Premiere in Dortmund: Das Maschinengewehr Gottes von Wenzel Storch

Andreas Beck Thorsten Bihegue
Andreas Beck und Thorsten Bihegue

In der vergangenen Spielzeit lud Wenzel Storch uns in den Wigwam, um Interessantes aus der katholischen Aufklärungsliteratur zu erzählen. Es war seine erste Theaterarbeit und so unterhaltsam sie war, sah man ihr auch das Anfängertum noch deutlich an. Aber Storch lernt dazu und zeigt nun mit „Das Maschinengewehr Gottes“ seine zweite Arbeit, die nicht weniger unterhaltsam ist, aber zudem auch eine klare Haltung zu den Mitteln des Theaters und zur Erzählweise entwickelt. Entstanden ist eine Art kunstvoll dilettantisches Weihnachtsmärchen für Erwachsene. Zu Beginn führen Ekkehard Freye als Postbote und Maximilian Kurt als Gemeindehelferin vor dem katholischvioletten Vorhang in das Thema ein. Um die katholische Kriminalliteratur geht es und im Speziellen um den Schlüsselroman „Das Maschinengewehr Gottes“, der sich auf den  Wanderprediger Johannes Leppich bezieht. Die krude Geschichte über drei MinistrantInnen, denen der Priester abhanden gekommen ist, die in ihrer Not einen neuen aus dem Katalog des christlichen Kaufhauses bestellen, der sich schnell als amoklaufender Roboter entpuppt und in seinem aufgeplatzten Bauch einen Hinweis auf einen Nonnenorden in Oberschlesien enthält, beginnt. Die drei machen sich auf den beschwerlichen Weg durch das Rotebetemassiv und finden schließlich die Nonnen des heiligen Seepferdchens. Thorsten Bihegue, der im Wigwam bereits den dramaturgenhaftesten Dramaturgen der Theatergeschichte gab, ist hier nun ein herrlich hölzerner Oberministrant. Ebenfalls schon bekannt aus dem Wigwam ist Heinrich Fischer, der diesmal als Klassenlehrer, Doktor Drammammapp, Kammerherr und fehlgeleiteter Kaplan Buffo agiert. Finnja Loddenkemper und Leon Müller vom Jugendclub Theaterpartisanen sind ebenfalls wieder mit dabei und komplettieren das MinistrantInnentrio. Auf ihrer Reise begegnen sie mehrfach Andreas Beck als Bruder Stanislaus, Maschinengewehr Gottes, Schankwirtin, Weihbischof und Bauer Hümpel: Immer bühnenfüllend und stets besoffen, gelegentlich auch kurz vor dem Delirium tremens. Ekkehard Freye führt als Gemeindehelfer und Postbote durch die Geschichte, bis er zuletzt als geil sabbernde Schwester Britta die Geheimnisse der verstorbenen Schwester Ejakulata und des Hostinettenbärs zu wahren versucht.
Diverse Abenteuer müssen die drei auf ihrer Reise durch Bühnenbilder voller tanzender Bäume und glitzernder Rote Bete bestehen. Das alles hat Pia Maria Meckert gebaut und es sieht wunderbar nach Kasperle- oder Schultheater aus. Schon lange sah man nicht mehr so herrlich pappmascheeiges Mauerwerk auf der Bühne wie hier. Den rätselhaften oberschlesischen Nonnenorden geben die Damen des Dortmunder Sprechchores gemeinsam mit Julia Schubert als Schwester Adelheid, die zum Finale ihre berühmte Milchsuppe kocht.
Was Wenzel Storch hier zusammenzimmert ist immer großer Trash, meist tatsächlich brüllkomisch und hat Charme. Auch wenn es um die Verirrungen der katholischen Kirche geht, muss selbst der artige Katholik sich nicht allzusehr fürchten, denn sein Glaube wird wohl nicht in den Grundfesten erschüttert werden. Wer großes Theater erwartet, sollte sich eher fernhalten. Das kann und will Wenzel Storch nicht liefern, aber was er mit dem „Maschinengewehr Gottes“ liefert, macht Menschen mit leicht abwegigem Humor viel Spaß.

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WALTER Stach
WALTER Stach
8 Jahre zuvor

"Man" kommt der Persönlichkeit des Jesuitenpater Leppich, "man" kommt erstrecht seinem Wirken in und seiner Wirkung auf die Gesellschaft in der BRD in den 5oer6oer Jahren nicht hinreichend mit der Begrifflichkeit "Wanderprediger aus Schlesien" nahe.

Er wurde von Anhängern, Verehrern, Bewundern -nicht von seinen vielen Gegnern, von seinen vielen Feinden- "Maschinengewehr Gottes" genannt. Einge seiner Gegner -auch aus "seiner" kath.Kirche – haben ihn damals Hassprediger genannt. Letzteres mag heutzutage mit Blick auf sog. islamistischen Hassprediger erwähnens- und nachdenkenswert sein.

Um quantitativ seine Bedeutung in den 5oer/6oer zu belegen, verweise ich darauf, daß bei seinen öffentlichen Auftitten bis zu 5o.ooo Zuhörer anwesend waren. Wenn ich mich recht erinnere, z.B. 1954 in Bochum rd.20.000 !

"Lohnt" es sich, über Leppich heute noch zu diskutieren?
Das kann jeder für sich entscheiden, nach dem er sich mit der Person Leppich, vor alem mit dem Inhalt seiner vielen Reden in den 5oer/6oer Jahren näher befaßt hat.
Mir scheint jedenfalls, daß so Manches, was Leppich in extremer Radikalität senerzeit gesagt hat, sich in Verbindung bringen läßt mit dem, was heutzutage radikale Evangelikaler in den USA oder, wenn auch mit anderem religiösen Hintergrund, von radikal-fanatischen Islamisten verkündet wird.

WALTER Stach
WALTER Stach
8 Jahre zuvor

Nachtrag:
Sorry; ich habe mit meinen "Anmerkungen zu Johannes Leppich" nicht ablenken wollen von dem hier Wesentlichen, nämlich von der Vorstellung einer neuern Theaterarbeit , von deren Rezension und von einer Diskussion darüber.

Ich war eben überrascht, nach vielen, vielen Jahren Johannes Leppich in einem Text erwähnt zu finden und konnte mir spontane Anmerkungen zu Johannes Leppich nicht verkneifen.,

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