Recklinghausen: …und es war einmal eine Innenstadt

Recklinghausen hat eine schöne Innenstadt. Fachwerkhäuser, ein paar Kneipen. Wirklich nett. Im letzten Jahr habe ich dort sogar Weihnachtsgeschenke gekauft, aber das tut jetzt nichts zu Sache. Ärgerlich ist, dass wenn Recklinghausen nicht aufpasst, es bald mit der schönen Innenstadt vorbei ist.

Denn in Recklinghausen wollen zwei Investoren Einkaufszentren errichten: mfi aus Essen möchte das eher schangelige Löhrhofcenter zu den Recklinghausen Arcaden ausbauen – und die Verkaufsfläche des Centers von jetzt knapp 10.000 m2 auf über 30.000 m2 ausbauen. Das Duisburger Unternehmen Multi Development (MD), will das Karstadt-Gebäude am Markt kaufen und dort das Quartier am Markt errichten. Gut 6.000 qm2 neue Verkaufsfläche kämen dazu. Vor kurzem hat MD das Forum in Duisburg eröffnet.

mfi plant ein klassisches Einkaufszentrum, MD will sein Quartier stärker der Innenstadt anpassen. Die Arcaden sind so etwas wie eine mfi Marke – es gibt sie schon erfolgreich in vielen Städten.

Beide Investoren haben Gutachter beauftragt, deren Ergebnisse, es wundert nicht wirklich, ihre Auffassungen stärken:

Das mfi Gutachten, erstellt von der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA), bescheinigt den mfi-Plänen, dass  die Stadt mit den Löhrhof-Arcaden einen neuen Kundenmagneten bekommt, der das qualitative und quantitative Angebot in der Recklinghäuser Innenstadt ergänzt.
Als Risken werden die starke Überschneidung mit den vorhandenen Angeboten in der Innenstadt sowie negative städtebauliche Nebeneffekte benannt. GMA empfiehlt, die Recklinghäuser Arcaden kleiner als 30.000 m2 zu bauen, was mfi jedoch als unwirtschaftlich ablehnt.

MD hat gestern sein Gutachten vorgestellt. Es wurde von der CIMA Projekt + Entwicklung GmbH erstellt und die halten schon die 6.000 m2 zusätzliche Verkaufsfläche, die MD plant, für zu viel und raten zu Beschränkungen. MD hat einen Hauptmieter: Karstadt. Die sitzen in einem alten Kaufhaus, in dem die kleinste Etage das Erdgeschoss ist – für Einzelhandel nicht mehr zeitgemäß. Karstadt wird sich wohl aus Recklinghausen zurückziehen, wenn die Arcaden kommen. Seit Jahren schon steht das Kaufhaus auf der Kippe.

Beide Gutachten sind sich sicher, dass ein großer Teil der zusätzlichen Umsätze aus der Recklinghäuser Innenstadt kommen wird – und das auch Städte wie Gelsenkirchen-Buer, Herne oder Haltern noch Kaufkraft an Recklinghausen abgeben werden.

Spricht man mit der Stadt und ihrem Bürgermeister Wolfgang Pantförder ist alles klar: Die Ratsmehrheit hat sich festgelegt: Sie will die Arcaden. Im Dezember soll die Entscheidung im Rat fallen. Die Karstadt Drohung, sich aus Recklinghausen zurückzuziehen, wenn MD nicht bauen darf, zieht bei Pantförder nicht mehr: „Karstadt droht seit über zehn Jahren mit dem Wegzug. Sie können auf ihren Flächen bauen, aber nicht darüber hinaus.“

Gestern hat sich die Werbegemeinschaft relativ deutlich hinter die Pläne von MD und Karstadt gestellt. Der Vertreter der IHK hat gewarnt, eine solche Position zu beziehen: Das Kaufmannschaft sollte sich grundsätzlich überlegen, ob sie ein neuen Einkaufszentrum in Recklinghausen will und wenn ja, wie groß es sein darf, um nicht den Einzelhandel in der Innenstadt zu vernichten. Jetzt soll ein neues Gutachten her, eines, das nicht von einem der beiden Investoren bezahlt wird, sondern von der Stadt, was diese auch heute noch nicht für nötig hält, denn sie verweist auf ein Gutachten von 2005.

In Recklinghausen streiten sie um eine  der letzten intakten Innenstädte im Ruhrgebiet. Wenn sich die Stadt für mfi entscheidet, wird MD nicht investieren und Karstadt Recklinghausen verlassen. Am Marktplatz stünde dann ein vergammeltes Kaufhaus, in dem vielleicht noch ein Ein-Euro-Shop im Parterre wäre.

Entscheidet sich die Stadt für MD und gegen mfi, wird sich mfi aus dem Löhrhofcenter zurückziehen. Es würde weiter vergammeln und das Areal am Rathausplatz weiter hinunter ziehen. Das MD Konzept wäre, alleine weil es kleiner ist und die Umgebung durch Straßenüberdachung besser einbezieht, Innenstadtverträglicher – um den Preis des mittelfristigen Untergangs des Löhrhofcenters.

Egal, wie sich Recklinghausen entscheidet: Es geht um die Zukunft der Innenstadt, darum, wie sie sich in den nächsten 30 Jahren präsentieren wird. Die Stadt sollte vom Gas gehen und ein drittes, neutrales Gutachten in Auftrag geben, wenn es denn so etwas gibt, wie neutrale Gutachter. Wenn sie das nicht tut, handelt sie im hohen Maße unverantwortlich. Es mag ja sein, dass die Stadt weitere, wirtschafliche Gründe hat, mit mfi zu kooperieren – wie die Übernahme der alten Stadthäuser neben dem Löhrhofcenter – nur sollte sie das dann deutlich sagen. Im Augenblick fährt die Stadtverwaltung  in Recklinghausen ein hohes Risiko…die vielen toten Innenstädte im Ruhrgebiet zeigen, was passieren kann, wenn sich die Stadt falsch entscheidet.

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M.Ermlich
M.Ermlich
16 Jahre zuvor

Ich bin ziemlich enttäuscht über den geplantem Bau der Arcaden in Recklinghausen.
Letzte Woche hatte ich mir die Zeit genommen und schaute mir die Modelle im Löhrhofcenter an. Mit großer Sicherheit wird dieser Bau eher abschreckend als einladend auf die Menschen wirken . Der jetzige Zustand ist sicherlich auch nicht ?schön? , aber muss man das Stadtbild von Recklinghausen denn noch verschlimmern? Ich ,als Künstlerin könnte mir durchaus Vorstellen das ein weniger hochmoderner Bau mit farblichen Akzenten und Pflanzen das Stadtbild von Recklinghausen attraktiver gestalten würde. Man sollte das ganze wirklich überdenken und das Geld sinnvoller ausgeben.

Michael K.V.
Michael K.V.
15 Jahre zuvor

Ich finde die Idee von den Arcaden großartig.Recklinghausen ist neben Herne eine der Städte die nicht viel zu bieten haben außer Grünanlagen für Rentner und noch mehr Einfamilienhäuser die gebaut werden.Es gibt keine vernünftige Disco weil sich immer wieder irgendwelche Rentner die Ruhe brauchen dagegen stellen.Ich bin schon froh das Trends eröffnet hat denn bisher gab es hier weder Ostermann noch Ikea.Auch zum shoppen fahre ich lieber nach Essen,Bochum oder ins Centro,weil es hier außer Karstadt keine vernünftigen Geschäfte gibt.Auf dauer wäre Recklinghausen genau so eine langweilige Stadt geworden wie die tote Bahnhofstraße von Herne.Wenn man als Rentner entspannung will,soll man in den Park gehen oder nach Rheinland Pfalz umziehen.
Ich bin froh das wir jetzt auch ein modernes Einkaufscenter bekommen.Endlich gehen wir einmal mit der Zeit,anstatt stehen zu bleiben oder rückwärts zu gehen.

Thomas Hax-Schoppenhorst
15 Jahre zuvor

Guten Abend!
Seit 24 Jahren lebe ich berufsbedingt in Düren, bin aber vom Herzen her immer noch Recklinghäuser!
Ich wohnte in Kindheit, Jugend und Studienzeit in der Kunibertistraße 26. Für meinen Bruder und mich war es stets ein himmlisches Vergnügen, mal eben zum Althoff und dann nach Karstadt zu gehen. Mein Gott, dieses Haus hat meine Kindheit entscheidend geprägt. Da war immer etwas los, und in der Weihnachtszeit war es fast Kult, sich in der Spielwarenabteilung die Augen und auch den Kopf verdrehen zu lassen. Dort tauschte auch einmal meine entschlossene Mutter eine Carrera-Rennbahn um, weil ich sie doch nicht so toll fand – ohne Bon, dafür mit viel Charme …
Als dann das Löhrhof-Center angekündigt wurde, war ich schon als junger Mann skeptisch. Nun stellt sich nach einigen Erneuerungsversuchen heraus, dass es überflüssig wird.
„Aufblähen“ wäre in der Tat eine sehr schlechte Entscheidung! Nein, Karstadt muss bleiben!
Wo soll ich sonst meine Kindheitserinnerungen pflegen? Außerdem wohnt meine liebe, geschätzte Mutter am Holzmarkt. Sie steuert auf die 88 zu, und da ist jeder Meter schon eine Herausforderung. Soll sie allen Ernstes bis zum Löhrhof gehen müssen? Nein!
Recklinghausen ist nun wirklich noch attraktiv – im Vergleich zu den anderen Städten im Ruhrgebiet.
Lassen wir es doch so!
In diesem Sinne!
Thomas Hax-Schoppenhorst
P.S. Lese gerade auch zufällig von der Einstellung der Straßenbahn-Linie 305 nach Herne/Bochum. Mit dieser fuhr ich oft zur Uni! Damals schrie man nach Bussen, heute reißt man die Straßen wieder auf, um der Bahn eine Rückkehr zu ermöglichen. Also: erst denken, dann schalten!

Malte
15 Jahre zuvor

Als ebenfalls ehemaliger Recklinghäuser, jetzt Bueraner, muss ich natürlich auch mal was sagen. Ich fahre zum einkaufen sehr oft nach Recklinghausen, da ich in Buer nicht immer das bekomme was ich brauche. Außerdem kann man in der City bzw. Altstadt viel schöner einen Latte Macchiato genießen als in Buer, so viel dazu 🙂

Die Arcaden finde ich nicht sehr attraktiv, denn wie schon bemerkt wurde, hat Recklinghausen eine der letzten intakten Citys im Ruhrgebiet, wobei das Vest da ‚eh anders ist!

dazu kommt, dass ich den Vorschlag von Karstadt damals viel schöner fand, als die Arcaden:

https://wirtschaftsmagazin-ruhr.de/index.php?id=50&tx_ttnews%5Bpointer%5D=1&tx_ttnews%5Btt_news%5D=451&tx_ttnews%5BbackPid%5D=11&cHash=220dde8ff2

Und:

https://www.multi-development.com/index.php?option=com_project&view=project&project_id=47

Ich glaube allerdings nicht, dass die Klage von gelsenkirchener Seite Erfolg haben wird!

@Michael K.V:

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/6968/umfrage/anzahl-der-rentner-in-deutschland-von-1992-bis-2007/

Sollte man Rücksicht drauf nehmen, oder?

Sven
Sven
3 Jahre zuvor

Es lebe der Mammon.

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