Von einer Bühne für die freie Theaterszene, getragen von vier Gruppen, wandelte sich das 1991 gegründete Prinzregenttheater zur Privatbühne von Sybille Broll-Pape. Der Streit um die Nichtverlängerung des Vertrages der jetzigen Leiterin Romy Schmidt und die Diskussion um die Rolle von Broll-Pape im Vorstand des das Theater tragenden Vereins sind gute Gründe, sich einmal die Geschichte des Prinzregenttheaters anzuschauen.
1991. Das ist lange her. Eine von den USA geführte Koalition befreite Kuwait von den irakischen Besatzern, Helmut Kohl wurde zum ersten gesamtdeutschen Bundeskanzler gewählt, der Bundestag beschloss den Umzug von Bonn nach Berlin und Guns n’ Roses veröffentlichten „Use Your Illusion I + II“. Und in Bochum? Die Stadt wurde damals noch von der SPD alleine regiert, der Oberbürgermeister hieß Heinz Eikelbeck und am 1. August begann das Geschäftsjahr des Theatervereins Prinz Regent. An die Idee des Vereins erinnert sich dessen erster Geschäftsführer Jürgen Fischer noch gut: „Vier Theatergruppen aus Bochum haben den Verein gegründet und die sollten auch im Prinzregenttheater produzieren. Dazu sollten auch andere freie Gruppen in dem Haus spielen. Das ist heute noch ein modernes Konzept.“ Die vier Gruppen waren die Schauspielerin und Kabarettistin Petra Afonin, das Nausea-Theater Sybille Broll-Papes, „Ecce Homo“ und „Sezession“. „So gut das Konzept auch war, so schnell gab es Probleme in der Zusammenarbeit“, erinnert sich Fischer. „Die Gruppen waren sehr unterschiedlich, auch in ihren Ansprüchen an die eigene Arbeit und die Bereitschaft, an dem Konzept des Prinzregenttheaters mitzuarbeiten.“ Broll-Pape und das Nausea-Team sowie Petra Afonin hatten den Anspruch, möglichst professionell zu arbeiten. Drängte, ja biss, Broll-Pape, wie manche jetzt in Bochum sagen, die anderen weg? Fischer verneint: „Afonin und Broll-Pape setzten sich auch wegen ihrer Arbeit durch, die anderen hielten nicht mit.“ Anfangs sei es Afonin gewesen, die mit ihren Programmen das Haus gefüllt und für gute Umsätze gesorgt habe. „Broll-Pape musste sich mit ihren ambitionierten Stücken erst ein Publikum erarbeiten. Das gelang ihr und dann wurde es, als auch Afonin den Vorstand verlassen hatte, ihr Privattheater.“
Doch auch wenn das Prinzregent seit 1995 wie ein Privattheater geführt wird, ist es das nicht. Auch in der aktuellen Satzung aus dem Jahr 2017 steht derselbe Satz wie er schon in der ersten Version der Satzung 1991 zu finden ist:
„Der Verein führt Produktionen der im Verein vertretenen Theatergruppen auf, organisiert Gastspielauftritte und produziert mit freien Gruppen herausragende Theaterprojekte.“
„Ach ja“, sagt Fischer am Telefon. „Wie überall gilt erst Recht beim Theater, dass sich die Dinge manchmal anders entwickeln, als sie auf dem Papier stehen.“ Das Prinzregent hätte sich von seinem ursprünglichen Konzept weit entfernt und sei heute nun einmal ein Privattheater. Man hätte, nach dem Ausscheiden von Ecce Homo und Sezession auch nach neuen Gruppen suchen könne, die in das Projekt hätten einsteigen können, aber das habe man nicht getan. „Als Privattheater, das es schon lange ist, müsste das Prinzregenttheater jetzt auch die Privattheaterförderung bekommen und nicht mehr die eines Hauses für verschiedene freie Gruppen.“
Doch da gibt es ein kleines Problem in der Satzung. In Paragraph 10 heißt es:
„Bei Auflösung des Vereins oder bei Wegfall seines bisherigen Zwecks fällt das Vermögen des Vereins an das Kulturamt der Stadt Bochum, die es unmittelbar und ausschließlich zur Förderung der Arbeit freier Theatergruppen zu verwenden hat.“
Diese Regelung machte damals Sinn und heute noch mehr: Im Laufe der vergangenen 26 Jahre hat die Stadt Bochum das Prinzregenttheater mit mehreren Millionen Euro unterstützt. Ohne das Geld der Steuerzahler wäre nie ein Stück auf seiner Bühne aufgeführt worden und das Prinzregenttheater hätte nie zu der Marke werden können, die es heute ist. Auch wenn die Stadt weiß, dass „aktuell dort nur noch der Trägerverein des PRT beheimat ist“, ist es fraglich, ob es seine jahrelange Subventionierung als Anschubfinanzierung für ein Privattheater verbucht sehen möchte.
„Wir haben alle viele Jahre zugesehen, was im Prinzregenttheater passiert ist“, sagt ein Kenner der Bochumer Theaterszene. Unbekannt war die Entwicklung nicht, aber sie wurde nicht hinterfragt. Als Broll-Pape 2015 das Prinzregenttheater verließ, um Intendantin am E.T.A.-Hoffmann Theater in Bamberg zu werden, ließ die WAZ kurz die Entwicklung des Hauses Revue passieren:
„Sibylle Broll-Pape gehörte im Jahr 1991 zum Gründungsteam der kleinen Off-Bühne und übernahm 1995 deren Leitung. Von den vielen Gruppen, die sich einst im Prinz-Regent tummelten, blieb am Ende nur eine. Broll-Pape, die Mathematik und Informatik studierte, wechselte durchaus hartnäckig und mit Verve ins Regiefach, setzte ihre Ideen von zeitgenössischem Theater immer konsequenter um.“
Zugeschaut wurde auch, weil alles gut lief, weil Broll-Pape am Prinzregenttheater erfolgreich arbeitete und selbstbewusst eine Stellung für sich und ihr Haus in der Stadt reklamierte, die beiden beim besten Willen nicht zustand: Broll-Pape sah sich immer weniger als die Leiterin einer Bühne für freie Theater, sondern als Intendantin und ihr Haus auf Augenhöhe mit dem Schauspielhaus. Ihren Anspruch formulierte Broll-Pape gegenüber der WAZ 2008, nachdem sie am Theater Darmstadt Regie geführt hatte:
Über den Erfolg in Darmstadt und die damit einhergehende Lobeshymne in den Feuilletons freut sie sich sehr – wenngleich sie leicht kritisch anmerkt: „Im Grunde arbeite ich dort genauso wie hier.” Doch während ihr in Darmstadt die volle Aufmerksamkeit der Theatergänger gewiss ist, stehen ihre Arbeiten in Bochum naturgemäß immer im Schatten des großen Bruders von der Königsallee: „Dabei sind wir kein kleines Irgendwie-Theater, qualitativ arbeiten wir auf demselben Niveau. Leider ist das den Politikern nicht immer klar …“
Broll-Pape wäre mit ihrem Theater damals gerne in die Stadt gezogen, in die Marienkirche, die heute Teil des Konzerthauses ist. Schon damals hatte sich die Politik entschieden, dort kein Theater spielen zu lassen, sondern Konzerte. Der Broll-Pape damals trotzdem in Aussicht gestellte Umzug des Prinzregenttheaters in die Innenstadt sollte nie kommen.
Es waren einzelne Bochumer Künstler wie Udo Höppner und Wolfgang Wendland, die immer wieder darauf hinwiesen, dass sich das Prinzregenttheater weit von seinen Ursprüngen entfernt hat. Und dass es dafür keine Rechtsgrundlage gab. Bis zur Nichtverlängerung des Vertrages von Romy Schmidt interessierte sich niemand dafür. Nun wird über alles zu reden sein: Ob die Entwicklung des Prinzregenttheaters von einer freien Bühne zu einem Privattheater wirklich hingenommen und nicht diskutiert werden sollte, wie es sein kann, dass die ehemalige Leiterin nach ihrem Wegzug nach Bamberg trotz der Hinterlassenschaft finanzieller Probleme in den Vorstand des Theatervereins wechseln konnte und warum damit zeitgleich eine Degradierung ihrer Nachfolgerin einherging: Broll-Pape konnte als Leiterin des Theaters nach Satzung noch Mitgliederversammlungen des Theatervereins einberufen. Schmidt kann das nicht mehr und das nicht nur, weil sie kein Mitglied des Vereins ist, denn dieses Recht hat heute nur noch der Vorstand und in dem sitzt Broll-Pape.
Spätestens seitdem Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) am Samstag auf einer Veranstaltung recht unverblümt deutlich machte, dass er die Rolle Broll-Papes als Vorstand des Theatervereins kritisch sieht, ist es wahrscheinlich, dass sie ihr Spiel nicht gewinnen wird. Zu gering ist ihr Einfluss in Bochum geworden, seitdem sie in Bamberg arbeitet, zu groß der Schaden für das Haus, der durch in ihrer Zeit als Leiterin verursachte finanzielle Unregelmäßigkeiten entstanden ist und zu beliebt Romy Schmidt und ihre Arbeit.
Ist man zurzeit in Bochum unterwegs, trifft man kaum einen, der keine eigene Broll-Pape-Geschichte zu erzählen hat und keine dieser Geschichten ist freundlich. Fast alle scheinen eine Rechnung mit ihr offen zu haben und sehen nun die Chance, sie begleichen zu können. Ist das gerecht? Nein, sicher nicht. Und egal, ob diese Geschichten im Detail stimmen, sie zeigen, wie sehr sich große Teile der Stadtgesellschaft gegen Broll-Pape und hinter Schmidt gestellt haben. Der Schnitt, den Broll-Pape zu machen bei ihrem Weggang nach Bamberg versäumt hat, muss nun erfolgen. Der Schaden für Broll-Pape ist da und wird auch nicht aus der Welt zu schaffen sein. Der Schaden für das Prinzregenttheater indes kann noch sehr klein ausfallen, wenn es gelingt, transparente Strukturen für den Verein zu schaffen, Schmidt zu halten und das Haus wieder für freie Gruppen zu öffnen. Und so könnte aus der jetzigen Krise eine Chance für das Prinzregenttheater werden. Broll-Papes Zeit in Bochum ist jedoch abgelaufen.
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Danke für die Berichterstattung. Ich hoffe mal aus der Ferne, dass sich in der Heimat die Vernunft durchsetzt.
Ich bin mir im übrigen ziemlich sicher, dass zu Zeiten von Frau Broll-Pape am PRT regelmäßig Produktionen und Veranstaltungen von vielen anderen Gruppen und Künstlern gezeigt wurden, wie z.B. der Fidena, den BoSys, der Mini Art, Tanztheater aus der Zeche, dem Rottstr. 5 Theater oder auch Musikern wie Carsten Riedel und Volker Wendland. Alles Künstler mit denen das Theater unter Frau Schmidt nicht mehr zusammen gearbeitet hat. Schade um diese einseitige und – mit Verlaub – auch denunzierenden Berichterstattung. Armes Bochum!
@Peter,
wenn ich die Berichterstattung hier im Blog über die Vorgänge im PRT richtig lese, dann wurden am 2. 9. Fragen an den Verein gerichtet. Insofern kann doch eine Einseitigkeit, die ich übrigens nicht sehe, nur daran liegen, dass der Verein nicht antwortet.
[…] Prinzregenttheater Bochum: „Das Konzept ist heute noch modern“ […]
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Frage: Wer kann was sagen über den Werdegang von Jürgen Fischer, nachdem er das Prinz-Regent-Theater verlassen hat? Danke