Prostituiertenschutzgesetz Teil 1: Blaulicht gegen Rotlicht

Linienstrasse, Dortmund, Foto: Thomas McNeal

Das vermeintlich älteste Gewerbe der Welt steht in Deutschland vor einer tiefgreifenden Veränderung. Zum 01. Juli 2017 tritt mit einer halbjährigen Übergangsfrist das neue Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) in Kraft.

In ihm wird zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik eine einheitliche, bundesweit gültige gesetzliche Regelung in Kraft treten, die umfangreich regelt, welche Mindestanforderungen zur Genehmigung von bordellähnlichen Betrieben zu erfüllen sind und die eine bundesweite Registrierung von Prostituierten (Hurenpass) vorsieht.

In einer dreiteiligen Serie soll hier dargestellt werden, wie sich das gesellschaftliche und rechtliche Ansehen des Sexgewerbes in der Geschichte der Bundesrepublik entwickelt und gewandelt hat.

Am Anfang des 20. Jahrhunderts galt die Prostitution in Deutschland als gemeinschaftsschädlich. Das Reichsgericht kam 1901 in einer Entscheidung zu dieser Einschätzung auf der Basis des „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“. Das Strafgesetzbuch von 1871 verbot eigentlich Bordelle und die „gewerbsmäßige Unzucht“. Der Paragraph 361 Ziffer 6 in der Fassung von 1876 drohte jedoch nur dann mit Strafe, wenn sich eine Frau außerhalb polizeilicher Aufsicht prostituierte

So entstanden in vielen Städten zum Anfang des 20. Jahrhunderts verschiedene Bordell- und Laufhausviertel. Im Ruhrgebiet waren Schwerpunkte die Linienstraße in Dortmund, die Stahlstraße in Essen, das Rampenloch in Minden, Im Winkel in Bochum und die Flaßhofstraße in Oberhausen. Diese Schwerpunkte bestehen noch heute.

Dieser rechtliche Zwischenzustand einer gemeinschaftschädlichen und sittenwidrigen Tätigkeit, die aber auch irgendwie legal ausgeübt werden durfte, blieb praktisch bis zum Ende des 20. Jahrhunderts erhalten.

Auch die Frage, wie der Ertrag aus der Prostitution steuerlich zu behandeln sei, war Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen. Der Reichsfinanzhof entschied 1923, dass eine Prostituierte keine Leistung im Sinne des Steuerrechts erbrächte, der Lohn blieb somit steuerfrei. Das Gericht entschied erneut 1931, die „körperliche Hingabe“ einer Frau sei keine steuerpflichtige Tätigkeit.

Die einzige regulierende Gesetzgebung betraf die Auswirkungen auf die Gesundheit in Bezug auf ansteckende Krankheiten. Im Jahre 1927 wurde das Geschlechtskrankheitengesetz verabschiedet, damit war die Prostituierte weitgehend entkriminalisiert, strafrechtlich relevant blieb die Zuhälterei.

Der Reichsfinanzhof änderte 1943 seine Rechtsprechung dahingehend, dass der Ertrag aus der Prostitution nun doch steuerpflichtig wurde. Dieser Auffassung folgte 1948 auch der damals damit beschäftigte Oberste Finanzgerichtshof. Im westlichen Nachkriegsdeutschland blieb damit Prostitution zwar irgendwie legal und steuerpflichtig, galt aber immer noch als sittenwidrig.

Im Jahre 1953 trat das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten (GeschlKrG) in Kraft. Gesundheitsämtern wurde die Möglichkeit eingeräumt, zum Zweck der Bekämpfung sexuell übertragbarer Erkrankungen die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person einzuschränken.

Prostituierte werden in dem Gesetz im Amtsdeutsch als „Personen mit häufig wechselndem Geschlechtsverkehr“ bezeichnet, diese mussten sich in monatlichem Rhythmus bei den Amtsärzten auf dem gynäkologischen Untersuchungsstuhl dem erforderlichen vaginalen Abstrich unterziehen. Der im Volksmund bekannte „Bockschein“ war geboren.

Allerdings ließen einige Bundesländer abweichende Regelungen in ihren Kommunen zu, so dass in einigen Städten auf diese Praxis in den 1980er Jahren dann verzichtet wurde.

Rechtlich blieb die Einstufung der Prostitution aber weiterhin nebulös.

Durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 1965 bestätigt wurden die Prostituierten weiterhin als gemeinschaftsschädlich eingestuft. Und das Gericht ging sogar noch weiter und setzte Prostituierte in seinem Urteil mit der Betätigung von Berufsverbrechern gleich.

Diese Linie einer Kriminalisierung der Prostitution setze das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 15. Juli 1980 fort, in der festgelegt wurde, dass „die Prostitution als sittenwidrige und in verschiedener Hinsicht sozialwidrige Tätigkeit nicht Teil des Wirtschaftslebens im Sinne des EG-Vertrages sei und damit kein gemeinschaftsrechtliches Freizügigkeitsrecht begründen kann.“

Dieses eher rückschrittliche Urteil setzte aber den Startpunkt zur Selbstorganisation der Huren in Vereinen wie Hydra und Madonna, die fortan um die gesellschaftliche und rechtliche Anerkennung der Sexarbeit, wie sie fortan die Prostitution nannten, kämpften.

Dieser Kampf war im Jahre 2000 vor dem Verwaltungsgericht Berlin erfolgreich. Im Fall des Bordells Café Pssst klagten die Berliner Huren Felicitas Schirow und Stephanie Klee erfolgreich eine Konzession ein, mit der sie ein Bordell als Sexarbeiterinnen eigenverantwortlich betreiben konnten.

Das Gericht stellte nun fest, dass sich das gesellschaftliche Bild der Prostitution gewandelt hatte, und die Rechtsprechung diese Realität wahrzunehmen habe.

Das Gericht stellte in seiner Urteilsbegründung nicht die Sittenwidrigkeit in den Vordergrund, sondern Werte wie Freiwilligkeit, Einvernehmlichkeit sowie Selbstbestimmung. Prostitution, die von Erwachsenen freiwillig und ohne kriminelle Begleiterscheinungen ausgeübt werde, sei nach den mittlerweile anerkannten sozialethischen Wertvorstellungen nicht mehr als sittenwidrig anzusehen. Die Sexarbeit wurde vom Verwaltungsgericht Berlin damit noch vor dem Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes im Jahr 2002 nüchtern als gesellschaftliche Realität anerkannt.

Der Autor Thomas McNeal ist Mitarbeiter des Erotikportals IntimesRevier.

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