre zuvor

Polen vs. Schweiz:

In Polen kann das Oberste Gericht Gesetze wegen Verfassungswidrigkeit mit einer 2/3 Mehrheit verwerfen. In der Schweiz hat das Oberste Gericht diese Möglichkeit überhaut nicht. Egal was die Richter meinen, Gesetze müssen so lange angewendet werden bis das Parlament diese ändert. Wozu das Parlament aber nicht verpflichtet ist.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

@Andi: Mir ist aber klar, dass Sie hier über Aspekte von "Liquid Democracy" schwadronieren, ohne überhaupt erklären zu können, warum und wie Demokratie ohne Gewaltenteilung funktionieren *könnte* – was es letztendlich nicht tut, wie gerade die historische Entwicklung der USA bestens demonstriert.

Andi
Andi
8 Jahre zuvor

@ Klaus Lohmann (#13):
Da steckt wohl irgendwo ein Missverständnis. Weder habe ich von "Liquid Democracy" gesprochen noch bin ich mit deren Einzelheiten überhaupt gut genug vertraut um mich darüber ausbreiten zu wollen.

Ansonsten wie gesagt, siehe Großbritannien. Aber um womöglich weiteren Missverständnissen vorzubeugen: Ich will hier keineswegs für einen Staat ohne Gewaltenteilung werben, ganz im Gegenteil. Mir ging's nur um Helmut Junges sinngemäße Bemerkung, dass jede Demokratie zwingend Gewaltenteilung erfordere, und das ist halt so nicht richtig. Gewaltenteilung ist kein Bestandteil von Demokratie, sondern eine separate und damit kombinierbare Errungenschaft.

WALTER Stach
WALTER Stach
8 Jahre zuvor

Andi,
Zustimmung, weil….

Es ist weder über eine Interpretation des Begriffes Demokratie noch per Diskussion über die Geschichte der Demokratie noch sonstwie zu begründen, daß das System der Gewaltenteiligung immanenter Bestandteile der Demokratie ist.

Aber….
-sh.Helmut Junge, Klaus Lohmann-

Es gilt heute in den sog. westlcihen Demokratien -entstanden über lange geschichtliche Erfahrungen und Prozesse- als unverzichtbar, dem Prinzip der Demokratie das mit ihm gleichwertige (!!) Prinzip des Rechtsstaates beizufügen.

Und zum Prinip, zum Wesen eines Rechtsstaates gehören z.B. die Anerkennung unverletztlicher und unveräußerlciher Menschensrechte, die Gewaltenteilung, die Unabhkängigkeit der Gerichte und der Richter.

Zusammengefaßt und zugegeben "vereinfacht" heißt das:

Die Demokratie bedarf des Rechtstaates -u.a. mit den o.a Elementen- und der Rechtstaat bedarf der Demokratie.

Das ist in den sog. westlcihen Demokratien grundsätzlich Konsens -im jeweiligen Verfassungsrecht und in der jeweiligen Verfassungswirklichkeit.

Unsere Verfassung , also das GG,verdeutlicht mehrfach die Unabdingbarkeit von Demokratie und Rechtsstaat, von Rechtsstaat und Demokratie.
Sie setzt folglich der absoluten "Volksherrschaft, einer uneingeschränktgen Volksherrschaft" durch die Feststellung eines sog. verfassungsfesten Minimumus eine Grenze -sh.Art. 79 (3) GG.

Mir scheint, daß den derzeitigen "Machtinhabern in Polen" die Gleichwertigkeit von Demokratei und Rechtstaat fremd ist; denn ansonsten müßte ihnen klar sein, daß Eingriffe in Grundprinzipien des Rechtsstaates – ua. in die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter oder in das fundamentale Grundrech der Medienfreiheit- zugleich auch an die Substanz dessen gehen, was eine Demokratie, die des Rechtstaates bedarf, ausmacht.

Mir scheint, daß die aktuelle Diskussion über die derzeitige verfassungspolitische und verfassungsrfechtliche Situation in Polen, wie die vorangegangen Beiträge zeigen, dazu beitragen könnte, mit Blick auf unser Verfassungsrecht und auf unsere Verfassungwirklcihkeit 'mal wieder über die Gleichwertigkeit und die Gleichrangigkeit der Verfassungsprinzipen Demokratie und Rechtsstaat und darüber nachzudenken, wie Inhalte und Schranken des jeweiligen Prinzipes durch die Existenz des gleichwertig anderen (mit-)bestimmt werden.
Das wäre dann keine bloße rechtstheoretische Diskussion, sondern könnte dem Verfassungsverständnis aller Bürgerns dienlich sein, z.B. bezogen auf den Pegida Ausspruch "wir sind das Volk", denn selbst "wenn man das Volk wäre" bedeutet das eben nicht, daß je nach Mehrheitsmeinung im Volk, im Parlament z.B. fundamentale Menschenrechte aufgehoben oder in ihrem Weensgehalt angetastet werden könnten, jedenfalls solange nicht wie die derzeitige Verfassung Bestand und nicht durch einen revolutionären Akt außer Kraft gesetzt wird. Ein solcher revolutionäre Akt wäre es, wenn z.B. mit Mehrheit im Parlament Fundamente des Rechtstaates aufgehoben würden -Gewaltenteiligung, Unabhänigkeit der Gerichte und der Richter, Verletzung des Wesensgehalt der Medienfreiheit.

Helmut Junge
Helmut Junge
8 Jahre zuvor

@Andi, Ihr Hinweis hat mich überrascht, weil ich in diesem Fall doch ein wenig vom Schulwissen gefesselt war. Aber ich liebe es auch, über den Tellerrand zu gucken. Das habe ich jetzt wieder mal tun müssen. Mein vorläufiges Fazit: ein Vergleich der politischen Systeme der USA und Großbritanniens mit dem politischen System Deutschlands ist kompliziert. Die Systeme sind sehr unterschiedlich. Aber m.E. existiert in allen dieser Systeme ein Regularium, daß die Balance zwischen der Exekutive und der Parlament betrifft.
Das sieht nur etwas anders aus als bei uns.
Wenn Sie mir darin zustimmen, daß es eines solchen Elements, das diese Balance sichert, bedarf, können wir diese Diskussion mit einem guten Gefühl,daß wir nichts ununtersucht gelassen haben beenden. Im positiven Sinne. Anderenfalls müssen wir wohl oder übel noch etwas tiefer in unsere Überlegungen hineinsteigen.
Dann wäre nur noch zu klären, wie sich die Entmachtung der Judikative auf Situation in Polen auswirken kann.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

@#14 Andi: GB hat auch eine längere Tradition der Gewaltenteilung in Gestalt der exekutiven Zusammenarbeit von Unter-, Oberhaus und den regierenden Monarchen. Die ist allerdings nie so ausgeprägt und nie derart konzentriert in einem einzigen Dokument definiert, wie es hier in DE oder auch in den USA der Fall ist. Trotzdem hat auch GB eine Art "Verfassung", die sich als Sammlung von historischen Gesetzen, Übereinkünften/Verträgen und ungeschriebenen "Do's and Dont's" präsentiert.

Neben der kaum vergleichbaren Historie beider Länder lässt sich zwischen Deutschland (und anderen kontinental-europäischen Ländern) und Großbritannien (und anderen englischsprachigen Ländern) allerdings ein gewichtiger Unterschied ausmachen: unser Rechtsstaatsprinzip basiert auf abstrahierten, vom Gesetzgeber definierten Regelwerken, während das von GB auf dem "common law", der historisch gewachsenen Sammlung von Einzelurteilen und deren Abbildung in die Jetztzeit per Analogie basiert.

Insofern besteht zwar eine grundsätzlich andere Rechtspraxis in der Gewaltenteilung, aber sie existiert halt auch in Ländern wie GB oder den USA.

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
8 Jahre zuvor

Demokratie kann ohne Gewaltenteilung funktionieren? Diese Antwort ist noch offen und sie lautet wie ich meine : nein. Zunächst ist richtig: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind historisch zu unterscheidende Elemente eines aufgeklärten Staats, wie schon gesagt wurde. Demokratie bedeutet, dass Regieren durch Mehrheiten zu legitimieren ist. Wie steht es dabei mit den Interessen jeweiliger Minderheiten? Unser modernes europäisches Demokratieverständnis garantiert auch deren Berücksichtigung! Insofern ist Judikative als Teil der Staatsgewalt nicht nur Garantin der Rechtsstaatlichkeit. Sie vertritt und realisiert vielmehr als Korrektiv auch die garantierten Interessen dieser Minderheiten, die durch Handeln der parlamentarischen oder administrativen Mehrheitsmacht immer wieder missachtet und verletzt werden! Der letzte Halbsatz (Indikativ) ist eine empirische Aussage. Damit zurück zur eingangs gestellten Frage: Insofern ist die Gerichtsbarkeit notwendiger Bestandteil einer Demokratie.

Helmut Junge
Helmut Junge
8 Jahre zuvor

Nachdem wir uns offensichtlich darin einig sind, daß grundsätzlich eine, wie auch immer formulierte, praxistaugliche Regelung geben muß, die die Macht der Exekutive in Grenzen hält, also eine Balance aufrecht hält, können wir uns erneut mit dem Fall in Polen befassen.
Wie also wird in der polnischen Verfassung diese Begrenzung der Macht der Exekutive festgelegt?
Und da habe ich in deutscher Übersetzung derpolnischen Verfassung folgendes gefunden:

"Artikel 10
Die Ordnung der Republik Polen stützt sich auf die Trennung und das Gleichgewicht der gesetzgebenden, der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt.

Die gesetzgebende Gewalt üben Sejm und Senat, die vollziehende Gewalt der Präsident der Republik Polen und der Ministerrat, die rechtsprechende Gewalt Gerichte und Gerichtshöfe aus."

Also ist die Role der Judikative in der polnischen Verfassung eindeutig formuliert.
Jede Änderung oder Einschränkung der Macht der Judikative berührt deshalb den Grundgedanken dieser Verfassung und verändert die Balance zwischen den Verfassungselementen.
Mehr wollte ich ursprünglich gar nicht sagen.
Es ist allerdings in erster Linie Sache der polnischen Bevölkerung, ob sie das so hinnimmt, und nicht die Sache von Ausländern wie mir, aber andererseits ist die Mitgliedschaft in der EU an der Einhaltung demokratischer Rahmenbedingungen in den einzelnen Mitgliedsländern gebunden.
Das bedeutet, daß die Polen zwar die Freiheit haben, in ihrem Land die Freiheit abzuschaffen, danach aber eigentlich nichts mehr in der EU zu suchen hätten, weil sie die Mitgliedskriterien nicht mehr erfüllen. Die Diskussion darüber betrifft nicht die Souveränität Polens. Die behalten sie auch, wenn sie kein Mitglied der EU sind. Im Gegenteil würde ihre Souveränität nach einem Ausscheiden aus der EU sogar größer, Denn das ist doch die Einstellung der Austrittsbefürworter in allen europäischen Ländern.
Ich bin mal gespannt, wie die EU-Gremien den Fall, es ist ja wortwörtlich tatsächlich ein Fall, behandeln werden.

Struppi
Struppi
8 Jahre zuvor

und darüber hinaus, wenn dafür eine einfache Mehrheit im Parlament ausreicht, kann das dann tatsächlich ein Grundpfeiler der Demokratie sein?
Wenn es so ist, dann macht sich in Polen die Demokratie lächerlich.

Es ist natürlich erkennbar worum es geht, aber auch in D gibt es Diskussionen um die Urteile des VG und das hier unrechtmäßige Gesetze schnell durch das VG gekippt werden, wird wohl niemand behaupten. Insofern führen die Änderungen in Polen kaum zu einer anderen Situation wie in anderen Ländern der EU, oder täusche ich mich da?

Struppi
Struppi
8 Jahre zuvor

Da habe ich den ersten Teil meines Kommentars gelöscht.

Meine Frage ist, wird durch das Gesetz tatsächlich die Unabhängigkeit der Entscheidungen des polnischen VG beschnitten?
Soweit ich das gelesen habe geht es um notwendige Mehrheiten und die Reihenfolge bei Entscheidungen, aber die Entscheidungen an sich sind (bleiben?) unabhängig?

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

Nur kurz nochmal zu England (Andi #14): Aktuell gibt es einen passenden Artikel in der Welt zu den historischen Unterschieden, aber auch Gemeinsamkeiten bei der Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit und einer Gewaltenteilung in GB und DE:

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article150336680/Wer-Monty-Python-versteht-versteht-auch-den-Brexit.html

"..Für Deutschland war der Dreißigjährige Krieg das nationale Trauma, aus dem das Sicherheitsdenken und die Sehnsucht nach einem schützenden Staat hervorgingen. Für die Briten war das Meer der schützende Burggraben, sodass für sie die größere Gefahr von der eigenen Obrigkeit ausging, die durch das Parlament in Schach gehalten werden musste…"

Andi
Andi
8 Jahre zuvor

@ Klaus Lohmann (#17):
Das britische Prinzip der Parlamentssouveränität (die Staatsmacht liegt beim Parlament und dieses ist keinem anderen Staatsorgan gegenüber verantwortlich) widerspricht dem Gedanken der Gewaltenteilung grundsätzlich. Geschichtlich hat in GB der Parlamentarismus der Monarchie die Macht abgerungen und in eine demokratische Legitimation überführt, das ist aus Sicht der Briten Freiheitsgarant genug, während wir Festlandeuropäer lieber auf Nummer Sicher gehen und eine saubere Dreiteilung pflegen. Durch die europäische Annäherung und Einbindung in den zurückliegenden Jahrzehnten ist das allerdings zu einem guten Teil relativiert worden (was zweifellos auch ein Faktor bei der Europaskepsis der Briten ist) so dass es inzwischen auch im Inselkönigreich weitere Aspekte der Gewaltenteilung hinsichtlich einer faktischen Beschränkung des umfassenden Machtanspruchs der Legislative gibt.

@ Manfred Michael Schwirske (#18):
Sagen wir: Gewaltenteilung ist ein wichtiger Bestandteil moderner demokratischer Staaten. (Ich würde sogar sagen "unabdingbarer", aber hey, Großbritannien.)

@ Helmut Junge (#19):
Artikel 10 der polnischen Verfassung sagt erstmal nur, dass es Gerichte gibt, aber nicht was sie genau dürfen, da ist Artikel 188ff einschlägig. Der polnische Verfassungsgerichtshof ist unserem BVerfG sehr ähnlich, zweifellos nicht zufällig. Der Knackpunkt bei den jüngsten Reformen dort ist nun, dass die Entscheidungsfindung künstlich erschwert wird: Neuerdings soll für Entscheidungen des Gerichts eine Zweidrittelmehrheit notwendig sein. Eine solche ist allerdings schwer und langwierig zu erreichen, so dass das Gericht zwar weiter existiert, aber handlungsunfähig ist weil es schlichtweg nicht mehr dazu kommt, Gesetze der Regierungspartei einzufangen.

Soweit ich das verstanden habe ist die Änderung selbst allerdings eigentlich verfassungswidrig (im mindesten scheint sie mir Artikel 190 Nr. 5 der Verfassung zu widersprechen); sie müsste also von der Legislative als Verfassungsänderung mit Zweidrittelmehrheit im Sejm entschieden werden und nicht wie jetzt als einfaches Gesetz mit absoluter Mehrheit. Da Legislative und Exekutive (Regierung, Präsident) das aber augenscheinlich einfach egal ist, steckt Polen in einer Verfassungskrise, weshalb sich die EU ja auch schon mahnend eingeschaltet hat.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

@Andi: "…eine saubere Dreiteilung.."??? Wollen Sie hier definieren, dass die britische, historisch gut begründbare Form der Vermeidung einer Vertikal-Gewaltenteilung "unsauber" sei? Anmaßend, auch aufgrund *unserer* deutschen Geschichte.

Andi
Andi
8 Jahre zuvor

@ Klaus Lohmann (#24):
Wieso vertikale Gewaltenteilung? Meinen Sie horizontale? Anyway, ich wollte das nicht werten, sondern einfach nur beschreiben, und da finde ich das Montesquieu'sche Modell mit voneinander getrennter Legislative, Exekutive und Judikative übersichtlicher (sauberer) als die britische Mischform in der die Legislative sehr stark auf die Exekutive einwirkt und zugleich Aufgaben der Judikative ausübt – die Briten sind da ja noch viel gewaltenverschränkter als wir.

Helmut Junge
Helmut Junge
8 Jahre zuvor

@Andi, wir liegen kaum noch auseinander, und Ihr Hinweis, "Der polnische Verfassungsgerichtshof ist unserem BVerfG sehr ähnlich, zweifellos nicht zufällig" macht es uns doch leicht, darüber nachzudenken, wie das hier bei uns wäre, wenn die Regierung mit ihrer satten 2/3 -Mehrheit die Rechte unseres Verfassungsgerichts in der Form beschneiden würde, "dass das Gericht zwar weiter existiert, aber handlungsunfähig ist weil es schlichtweg nicht mehr dazu kommt, Gesetze der Regierungspartei einzufangen."
Die Frage ist zwar rein theoretisch, gilt aber für die EU und alle Länder der Welt. Das Beispiel Polen könnte nämlich ansteckend sein.
Ich frage das deshalb, weil in jüngster Zeit Gesetze diskutiert bzw. beschlossen wurden, die sich vor einem Jahr noch keiner Vorstellen konnte, die auch wenn sie rethorisch anders behandelt und verstanden werden, jetzt schon in einigen Bereichen tiefste Änderungen mit sich bringen.
Das betrifft die Grenzsicherung, Abschiebungen und sensible andere Bereiche, wie innerer Sicherheit. Auch der Wahlkampf in den USA, die für uns bisher ein starker Garant für Freiheit waren, läßt mich nachdenklich werden. Denn falls sich die Konservativen mit Trump durchsetzen würden, wäre auch hier das politische Klima anders. Noch schüttelt sich manch einer.

Andi
Andi
8 Jahre zuvor

@ Helmut Junge (#26):
Da bin ich dabei. 🙂

Das Quorum für Entscheidungen des BVerfG ist anders als in Polen nicht verfassungsrechtlich sondern nur einfachgesetzlich geregelt (§ 15 Abs. 4 BVerfGG), könnte also wahrscheinlich nach der in Polen gerade vollzogenen Methode bei uns legal geändert werden (Juristen mögen mich ggfs. korrigieren). Es ist jetzt spannend ob in Polen das Gericht über die Legalität seiner eigenen Entmachtung urteilen wird, und wenn ja inwieweit das Ergebnis dann akzeptiert wird. Das wäre bei uns genauso. Die Judikative lebt halt stark von der Akzeptanz und Unterstützung der anderen Gewalten, ansonsten produziert sie nur Papier das bestenfalls als moralische Rechtfertigung dienen kann.

Der Wahlkampf in den USA macht gegenwärtig hauptsächlich eine Menge Lärm, da bleibt sicher erstmal abzuwarten inwieweit sich das verfestigt. Trump erfährt viel Zuspruch, aber wenn dieser sich nicht in Stimmen bei den Vorwahlen konkretisiert ist das nicht viel wert. Es erscheint mir aber zumindest nicht unwahrscheinlich, dass er tatsächlich als Kandidat der Republikaner übrig bleiben könnte (und wenn nicht er, dann am ehesten wohl Ted Cruz, was sicher noch schlimmer wäre). Da die Wählerbasis der Republikaner aber zusehends kleiner wird – sie schrecken halt die wachsenden Minderheitengruppen in der Bevölkerung ab – und die heftige Rhetorik bei unentschlossenen Wählern nicht gut ankommt ist ein letztendlicher Wahlerfolg zwar nicht unmöglich aber sehr schwierig. Andererseits hat sich der Wahlkampf dort dieses Mal bisher als recht unvorhersehbar erwiesen…

WALTER Stach
WALTER Stach
8 Jahre zuvor

-25-Andi
Das mit der vertikalen Gewaltenteilung ist schon zutreffend.
Damit ist die (Au-)teilung der Staatsgewalt auf verschiedene staatlcihe Ebenen gemeint, konkret auf den "Bund" und auf die "Länder."

Ein sog. Bundesstaat weist also neben der sog. horzizontalen Gewaltenteilung zusätzlich eine vertikale auf.

Die Zuordnung/ die Gewichtung und damit die (Ver-)Teilung der Staatsgewalt auf den Bund und die Ländern ist in den einzelen Bundesstaaten sehr unterschiedlich.
Ist er "föderalistisch" verfaßt, liegt bedeutsame Elemente staatlicher Gewalt bei den Einzelstaaten , umgekehrt ist es beim sog. unitaristichen Bundesstaat.

So ist z.B. in den USA dieses Element vertikaler Gewaltenteilung -neben dem der horizontalen- extrem im Sinne einer förderalitischen Ordnung ausgeprägt, also existiert in den USA eine sehr starke Zuständigkeit im Bereich der Leigislative, der Judikative und der Exekutive bei den Einzelstaaten.

Wir haben uns bei Schaffung des GG für eine föderative Ordnung unseres Bundesstaates entschieden.
Nicht nur, aber eben auch deshalb, weil einige der Siegermächte, vor allem Großbr. und Frankreich,dieses Element der vertikalen Gewaltenteilung neben dem der horizontalen verfassungsrechtlich garantiert sehen wollten, ua. aufgrund ihrer Erfahrungen mit den Folgen der Konzentration von Staatsgewalt während der NS-Herrschaft .
Während der NS-Herrschaft gab es bekanntlich weder eine horizontale noch -im zentralisitschen Einheitsstaat- eine vertikale Gewaltenteilung.

Im übrigen:
1.
Selbstverständlich erscheint mir jeder Streit darüber, wie der Inhalt, die Schranken, die Wechselbeziehungen zwischen den drei Funktionen der e i n e n Staatsgewalt "am besten" festgelegt/festgeschrieben werden sollten einschließlich der sog. organisatorischen sowie der personellen Gewaltentrennungng.

Folglich finden wir in allen demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassungen zwar grundsätzliche Gemeinsamkeiten, wenn es um Gewaltenteilung/Gewaltentrennung geht, aber eben auch so manche, in der Regel historisch bedingte Unterschiede.

(Es gibt dazu vielfältige verfassungsvergleichende Lektüre, eben auch zum System der horizontalen Gewaltenteilung und bei Bundesstaaten zustäzlich zum System der vertikalen Gewaltenteilung.)

Im übrigen
2.

-sh.Manfred-M.Schwierkse -18-:

Wie ein Blick in die Diskussion über das Zustandekommen neuzeitlicher Staatsverfassungen zeigt -sh.u.a. die Debatten während der franz.Revolution von 1789 und im Kontext damit die vormalige Diskussionen in den USA- kann man -für mich selbstverständlich – ein radikaler Befürworter der uneingeschränkte Macht der Bürger sein -repräsentiert durch ihre Bürgervertretung , druch das Parlament, durch den Volkskongress – und könnte daraus folgernd feststellen, daß es nichts und niemanden geben kann, der berechtigt ein könnte, z.B. durch ein System der Gewaltenteilung/der organisatorisshcen und personellen Gewaltentrennung- dem Bürger (dem Parlament/dem Volkskongress) als Souverän "irgendwie, irgend welche" Grenzen zu setzen.

Ich habe deshalb unter -15- zunächst Andi in seiner Meinung recht gegeben.

Ich habe danach versucht zu erklären, daß sich diese radikale Vorstellung von einer uneingeschränkten Volkssouveränität in keiner der sog. westlichen Demokratien durchgesetzt hat

und habe -sozusagen in Summa- deshalb der Idee der Demokratie gleichberechtigt und gleichwertig der des Rechtsstaates zugeordnet, der u.a. gekennzeichnet ist durch die Manifestation unantastbarer und unverletzlciher Menschenrechte, auch unantastbare für das "an sich " souveräne Volk und der gekennzeichnet ist durch ein System von Gewalten-vert-teilung auf verschiedene -mehr oder weniger- eigenständige Träger unterschiedlicher staatlicher Funktionen einer staatlcihen Ebene -Gesetzgebung, Rechtsprechnug, Verwaltung, oftmals ergänzt durch die Verteilung von Staatsgewalt auf unterschiedlcihe staatliche Ebenen -Bund/Land-.

Im übringe:
3.
Helmut -26- "..sh. Trump…"
Gerade in den USA zeigt sich, wie wirksam das System der vertikalen Gewaltenteilung mit Blick auf die Gefahr einer Konzentration von Staatsgewalt beim Gesamtstaat und dessen Funktionsträger sein kann -sh. die Kompetenzen der Einzelstaaten in den USA , sh. aber auch deren Macht bei der Ausübung der Staatsgewalt seitens des Gesamtstaates durch den Senat. l

Manchmal habe ich dieses System der vertikalen Gewaltenteilung in den USA schon bedauert, ua. mit Blick auf politische Ziele des jetzigen Präsidenten.
Mit Blick auf einen möglichen Präsienten Trump finde ich es allerdings großartig, daß seiner "Macht in Washington" in vielen Bereichen staatlicher Tätigkeit durch die Macht in den einzelnen Staaten und durch die Macht des Senates erhebliche Grenzen gezogen sind.

Im übringen:
4..
Wie auch immer die Gewaltenteilung -horizonatl,vertikal- organisiert sein mag, wie auch immer die organisatorische und personelle Gewaltentrennung geregelt sein mag, muß jeder, für den die Unantastbarkeit der Menschenrechte der Wert menschlichen Zusammenlebens schlechthin ist,
aufschrecken, protestieren, Reformen einfordern oder gar die bestehende Ordnung mittels Revolution aus den Ankern zu heben versuchen, wenn er feststellt, daß die Staatsgewalt, auch die demokratisch legitimierte, sich daran macht, wie auch immer begründet, dem Prinzip der Unverletztlichkeit der Menschenrechte zuwiderlaufend Staatsgewalt zu praktizieren.

Und wenn eine auch demokratische legitimierte Staatsgewalt sich daran macht, das bisherige System horizontaler und/oder vertikaler Gewaltenteilung subtantiell einzuschränken, dann ist dies immer d a s "das Alarmsignal" dafür, daß letztlich der Unverletzlichkeit der Menschenrechte in Gefahr droht.

Für mich gibt es aktuell dieses Signal u.a. aus Ungarn und eben jetzt auch aus Polen, also aus zwei Staaten, die sich zur "Wertegemeinschaft Europa" bekannt haben.
Falscher Alarm?
Ich kann nur hoffen und wünschen -im Interesse der freiheitsliebenden Menschen in Ungarn,in Polen -letztendlich in ganz Euroüa -das sich das von mir wahrgenommene Alarmsignal als "Fehlalarm" herausstellen wird.

Im übrigen:
5.
"Vom Ende her gedacht":

Wenn ich feststelle, daß in einem Staat auf dieser Welt die Menschenrechte seitens des Staates als unverletztliche und unveräußerliche Rechte "ohne Wenn und Aber" akzepitert werden, dann ist es mir letzendlich relaltiv (!!) egal, ob und wie in diesem Staat Gewaltenteilung/Gewaltenrennung verfassungsrechtlich geregelt und im verfassungtspolitischen Alltag praktiziert werden, dann köönte es mir -ich hoffe, ich werde jetzt nicht mißverstanden, letztendlich sogar egal sein,, in welcher Form die Staatsgewalt ausgeübt wird -demokratisch oder wie auch immer-.

Allerdings zeigen mir meine Kenntnisse der Geschichte und meine Kenntnisse über die derzeitige Verfaßheit der Staaten dieser Welt , daß die Idee vom Bestand unverletztlicher und unveräußerlicher Menschenrechte außerhalb demokratisch verfaßter Staaten verrtreten werden kann, zugleich zeigt mir aber die Realität in Geschichte und Gegenwart, daß es unverletztliche und unveräußerliche Menschenrechte in Staaten, die keine demokratische Ordnung haben , nie gegeben hat und nicht gibt.

Im übrigen:
6-
Ich habe den Eindruck, daß wir uns indem, was wir letztendlich wollen, weitgehend einig sind, daß wir uns sogar über die unabdingbare Wechselwirkung von Demokratie und Rechtstaat einig sind, daß wir uns zudem einig sind, daß ein funktionierender demokratischer Rechtsstaat das System der Gewaltenteilung/Gewaltentrennung braucht, daß wir uns also letztendlich " nur " über das Wie , also über das "besten System" von Gewaltenteilung/Gewaltenrennung streiten.

Wenn diese meine Erkenntnis geteilt werden sollte, könnte sie dazu beitragen, daß in dieser Diskussion der von mir bei anderer Gelegenheit eingeforderte Respekt vor der Meinung des Anderen nicht durch " demonstrierte Besserwissere, durch ein m.E. überzogenes verbales Zurechtweisen des Anderen " gefährdet wird..

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

@Andi #27: Eine wirklich fundierte Aussage über die Gefährdung der Handlungsfreiheit des polnischen Verfassungsgerichtes können z.Zt. wohl nur die dortigen Verfassungsrechtler geben, uns fehlt da wohl der Überblick, wieviele Entscheidungen der Vergangenheit z.B. durch die neuen Regeln nicht oder nur mit zeitlich großer Verzögerung zustande gekommen wären. Selbst unser BVerfGericht hat ja ähnliche Spielregeln (etwa den 2/3- bzw. "6 von 8 Richtern"-Anwesenheitszwang in einem Senat für die Spruch-Qualifikation).

Was einen bei den Polen nun halt "verdächtig" vorkommen muss, ist die Eile, mit der die Gesetzesänderung über die Feiertage durchgedrückt wurde und die Streichung des Passus über die Unabhängigkeit des VerfGerichts. Die neuen Detailregelungen (13 von 15, 2/3-Mehrheit) halte ich ohne konkrete Hinweise über die Auswirkungen auf die tägliche Arbeit und speziell auf Normenkontroll-Klagen zunächst mal nicht für sooo "revolutionär".

Andi
Andi
8 Jahre zuvor

@ Walter Stach (# 28):
Danke für die ausführliche Darlegung! Ich denke auch, dass wir uns hier alle wahrscheinlich einiger sind als es den Anschein haben mag.

Mit dem Inhalt vertikaler Gewaltenteilung bin ich vertraut; ich hatte mich gegenüber Klaus Lohmann lediglich gewundert warum dieser Begriff plötzlich auftauchte da wir uns meinem Verständnis nach hier bisher ausschließlich über horizontale Gewaltenteilung unterhalten haben.

Punkt 3 ist sehr richtig; paradoxerweise ist man aufgrund der Staatsstruktur ja kaum irgendwo so sicher vor der Macht des US-Präsidenten wie in den USA selbst. Neben dem Senat als potentiell beschränkender Faktor ist auf jeden Fall auch noch das Repräsentantenhaus zu nennen. Beide gemeinsam sind ja z.B. maßgeblich daran schuld, dass Obama sein Wahlversprechen der Schließung des Guantanamo-Gefängnisses bislang nicht umsetzen konnte. Wenn es genug Wähler für einen Präsidenten Trump geben sollte ist allerdings sehr sicher zu erwarten, dass sich die aktuellen Mehrheitsverhältnisse in der Legislative nicht ändern werden, sprich Legislative und Exekutive wären dann komplett in der Hand der Republikaner. (Wobei die Republikaner im Kongress allerdings gerade auch beweisen, dass sie sich selbst am effektivsten blockieren können.)

WALTER Stach
WALTER Stach
8 Jahre zuvor

Andi
nur noch eine Anregung ergänzend zu den Anmerkungen bezogen auf den US-Senat:

Die Existenz eines sog. Zwei-Kammersystems in einer Demokratie verdient, wenn über "Gewaltenteilung zwecks Verhinderung staatlicher Willkür" im Bereich der Legislative nachgedacht wird, in jeden Falle, z.B. mittels eines Verfassungsvergleich, Beachtung, so wie das hier angeklungen ist.

So weisen z.B. US-Senat und Bundesrat bezüglich der Mitgliedschaft und bezüglich des Status der Mitglieder gravierende Unterschiede auf, die Beachtung verdienen, wenn über das Ob und über das Wie dieser Form von Gewalten-teilung, Gewaltenkonrolle nachgedacht wird.
Die Senatoren werden direkt von den Wählern in den einzelnen Bundesstaaten gewählt, und zwar je 2, völlig unabhängig von der Bevölkerungszahl des Bundesstaates, was zwangsläufig die Frage aufwirft, ob dieser Modus den herkömmlichne Vorstellungen entspricht, wo nach das Mehrheitsprinip ein wesentliches Element der Demokratie ist.

Diese Senatoren sind eigenverantwortlich und weisungsunabhängig.

Die Mitglieder unserer "zweiten Kammer", nämlich die des Bundesrates, sind weisungsgebundene und von ihr bestellte (und von ihr abrufbare)Vertreter der jeweiligen Landesregierung (nicht des Landesparlamentes). Daraus folgt, daß die Stimmen eines Landes immer nur einheitlich abgegeben werden können -alle dafür, alle dagegen oder alle "Enthaltung".

Allerdings wird bei uns "ein wenig" im Gegensatz zu den USA auf die Bevölkerungszahl des einzelnen Bundeslandes bezüglich des "Stimmgewichtes" Rücksicht genommen; so schwankt die Zahl der stimmberechtigen Mitglieder des Bundesrates je nach Größe des Bundeslandes zwischen -höchstens- 6 Stimmen -z.B.NRW- und -mindestens – 3 Stimmen -z.B. die sog. Stadtstaaten. Auch hier ließe sich "demokratietheoretisch" darüber streiten, ob nicht gegen den demokratisschen Grudngdanken verstoßen wird, nach dem das Mehrheitsprinip zu beachten ist (-….NRW nur 6, Bremen 3 ??-.

Auch bezogen auf die Frage nach den "Macht"-befugnissen gibt es signifikante Unterschiediede zwisschen dem US-Senat und unserem Bundesrat, die sich -generell und zusammengefaßt -niederschlagen in einer stärkeren "Machtbefugnis" des US-Senates im Vergleich mit dem Bundesrat.

Trotz dieser gravierenden Unterschiede zwischen US-Senat und Bundesrat läßt sich mit Blick auf die hier geführte Diskussion feststellen, daß in beiden demokratischen Rechtstaates auch mittels des Zweikammersystem Gewalten-teilung und Gewaltenkontrolle -erfolgreich!!- praktiziert wird. Die in diesem Sinne erfolgreiche Praktizierung des Zwei-Kammersystems geht zwangsläufig zu Lasten effektiver und effizienter Entscheidungsprozessse. Damit wird anhand dieses Instrumentes der Gewaltenteilung daran erinnert, daß letztendlich jede Form von Gewaltenteilung, von organisarotischer und personeller Gewaltentrennung zu Lasten der Effektivität und der Effiziens von Entscheidungsprozessen in einer Demokratie geht, sie aber trotzdem gewollt ist, weil sie letztendlich den Mißbrauch von Staatsgewalt verhindern soll -auch von demokratischer legitimierter.

Ich habe mich nur kurz -sh.unser Thema-mit der polnischen Verfassung beschäftigt. Dabei konnte ich feststellen, daß Polen als Einheitsstaat, nicht als Bundesstaat (mit rechtlich selbständigen Mitgliedstaaten) organisiert ist, also insofern in Polen das System vertikaler Gewaltenteilung anders als in denUSA und bei uns nicht gegeben ist.

Es exsitert gleichwohl ein Zwei-Kammersystem -Semj und Senat-. Ich habe mich aus zeitlichen Gründen bisher nicht damti befassen können, dieses polnische Zweikammerssystem z.B. mit dem in den USA und in Deutschland zu vergleichen, kann also insofern vor allem mit Blick auf unser Thema "Gewaltenteilung/Gewaltentrennung" dazu nichts Konkretes anmerken, vor alem kann ich nichts dazuzagen, ob und wie die seitens der Legislative beabsichtigen Änderungen im der Judikative deshalb auf Widerstand stoßen könnten, weil es in Polen dieses Zwei-Kammersystem gibt.

Vielleicht klärt uns dazu jemand, der das polnische Verfassungsrecht kennt, hier im Blog 'mal auf.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

Es geht weiter den Bach runter in Polen:
https://www.tagesschau.de/ausland/polen-mediengesetz-101.html
"Mit der Gesetzesänderung will die PiS-Partei diese Medien in nationale Kulturinstitute umwandeln. Als erster Schritt ist demnach der Austausch der bisherigen Vorstände geplant. Ihre Wahl steht künftig unter stärkerem Einfluss der Regierung."

Auffällig ist auch hier die Eile, mit der PiS ihre "Reformen" im Schweinsgalopp durchs Parlament jagt. Und die (vorhin in einem TV-Interview gesendete) PiS-Begründung, dass man im Staatsfunk alles "neu" machen will, weil die Berichterstattung über die Verfassungsgerichtsreform so "unprofessionell" gewesen sei, sollte ebenso alle Alarmglocken bei Demokraten klingeln lassen.

Gerd
Gerd
8 Jahre zuvor

Ein schönes Schmankerl gehört auf WDR 5. Nachdem die liberale Bürgerplattform die vorletzte Wahl gewonnen hatte, hat sie die Leute der PiS aus dem polnischen staatlichen Rundfunk entfernt und durch ihre Gefolgsleute ersetzt.

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es deswegen Proteste gegeben hätte.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

@Gerd: Schon 2006 hatte die damals PiS-geführte Regierung den Landesrat für öffentlichen Rundfunk (KRRiT (Krajowa Rada Radiofonii i Telewizji)) durch eine umstrittene Gesetzesänderung verkleinern lassen und mit ihren eigenen Leuten besetzt, was durch die Nachfolgeregierung nach der Flugzeugkatastrophe von Smolenks mit ebenso eigenen Leuten wieder rückgängig gemacht wurde, richtig. Und auch Lech Walesa hatte schon erfolgreich einen ihm nicht genehmen Direktor sogar gegen ein Verfassungsgerichtsurteil illegal absetzen lassen.

All diese Missachtungen des Verfassungsrangs des Landesrats sind aber nichts gegen den jetzigen PiS-Versuch, gegen alle Vernunft und in Windeseile den Landesrat und damit die verbriefte Unabhängigkeits-Norm des öffentl. Rundfunks per Gesetz *komplett* abzuschaffen, die Direktorensitze durch u.A. den Finanzminister freihändig zu vergeben und ebenso freihändig zu kündigen und – was gegen eine evt. Rücknahme dieses Mediengesetzes durch eine oppositionelle Nachfolgeregierung spricht – die Finanzierung des polnischen ÖR ebenso komplett von der Regierungshand abhängig zu machen, was die Anstalten vom freien Markt mit der Konkurrenz der Privaten und damit auch von einer wirtschaftlichen Zukunft endgültig abkoppelt.

Dies ist in seiner "allmächtigen" Verfassungswidrigkeit eine völlig andere Qualität von Mediendiktatur als die alle paar Jahre illegal ausgetauschten Direktoren und deswegen ist die externe Kritik daran mehr als berechtigt.

abraxasrgb
abraxasrgb
8 Jahre zuvor

Ich habe keine blassen Schimmer, wie die Lage in Polen ist, aber eine Regierung, die in Deutschland ARD, ZDF bzw. GEZ abschaffte, wäre mir sehr willkommen. Das wäre mal ein richtig guter Vorsatz!
Kein Claus Kleber mehr etc. 8,5 Milliarden Euro für sinnvolle Dinge 😉

Gerd
Gerd
8 Jahre zuvor

Das Problem ist, dass sie den staatlichen Rundfunk eben nicht abschaffen, sondern kontrollieren wollen. Sie machen das nur etwas weniger "elegant" als ihre Vorgänger.

trackback

[…] Nachdem die völkisch-nationalistische Recht und Gerechtigkeit (PiS) in der letzten Woche die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtes abgeschafft hatte, passierte am 30.12. ein Gesetz das PiS-dominierte Parlament, das die Freiheit der […]

Reginald
Reginald
3 Jahre zuvor

Was suchen diese Menschen dann noch in der EU?Sie können doch austreten.Wie das geht haben doch die Engländer gerade vorgemacht.

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