Pussy Riot beim Ruhrpott Rodeo: „Nur Frauen können das!“

Pussy Riot beim Rudolstadt Festival 2022 Foto: Carsten Stiller Lizenz: CC BY-SA 4.0


Sie sind feministisch, sie sind Punk und sie sind gegen Putin. Pussy Riot, eine Band oder vielmehr ein lockeres politisches Kollektiv von Frauen, bei dem jede mitmachen kann, die sich eine Maske aufsetzt und protestiert
.

Die Gruppe ist seit 2011 aktiv und kämpft mit Punkliedern und Performances im öffentlichen Raum und in der Regel illegal gegen gesellschaftliche Missstände und für Frauenrechte. Ursprünglich war sie in Russland aktiv, was heute natürlich immer schwieriger wird. Typisches Merkmal für Pussy Riot sind die Skimasken, die die Frauen bei ihren Veranstaltungen tragen. Sie sind ein Zeichen gegen Personenkult und für Anonymität. Auf der Bühne gibt es nicht nur Musik, sondern auch Videos und Choreografie als ein Gesamt-Punk-Kunstwerk zum Protest vor allem gegen Putin aber auch für die Rechte von Frauen und LGBTs. Ihre Aktionen veröffentlichen sie auf ihrem Youtube Kanal . Ganz anonym sind die Mitglieder der Gruppe nicht. Bekannte Gesichter sind vor allem die Gallionsfiguren Nadya Tolokonnikova und Marija Aljochina. Und irgendwie hat es Alex Schwers geschafft Nadya für das Ruhrpott-Rodeo zu gewinnen. Das ist wirklich spektakulär!

Mit Punk Prayer 2012 wurden Pussy Riot weltberühmt. Sie betraten in der Christi-Erlöser-Kirche, einer Kathedrale in Moskau sakrale Bereiche und sangen gegen das Abtreibungsverbot, dass das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche in Russland durchsetzen will und gegen die zu enge Verbindung zwischen Staat und Kirche.

Wegen dieser Aktion wurden einige Beteiligte im Sommer 2012 festgenommen und wegen “Rowdytums aus religiösem Hass“ zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Später wurden sie wegen ihrer Proteste während der Haft ins Straflager verlegt. Es gab internationale Empörung und auch Hungerstreiks der Frauen gegen die schlechten Haftbedingungen. Nach kleineren und größeren Aufständen gegen die unmenschlichen Bedingungen dort wurden Nadya Tolokonnikova und Marija Aljochina 2013 durch eine Amnestie vorzeitig befreit. Beim Finale der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland stürmen drei Bandmitglieder in Polizeiuniform das Feld und fordern die Befreiung von allen politischen Gefangenen und einen freien politischen Wettbewerb im Land. Nach der Flucht einiger Pussy-Riot-Mitglieder finden im Westen immer wieder Auftritte pro Ukraine und gegen Putin statt. So gibt es den Song Putin´s Ashes

oder es wird auch mal auf Putins Bild gepinkelt. Nadya hat es tatsächlich schon auf Putins Liste der meistgesuchten Verbrecher geschafft. Ihre erste Kunstaustellung in Europa wurde am 20.06.2024 in Linz eröffnet, wo man unter anderem Putins Asche, die von der Verbrennung eines riesigen Putin-Porträts stammt, und einen Nachbau von Nadyas Zelle besichtigen kann.

Unmittelbar nach der Flucht von Marija Aljochina aus Russland fand am 11. Mai 2022 ein Pussy-Riot-Konzert in Kassel statt. Nachdem die Behörden im April angekündigt hatten, dass Marijas Hausarrest in 21 Tage in einer Strafkolonie umgewandelt werden soll. Im April 2022 reiste Marija dann mit einem Trick als Essenslieferantin verkleidet aus Russland aus. Wenige Tage nach der Flucht sprach Marija in einem Interview mit dem ZAP Hardcore Magazin über Pussy Riot als politisches Kollektiv mit Punk als Lebensweise. Sie beklagte schon 2022, dass der Krieg in der Ukraine sich zu etwas Normalem entwickelt und die Menschen immer gleichgültiger werden. Auch sprach sie von der innerrussischen Propaganda, die noch viel schlimmer und wirkungsvoller ist als die im Westen. Die Putin-Freunde in Deutschland sollten sich laut Marija mal die echte, die russische Propaganda in Russland anschauen, wie Putin und Co dort über den Westen herziehen. Dann würden sie es sich wohl überlegen, ob sie weiter die nützlichen Idioten für Russland sein möchten. Aber Frau Wagenknecht ist ja viel zu sehr damit beschäftigt politische Macht zu erlangen, als Lebensrealitäten anzuerkennen. Da hat sie keine Zeit die Propaganda zu konsumieren, die fürs russische Volk gedacht ist und dafür sorgen soll, die Stimmung gegen den Westen so aufzuheizen, dass die russische Bevölkerung begeistert ihre Söhne opfert und auf bessere Lebensbedingungen verzichtet, wenn es darum geht, diesen Krieg gegen die Ukraine zu führen. Die russische Propaganda für den Westen ist stattdessen eher auf die Fans von AfD und BSW sowie für die ewig gestrigen Russland-Freunde in kommunistischen Kreisen zugeschnitten. Diese nützlichen Idioten würden jedenfalls, wenn Russland triumphiert, zuerst über die Klinge springen. Ähnliches kennen wir ja von Gaza…

Seit der Flucht ins westliche Ausland sind Pussy Riot auch neben ihrer Putin-Kritik zu feministischen Themen aktiv. So demonstrierten sie in Indiana mit einer Riesenvulva oder mit Songs wie „God save abortion“ z.B. gegen das Abtreibungsverbot in den USA. Musikalisch ist das Kollektiv vielleicht nicht wirklich überragend zumal auch viel geschrien wird, das allerdings professionell. Nadya nahm dafür sogar Unterricht. Pussy Riot ist schrill, weiblich und anarchistisch. Die Frauen benutzen die Punkmusik und Kunstelemente um Aufmerksamkeit zu generieren und das mit Erfolg. Grenzüberschreitungen gehören dazu. Die Aktivistengruppe definiert sich wie folgt: „Jeder kann Pussy Riot sein, du musst dir nur eine Maske aufziehen und einen aktiven Protest gegen etwas in deinem speziellen Land, wo immer das auch ist, starten, das du für ungerecht hältst“

Beeinflusst wurde Pussy Riot durch die Riot-Grrl Bewegung, einer feministischen Strömung in der amerikanischen Hardcore- und Punk-Bewegung Anfang der 90er Jahre und durch russische Punkbands aus den 80er und 90ern. Und es gibt noch eine Vorgeschichte, die vor allem Nadya betrifft und die gern mal erzählt wird, um die Gruppe schlecht zu machen.

Vor und neben Pussy Riot gibt es auch die Gruppe Voina, die noch wesentlich provokanter und radikaler ist und in der auch Nadya Tolokonnikova bis 2008 aktiv war . Spektakuläre Aktionen wie Gruppensex im biologischen Museum oder der Diebstahl eines Suppenhuhns via Vagina, sowie eine Peniszeichnung auf einer Zugbrücke, die sich dann effektvoll aufrichtete, sind nicht unumstritten, werden aber definitiv beachtet und sorgen für Aufmerksamkeit. Und darum geht es doch. Der ein oder andere findet es vielleicht abstoßend, wenn man sich für den Protest in Diebstahlabsicht ein Suppenhuhn in die Vagina einführt. Und man kann natürlich auch den Gruppensex im Museum verurteilen. Aber es tut niemandem weh und die Videos sind nicht nur Protest, sondern auch durchaus unterhaltsam, allerdings absolut nicht jugendfrei. Anarchistische Züge gehören zum Punk und warum sollten Frauen ihre Geschlechtsmerkmale nicht für politischen Kampf benutzen? Auch die Gruppe Femen, die ursprünglich aus der Ukraine kommt und nackte Brüste zum Protest einsetzt, ist mittlerweile international aktiv und wird gesehen. Es bringt Aufmerksamkeit, es ist echt und es ist geschlechtsspezifisch. Nur Frauen können das! Heute nutzt Pussy Riot ihre Popularität vor allem um die Ukraine zu unterstützen. Ihre Vergangenheit bei der Gruppe Voina, mit der Nadya 2009 gebrochen hat, erhöht ihren Bekanntheitsgrad. Zu verurteilen sind die Frauen dafür meiner Meinung nach nicht.

Ich habe mir jedenfalls sofort das Ticket für das Ruhrpott-Rodeo gekauft, als ich erfahren habe, dass Nadya mit ihrer Gruppe dort auftreten wird. Das Ticket loht sich aber auch, weil das Line-Up mit Punkgrößen wie Bad Religion, Millencolin, Toy dolls, Me first and the Gimmie Gimmies, Pascow, Oxo 86, Rasta Knast und vielen anderen guten Bands insgesamt nicht übel ist . Ich freu mich drauf.

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