Gina Bronner-Martin (50) ist schreibende Juristin und Medienpsychologin und lebt bei Landsberg. Ihre Artikelserie „Recht kurzweilig“ handelt von Themen und Urteilen aus dem Wirtschaftsrecht. Heute geht es um das Hamburger „Link-Urteil“ , und um die Frage ob dieses das Ende des Internets ist.
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg (Az.: 310 O 402/16) zog eine Berichterstattung nach sich, die wenig sachkundig einen gemeinsamen Nenner findet: Wer auf seiner Webseite Links setzt, haftet für alles, was sich hinter diesem Link verbirgt, verborgen hat oder verbergen wird, unabhängig von der Komplexität und Tiefe der Website, auf die verlinkt wird. Dass diese Auslegung falsch, zumindest aber sehr polemisch ist, spielte bei den Medien kaum eine Rolle. Sachlicher wurde die Diskussion damit naturgemäß nicht; die Verunsicherung unter Websitebetreibern wächst.
Der Sachverhalt
Ein unter Creative Commons Lizenz veröffentlichtes Foto war durch Hinzufügen von Ufos grafisch umgestaltet und ohne Zustimmung des Urhebers auf einer Webseite veröffentlicht worden. Auf dieses Foto hatte der Antragsgegner verlinkt. Daraufhin hatte der Urheber beim LG Hamburg eine einstweilige Verfügung mit dem Inhalt beantragt, den Linksetzer zu verurteilen, die Verlinkung auf das urheberrechtswidrig eingestellte Bild zu unterlassen. Das Gericht kam diesem Antrag nach und bezog sich dabei im Wesentlichen auf das Urteil des EuGH (Az. C-160/15; GS Media). Die Linksetzung, so die Richter, stellten eine unberechtigte öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des § 19a UrhG dar. Zudem sei von einer Gewinnerzielungsabsicht des Antragsgegners auszugehen, weil der Link von einer Unternehmenswebseite gesetzt worden sei. Der Betreiber habe die Rechtswidrigkeit der Verlinkung zumindest billigend in Kauf genommen.
Die Entscheidung
Das Entscheidende in diesem hohe Wellen schlagenden Fall ist weniger die Linkhaftung als solche — diese besteht schon länger — , sondern dass sich der Antragsgegner nicht substanziell gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe verteidigt hatte. Mehr noch, er hatte die Entscheidung des LG Hamburg hingenommen, wodurch sie rechtskräftig wurde. Man hätte erwarten können, dass er vorträgt, warum er die Urheberrechtswidrigkeit der verlinkten Inhalte nicht hatte erkennen können. Es scheint bereits in der Theorie unmöglich, jede Verlinkung im Internet daraufhin zu prüfen, ob sie auf Urheberrechtsrelevantes führt, ob Text oder Bild. Ob die Zugänglichmachung des entsprechenden Fotos durch einen Link eine neue Zielgruppe eröffnet und damit die Urheberrechtsverletzung ausgeweitet wird, ist ebenfalls eher als rechtstheoretisches Konstrukt zu werten. Die dritte Frage ist die nach der Gewinnerzielungsabsicht, die gewerblichen Websites quasi per Definition mit dem EuGH-Urteil unterstellt wird. Denn nur für diesen Fall gilt die Linkhaftung, die hier Thema ist.
Das EuGH-Urteil
Auf den Punkt gebracht, wurde die entscheidende Frage dem LG Hamburg nicht gestellt: Ist eine Haftung auch dann gegeben, wenn nicht zu erkennen ist, dass auf der verlinkten Seite unrechtmäßig verwendete Inhalte befinden? Der EuGH hatte in seinem Urteil die Vorlage für diese Frage gegeben: Eine Linkhaftung könne nur dann angenommen werden, wenn bewiesen werden könne, dass der Linksetzer wußte oder erkennen musste, dass der verlinkte Inhalt eine Urheberrechtsverletzung darstelle. Bei gewerblichen Webseiten bestünde zwar eine widerlegbare Vermutung, dass der Verlinkende von der Urheberrechtsverletzung wußte — er hat also eine Prüfungspflicht. Doch bereits der EuGH blieb eine Antwort schuldig, auf welche Weise und in welcher Tiefe geprüft werden soll, ob der Link auf „Legales“ oder „Illegales“ führt. Klar ist, dass ein Link entfernt werden muss, wenn der Urheber dies verlangt — doch eine Haftung für die Obliegenheiten Dritter scheint weit hergeholt.
Der Fehler
Offensichtlich war sich der Antragsgegner der Tragweite des Ganzen nicht bewusst — und löste damit einen vermeintlichen Präzendenzfall aus, den selbst die Anwälte der Antragstellers nun als nicht gewollt bezeichnen. Als maßgeblichen Fehler bezeichnen Experten den folgenden Auszug aus dem Verteidigungsschriftsatz des — nicht anwaltlich vertretenen — Antragsgegners: „(…) Allerdings wäre ich nicht im Entferntesten auf die Idee gekommen, beim dortigen Seitenbetreiber nachzufragen, ob er die entsprechenden Rechte zur Veröffentlichung hat, oder sonstige Nachforschungen zu den urheberrechtlichen Hintergründen des Bildes anzustellen. Das sah ich nicht als meine Aufgabe als Linksetzender an.”
Fazit: Eine Verallgemeinerung des hier besprochenen Falls ist nicht zulässig; ein angemessenes Verhalten auf den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung durch Entfernen des Links und entsprechende Verteidigung hätte die Angelegenheit ohne Aufsehen erledigt.
"Das sah ich nicht als meine Aufgabe als Linksetzender an." Dass eine solche Aussage ein fetter Schuss ins eigene Knie ist, darauf sollte man auch ohne Anwalt kommen.