Droht den Radios ein ähnliches Schicksal wie Schallplattenfirmen und Verlage? Ruhrbarone-Autor Michael Westerhoff weist in seinem neuen Buch „Radio der Zukunft“ nach, dass zwei Drittel der Privatradios von der Pleite bedroht sind. Gleichzeitig könnten öffentlich-rechtliche Stationen bei sinkenden Hörerzahlen in eine Legitimationsfalle geraten.
Was ist die Lösung? Eine, die Journalisten nicht schmecken dürfte, stellt Westerhoff in seinem Buch dar: Corporate Radios, also von Firmen betriebene Stationen, könnten in die Lücke springen. Hier der exklusive Auszug des Kapitels über Corporate Radios aus seinem Buch:
„Angesichts der geschilderten wirtschaftlich fragilen Situation manch eines Radiobetreibers darf infrage gestellt werden, ob alle bisherigen Akteure am Markt überleben können. Radio-Manager sind überzeugt, dass die großen Betreiber wie Antenne Bayern, Hit-Radio FFH und FFN auch in der Zukunft eine Chance haben. Für kleinere Stationen wollen sie keine Garantie geben.
Die Frage ist also: Wer wird in die Lücke springen? Eine Zukunftsoption zeigt die Mast Jägermeister AG auf: Etwas, das „Corporate Radio“ genannt werden könnte, weil es sehr verwandt mit Corporate Publishing ist, also Kundenzeitschriften, die Unternehmen herausgeben. Auch das Domradio der katholischen Kirche könnte im weitesten Sinne in dieses Segment eingeordnet werden.
Jägermeister, ein Unternehmen, das von jeher für ungewöhnliche Marketingaktionen bekannt ist und zum Beispiel als erstes Unternehmen in der Fußball-Bundesliga auf Trikots warb, hat als eines der ersten Unternehmen ein eigenes Webradio gestartet. Der Spirituosen-Hersteller reagiert damit nach Branchen-Einschätzungen auf Umsatzrückgänge und versucht seine Marketingstrategie zu erneuern. Zur Strategie gehört neben dem Radio auch die internationale Präsenz auf Rock-Festivals.
Untersuchungen hätten ergeben, so Jägermeister-Marketingmanager Sebastian Blanck, dass die junge Zielgruppe (18 – 24 Jahre) über Webradios besonders gut zu erreichen sei. Dies sei der Grund gewesen, warum das Unternehmen mehrere Rock- und Electro-Channels gestartet habe.
Auch der Fußballverein Borussia Dortmund sendet während der Spiele in Bundesliga, DFB-Pokal und Championsleague ein eigenes Corporate Radio, das BVB-Netradio. Die Übertragungen kommentiert der Ex-Profi und Stadionsprecher Norbert Dickel zusammen mit dem Journalisten Boris Rupert. Es handelt sich um ein auf Fans fokussiertes Angebot, das auf die sonst übliche journalistische Objektivität bewusst keinen Wert legt.
Nach Angaben von BVB-Marketingdirektor Carsten Cramer erreichen die Übertragungen bis zu 200.000 Hörer pro Spiel. Der Verein will damit den Fans, die das Spiel nicht im Stadion verfolgen können, einen zusätzlichen Service bieten. Die Zugriffe erfolgen in erster Linie aus dem Ausland und aus Regionen außerhalb Nordrhein-Westfalens, in denen BVB-Spiele nicht ausführlich übertragen werden.
Der BVB habe sich mit dem Angebot der neuen Medienwirklichkeit von Fans angepasst, die Spiele am Rechner verfolgten. Insbesondere junge Fans sollen an den Verein gebunden werden. Die Kosten für Streaming und Produktion trägt Borussia Dortmund, auf kommerzielle Werbung verzichtet der Club, lediglich das eigene Merchandising-Angebot wird während der Übertragungen beworben.
Diese Corporate Radios stellen für die traditionellen Sender eine völlig neue Konkurrenz dar, zumal hinter diesen Angeboten Welt-Unternehmen mit mehreren hundert Millionen Euro Umsatz im Jahr stehen. Sebastian Blanck von Jägermeister ist überzeugt, dass sich der Trend zum Corporate Radio fortsetzen wird.
Ein Unternehmen wie Media-Saturn, das 2006 40 Millionen Euro in Radiowerbung investiert, könnte sich die Frage stellen, ob mit einem eigenen Radioangebot nicht wesentlich preiswerter Hörer erreicht werden können, die dann auch noch im eigenen Onlineshop Titel downloaden können. Nach Einschätzung von Matthias Mroczkowski, Geschäftsführer des Werbevermarkter Audimark, steigern Radios wie das von Jägermeister die Markenbindung und erhöhen die Verweildauer auf der Homepage.
Der ADAC hat bereits angekündigt, dass er seine Webaktivitäten ausbauen will. Warum nicht mit einem eigenen Webradio, das gezielt Informationen für Autofahrer sendet, zumal Stauinformationen schon heute teilweise vom ADAC kommen? Der ADAC stellt bereits Audio-Beiträge her, die preiswert weiterverwendet werden können. Das gilt auch für Tourismusunternehmen wie die TUI.“
Michael Westerhoff hat die Thesen zum Corporate Radio, einem Bereich, in dem auch Unternehmen wie Red Bull aktiv sind, bereits mit Journalisten auf den Tutzinger Radiotagen diskutiert. Hier wurde die nicht vorhandene journalistische Unabhängigkeit beklagt: „Natürlich ist das so“, kommentiert Westerhoff: „Im Netz gibt es dafür keine Regeln. Insofern werden wir nicht verhindern können, dass Firmen ihr eigenes Radio gründen.“
Radio der Zukunft – Finanzierungsmodelle im digitalen Zeitalter; Bonn 2015; ISBN 9789462541153
Über die Verbreitung dieser neuen Radios wird allein die technische Verfügbarkeit von "Radioampfang" entscheiden. Wird der Autofahrer während der Autofahrt auch immer das "ADAC-Radio" geniessen werden können?
Achim
Da wird ja ausreichend experimentiert, Achim. Zum Beispiel mit Autos, die miteinander kommunizieren und so ein flächendeckendes Netz schaffen. Ausserdem hilft auch Buffering. Aber vom Grundsatz hast Du natürlich Recht: Es braucht ein gutes Netz.
DAB/DAB+ ist eindeutig viel zu spät promotet worden, obwohl die Technik schon viele Jahre verfügbar und auch die Flächenabdeckung zumindest in weiten Teilen DEs selbst für das Autoradio gut ist. Wer heute in seinem Bekanntenkreis nach entpsr. Empfängern fragt, erntet nur Achselzucken und den Hinweis, dass frei wählbare Musik und Infos doch längst per Smartphone abrufbar sind und wozu man denn "Radio" noch brauchen würde.
@Klaus: Hast Du Kontakt von mir? Ich würde gern mal über ein ganz anderes Thema plauschen…
@Michael: Ich hätte die Daten aus dem michaelwesterhoff.de-Impressum. Sind die ok?
Jau, ich bin gerade nur etwas im Stress. Geht um Verizon.