Rechts gegen rechts – „Die Rechte“ unterstützt in Zukunft (ungewollt) die Beratung für rechtsextreme Aussteiger

Nazisdemo
Rechte Demo gegen das NWDO-Verbot in Dortmund

Das klingt zunächst unglaubwürdig, aber tatsächlich wird „Die Rechte“ im Rat der Stadt Dortmund – wenn auch nicht ganz freiwillig – die Arbeit gegen Rechtsextremismus finanziell unterstützen. Nachdem die Aktion „Rechts gegen rechts“ in Wunsiedel nicht nur finanziell sehr erfolgreich war, sondern sogar international in der Presse gefeiert wurde, haben die Grünen im Rat Dortmund nachgezogen. In Wunsiedel sorgte jeder Marschmeter der rechten Kameraden für eine Spende. In Dortmund wird in Zukunft jede Anfrage der Nazis für ein Plus in der Kasse der politischen Gegner sorgen. Zugute kommt das Geld der Arbeit mit rechten Aussteigern. Konkret in Zahlen: Für jede Anfrage der Rechten wandern 5,00 Euro direkt als Spende an Come Back, eine Beratungsstelle für ausstiegswillige Nazis. Die Idee, dass der vermeintliche Erfolg der Rechten zu ihrem eigenen Misserfolg führt, hat viel Charme.  

Schon ab Dezember wird sich die „Fleißarbeit“ von Dennis Giemsch gegen sich selbst und seine braunen Mitstreiter richten. Giemsch und Konsorten werden praktisch den Ausstieg ehemaliger Gesinnungsgenossen finanziell fördern und unterstützen. Nachdem die „Die Rechte“  in der letzten Ratssitzung gemeinsam mit der NPD den Ratsmitgliedern und der Verwaltung nicht nur mit der absurden Anzahl von 25 Anfragen auf die Nerven gegangen ist, sondern mit einer antisemitischen Anfrage für große Empörung und eine überparteiliche Erklärung gegen die Verunglimpfung der jüdischen Bürger und Bürgerinnen in Dortmund sorgte – war die Schmerzgrenze überschritten.

Braune Flasche, Foto: 2014 Fotolia
Braune Flasche, Foto: Fotolia

Laut Gemeindeordnung hat jedes Ratsmitglied das Recht, Anfragen an die Verwaltung zu stellen – ohne eine Einschränkung der Anzahl. Wer sich also wie die Rechten in Bienchen-Fleiß übt, kann das ungehindert tun. Auch müssen die Fragen von der Verwaltung beantwortet werde. Doch über eine Empörungsrhetorik hinaus, wird es jetzt konkret und schmerzhaft. Werden von „Die Rechte“ demnächst wieder 25 Anfragen eingebracht, geht nach der nächsten Ratssitzung die Summe von 125,- Euro direkt an die Beratung ausstiegswilliger Rechter. Die Grünen hoffen, dass sich noch weitere Fraktionen und Organisationen der Idee anschliessen werden. Damit kann man fast rechnen, denn im Kampf gegen Rechts ist man sich in Dortmund weitestgehend einig. Bei 8 Fraktionen/Gruppen im Rat, läge die Summe dann schon bei 1.000 Euro pro Sitzung – und sollte sich auch die AfD zum Widerstand gegen Diskriminierung hinreissen lassen, wären es sogar 1.125 Euro.

Den richtigen Weg im Umgang mit den Rechten in den Räten zu finden, ist nicht einfach. Ignorieren oder Aufmerksamkeit durch Protest erzeugen? In Dortmund hat man sich entschieden: Auch mit Blick auf den schockierenden Gewaltangriff auf das Rathaus am Wahlsonntag, hatten sich die Fraktionen zu Beginn der neuen Ratsperiode in Dortmund gemeinsam beraten. Man wurde sich einig, den Rechten auf keinen Fall ein Forum für rechte Agitation in dem Lokalparlament zu bieten und den Rechten möglichst wenig Öffentlichkeit zuzugestehen.

Die Absprache sieht zum Beispiel vor, dass die rechten Anfragen „en bloc“ abgewickelt werden und es keine inhaltlichen Diskussion gibt, um den Anfragen (ohnehin ein sehr schwaches politisches Instrument) nicht unnötig Raum in dem demokratischen Gremium zu geben. Die Ratsfraktionen einigten sich mit Oberbürgermeister Ullrich Sierau auch darauf, dass ausschliesslich der OB als Sitzungsleiter die Anfragen kommentiert, mit dem Satz, dass „in Dortmund kein Platz für antisemitisches, rassistisches und diskriminierendes Gedankengut ist“ und er, als Oberbürgermeister der Stadt Dortmund, dies stellvertretend für alle anderen Mitglieder des Dortmunder Rates feststellt.

Dennis Giemsch, NRW-Vorsitzender "Die Rechte", Foto: Ulrike Märkel
Dennis Giemsch, „Die Rechte“, Foto: Ulrike Märkel

Ein gelungener Schachzug ist auch, die rechten Anfragen an das Ende der Tagesordnung zu setzen. Damit landen die Anfragen da, wo sie hingehören: Ganz hinten. Die Versuche von Dennis Giemsch sein rechtes Gesinnungsblabla – mühselig in Frageform gedrechselt – öffentlich an den Mann und die Frau zu bringen, scheitert auf diese Weise. Denn die Redebeiträge zu den Anfragen werden zu einem Zeitpunkt zu hören sein, an dem sich die Zuschauertribune im Ratssaal längst geleert hat. Giemsch wird also keine Zuhörer haben. Die Ratsmitglieder können während dessen die „Rede“-Zeit sinnvoll nutzen, um Vorlagen zu lesen, Mails zu beantworten oder die sanitären Anlagen aufzusuchen. Wie viel Spaß „Die Rechte“ daran haben wird, dauerhaft gegen eine Wand der Ignoranz anzureden, wird sich zeigen.

Sicher ist es klug, im Rat kein eigenes „Lex Giemsch“ zu verfassen. Was der richtige Weg im Umgang mit rechten Ratsmitgliedern ist, wurde bereits in der letzten Legislaturperiode diskutiert. In Dortmund hat man sich für den Weg entschieden, die rechten Ratsleute zu übergehen. Dennoch sollte in Zukunft eines nicht mehr passieren: Das eine antisemitisches Pamphlet schlicht in dem Wust an Anfragen übersehen wird. Denn erst durch den Tweet eines Piraten und den Bericht auf den Ruhrbaronen, ist die antisemitische Hetze ans Licht der Öffentlichkeit gekommen und sorgte danach für bundesweite Schlagzeilen. Hier hätte der Rat aufmerksamer sein müssen, um sich noch vor der entscheidenden Ratssitzung öffentlich positionieren zu können, statt hinterher Erklärungen abzugeben.

Die Spendenkampagne „Rechts gegen rechts“ ist ein weiterer sinnvoller Schritt. Das demokratische Gremium, das von rechten Antidemokraten für Antisemitismus und Rassismus missbraucht wird, zeigt sich wehrhaft. Das vermeintlich scharfe Schwert des Angriffs gegen die Demokratie richtet sich gerade gegen seine Nutzer. Dumm gelaufen, Dennis.

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Chaos
Chaos
10 Jahre zuvor

Diese Idee ist einfach köstlich!

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
10 Jahre zuvor

@Ulrike Maerkel: Was ist eigentlich jetzt so kompliziert daran, diese Fragen von Giemsch bez. Anzahl jüdischer Gemeindemitglieder zu beantworten?

Die Anzahl der Mitglieder der jüdischen Kulturgemeinde in Dortmund ist auf deren Webseiten – nicht versteckt – mit aktuell 3700 angegeben und die Verteilung auf Stadtbezirke könnte ebenso nur die Gemeinde ausgiebig beantworten, denn wirkliche, recherchierbare Pflichtangaben über konkrete Religionszugehörigkeit gibt es nur als Weitergabe des Meldeamtes an das Finanzamt und von da an die jeweilige ö.-r. anerkannte Religionsgemeinschaft, um die jeweiligen Kirchensteuern zu verbuchen. Alles Andere unterliegt der nicht zweckgebundenen Verschwiegenheitspflicht nach deutschem Datenschutz.

Ulrike Märkel
Ulrike Märkel
10 Jahre zuvor

@ Klaus Lohmann: Die Frage faktisch zu beantworten ist kein Problem. Hat ja auch niemand behauptet. Es geht um den politischen Hintergrund solcher Anfragen.

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