RAG-Stiftung: Alle reden übers Personal – Aber wer redet über die mickrige Rendite?

Am Schluss musste Wilhelm Bonse-Geuking ran. Der Mann, der eigentlich schon bei seiner ersten Wahl eher ein Kompromiss-Kandidat war als ein Favorit, wird nun die einflussreichste und politischste Stiftung des Landes noch ein weiteres Jahr führen. Noch immer blockieren sich die beiden Lager im Kuratorium der RAG-Stiftung. Von unserem Gastautor Von Felix Wunderlich. 
Das Land NRW und die Gewerkschaft IGBCE wollen den früheren Wirtschaftsminister Werner Müller als neuen Stiftungschef. Teile der Bundesregierung will ihn nicht – aber kann sich auch nicht auf einen adäquaten Gegenkandidaten einigen. Zwei Sitzungen lang dominierte das Thema bereits und belastete die Vorbereitungen für den Börsengang des Essener Evonik-Konzerns. Politische Eitelkeiten haben schon längst die Oberhand gewonnen. Doch der Politklamauk verdeckt eine viel wichtigere Frage, die bisher niemand ernsthaft gestellt hat: Warum erzielt die Stiftung eigentlich eine so mickrige Rendite, dass dem Steuerzahler schon bald möglicherweise eine neue Milliarden-Lawine droht?
Der Streit um den zukünftigen Vorstandschef der RAG-Stiftung ist längst zum Politikum geworden: Seit Monaten wird für die RAG-Stiftung ein neuer Vorstandschef gesucht. Viele Namen wurden schon genannt, kaum einer brachte Format mit. Nur die wenigsten Manager, die in der Öffentlichkeit genannt wurden, wurden wirklich auch gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, das Amt anzunehmen. Am Geld kann es nicht liegen. Denn angeblich soll laut einem Bericht der WAZ die Arbeit als Vorstandschef der Stiftung, also quasi der Lord Schatzkanzler der Bergbaugeschichte, mit 1,1 Millionen Euro dotiert sein. Und das ist nur das Salär aus der Stiftung. Da der Stiftungschef zugleich noch Aufsichtsratsvorsitzender von Evonik und der früheren Ruhrkohle AG ist, kommt wohl noch ein üppiges Donatation oben drauf. Der Chefsessel der RAG-Stiftung ist damit höher dotiert als der Chefsessel bei der Commerzbank, ThyssenKrupp oder Beiersdorf. Hier verdienten die Konzernlenker im letzten Jahr rund 0,5 Millionen Euro, 1 Millionen und 1,4 Millionen Euro – und das bei einer deutlich höheren beruflichen Belastung.
Der hohen Vergütung bei der RAG-Stiftung, sollte man also meinen, sollte dann aber auch eine entsprechende Gegenleistung gegenüberstehen. Die macht sich bei Managern in der Liga der 30 größten börsennotierten deutschen Aktiengesellschaften, dem Deutschen Aktienindex DAX, unter anderem in der Dividende, der Aktienentwicklung oder den Steigerungen beim Gewinn und beim Umsatz bemerkbar. Doch wie misst man den Erfolg des Chefs der RAG-Stiftung?

Die Stiftung soll, so haben es der Bund und die Länder NRW und Saarland 2007 beschlossen, den deutschen Bergbau sozialverträglich abzuwickeln – und zugleich dafür Sorge tragen, dass die Folgekosten aus mehr als 150 Jahre kommerziellen Bergbaus die Steuerzahler nicht erdrückt. „Die Stiftung wird mit dem Erlös aus der Kapitalisierung der Evonik die Finanzierung der Verpflichtungen aus den Ewigkeitslasten des Bergbaus der RAG Aktiengesellschaft ab 2019 dauerhaft übernehmen“, heißt es auf der Internet-Seite der Stiftung. Schon bei der Gründung wurden Zweifel laut, dass das Finanzierungskonzept solide durchfinanziert ist. Von einer Lücke zwischen 8 und 23 Milliarden Euro wurde gesproche – und doch immer wieder dementiert. Doch in dem Jahr, in dem Evonik an die Börse gebracht werden soll, tauchen diese Rufe aus der Vergangenheit wie unliebsame Zombies aus den Gruften der Skeptiker wieder auf. Laut FAZ vom Samstag zeichnet sich ein Defizit bei den ab 2019 zu tragenden Ewigkeitslasten ab – derzeit „fast 4 Milliarden mehr als bei Gründung erwartet.“ Angeblich wegen niedriger Zinsen und der Preisentwicklung. 4 Milliarden also, für die möglicherweise irgendwann der Steuerzahler aufkommen müsste.

Während sich in Berlin bei der letzten Kuratoriumssitzung der RAG-Stiftugn die beiden Lager fest verankert in der Erde bei der Frage, wer neuer Stiftungs-Chef werden soll, nicht bewegten, wurde auch bekannt: „2011 hat die Stiftung auf ihre Kapitalanlagen 4 Prozent Rendite erwirtschaft“ (FAZ). Wenn dies stimmen sollte, drängen sich gleich drei Fragen unweigerlich auf, die bisher aber offensichtlich im Kuratorium so niemand wirklich gestellt hat: a) „Wieso ist die Rendite so mickrig?“,  b) „Belasten etwa hohe Kosten (inklusive der Vergütung des Vorstandschefs) die Kapitalrendite?“ und c) „Warum verkämpft sich das Kuratorium nicht an diesem Thema?“

Eine Rendite von 4 Prozent im Jahr ist für eine Stiftung in der Tat nicht nur mager. Sie eigentlich mickrig. Einige würden vielleicht sogar von einem „finanziellen Desaster“ sprechen, wenn man Vergleiche mit anderen Stiftungen und Anlageinstrumenten zieht.

Die RAG-Stiftung schneidet  bis zu 5 Mal schlechter ab als Vergleichsstiftungen. Einige Beispiele aus dem letzten Fiskaljahr Juli 2010 bis Juni 2011: Die Stiftung der Yale-Universität erreichte in diesem Fiskaljahr eine Rendite von 22 Prozent. Die Harvard-Stiftung legte nach eigenen Angaben 21 Prozent, die von der Cornell University of Ithaca, New York, um 20 Prozent an Wert zu. Das Vermögen der University of Pennsylvania in Philadelphia stieg um 19 Prozent, das des Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, um 18 Prozent. Und das Fiskaljahr 2010/2011 ist kein Ausreißer: Zwischen 1985 und 2008 erreichte die Stiftung der Yale-Universität im Durchschnitt eine Rendite von fast 17 Prozent  – und das pro Jahr.
Das Brisante für die RAG-Stiftung: Die Leiter dieser Universitätsstiftungen verdienen in der Regel weniger als der Chef der RAG-Stiftung – liefern aber deutlich bessere Renditen ab.

Zugegeben, in der Finanzkrise haben die Renditen der Universitäts-Stiftung auch gelitten, weil viele auch in hochriskante Anlageprodukte investierten. Dies ließ in guten Zeiten die Renditen anziehen. In schlechten Zeiten ging es dann bergab. Doch das relativiert die Diskrepanz der Renditen nicht, wie die Beispiele in Festgeld, Anleihen und Aktienfonds zeigt:

Festgeld: Die niederländische Großbank bietet über ihre Tochter mon@you derzeit ein Festgeld-Zins von 3,05 Prozent pro Jahr an. Laufzeit: 1 Jahr bei 50.000 Euro Anlagevolumen. Die RAG-Stiftung hat derzeit mehr als 2 Milliarden Euro auf der hohen Kante. Gut möglich, dass man an dem Zins mit einem solchen Volumen noch was raushandeln könnte – zumal man auch einen Anlagehorizont von vier bis fünf Jahren eingehen könnte.

Anleihe: Man muss nicht auf Griechenland-Anleihen setzen, um ordentliche Renditen zu erzielen. Weil die Risiken hoch sind, sind derzeit auch die Renditen exorbitant. Man muss aber gar nicht so weit blicken. Ein einfacher Blick vom Sitz der RAG-Stiftung (Essen) auf das Evonik-Haus in der Nähe (Essen) würde höhere Renditen bringen, als derzeit erzielt werden: So bringt es etwa die erste Firmenanleihe der Evonik (Evonik Degussa GmbH Anleihe) mit einer Laufzeit zwischen 2003 und 2013 auf einen Nominalzinssatz von 5,125 Prozent. Noch höher ist der Zinssatz bei der zweiten Anleihe: Die Evonik Industrie Anleihe mit der Laufzeit 2009 bis 2014 hat einen Nominalzinssatz 7 Prozent.

Aktienfonds: Für Anleger, die etwa mehr Mut haben und trotzdem auf Sicherheit setzen, würde selbst ein langweiliger Aktienfonds der Deutschen Bank im letzten Jahr höhere Renditen abwerfen – etwa der Anlagefonds DWS Top Dividende. Das ist etwa ein Ford unter den Anlagefonds – wenig inspirierend, langweiliges Outfit, muffige PS-Zahl. Fährt aber trotzdem  und bringt einen von A nach B. Zwischen April 2011 und April 2012 legte der DWS Top Dividende von 77,3 Euro auf 83,71 Euro zu. Ein Plus von 8,29 Prozent.

Die schwache Rendite-Entwicklung der RAG-Stiftung kann also teuer werden für den Steuerzahler: Wenn 2018 endlich Schicht im Schacht ist, muss die Stiftung für die Folgekosten herhalten – für das Abpumpen des Wassers etwa oder die Folgekosten bei Bergbauschäden und Pensionen. Für die mögliche Differenz zwischen dem dann vorhandenen Vermögen und den Kosten wird dann der Steuerzahler zur Kasse gebeten. Das ist eigentlich die wichtigere Debatte, mit der sich das Kuratorium beschäftigen und der sich Vorstand und das Kuratorium stellen sollte. Doch offenbar hat das bisher niemanden so richtig interessiert.

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Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
12 Jahre zuvor

Ein unseriöses Konzept. Unabhängig von den Pappnasen der Spitze. Wie bitte soll eine Stiftung eine Infrastrukturleistung erbringen? Dazu ist nur ein Unternehmen oder der Staat in der Lage.

Dass Geld Geld erzeugt, mit dem Reales bewegt werden könnte, ist eine abenteuerliche Idee, die nur in Zeiten eines ueberdrehten Finanzkapitalismus geboren werden konnte. Und übrigens ist deshalb – auf lange Sicht – eine Renditeerwartung von 4 Prozent schon mehr als verwegen.

Teekay
Teekay
12 Jahre zuvor

Ich kenne die juristische Konstruktion der Stiftung nicht, daher ist es nicht so einfach zu sagen, wie die Stiftung z.B. Am Kapitalmarkt agieren darf. Meine Vermutung ist, dass Vergleiche mit US-Stiftungen nicht unbedingt zielfuhrend sein dürften. Wie ist denn die Rendite bei anderen deutschen Stiftungen und was machen die anders und besser?

Zeilenluder
Zeilenluder
12 Jahre zuvor

Selbst das Presseversorgungswerk der deutschen Journalisten hat im letzten Jahr eine Rendite von 4,5 Prozent ausgeschuettet…..

Georg Kontakakis
Georg Kontakakis
12 Jahre zuvor

Das Saarland hat gesprochen. Die Rückkehr des Wiedergängers Müller wird unwahrscheinlicher. 🙂

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