Räppeln in Waltrop: Irgendwas zwischen schöner Oster-Tradition und nächtlicher Ruhestörung

Die ‚Räppler‘ bei ihrem Abmarsch an der St. Peter-Kirche in Waltrop im Jahre 2018. Archiv-Foto: Robin Patzwaldt

„Ah, bald ist Ostern! Ein langes Wochenende. Da kann man endlich mal wieder ausschlafen.“ Das werden sicherlich viele von euch heute denken. Bei euch mag das ja auch stimmen. Hier bei mir in Waltrop geht diese Rechnung nicht auf. Hier wird man, wenn man nicht gerade schwerhörig ist oder ganz außerhalb der Stadtmitte wohnt, auch an Karfreitag und Karsamstag spätestens so gegen 7 Uhr wachwerden. Ob man will, oder auch nicht.

Wieso? Die Erklärung ist eine ungewöhnliche, und genau deshalb möchte ich sie auch hier im Blog der Ruhrbarone nach ein paar Jahren Pause noch einmal frisch in Erinnerung rufen.

Hier bei mir am Rande des Ruhrgebiets wird nämlich seit vielen Jahren eine alte katholische Tradition gepflegt, das ‚Räppeln‘. Jedes Jahr am Karfreitag und Karsamstag ersetzen dabei katholische Kinder und Jugendliche, begleitet von ein paar Erwachsenen, das übliche Läuten der Kirchenglocken durch den Klang ihrer ‚Holzräppeln‘.  Jeweils um 6 Uhr, 12 Uhr und 18 Uhr treffen Sie sich an diesen Tagen an der alten St.Peter-Kirche in der Stadtmitte und laufen von dort aus laut ‚räppelnd‘ quer durch die gesamte Stadt. Und weil die Herrschaften dann logischer Weise mit ihren großen und lauten Holzrappeln irgendwann einmal auch vor der eigenen Wohnung auftauchen, ist das mit dem entspannten Ausschlafen dann auch an diesen Tagen, an denen viele lieber ausschlafen würden, unfreiwillig früh vorbei.

Viele Zeitgenossen regt das, gerade eben auch der frühe Auftritt zwischen 6 und 7 Uhr am Morgen, inzwischen regelrecht auf. So wurde in den vergangenen Jahren immer häufiger von sich dagegen wehrenden Mitbürgern berichtet, welche die Jugendlichen regelrecht beschimpfen und ihrem Unmut in den sozialen Netzwerken kundtaten. Auch vor der seit Jahren laufenden Debatte rund um das ‚Tanzverbot‘ an Ostertagen empfinden viele Mitbürger diese lärmende Kirchentradition als völlig unangemessen.

Und obwohl ich selber gar nicht religiös bin, schon vor fast 30 Jahren aus der Katholischen Kirche ausgetreten bin, empfinde ich dieses alte, kirchliche Brauchtum in meinem Wohnort seit Jahren als angenehm und irgendwie anheimelnd. Für mich gehört das traditionelle ‚Räppeln‘ an Ostern hier in Waltrop einfach irgendwie mit dazu. Es ist schließlich eine Tradition, wie sie nur noch in ganz wenigen, katholisch geprägten Orten und Regionen der Republik gepflegt wird. Für mich ist das ein Stück ‚Heimat‘.

Während der Corona-Pandemie geriet diese Tradition bedenklich in die Krise. Die Anzahl der Teilnehmer sank auch schon davor über die Jahre stetig. Wo früher noch größere Gruppen durch die Straßen kamen um zu ‚räppeln‘ ist es zuletzt häufig nur noch ein einzelner Jugendlicher gewesen, der eine bestimmte Straße in Waltrop ‚abdeckte‘. Nach allem was man so hört, sind in diesem Jahr wieder einige junge, motivierte Kinder neu in den Kreis der ‚Räppler‘ hinzugestoßen. Ich freue mich darüber, wird die Existenz dieses vom Aussterben bedrohten Brauchs so doch zumindest noch um ein paar Jahre hinausgezögert.

Das sehen in den letzten Jahren eben jedoch längst nicht mehr alle Zeitgenossen hier am Ort so positiv. Besonders frisch nach Waltrop Zugezogene tun sich damit häufig sehr schwer, möchten an den wenigen kostbaren Feiertagen nicht zwangsweise von den weniger werdenden Gläubigen so früh geweckt werden. Für Diskussionen werden die Räppler hier ab morgen Früh auf jeden Fall wieder sorgen. Das steht fest.

Nach alter Tradition sammeln die aktiven Räppler am Nachmittag des Karsamstags übrigens von den Bürgern Spenden als Dank für ihren freiwilligen Dienst im Namen der Kirche ein. Früher bestand diese Entlohnung noch traditionell in erster Linie aus Eiern und Obst. Inzwischen wechselt jedoch immer häufiger selbst Bargeld in den Besitz der jungen Katholiken über. Die Zeiten ändern sich halt, ‚geräppelt‘ wird hier aber noch immer nach alter Sitte.

Nach der letzten Runde am Samstagnachmittag wandern die lärmenden Holz-‚Rappeln‘ dann wieder für ein knappes Jahr in den Schrank, die üblichen Kirchenglocken nehmen am Abend wieder ihren regulären Betrieb auf. Die genervten Waltroper können so zumindest am Ostersonntag und Montag wieder vom Krach der jugendlichen Kirchgänger unbeeinträchtigt besser ausschlafen. Alle anderen werden sich, so wie ich, dann schon wieder klammheimlich auf das nächste Osterfest freuen, wenn die ‚Räppler‘ in Waltrop wieder ihren traditionellen Dienst antreten werden, sofern sich noch genügend junge Leute für diese Tätigkeit motivieren lassen.

 

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