Machen sie das auch umsonst? Nööööö, sollte man sagen. Von unserer Gastautorin Anne Winterhagen.
Bei den „Praktikumsinformationsveranstaltungen“ an der Uni sagen Sie einem, dass man dankbar sein soll, ein Praktikum machen zu dürfen: etwas lernen zu dürfen, – auch wenn man kein Geld dafür bekommt. Wo das Geld herkommen soll, sagen sie einem nicht.
Der doofe Comicpraktikant auf der Powerpointfolie grinst den Betrachter widerlich an – und hält ihm eine Kaffeetasse entgegen.
„Noch mehr Zucker? Ich geh schon, Chef!“ steht in einer Sprechblase. Darunter steht: „Cartoon“, als ob das eine Erklärung dafür sei, dass es schlecht ist.
Oben auf der Folie 6 steht dick: Außeruniversitäre Kompetenzen.
„Flexibel sein, anspruchslos, Gute Schluckreflexe haben wie eine Profihure. Reiche Eltern haben – oder nachts einen Nebenjob in irgend einem Lager machen und Aufputscher nehmen.Das sind die Kompetenzen, die sie sich wünschen.“ denke ich mir.
Sogar im kleinen Gewürzshop um die Ecke steht an einer Fensterscheibe „Praktikanten gesucht“ und an der anderen„Aushilfe gesucht“ – und wenn man reingeht und sie sehen dass man halbwegs jung ist, wollen sie einen überreden, ein unbezahlts Praktikum bei ihnen zu machen. Von der Aushilfsstelle reden sie nicht so gern.
Aber das nur nebenbei: Zurück zur Uni.
„Sie würden eh nicht so einfach ein bezahltes Praktikum finden, – werden aber ohne das „Pflichtpraktikum“ keinen Abschluss bekommen.Jede Weigerung gegen die Sklavenarbeit ist also zwecklos“, die seltsame Frau, die da vorne unter der Folie rumsteht, lacht.
Man soll es wohl mit Humor sehen.Die hat gut reden, ist 60 und fertig mit sich.
Soll das eigentlich eine Vorbereitung auf das normale Leben sein – oder eine polemische, pessimistische Scheiße? Das frage ich mich. Werden die Leute durch so eine Behandlung anpassungsfähig und belastbar – oder schal und langweilig?
Sind nicht am Ende die, die an ihre eigene Arbeit als bezahlungswürdig glauben – besser im Job? Besser als die Studenten, die sich selber zwischen Bachelor – Modulplan, unbezahltem Praktikum und schlecht bezahltem Nebenjob, zu einem Haufen Holzspähne mit Minderwertigkeitskomplex zerreiben lassen (müssen!). Ich glaube das! Doch keiner traut sich etwas zu sagen. Ich auch nicht – und auch der Typ vom Asta sagt nichts, arbeitet schon lange auf ein unbezahltes Praktium bei einer Partei hin, welche sich für besser bezahlte Praktika einsetzt. Die einzige Revolution feiern die Haare des Asta-Mannes und vielleicht seine T- Shirtaufsdruck mit dem Rasta-Mann. Anarchistisch anmutender Arschkriecher sucht Praktikum. Hier passt das. Jeder dieser Kriecher ist sich selbst aber sowas von am nächsten.
Zusammen eine Generation, denn was bleibt und übrig. Ich denke in dem Moment an diesen Satz aus einem But-Alive Song.
Ich geh raus aus der komischen „Show“, hab keinen Bock mehr auf die Powerpoint 7 mit der Aufschrift: Dein Praktikum im Ausland. Ich hab schon genung gemacht, unter anderem ein unbezahltes Jahrespraktikum bei einem Stadttheater. Dort nennt man das Hospitation und weiss auch genau warum. Ein ganzes Jahr jeden Tag 9 Stunden „hospitieren“. Zu viele sind geil auf den Job in einem Theater. Zu viele sind geil auf irgendwie alle Jobs, die angeboten werden. Ich beschließe mich nicht mehr verarschen zu lassen,will kein Tennisball sein und die Alten sind die Schläger,die auf mich eindreschen. Weiss aber nicht, wie das gehen soll und auch ob ich nicht ziemlich allein damit stehe.
Vor der Tür des Hörsaals steht auch so eine:
Oh mein Gott sagt sie in ihr Iphone.Oh mein Gott…mein Chef erlaubt das nie, 3 x Praktikum und Uni und alles. Ey, ich bin sooo müde. Ich bin jetzt schon soooo müde.
Aufputscher, denke ich.
Das ist der Unterschied zwischen dem Ruhrgebiet und z.B. Silicon Valley: In Kalifornien stiftet man Studenten zur Unternehmensgründung an. Im Ruhrgebiet zur demütigen Bewerbung um ein kostenloses Praktikum. Weil, hiesige Unternehmen nur noch über den Preis konkurrieren können, und nicht mehr über Vorsprung durch Technik oder Design. Und weil viele Hochschulangestellte nix über die Welt da draußen wissen.
Das ist der Unterschied zwischen Deutschland und z.B. Silicon Valley: Deutsche Studenten träumen -laut Zeitungsberichten- vom Einstieg in den öffentlichen Dienst oder beamtenhaften Großunternehmen.
Peer Steinbrück hat mal gesagt: Wessen Geschäftsmodell auf Aufstockern und kostenlosen Praktikanten basiert, hat kein Geschäftsmodell.
Da hat er recht. Solche Unternehmen würde ich meiden. Außer, wenn sie sich gerade in Gründung befinden.
Kann man da keinen Informationsaustausch über Praktikumsangebote organisieren? Oder gibt es diese Infos nicht längst auf kununu.com usw.?
So gut, so treffend, so böse! Es ist eh ein Unding, dass in einem kapitalistischen Staat öffentlich verordnete Zwangsarbeit herrscht.
„Oh, Sie wollen bei uns studieren? Gar kein Problem, sie müssen nur erst ein dreimonatiges (besser sechsmonatige) Praktikum in dem Bereich machen, damit Sie überhaupt in Frage kommen. Wie wäre es denn mit einem FSJ?“ „Oh, jetzt wollen Sie Ihren Abschluss haben? Na dann arbeiten Sie doch erst einmal ein halbes Jahr für umsonst, dann machen wir mit den Prüfungen weiter!“ „Oh, Sie wollen also die Festanstellung bei uns? Na dann machen Sie doch ein erst einmal ein Jahr Trainee auf 400-Euro-Basis.“ „Das tut uns jtezt aber leid, Ihre Konkurrentin aus Blankenese hatte leider schon ein dreijähriges Work-and-Travel-Programm vorzuweisen, da ist dann doch weitaus mehr Erfahrung vorhanden. Wir wünschen Ihnen aber alles Gute auf Ihrem weiteren Weg. Noch ein Tip unter uns: Ich habe gehört, da gibt es ein todsicheres Praktikum mit Übernahmegarantier bei…“
Welches Fach?
Die mir bekannten Ingenieure und Physiker werden idR waehrend Praktika nicht schlecht bezahlt…
Wunderbar bös geschrieben.