Ein besonders großer Fan von Ortsvereinssitzungen bin ich, als ich noch Mitglied der SPD war, wirklich nie gewesen. Es gab dort Genossen die ich eher weniger gerne gesehen habe. Und nicht alle Themen, die auf der Tagesordnung standen, haben mich interessiert.
Die Locations an denen die SPD-Ortsvereinsversammlungen stattfanden, waren teilweise Orte, an denen ich nicht mal tot überm Gartenzaun hängen wollte.
Das beste an diesen Veranstaltungen war eigentlich immer nur das Bier.
Gestern, am Freitag, war ich, nach fast 20 Jahren, mal wieder bei einem örtlichen Parteistammtisch.
Und bei der, eigentlich, ersten CDU-Basisveranstaltung meines Lebens:
Von einer Veranstaltung der CDU-Duisburg im Jahre 1990, auf der damals der zu dieser Zeit amtierende Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) zu Gast war, mal abgesehen.
Auf ein Bier bei der CDU Neukirchen-Vluyn!
Mein erster CDU-Stammtisch fand, wie auch sonst in Zeiten von COVID-19, virtuell statt.
Vorab: Ich war mehr als positiv überrascht.
Vielleicht führt die Digitalisierung und die aktuelle Lage dazu, dass Politik vor Ort wieder für Menschen interessant wird.
Und sich mehr Menschen lokal und in demokratischen Parteien wie CDU, CSU, SPD, FDP oder Bündnis90/Grüne engagieren. Schlecht wäre ein solcher Nebeneffekt wegen der aktuellen Lage mit Sicherheit nicht.
CDU Neukirchen-Vluyn: Lokal und global aktiv
Zugegeben: Hinweise zu CDU-Veranstaltungen sehe ich, in meinem Facebook-Newsfeed, eher selten. Sogar noch seltener als AfD-Propaganda und Veranstaltungshinweise wie z.B. „Vortrag: Errichtung einer Botschaft für Außerirdische“ und Neuigkeiten zu Adrenochrom.
Wehalb der Veranstaltungshinweis „Digitaler CDU-Stammtisch am 17. April, um 19 Uhr“ überhaupt in meinem Newsfeed auftauchte:
Das wissen wohl nur Gott und der Facebook-Algorithmus.
Genau dies aber mag der Grund gewesen sein, dass mir der Hinweis auf den digitalen Stammtisch der CDU Neukirchen-Vluyn überhaupt ins Auge fiel.
Und meine Neugierde weckte.
COVID-19 und der Umgang damit: Es war eine spannende Woche in NRW
In NRW wurden in dieser Woche ein Strategiewechsel beim Umgang mit der Corona-Krise vollzogen.
Das österliche Vorpreschen von Armin Laschet (CDU) und der Strategiewechsel im Umgang mit COVID-19 findet nicht ausschließlich Beifall. Ja: Auch ich hätte mir eine Verlängerung der harten Linie bis Ende Mai gewünscht.
Eine CDU-Veranstaltung, auch virtuell, kann in diesen Zeiten interessant und aufschlußreich sein: Das Land wird ja schließlich von einer CDU/FDP-Regierung gelenkt.
Die Beschreibung der Veranstaltung klang deshalb vielversprechend für mich:
Was ändert sich mit den Entscheidungen in Bund und Land zur Corona-Krise für uns? Wir laden zum Austausch mit Kerstin Radomski, MdB und Charlotte Quik, MdL ein.
Aktuell leben wir in der Zeit der größten Krise seit Gründung der Bundesrepublik. Es herrscht Unsicherheit in der Bevölkerung. Es gibt Ängste und viele offene Fragen.
Chapeau, CDU Neukirchen-Vluyn!
Das ein CDU-Stadtverband auf diese Situation reagiert und, neben Vertretern der Lokalpolitik, gleichzeitig eine Vertreterin aus dem Landtag und ein Mitglied des Bundestages in so eine Veranstaltung einbindet: Chapeau!
Sich vor Ort und global zu vernetzen und kommunizieren: Dies ist ja der Grundgedanke der Idee des Internets .
Ortsvereinsversammlungen mit einem MdB oder einem MdL: Klar. Die habe ich schonmal erlebt. Auf Unterbezirksparteitagen hat man früher auch schon alle Vertreter aus Bundestag und Landtag zusammen gesehen.
Eine Versammlung auf Basisebene, bei der gleichzeitig Vertreter des Bundes- und Landtages plus Vertreter aus dem Rat der Stadt anwesend waren: Kannte ich bisher nicht – oder ich erinnere mich nicht daran, was jedenfalls nicht für einen besonderen Unterhaltungs- und Informationswert der Veranstaltung sprechen würde.
Ich war etwas verspätet dran beim Stammtisch: Die Anmeldeinformationen, die ich brauchte um dem virtuellen Stammtisch auf der Plattform Webex.com beizutreten, hatte ich bereits am Mittag des Veranstaltungstages per Email erhalten. Kompliziert war es nicht, um beim digitalen Stammtisch mitzumachen.
Veranstaltungsort war ein virtueller Raum auf der Plattform Webex.com.
Eine Info vorab: Ich bin kein Christdemokrat
Beim Beitritt zum Stammtisch hatte ich, zuerst, ein ähnliches Gefühl, wie es auch Neil Armstrong beim Betreten des Mondes verspürt haben dürfte.
Naja, so ungefähr:
Ein richtiger Anhänger der CDU war ich wirklich nie.
Habe aber, seit Angela Merkel als Bundeskanzlerin agiert, meinen Frieden mit dieser „erneuerten CDU“ gemacht. Die Stahlhelm-Fraktion um Alfred Dregger besteht, aus biologischen Gründen, nicht mehr.
Leute wie Roland Koch haben sich aus der aktiven Politik zurückgezogen. Bei meiner letzten Gemeinderatswahl habe ich CDU gewählt, wobei es – zugegeben – in der schwäbischen Provinz als einzige Alternative nur noch die Freien Wähler gab.
Bei der letzten Bundestagswahl habe ich erstmals mein Kreuz bei der CDU gemacht:
Mangels vernünftiger Alternativen. Wenn Markus Söder (CSU), der während seiner Zeit als Generalsekretär der CSU eindeutig bei mir in die Kategorie „Reizfigur“ fiel, heute spricht, bemerke ich seit dem Terroranschlag von Halle immer wieder, wie ich innerlich nicke und seinen Aussagen und Analysen zustimme.
Meine Gefühle für die CDU kann man heuer als ambivalent bezeichnen.
Kommen wir zum digitalen Stammtisch!
Digitale Debatte: Spannend und informativ zugleich
Erstaunlicherweise war dieser Stammtisch ab der ersten Minute spannend und informativ:
Überraschend deshalb, weil dieser virtuelle Stammtisch nichts – wirklich: gar nichts – mit meinen bisherigen Erfahrungen in Sachen „örtliche Parteiversammlungen“ gemein hatte.
Das Klima war superfreundlich. Keine Frage: Politisch interessierte Menschen vor Ort, können so durchaus motiviert werden sich einzumischen. Auch parteipolitisch für die CDU.
Als die Piratenpartei noch real existierte und sowas wie Netzpolitik betrieben hat, habe ich die digitalen Parteiversammlungen dieser Netzpartei als „interessante Ergänzung“ zu richtigen Veranstaltungen gesehen.
Niederschwelliges Angebot für Menschen vor Ort
Diese Sichtweise habe ich gestern Abend verworfen: Dieses Format ist vielleicht die beste Möglichkeit, um Menschen vor Ort wieder für Politik zu begeistern.
Ein noch niederschwelligeres Angebot, um lokal ansässige Bürger am politischen Diskurs teilhaben zu lassen, ist für mich schwer vorstellbar.
Die Themen bei diesem Stammtisch hatten, natürlich, alle irgendwie mit Corona zu tun.
Auch für mich, als Nichteinwohner von Neukirchen-Vluyn, waren die lokalen Themen trotzdem interessant:
Weil Einwohner von Essen, Duisburg, Bochum, Düsseldorf, Neuschwanstein, Eckernförde oder sonstwo in Deutschland, aktuell wohl die gleichen Fragen und Ängste haben.
COVID-19 und die Folgen vor Ort
Heiko Haaz, selbständiger Unternehmer und Vizefraktionsvorsitzender der CDU im Stadtrat von Neukirchen-Vluyn formuliert in einer seiner Wortmeldungen seine Sicht der Maßnahmen in NRW und spricht dabei Punkte – Wieso dürfen nur Geschäfte unter 800 qm öffnen? – an, die auch mich beschäftigen.
Was wir gerade machen ist, so im Dunkeln ein Schritt nacheinander vortasten. Das die 800 qm natürlich willkürlich aus der Luft gegriffen sind, ist klar. Aber, Charlotte Quick hat das gerade schön gesagt, über allem muss der Gesundheitsschutz stehen. Wir brauchen eine gewisse Reaktionszeit.
Charlotte Quick, Mitglied des Landtages von NRW geht darauf und auf die Folgefrage, wieso die Grenzen zu den Niederlanden nicht stärker kontrolliert werden, ein.
Tatsächlich ist es momentan ein bißchen wie stochern im Nebel. Alles was wir tun, ist ein großes Experiment.
Diese Sicht auf die aktuelle Lage und der Anteil an „vorsichtiger Skepsis“ in den Antworten: Ich sehe sehe den schrittweisen Rückbau der Sicherheitsmaßnahmen, aufgrund des Blicks auf die Hintergründe, jetzt mit weniger Angst als zuvor.
Politische Entscheidungen transparent dargestellt
Auch Maßnahmen die bei mir, beim schnellen Überlesen von News, große Fragezeichen im Gehirn hervorrufen: Im direkten Dialog wird die Logik hinter, auf dem ersten Blick unlogischen Entscheidungen, klar.
„Wieso dürfen Friseure demnächst öffnen, das an den Friseur angrenzende Nagelstudio aber nicht?“ – die Antwort ist simpel: Damit man beobachten kann was passiert und wie sich diese schrittweise Öffnung auswirkt. Und um dann reagieren zu können: Durch Öffnungen von anderen Geschäften – oder Rücknahme des Öffnungsbeschlusses.
Warum die Grenze zu den Niederlanden nicht so stark bewacht wird wie andere Grenzen?
Weil die Befürchtungen von grenznahen Kommunen, dass sich die Deutschen in Scharen in die Niederlande bewegen um dort zu shoppen, nicht eingetreten sind.
Auch hier: Die Situation wird beobachtet und bewertet – um eventuell darauf reagieren zu können, falls doch noch problematische Massenwanderungen ins Nachbarland stattfinden.
Die Lage von Selbständigen. Der Ausfall des Klompenballs (Ein Volksfest in Neukirchen-Vluyn, das mir bis jetzt auch unbekannt war!) und die schwierige Situation von Schaustellern. Die Probleme von Werbeagenturen die in diesem Bereich tätig sind.
Die Probleme für Kinder und Jugendliche, die auf Freizeitaktivitäten verzichten müssen.
Der Wegfall von Ferienaktivitäten.
Die aktuelle Lage in Firmen, die auf Einnahmen verzichten müssen und auf Zahlungen anderer Firmen, die aktuell in wirtschaftliche Schieflage geraten sind, warten.
Betriebliche Weiterbildungen.
Die Behandlung aller Themen, die während des Stammtischs besprochen wurden, würde den Umfang dieses Beitrags sprengen.
Prima Atmosphäre beim digitalen Stammtisch
Kurz zusammengefasst: Der Stammtisch verläuft permanent in freundschaftlicher Atmosphäre. Ich bin nicht der einzige Nicht-CDUler in dieser Veranstaltung. Der Stammtisch ist offen für alle Interessierten.
Das Zusammenspiel von Moderator Markus Meyer, Gastgeberin Karin Keesen, Ratsmitgliedern in Neukirchen-Vluyn, wie z.B. Markus Meyer und Heiko Haaz, MdB Kerstin Radomski und MdL Charlotte Quick lief perfekt.
Langweilig war der Stammtisch zu keinem Zeitpunkt. Es gab viel Information!
Eine Sache war da noch Thema beim Stammtisch. Diese verdient besondere Erwähnung.
Netzpolitik 3.0
Wer sich über diese Überschrift wundert: Netzpolitik 2.0 war, vor ewigen Zeiten, eine Überschrift im Blog Netzpolitik.org. Viel getan hat sich, seit der Zeit als Internet „Neuland“ war, nicht.
Die Landesmedienanstalt NRW tastet sich wieder in den Bereich Zensur vor und bringt aktuell Netzsperren ins Spiel. Der Netzausbau in Deutschland ist, nennen wir es mal „optimierungsbedürftig“. Das in der Vergangenheit nicht verstärkt über digitales Lernen nachgedacht wurde, rächt sich heute.
Beim Stammtisch der CDU Neukirchen-Vluyn wurden die Probleme, die Deutschland in Sachen „digitale Kommunikation“ bekanntlich hat, ebenfalls angeschnitten.
Der Analyse der aktuellen Lage die beim Stammtisch erfolgte, konnte ich in großen Teilen zustimmen. Der „schwarze Peter“, ich hasse diese Formulierung, wurde dabei, auf NRW bezogen, an die Vorgängerregierung weitergereicht.
Das sehe ich anders: Auch die Bundespolitik hat hier geschlafen und man kann in Sachen Netzpolitik, meiner Meinung nach, CDU und SPD durchaus in einen Sack stecken – und trifft beim draufschlagen immer den Richtigen. Aber: OK, klar – es handelt sich um einen CDU-Stammtisch.
Vielleicht tut sich endlich was in Sachen Internet
Das aber, über das Thema „digitale Bildung“ und Defizite bei LOGINEO (Digitale Plattform für Schulen in NRW zur Kommunikation zwischen Lehrkräften und zur Planung schulischer Abläufe.) eine Diskussion über Mängel in der Digitalpolitik entsteht, gibt Hoffnung.
Ich habe diese Diskussion und den Ausführungen sehr interessiert verfolgt: Nicht nur fehlende Plattformen für virtuelle Bildung waren hier Thema, sondern auch soziale Fragen: Nicht jedes Kind hat Zugriff auf ein Tablet oder einen PC – wie geht man damit um?
Was muss hier politisch geschehen um Bildung, auch digital, für jedes Kind sicherzustellen?
Eine Diskussion, die uns wegen der COVID-19-Krise noch lange verfolgen wird: Billig und schnell sind die Maßnahmen, die hier notwenig sind, nicht umzusetzen.
Ich nenne das, was da jetzt folgt, in Anlehnung an die wenig beachteten Forderungen aus der Nachkriegszeit zum Thema Internet, jetzt mal Netzpolitik 3.0: Das wird spannend bleiben!
Was für mich feststeht: Mein erster Digitaler CDU-Stammtisch wird nicht meine letzte digitale Parteiveranstaltung gewesen sein.
Klasse: Näher und direkter können sich Menschen vor Ort nicht bei ihrem Abgeordneten – im Stadtrat, Landtag oder Bundestag – informieren.
Fakten und Diskurs sind die besten Mittel um billigen Populisten das Wasser abzugraben.
Dieses Format eines Stammtisches sollte, auch nach Ende der Krise, keine Ausnahme sein.
Beim nächsten Mal werde ich mich nicht nur auf die Faszination des Events an sich konzentrieren, sondern den geilsten Vorteil dieses Mediums nutzen: Die Möglichkeit zeitgleich Mitgliederdes Landtages und Bundestages zu aktuellen Themen zu befragen, hat man nicht jeden Tag.
Ja: An der nächsten Veranstaltung, mit ähnlicher Zusammensetzung, werde ich wieder teilnehmen. Auch um mich zu überzeugen, dass mir entweder beim freitäglichen Stammtisch etwas entgangen ist oder die CDU Neukirchen-Vluyn „nachgebessert“ hat.
Was mich beim Stammtisch der CDU etwas traurig stimmte
Eigentlich gilt: Kein Stammtisch ohne Bier! Der Stimmung wegen habe ich ein Hefe-Weißbier während des Stammtischs genossen – ich glaube aber, ich war der einzige Teilnehmer der mit dieser Grundlage jedes Stammtisches vor der Webcam saß.
Beim nächsten Stammtisch werde ich mich davon überzeugen, dass hier nachgebessert wurde.
Oder um es mit den Worten eines Vorsitzenden einer anderen PARTEI zu formulieren: Das Bier entscheidet!
Klingt spannend, hängt aber natürlich auch von den Teilnehmern ab.
Ja, Corona ist neu, wir müssen uns agil herantasten und mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen auch etwas wagen.
Es ist gut, dass in NRW Bewegung ins Land kommt.
Unsere Vorfahren haben in glühender Hitze fast ohne Schutz gearbeitet oder in tiefen Löchern.
Die aktuelle Generation hofft in einigen Teilen, dass das Geld vom Himmel fällt und man sich nur still verhalten muss.
Die trotzdem anfallende Arbeit machen natürlich die Helden!
[…] einem Monat war ich zu Gast bei meinem ersten (virtuellen) CDU-Stammtisch. Am Freitag fand der zweite Stammtisch statt. Wieder virtuell. Übermüdet, aber neugierig, war ich […]
[…] in die Tischplatte gebissen.) und danach Fragen an Peter Ibe, Ratsherr der CDU in Duisburg sowie Charlotte Quik (Mitglied des Landtages NRW) […]