Eine echte Ruhrgebietsmetropole war Recklinghausen nie. Die Kreisstadt im Norden des Reviers glänzte stets mit ihrem individuellen Charme und mit ihrer vergleichsweise gepflegten Altstadt, zog damit tausende Besucher aus der gesamten Region an. In meiner Jugend, in den 1980er- und 1990-er-Jahren war ich regelmäßig und gerne zu Gast dort. Mindestens einmal pro Woche machte ich mich von Waltrop aus nach Recklinghausen auf, um dort zu shoppen oder auch um am dortigen Kulturleben teilzuhaben.
Diese Zeiten sind lange vorbei. Inzwischen bietet die Stadt nur noch ein trauriges Bild. Vor etlichen Jahren schon setzte eine Verödung der dortigen Innenstadt ein, wie sie selbst im auf breiter Front kriselnden Ruhrgebiet wohl ihres gleichen sucht.
Natürlich haben auch andere Städte der Region ihre Schwierigkeiten, wie auch wir hier im Blog zuletzt immer wieder beklagt haben, doch in Recklinghausen war die Fallhöhe wohl mit am größten. Ob das trotz oder aufgrund der Eröffnung des umstrittenen ‚Palais Vest‘ vor einigen Jahren der Fall ist, wäre zu diskutieren, soll mich an dieser Stelle heute aber nicht weiter beschäftigen.
Seit einiger Zeit muss ich mich jedenfalls regelrecht ‚zwingen‘ in unsere Kreisstadt zu fahren. Ich tue dies, weil ich einfach aus alter Verbundenheit weiterhin beobachten will, wie es dort weitergeht. Ansonsten könnte ich eigentlich selbst auf die meist einmal im Jahr getätigten Gastspiele dort inzwischen ganz gut verzichten. Es gibt dort einfach nichts mehr, was sich für mich einen Besuch rechtfertigen würde. So traurig diese Feststellung leider auch ist.
Kürzlich machte die Nachricht die Runde, dass der Umbau des ehemaligen Karstadt-Hauses im Stadtzentrum nach vielen Jahren offenbar endlich seiner Vollendung zustrebt. Anlass genug für mich, meinen jährlichen Trip nach Recklinghausen zu planen. Gesagt, getan.
Was ich in dieser Woche in Recklinghausen vorfand war, so viel sei hier direkt zu Anfang verkündet, zumindest nicht trostloser, als das, was mich im Vorjahr dort erwartet und regelrecht entsetzt hatte. Die Anzahl der Leerstände war, so war zumindest mein Eindruck, im März 2023 etwas geringer als zuletzt beklagt. Einige der seit Jahren verwaisten Ladengeschäfte waren mit neuem Leben gefüllt. Immerhin!
Allerdings war bzw. ist das nur vordergründig der Fall. Denn was dort zu finden war, waren überwiegend ‚Notlösungen‘. Pflegedienste, diverse Büros und Sozialkaufhäuser waren in ehemaligen, einst vielfach noch inhabergeführten Geschäften zu sehen. Auffällig auch eine immense Anzahl von ‚Barbershops‘, die ich in dieser hohen Zahl so auch noch nirgendwo gesehen habe. Wirklich attraktive neue Angebote habe ich bei meinem Gang durch die Altstadt nicht entdeckt. Zumindest eben nicht für mich. Aber immerhin, der rasante Niedergang der Vergangenheit erschien erscheint erst einmal gestoppt.
Was mich jedoch nicht überzeugte, war die Neugestaltung des ehemaligen Karstadt-Hauses am Markt. Natürlich sind neue Kaufhäuser in der derzeitigen Lage dort nicht zu erwarten gewesen, doch dass neben einem Hotel und etlichen Wohnungen dort jetzt in erster Linie ein Cafe und ein Aldi-Supermarkt um Kunden werben, das enttäuschte mich sehr. Diese Lösung erscheint mir längst nicht so toll, wie Verantwortliche der Stadtverwaltung und der verbliebenen Kaufmannschaft einen zuletzt an verschiedenen Stellen glauben machen wollten.
Klar, das ist so allemal besser als der bedrückende Leerstand, der einen als Besucher dort über etliche Jahre erwartet hatte, doch anziehend für Besucher aus anderen Städten ist das sicherlich nicht.
Ich habe auch bei meinem jüngsten Rundgang durch Recklinghausen im gesamten Fußgängerzonenbereich kein einziges Geschäft mehr gefunden, das mich in die Innenstadt von Recklinghausen ziehen könnte. Ein Aldi und ein weiteres Cafe in zentraler Lage haben daran nichts geändert.
Die Jubelarien, die zuletzt in Bezug auf die Neunutzung des ehemaligen Kaufhauses medial angestimmt wurden, erscheinen mir reine Augenwischerei zu sein. Und wer nutzt schon ein Hotel in einer Innenstadt, die einem als Auswertigem fast nichts attraktives (mehr) zu bieten hat? Warum sollte man ausgerechnet an einem solch tristen Ort länger bleiben wollen?
Auch in diesem Jahr muss das Fazit in Bezug auf die Recklinghäuser Stadtentwicklung daher negativ ausfallen. Zwar hat sich das Tempo des zuletzt beobachteten Absturzes durch einige neue Ladennutzer und die fortschreitende Sanierung des alten Karstadt-Hauses abgebremst, doch fällt mir nach wie vor kein einziger Grund mehr ein, warum ich im kommenden Jahr wieder häufiger als zuletzt die Fahrt nach Recklinghausen machen sollte.