Nach Aussage von Marketing-Experten ist die Marke Coca-Cola heute rund 50 Milliarden Euro wert. Damit ist sie die weltweit wertvollste Marke für ein Industrieprodukt. Noch wertvoller ist die Marke "Made in Germany", der Barwert des dadurch auf den Weltmärkten erzielbaren und immer wieder erzielten Mehrerlöses für deutsche Exporte aller Art beläuft sich auf über 300 Milliarden Euro. Von unserem Gastautor Walter Krämer
Leider hat noch kein Marketing-Experte den Wert der Marke "Diplom-Ingenieur" quantifiziert. Vermutlich kämen auch hier mehrere Milliarden Euro zusammen. Denn in jahrzehntelanger Aufbauarbeit haben deutsche Hochschulen und deutsche Hochschulabsolventen auf allen Weltmärkten einen mehr als ausgezeichneten Ruf für dieses Vorzeigeprodukt erworben – wenn sich in Rio de Janeiro, Kuala Lumpur oder Bangkok ein deutscher Diplom-Ingenieur und ein amerikanischer Master-Absolvent für einen Arbeitsplatz bewerben, wird in der Regel der deutsche Diplom-Ingenieur genommen.
Jetzt wirft man diese Marke ohne Gegenleistung für die zwei gesichtslosen und austauschbaren Micky-Maus-Grade Bachelor und Master weg. Jeder Verkaufschef eines gewinnorientierten Unternehmens würde wegen eines solchen Fehlverhaltens auf der Stelle entlassen. Aber deutsche Kultusbürokraten dürfen das.
Und nicht nur in den Ingenieurwissenschaften vernichtet das Verbot der bewährten Diplom-Studiengänge unermessliches Human- wie Sachkapital, das vermutlich erst von künftigen Generationen korrekt beziffert werden kann, von den sonstigen Nebenwirkungen der unseligen Bologna-Reform ganz zu schweigen. So hat etwa an meiner eigenen Fakultät Statistik an der TU Dortmund der Anteil der Studierenden mit Auslandserfahrung dramatisch abgenommen – nach Leuten, die etwa mit ERASMUS auch mal außerhalb der Landesgrenzen studieren wollen, muß man seit Bologna mit der Lupe suchen. Und auch anderswo wird die Mobilität der Studierenden durch die Zwangsamerikanisierung des deutschen Universitätsstudiums nicht größer, sondern kleiner, das Studium bis zu einem berufsqualifizierenden Abschluß wird nicht kürzer, sondern länger und die Akzeptanz der Absolventen auf dem Arbeitsmarkt wird nicht besser, sondern schlechter. Das nenne ich Kulturkriminalität. Und es ist beschämend, wie wenig sich die deutsche Hochschullehrerschaft dagegen aufbäumt, wie rückgratlos man diesen Unsinn mitmacht und sich wieder einmal von ideologisch verblendeten Ministerialbürokraten und ein paar selbsternannten Hochschulreformern aus Gütersloh am Nasenring durch die Manege führen läßt.
Da wird mir zu arg der Mythos des deutschen Ingenieurs beschworen. Selbst Aachen und Darmstadt können seit Jahrzehnten nicht mit dem MIT mithalten – und welchen Abschluss erhält man dort? Genau, einen Master – und der ist weder ein Micky- noch ein Mausabschluss. Gerade für viele Geisteswissenschaftler ist der BA eine Chance – besser ein „kleiner“ Abschluss als gar keiner – und der Studienabbruch hatte dort eine lange Tradition.
Non Rite.
Richtig, Walter Krämer. Richtig ist die Diagnose der Vernichtung von Human und Sachkapital. Der Dilettantismus greift schon länger her ums sich. Von wegen Alltags- und Handlungskompetenz.
Aber Bologna und Micky-Maus sind m.E. eher Symptom als Ursache. Es muss ja handfeste Ursachen geben für die Vernichtung von Human- und Sachkapital.
Auch hat der Entwertungsprozess schon früher eingesetzt und er umfasst auch nicht nur Studienabschlüsse sondern das gesamte System der Bildung und Ausbildung; angefangen in den Schulen und Unis bis zur immer weniger dualen Ausbildung.
Was mich – auch im Arbeitsalltag – zunehmend nervt und entgeistert sind Folgen des Austreiben des Praxisbezuges aus allen Lernzusammenhängen.
Was ist schon Wissen wert, wenn das Können fehlt.
Stichwort Wissensgesellschaft. Ein gefährlicher Wahn.