Paul Linckes Operette „Frau Luna“ ist vor allem deshalb bekannt, weil das 1899 uraufgeführte Werk den Beginn der „Berliner Operette“ markiert. Das Genre hatte bis dahin schon einen weiten Weg zurück gelegt, vom parodistischen Dadaismus in Paris über die Wiener Operette, die als Feier der erotischen Freizügigkeit begann, um dann mehr und mehr moralisch eingehegt zu werden. Der wirtschaftliche Erfolg der Wiener Operette machte das Genre schließlich für Berlin attraktiv. Frau Luna wartet mit einer guten Handvoll Schlager auf, die bis heute bekannt sind, allen voran „Das macht die Berliner Luft, Luft, Luft“, der mit seinem Marschrhythmus auch gleich einen der wesentlichen Unterschiede zur Wiener Operette zeigt. Während dort noch geschmeidige Eleganz dominiert, ist der Sound in Berlin hemdsärmeliger. Bei Frau Luna zeigt sich das überdeutlich im Orchesterarrangement, das kaum Finesse oder Witz zeigt und manchmal fast hölzern daher kommt. Zudem ist Frau Luna was die Story angeht beinahe rudimentär: Fritz Steppke lebt in einem Berliner Mietshaus, wo der Mechaniker einen Mondballon konstruiert. Als die Wirtin Frau Pusebach ihm kündigt, startet er gemeinsam mit zwei Freunden ins All, versehentlich mit Frau Pusebach wortwörtlich im Schlepptau. Auf dem Mond wird gerade der all-500-jährige Mondball vorbereitet. Während des Festes gibt es einige amouröse Verwirrungen am Rande, die sich aber schnell wieder in Wohlgefallen auflösen. Unterschwellige Erzählungen über gesellschaftliche Brüche und Abgründe wie in den großen Wiener Operetten sucht man hier vergebens. Die Geschichte ist eine Rahmenhandlung für eine große Revue. Das macht es für die Regie heute nicht gerade leichter, Frau Luna auf der Opernbühne noch etwas abzugewinnen.
Der junge Regisseur Erik Petersen, der bereits in Dortmund eine großartige La Cenerentola zeigte, tut sich mit Paul Linckes Operette sichtlich schwer. So richtig will das alles nicht in Fahrt kommen, allzu viele oft tolle Effektideen werden leichtfertig verschenkt und die ganz große Show, für die fast alles da wäre, bleibt immer wieder stecken. Dabei werfen sich die Sängerdarsteller voll ins Zeug. Emily Newton zeigt als Frau Luna nicht nur viel Bein, sondern hängt sich beim Luftballett sogar selbst ins Vertikalseil, singt auch noch kopfüber und legt direkt danach eine flotte Sohle aufs Parkett. Hannes Brock zeigt als Prinz Sternschnuppe, dass er gar nicht mehr beweisen muss, dass er der geborene Entertainer ist. Seine Pailettenweste würde jeden anderen wie eine wandelnde Diskokugel aussehen lassen, bei ihm strahlt sie immer noch Showgrandezza aus. Der Dortmunder Opernchor macht sowohl mit Feudel und Wedel wie in großer Abendgarderobe eine gute Figur. Und allen voran ist da wieder die unglaubliche Johanna Schoppa als Frau Pusebach, die in Perfektion verkörpert, wie so eine Revue funktionieren könnte: Mit Witz, offensiver Erotik und auch mal Mut zur urkomischen Peinlichkeit.
Aber so, wie beim Start des Mondballons nur ein verschämtes Puffen zu hören ist, zündet vieles an diesem Abend nicht richtig. Das Feuerwerk an der Showtreppe ist einfach etwas zu klein, der schöne Effekt der beleuchteten Showtreppe wird völlig verquast einmal vorgeführt und ist dann für das Planeten-Defilee verbraucht. Emily Newtons Akrobatik-Einlage ist zwar mutig, aber doch etwas bemüht – da wäre weniger klar mehr Eleganz gewesen, wie auch die Stepptanznummer so weit an die Überforderung der Fähigkeiten der Sänger geht, dass sie unbeholfen wirkt. Und warum nur wird die tolle Idee, die Lampen in Frau Lunas Boudoir durch Tänzerinnen darzustellen dadurch entwertet, dass die bereits mit angeschalteten Lampenschirmen an ihre Position marschieren?
Und dann ist da noch die elektronische Verstärkung der Stimmen, die oft schlecht austariert ist und das Gleichgewicht in den Ensembles, wie das zwischen Orchester und Gesang empfindlich stört. Dabei wird durchweg gut gesungen, meist auch der Ton der Revue gut getroffen, wenn auch selten so überzeugend wie von der Schoppa, wenn sie sich in ihr „Ach, Theophil“ hineinstöhnt.
Frau Luna in Dortmund ist nicht völlig schief gegangen und wird sein Publikum finden und auch vielleicht begeistern. Der Abend bleibt aber weit unter dem Unterhaltungswert, den man vom Dortmunder Haus gewöhnt ist und erwarten darf. Wie man ihn etwa bei Die Blume von Hawaii oder Roxy und ihr Wunderteam sah.