Premiere in Gelsenkirchen: Old, New, Borrowed, Blue

„Old, New, Borrowed, Blue: In Honour Of“ am Musiktheater im Revier (Foto: Costin Radu)

Am 25.11. hatte im großen Haus des Musiktheaters im Revier der neue Ballett-Abend unter dem Titel „Old, New, Borrowed, Blue“ Premiere. Er vereint vier Choreographien von David Dawson, Uwe Scholz, Bridget Breiter und Jiří Kylián, die zwischen 1986 und 2014 entstanden sind und stilistisch von reinstem neoklassischen Ballett bis zu zeitgenössischem reichen.

Den Auftakt des Abends bildet David Dawsons „A Sweet Spell Of Oblivion“ von 2007 zu Präludien aus Johann Sebastian Bachs „Das wohltemperierte Klavier“.

„Old, New, Borrowed, Blue: A Sweet Spell Of Oblivion“ am Musiktheater im Revier (Foto: Costin Radu)

Den Einstieg bildet gleich das beinahe totgeliebte erste Präludium in C-Dur. Louiz Rodrigues hat die anspruchsvolle Aufgabe den Abend gleich mit einem kräftezehrenden Solo (mit Ensemble im Hintergrund) zu eröffnen. Die enorme technische Herausforderung ist dabei deutlich zu merken und wird hier von Rodriguez nicht immer ganz souverän bewältigt. Wenn sich das Solo am Ende von Dawsons Choreographie noch einmal wiederholt sieht das dann ganz anders aus. „A Sweet Spell Of Oblivion“ ist reiner Tanz, der nichts will als schön zu sein. Jedes Präludium bekommt eine andere Besetzung, die Übergänge sind kaum inszeniert, ein großer Bogen ist nicht zu erkennen. Dawson ist vor allem auf Schönheit der Bewegung und effektvolle Wirkung aus und bedient sich dabei im neoklassischen Vokabular, das er mit zeitgenössischen Elementen anreichert.

„Old, New, Borrowed, Blue: Jeunehomme“ am Musiktheater im Revier (Foto: Costin Radu)

Es folgt „Jeunhomme-Klavierkonzert 2. Satz“ von Uwe Scholz von 1986. Zu Mozarts melancholischer Musik hat Scholz einen Pas des Deux von reinster neoklassischer Eleganz und Erhabenheit geschaffen, der auch heute noch unmittelbar seine Wirkung entfaltet. Bei der Premiere tanzt Lucia Solari als Gast den weiblichen Part in Vollendung. Ihr Partner Carlos Contreras hat schon allein durch die Choreographie, die dem Mann eine rein dienende Rolle zuweist, wenig Möglichkeiten sich da zu behaupten, nimmt sich allerdings doch noch etwas mehr zurück, als nötig ist. Etwas mehr Selbstbewusstsein und Größe würde hier gut tun, um nicht völlig hinter Solari zu verschwinden.

„Old, New, Borrowed, Blue: In Honour Of“ am Musiktheater im Revier (Foto: Costin Radu)

Die dritte Arbeit des Abends stammt von der Hausherrin Bridget Breiner selbst aus dem Jahr 2014. „In Honour Of“ ist eine Choreographie für zwei Männer, eine Frau und einen Scheinwerfer zur Musik des lettischen Komponisten Georgs Pelēcis. Auf leerer Bühne beginnt Ledian Soto am Boden, den fahrbaren Scheinwerfer vorsichtig begutachtend, sich ihm nähernd, und umkreisend. Valentin Juteau und Francesca Berruto kommen dazu und erkunden ebenfalls das unbekannte Objekt, das vielleicht Kultgegenstand, betrachtet und betrachtend ist und mehr und mehr zum gleichwertigen Mittänzer wird. Dass das nicht zum platten Effekt wird, sondern sich die Bewegungen des Scheinwerfers ganz organisch in die Choreographie einfügen zeigt die ganze Meisterschaft Breiners. „In Honour Of“ ist eine herausragend getanzte zum Weinen schöne Choreographie zur auf Henry Purcell basierenden Musik Pelēcis‘.

„Old, New, Borrowed, Blue: Indigo Rose“ am Musiktheater im Revier (Foto: Costin Radu)

Den Abend beschließt „Indigo Rose“ von  Jiří Kylián aus dem Jahr 1998. Eine hochenergetische Ensemblechoreographie des Altmeisters, die eindrucksvoll zeigt, warum Kylián eine solche Ausnahmestellung genießt. Der überschäumende Ideenreichtum in der Bewegung, der zielgenaue Einsatz aller Mittel, die die Bühne bietet, bis hin zu Schatteneffekten und Video, und selbst treffsicher eingesetzter Humor (außerordentlich selten im Ballett) – das macht auch heute noch schlichtweg sprachlos. Und dem Ensemble ist anzumerken, dass es sich mit ganzer Energie in die Einstudierung dieser vertrackten Choreographie geworfen hat. Zeitgenössisches Ballett in Perfektion.

Termine und Tickets: Musiktheater im Revier

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