Protestcamp zieht von Dortmund nach Berlin: „Alles gemacht, was wir machen konnten“

Transparente mit Forderungen am Protestcamp syrischer Geflüchteter in Dortmund, Innenstadt
Das Protestcamp von Geflüchteten zieht um nach Berlin. Foto: Alexandra Gehrhardt

Die letzte Woche des Protestcamps syrischer Geflüchteter in Dortmund läuft: Am Samstag will die Gruppe nach Berlin umziehen. Am Freitag planen die Menschen noch einmal eine Demonstration zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in der Huckarder Straße – dem Ort, an dem sie vor knapp sieben Wochen ihren Protest begannen. Was hat er gebracht?

„Wir sind hier seit fast 50 Tagen. Alles, was wir machen konnten, haben wir gemacht“, sagt Bani Almhamid, einer derjenigen, die am 9. Juni ein Protestcamp in Dortmund errichtet haben. Sie protestieren, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihre Asylanträge zu langsam bearbeitet. Von der Bundesregierung im November 2014 zugesagt waren drei Monate, einige von ihnen warten seit über einem Jahr. Dortmund hatten sie gewählt, weil in der hiesigen Außenstelle des BAMF – überaus verkehrsgünstig und einladend mitten im Industriegebiet an der Huckarder Straße gelegen – die Bearbeitung besonders lang zu dauern schien. Sie wollen auch: den unkomplizierten Nachzug ihrer Familien, das Recht auf Deutschkurse und Arbeit – alles Dinge, die ihnen verwehrt bleiben ohne Aufenthaltsgenehmigung.

Eine Woche verbrachte die Gruppe vor dem Bundesamt, dann zog sie an die Katharinentreppen gegenüber dem Dortmunder Hauptbahnhof um. „Es sind viele Menschen hergekommen und haben uns Dinge versprochen, aber es ist nichts passiert“, sagt Bani. Das Bundesamt, das zuständig ist für die Bearbeitung von Asylanträgen, verwies auf zu wenig Personal: Weil man überlastet sei mit Anträgen von Menschen aus dem Kosovo und diese vorrangig bearbeitet werden müssen, dauere die Bearbeitung der Anträge von Menschen aus Syrien so lange,heißt es seit Monaten vom BAMF. Auch die Stadt- und Landespolitik blieb weitestgehend tatenlos: NRW-Innenminister Ralf Jäger besuchte das Camp in Dortmund und sagte zu, die Eindrücke aus Dortmund mit seinen Kollegen auf Länder- und Bundesebene zu teilen. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft nutzte den Besuch einer Delegation im Düsseldorfer Landtag für ein Gespräch mit den Geflüchteten und sagte ihnen zu, sich für schnellere Verfahren einzusetzen. Der Dortmunder Stadtrat unterstützte in einer Resolution die Forderungen der Geflüchteten. Passiert ist effektiv nichts.

Zwar haben einige der Protestierenden im Camp haben mittlerweile eine Aufenthaltsgenehmigung. Andere wiederum wissen, dass sie Deutschland werden verlassen müssen, weil ein anderes EU-Land für ihre Asylanträge zuständig ist. Die Mehrheit wartet noch immer auf eine Nachricht.

Die Geflüchteten haben mit ihrem wochenlangen Protest aber etwas anderes erreicht: stärkeren gesellschaftlichen Rückhalt. Über viele politische Spektren und Standpunkte hinweg haben sich Dortmunderinnen und Dortmunder solidarisch gezeigt, haben die Menschen unterstützt, ihre Geschichten gehört, Fußball und Gitarre gespielt. Einige haben ganze Tage, manche ganze Nächte, im Camp verbracht. Wer wissen wollte, was Menschen auf sich nehmen, wenn sie aus einem Land fliehen, welche Hürden ihnen die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik in den Weg legt und wie mit Menschen, die hierher kommen, umgegangen wird, hatte es in Dortmund lange nicht mehr so leicht, das zu erfahren, wie in den letzten Wochen – ein Gang zum Hauptbahnhof reichte aus. Die abstrakten Zahlen haben Gesichter bekommen. Das mag politisch kaum Einfluss haben, es wirkt sozial. Der Kontakt zu Betroffenen hat, so scheint es, das Bewusstsein in Teilen der Bevölkerung zumindest im Ansatz verändert. Es wird sich zeigen, ob dieser Rückhalt der Gruppe und allen, die sich ihr anschließen, in der Hauptstadt helfen wird.

Am Samstag (1. August) wollen die Geflüchteten von Dortmund nach Berlin umziehen. Dort hoffen sie, sagt Bani Almhamid, dass ihre Forderungen an den richtigen Stellen Gehör finden. Am Tag zuvor wollen sie noch einmal von der Innenstadt zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge demonstrieren. Treffpunkt ist am 31. Juli um 10 Uhr am Protestcamp an den Katharinentreppen.

Rückblick: Syrische Geflüchtete protestieren in Dortmund

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bc
bc
9 Jahre zuvor

Ich kann schon nachvollziehen, dass es für die Betroffenen unschön ist, dass die Bearbeitung ihrer Anträge so lange dauert.
Andererseits können sich die Sachbearbeiter ja auch nicht vierteilen.
An allen Ecken und Enden fehlen Fachkräfte, um dem Flüchtlingsaufkommen Herr zu werden, nicht nur bei der Antragsbearbeitung.
Und Fachkräfte fallen eben auch nicht vom Himmel, können nicht nach Belieben aufgestockt werden.
Daher weiß ich nicht, was ein Protest eigentlich bezwecken soll.
Die Lage ist nun einmal angespannt, und hexen geht leider nicht.

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[…] Protestcamp zieht von Dortmund nach Berlin: „Alles gemacht, was wir machen konnten“ “Die letzte Woche des Protestcamps syrischer Geflüchteter in Dortmund läuft: Am Samstag will die Gruppe nach Berlin umziehen. Am Freitag planen die Menschen noch einmal eine Demonstration zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in der Huckarder Straße – dem Ort, an dem sie vor knapp sieben Wochen ihren Protest begannen. (…) „Wir sind hier seit fast 50 Tagen. Alles, was wir machen konnten, haben wir gemacht“, sagt Bani Almhamid, einer derjenigen, die am 9. Juni ein Protestcamp in Dortmund errichtet haben. Sie protestieren, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihre Asylanträge zu langsam bearbeitet. Von der Bundesregierung im November 2014 zugesagt waren drei Monate, einige von ihnen warten seit über einem Jahr…” Beitrag von Alexandra Gehrhardt bei den Ruhrbaronen vom 27. Juli 2015 […]

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