Choderlos de Laclos schrieb den berühmten Briefroman, Christopher Hampton schuf die Bühnenversion, Steven Friers verfilmte die Geschichte um die Marquise de Mertheuil und den Vicomte de Valmont, die sich als ehemaliges Liebespaar in der Kunst der Verführung üben und einen skrupellose Wette um die Unschuld von Cecile eingehen. Doch dann gelingt es ihnen nicht, das wahre Gefühl aus ihrem Spiel heraus zu halten und zuletzt zerbrechen alle Beteiligten an der wahren oder nur vorgetäuschten Liebe.
In Oberhausen inszeniert nun Lily Sykes den Text. Friederike Meisel hat dafür in den Malersaal ein Podest in die Mitte des Raumes gebaut und mit halbtransparenten weißen Vorhängen zu den zwei sich gegenüberstehenden Zuschauertribünen versehen. Das Publikum wird nach Männern und Frauen getrennt, und kann über die Spielfläche hinweg beobachten, wie das jeweils andere Geschlecht auf die Ereignisse reagiert. Dem Text ist durchaus der Konflikt zwischen weiblicher und männlicher Rollenzuweisung eingeschrieben. Gleich zu Beginn macht die Mertheuil klar, dass sie in der ihr von der Gesellschaft auferlegten Beschränkung Möglichkeiten gefunden hat, ihr ganz eigenes Machtspiel zu entfalten. Elisabeth Kopp ist die Marquise. Sie, wie auch Henry Meyer als Valmont, bringen die gefährliche erotische Erfahrung ganz selbstverständlich mit. Dass sie verführen können, dass ihre erotische Kunst höllisch und göttlich zugleich ist, müssen beide nicht spielen. Umso eleganter gelingt es ihnen, das pure Verführungsspiel auch als solches zu zeigen. Als ihre Opfer glänzen die tugendgetränkte, doch nie dümmlich wirkende Angela Falkenhahn als Madam de Tourvel, die wunderbar gouvernantenhafte Susanne Burkhard, Thies Brammer als Opfer der Mertheuil und nicht zuletzt die blutjunge Berina Musa, die sich in diesem Ensemble brilliant behauptet.
Dabei macht es Regisseurin Lily Sykes ihnen nicht leicht: Beinahe choreographisch hält sie alle ständig in Bewegung und verlangt damit ein Höchstmaß an Präzision und Konzentration von ihren Darstellenden. Sie erfindet auf der kleinen Spielfläche viele großartige Bilder und geizt nicht mit schlüssigen szenischen Einfällen, die die eindreiviertel Spielstunden keine Sekunde langweilig werden lassen, ohne je in Aktionismus auszuarten. Ines Koehler hat dazu Kostüme entworfen, die historisch im Rokoko beginnen, bald aber in eine zeitlose Modernität übergehen und zuletzt jede Farbe einbüßen und den Schluss in trotzloses Schwarzweiß tauchen. Während die ausgeklügelte Bewegungsmechanik der Inszenierung mit höchster Präzision abläuft, gelingt es dem gesamten Ensemble über die volle Strecke, ihren Rollen Seele zu geben – das ist Schauspielkunst auf ganz hohem Niveau. Lily Sykes beläßt es bei der Geschlechtertrennung des Publikums und überstrapaziert diesen Aspekt nicht, sodass über den Abend hinweg auch andere Themen des Textes sich entfalten können: All die Fragen nach der tatsächlichen Wahrheit des Gefühls, danach, ob der Schmerz eher in der echten Liebe oder in der kalten Verführung lauert und wieviel böses Spiel wohlmöglich immer im Zusammentreffen der Geschlechter steckt.
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